Die dunklen Gassen des Himmels (eBook)

Bobby Dollar 1

(Autor)

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2013 | 1. Auflage
573 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-10573-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die dunklen Gassen des Himmels -  Tad Williams
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Bobby Dollar ist ein Engel - und als Engel weiß er so ziemlich alles über die Sünden der Menschen. Er ist nämlich Anwalt für die jüngst Verstorbenen, um die zwischen Hölle und Himmel erbittert gekämpft wird. Neben seinen Geschäftsreisen zu den Opfern von Autounfällen, zu plötzlich an einer Herzattacke Verstorbenen treibt Bobby Dollar sich viel in himmlischen Bars und Vergnügungslokalen herum. Alles geht seinen gewohnten Gang, bis eines Tages die Seele eines Toten verschwunden ist. Hat »die andere Seite« sie gestohlen - der Anwalt der Hölle? Waren es Hintermänner im Himmel? Ein neues Kapitel im Krieg zwischen Himmel und Hölle beginnt, und der Engel Bobby steckt mittendrin ...

Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Der letzte König von Osten Ard, bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.

Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Der letzte König von Osten Ard, bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.

1
SO SICHER WIE DAS AMEN
IN DER KIRCHE


Fangen wir mit dem Anfang an. Dann wird es klarer. Nicht gerade glasklar, aber wohl doch klarer.

An dem Abend, als alles begann, waren so ziemlich alle in der Bar – Monica Naber, der hünenhafte Sweetheart, Jung Elvis und überhaupt der Ganze Kaputte Chor. Na ja, mal davon abgesehen, dass Kool Filter wegen der neuen Verordnung drunten bleiben und auf dem Gehweg rauchen musste. Ja, manche von uns Engeln rauchen. (Ich hab’s auch mal getan, hab’s aber aufgegeben.) Unsere Körper sind schließlich nur geliehen, und unsere Angst vor dem Sterben hält sich in Grenzen. Jedenfalls war es ein ziemlich normaler Februarabend im Compasses, bis mein Freund Sam hereinkam, im Schlepptau einen Mantel voll Frischfleisch.

»Scheiß auf die Armen und ihre ewigen Ausreden«, begrüßte er die gesamte Gaststube. »Spendier mir jemand einen Drink!« Er schleppte dieses junge Bürschchen, das ich noch nie gesehen hatte, zu uns rüber und drückte es auf den Stuhl neben mir. »Hier ist jemand, den du kennenlernen musst, Kid«, sagte er. »Darf ich vorstellen, Bobby Dollar, König der Arschlöcher.« Sam ließ sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Bürschchens fallen. Der Jüngling war eingeklemmt, aber noch keineswegs panisch. Er zeigte mir so ein Freut-mich-Lächeln – breit, dümmlich und ein bisschen zu zuckersüß. Ansonsten war er dünn, blass und irgendwie nerdig, mit einem Haarschnitt, den jeder Nicht-Engel mit einem »Wie kann eine Mutter so was tun!« quittiert hätte. Ein Anfänger mit einem Haufen Theorien im Kopf, dachte ich, aber wenn er mit meinem Kumpel Sam herumhing, standen ihm ein paar harte Lektionen in praktischer Theologie bevor.

»Wer ist denn dein kleiner Freund, Sammy?« Ich wusste, der Junge war einer von uns – wir erkennen einander –, aber einen Körper zu tragen, schien er eindeutig nicht gewohnt. »Amateur oder hospitierender Profi?«

Junior setzte sofort das auf, was ich im Stillen das Intelligenter-Hund-Gesicht nenne: Ich weiß nicht, was du da redest, aber ich werde garantiert so tun, als wüsste ich’s. Es beeindruckte mich auch nicht viel mehr als sein nervöses Grinsen.

»Rate mal.« Sam reckte den Hals. »Hey, Slowpoke Rodriguez«, rief er Chico dem Barmann zu, »wie kommt’s, dass du umsonst meinen Schwanz lutschen, mir aber nicht mal für Geld einen Drink machen willst?«

»Klappe, Riley, du langweilst mich«, sagte Chico, legte aber sein Barhandtuch weg und drehte sich zum Gläserschrank um.

