Das Patienten-Dilemma - Heide Neukirchen

Das Patienten-Dilemma

Warum wir nicht die Medikamente bekommen, die wir brauchen
Buch | Hardcover
256 Seiten
2009
Heyne HC (Verlag)
978-3-453-15637-1 (ISBN)
17,95 inkl. MwSt
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Warum wir nicht die Medikamente bekommen, die wir brauchen
60 Milliarden Euro weltweit werden jährlich für die medizinische Forschung ausgegeben, dennoch finden neue Medikamente nur verzögert, überteuert oder gar nicht ihren Weg bis zu uns. Was läuft schief? Heide Neukirchen hinterfragt kritisch die Praxis der Medikamenten-Entwicklung und hat eine beunruhigende Botschaft: Bizarre Bürokratie und unsere risikoscheue Gesellschaft behindern den medizinischen Fortschritt. Die Leidtragenden sind die Patienten.
Unzählige Gesetze und Vorschriften regeln die Entwicklung und Zulassung von Medikamenten. Doch was dem Schutz des Patienten dienen soll, erweist sich zugleich als große Gefahr: Die Verfahren sind derart langwierig, bürokratisch und teuer geworden, dass die akademische Forschung nicht mehr mithalten kann und die Suche nach neuen Medikamenten nahezu allein der Pharma-Industrie überlassen bleibt. Die wiederum kümmert sich nur um das, was in ihrem Interesse liegt. Spannend, verständlich und umfassend beschreibt Heide Neukirchen das Handwerk der Medikamenten-Entwicklung: Sie hat sich in die Behandlungszimmer von Klinikärzten gesetzt, mit Anwälten korrespondiert, die aufstrebenden Forschungsstandorte Indien und China besucht und sich sogar selbst für einen Medikamententest in Deutschland zur Verfügung gestellt. Sie zeigt eine Welt, von der wir kaum etwas wissen, die uns im Ernstfall aber alle betrifft.Forschung mit absoluter Sicherheitsgarantie ist eine Illusion.

Heide Neukirchen ist Wirtschaftsjournalistin und hat unter anderem als Redakteurin beim „manager magazin“, bei „Capital“, der „Wirtschaftswoche“ und der „Welt am Sonntag“ gearbeitet. Seit mehreren Jahren widmet sie sich den Schwerpunkten Pharma und Gesund

Wir saßen etwas ungeduldig auf unseren Stühlen, nachdem sich der Beginn der Vortragsveranstaltung schon um zehn Minuten verzögert hatte. So war Zeit, die schicke junge Dame neben mir zu fragen, wieso sie sich für ein Symposium über die "Rahmenbedingungen der Pharmaindustrie" interessierte. Ihre Antwort war schlicht. Der Forschungsvorstand des Pharmakonzerns Schering war der erste Redner und zugleich ihr Chef. Sie reichte mir ihre Visitenkarte. Ich las unter dem zierlichen Schriftzug ihres Namens "Apotheker, Prüfpräparateservice Schering AG". Meine Sitznachbarin erklärte mir ihren Job. Alle Patienten, die an einer Klinischen Studie zum Test eines neuen Wirkstoffs teilnähmen, müssten pünktlich die Prüfmedikamente bekommen. Das zu gewährleisten sei ihre Aufgabe, zusammen mit 41 Mitarbeitern.
Ich muss bei dieser Antwort ein sehr überraschtes Gesicht gemacht haben. Schering war ein mittelgroßer Arzneimittelhersteller, und dann 42 Beschäftigte, um Arzneien für Studien zu disponieren? Ich hatte damals keine Ahnung von dem Aufwand, der bei Patiententests üblich ist. Heute weiß ich es besser: In großen Konzernen sind Hundertschaften mit deren Organisation völlig ausgelastet. Und weil sie gar nicht alles im eigenen Haus bewältigen können, ist daraus längst ein blühendes Gewerbe entstanden. Mehr als zehn Millionen Patienten und 100 000 gesunde Testpersonen beteiligen sich weltweit pro Jahr an Klinischen Studien. Wie viele Deutsche mitmachen, konnte mir die zuständige Behörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, nicht sagen. 50 000 oder vielleicht doppelt so viele?
Der Staat weiß also zu wenig und der Bürger weiß nahezu nichts über diesen wichtigen Teil des Forschungs- und Medizinbetriebs. Wie sollte er auch? Die Tests umgibt etwas Mystisch-Unheimliches. Die Experten verständigen sich mit geheimnisvollen Abkürzungen und Begriffen, als handele es sich um eine Geheimwissenschaft. Ich beschloss, ein Buch über Klinische Studien für all diejenigen zu schreiben, die weder Mediziner noch Mikrobiologen oder Pharmazeuten sind, sondern Konsumenten von Arzneimitteln.
Drei Ereignisse bestärkten mich in meinem Vorhaben:
Gynäkologen haben jahrelang Patientinnen in den Wechseljahren Hormonpillen verschrieben. Plötzlich stellte sich in einer großen Studie heraus, dass diese Präparate alles andere als harmlos waren. Warnungen vor Brustkrebs erreichten die Wartezimmer. Wie konnte es passieren, dass weder Ärzte noch Statistiker Verdacht geschöpft hatten?
Eine andere dramatische Meldung kam aus London. Sechs junge Männer gerieten während einer Studie mit Antikörpern der Würzburger Firma TeGenero in akute Lebensgefahr. Die Versuche an Ratten waren reibungslos verlaufen. Sind solche Experimente für die Katz, wie die Tierschützer immer behaupten?
Die Ausstrahlung des TV-Films "Eine einzige Tablette" über die Contergan-Katastrophe erregte bundesweit Mitleid und weckte alte Ängste: Könnte sich ein solches Desaster wiederholen, oder sind die Hürden heute hoch genug, um eine derartige Tragödie mit missgebildeten Neugeborenen auszuschließen?
Ich habe mehrere Monate im In- und Ausland recherchiert und 16 lange Tage als "Versuchskaninchen" an einer Klinischen Studie teilgenommen. Ich war nicht überall willkommen. Der Darmstädter Pharmakonzern Merck bot mir an, meine Fragen von der Pressestelle beantworten zu lassen, Gesprächspartner stünden nicht zur Verfügung. Im größten Militärkrankenhaus von Peking war ebenfalls kein Termin möglich. Ich durfte mir in der Eingangshalle die 600 Fotos der praktizierenden Ärzte in Uniform ansehen, dann mussten mein Dolmetscher und ich das Gebäude verlassen. Mit Hilfe meines chinesischen Netzwerks kam aber doch noch ein interessanter Ortstermin im Krankenhaus der Pekinger Universität zustande. Prüfärzte in Deutschland hatten nichts gegen Publizität, doch Stress und Überarbeitung sind in hiesigen Kliniken ein Dauerzustand. Termine wurden h

Erscheint lt. Verlag 26.2.2009
Sprache deutsch
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 436 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Schlagworte Arzneimittel • Patienten
ISBN-10 3-453-15637-4 / 3453156374
ISBN-13 978-3-453-15637-1 / 9783453156371
Zustand Neuware
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