»Sammy-Boy, du bist ja noch charmanter als sonst«, bemerkte ich. »Also, wer ist das hier? Ich nehme mal an, ein Trainee.«

»Was soll er denn sonst sein, B? Riecht er nicht drei Meilen gegen den Wind nach dem Haus?« So bezeichnet Sam das, was die meisten Leute »Himmel« nennen würden – meist in der Formulierung »droben im Haus.« Was so viel heißt wie: Wir hier schuften in den Plantagen.

»Echt?« Monica Naber am Nachbartisch erhob sich mit solcher Grazie, als hätte sie nicht schon seit Sonnenuntergang Tequila Slams getrunken. »Habt ihr das gehört, Leute? Wir haben einen Frischling!«

»Oh, yeah!«, kam es von Jung Elvis. Er war jetzt zwei Jahre der Neue gewesen und offensichtlich hocherfreut. »Nehmt den Newbie richtig in die Mangel.«

»Halt den Rand«, sagte Walter Sanders, ohne von seinem Glas aufzublicken. »Nur weil du so ein dämlicher Neuling warst, müssen nicht alle so sein.«

Sams Jüngelchen zappelte auf dem Stuhl neben mir. »Ich bin nicht ganz neu …«

»Ach?« Jetzt sah Sanders auf. Er hat etwas sehr Intensives und starrte das Bürschchen jetzt an, als wollte er es sezieren. »Wo hast du Schutzengeldienst gemacht? Wie lange?«

»Schutzengeldienst? Aber … ich …« Der Junge blinzelte. »Ich war im Archiv …«

»Archiv?« Sanders machte ein Gesicht, als hätte er vergammelte Milch getrunken. »Du warst Aktenschwengel? Und jetzt bist du Verteidiger? Glückwunsch – das ist ja ein ganz schöner Sprung.«

Wie auf ein Stichwort knallte Chico die Registrierkasse zu, wobei diese laut »Ding!« machte. »Daddy«, sagte Sam mit piepsiger Kinderstimme, »unsere Lehrerin hat gesagt, immer wenn ein Glöckchen klingelt, bekommt ein Engel seine Flügel.«

»Seid nicht so gemein«, sagte Monica Naber. »Der Junge kann doch nichts dafür.«

Junior schien dankbar für den Beistand, doch es gab da ein paar Dinge, die er nicht wusste. Das Problem ist: Monicas Logik kann gnädig sein, sie kann aber auch gnadenlos sein. Frauen, selbst weibliche Engel, sind manchmal viel kaltherziger als Männer.

Das allgemeine Interesse legte sich, und die meisten Gäste wandten sich wieder ihren Privatunterhaltungen oder ihren einsamen Grübeleien zu. Sam ging sich seinen Drink holen. Ich musterte das neue Jüngelchen, das jetzt nicht mehr grinste, als ob alles ganz super wäre. »Also, wie bist du hier gelandet?«, fragte ich. »Wer hat für dich Strippen gezogen?«

»Wie bitte? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«

»Hör mal, du weißt doch, was wir machen, oder?«

»Als Anwälte? Klar.« Er nickte emphatisch. »Ich freue mich sehr drauf …«

»Halt den Mund und versuch mir zu folgen. Wie bist du aus dem Stand zu einem Job gekommen, den die meisten von uns erst nach Jahren kriegen?«

Er schaute wie ein Kitz im Scheinwerferkegel. »Ich … ich weiß nicht. Sie haben mir einfach gesagt …«

»Ach ja? Und wer fördert deine Karriere? Jemand muss es tun. Denk mal scharf nach.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

Sam kam mit zwei Getränken zurück, einem Schnapsglas, gefüllt mit verschiedenen Sorten Cocktail-Bitter plus einem großzügigen Spritzer Tabasco, und einem Root Beer zum Runterspülen. Sam ist jetzt schon ein paar Jahre trocken. Was ihn aber nicht dran hindert, Stammgast im Compasses zu sein. »Heult er schon, B?«

»Nein, aber ich arbeite dran. Wo hast du diesen Waschlappen her, Sammy?«

»Ich war gerade droben im Haus. Die haben ihn mir ans Bein gebunden.« In seiner Tasche vibrierte es. »Shit. Kundschaft, jetzt schon?« Er starrte missmutig auf sein Handy, kippte dann den Bitter-Cocktail und sog Luft durch die Zähne, als hätte man ihm Kerosin auf seine edelsten Teile gekippt. »Kommst du mit?«, fragte er mich. »Tu mir den Gefallen. Du kannst unserem Engelazubi Clarence hier alles erklären.«

»Clarence?« Ich zuckte zurück. »So heißt er doch nicht wirklich, oder?«

»Das ist nicht mein Name!« Zum ersten Mal zeigte der Youngster ein bisschen Mumm. So gefiel er mir schon etwas besser.

»Yeah, aber den Namen, den sie mir gesagt haben, weiß ich nicht mehr, also nenne ich dich Clarence«, erklärte Sam. Er leerte sein Root Beer und wischte sich dann den Mund mit dem Handrücken, so wie einst, als er seinen vorigen Körper zu Tode gesoffen hatte. »Gehen wir.«

»Lassen Sie das. Ich heiße nicht Clarence, ich heiße Haraheliel.« Das Bürschchen war jetzt gaaanz tapfer – ein richtiger kleiner Soldat. »Mein Arbeitsname ist Harrison Ely.«

»Okay. Also bleibt’s bei Clarence«, sagte ich. »Sam, meine Kutsche oder deine?«

»Ich stehe halb auf dem Gehweg, und bis jetzt hat’s noch keiner gemerkt, also sollten wir wohl lieber meinen nehmen.«

Es war nicht so leicht, Sams langweiligen Dienstwagen auszuparken – ein Lkw stand schräg davor, und bis wir den Wagen rausgezwängt hatten, hing einiges von Sams Lack an der Stoßstange des Lasters. Wenn es meine Karre gewesen wäre, hätte ich getobt, aber Sam macht sich nicht viel aus Autos.

»Wo ist es?«, fragte ich ihn, als wir in die Main Street einbogen, eine der belebtesten Straßen von Downtown-Jude, geprägt durch das Aufeinandertreffen von Handel und Wandel, miserabler Straßenkunst und Weltklasse-Bettelei. Der Junge mühte sich, den lange nicht mehr benutzten Gurt zwischen den Rücksitzen herauszufummeln. Der größte Teil der bekannten Skyline erhob sich hinter uns, aber die glitzernden Türme der Küstenstraße zeichneten sich ein Stück weiter nördlich ab, und vor uns ragten die Silhouetten der Hafenkräne auf, grell illuminiert und so bizarr wie eine Flotte außerirdischer Landefähren.

»Am Wasser«, sagte Sam. »Pier 16, genau gesagt.«

»Wasserleiche?«

»Wasserleiche, quasi. Erst vor ein paar Minuten im Wasser gelandet. Wahrscheinlich gerade erst hinübergegangen.«

»Jemand, den ich kenne?«

»Alte Schachtel namens Martino. Sagt dir das was?«

Noch während ich den Kopf schüttelte, meldete sich das Bürschchen vom Rücksitz. »Es ist schrecklich, so über ein einzigartiges menschliches Wesen zu reden.«

Engel, rief ich mir in Erinnerung. Wir sind Engel. Und Engel sind geduldig.

Der Hafen von San Judas nimmt etwa zehn Quadratmeilen an der Südwestküste der San Francisco Bay ein. Der Wagen lag im öffentlichen Gebiet, ein durchbrochenes Holzgeländer markierte die Stelle, wo er in die leere Verladebahn gerauscht war. Scheinwerfer bohrten sich durchs Dunkel, malten Lichtkleckse auf die Wände der Hafenmeisterei und ließen das Bay-Wasser leuchten wie Jade.

Auf dem Pier sah es aus, als wären Hafenpolizei und normale Polizei in ziemlicher Hektik eingetroffen, auch zwei Abschleppwagen und ein Feuerwehrauto standen da rum. Drunten im Wasser war soeben ein Hafentaucher aufgetaucht, der Drahtseile an irgendetwas befestigt hatte; auf sein Daumenzeichen hin begannen die Winden...

Erscheint lt. Verlag 24.7.2013
Reihe/Serie Bobby Dollar
Übersetzer Cornelia Holfelder-von der Tann
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Engel • Fantasy • High Fantasy • Himmel • himmer • Hölle • Roman • Teufel
ISBN-10 3-608-10573-5 / 3608105735
ISBN-13 978-3-608-10573-5 / 9783608105735
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