Die Seele des Königs (eBook)

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2014 | 1. Auflage
448 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-11352-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Seele des Königs -  Brandon Sanderson
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Wenn Magie den Lauf der Zeit verändert
In einer Welt, in der Magie und Schicksal untrennbar mit der Stadt Elantris verbunden sind, erzählt Brandon Sanderson die einzigartige Geschichte einer jungen Assassinin, die auf frischer Tat ertappt wurde und nun zum Tode verurteilt werden soll. Doch schon bald erkennt der königliche Berater, dass ihre besonderen magischen Fähigkeiten vielleicht die einzige Rettung für das Königreich sind ...

Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit fantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Mit den »Sturmlicht-Chroniken«, seinem großen Epos um das Schicksal der Welt von Roschar, erobert er regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten und begeistert auch in Deutschland viele Zehntausende Fans. Er wird bereits als der J. R. R. Tolkien des 21. Jahrhunderts gepriesen. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah.

TAG DREI

Als Shai am nächsten Tag gebadet, gegessen und zum ersten Mal seit ihrer Gefangennahme gut geschlafen hatte, klopfte es an ihrer Tür.

Sie hatten ihr ein eigenes Zimmer gegeben. Es war winzig und vermutlich das tristeste im gesamten Palast, und es roch schwach nach Schimmel. Natürlich war sie die ganze Nacht hindurch von Wächtern beobachtet worden, und wenn ihre Erinnerung an den Grundriss des riesigen Palastes sie nicht trog, befand sie sich in einem der ruhigsten Flügel, der hauptsächlich zur Lagerung benutzt wurde.

Aber es war besser als eine Zelle – wenn auch nur ein wenig.

Als es klopfte, hob Shai den Blick von dem alten Zederntisch des Zimmers. Vermutlich war er schon länger nicht mehr eingewachst worden, als Shai an Jahren zählte. Einer ihrer Wächter öffnete die Tür und ließ den alten Schlichter Gaotona herein. Er trug eine Kiste, die zwei Handspannen breit und einige Zoll hoch war.

Shai eilte auf ihn zu, was ihr einen bösen Blick von Hauptmann Tzu einbrachte, der neben dem Schlichter stand. »Halte Abstand von Seiner Gnaden«, knurrte Tzu.

»Oder was sonst?«, fragte Shai und nahm die kleine Kiste entgegen. »Willst du mich abstechen?«

»Eines Tages werde ich mir einen Spaß daraus machen, dich …«

»Ja, ja«, sagte Shai, ging zurück zum Tisch und klappte den Deckel der Schachtel auf. Darin lagen achtzehn Seelenstempel mit glatten, ungravierten Köpfen. Sie verspürte eine starke Erregung, nahm einen der Stempel heraus und betrachtete ihn.

Sie hatte ihre Brille zurückbekommen und musste nicht mehr blinzeln. Außerdem trug sie nicht länger dieses schäbige und schmutzige Kleid, sondern einen viel besser passenden glatten, roten Rock in Wadenlänge sowie eine geknöpfte Bluse. Die Erhabenen mochten es als unmodisch ansehen, denn bei ihnen herrschten altertümlich wirkende Roben vor. Shai fand sie schrecklich. Unter der Bluse trug sie ein enges Hemd aus Baumwolle, und unter dem Rock steckte eine eng sich anschmiegende halblange Hose. Eine Dame konnte nie wissen, wann sie ihre äußere Kleidungsschicht von sich werfen musste, weil sie für den Anlass unpassend geworden war.

»Das ist guter Stein«, sagte Shai über das Material zwischen ihren Fingern. Sie nahm einen ihrer Meißel heraus, dessen Spitze fast so fein wie eine Nadel war, und kratzte über die Stempelfläche. Es war wirklich ein sehr guter Seelenstein; er war leicht und exakt zu gravieren. Seelenstein war fast genauso weich wie Kalk, aber er platzte nicht ab, wenn er angekratzt wurde. Man konnte ihn mit großer Präzision bearbeiten und dann seine Spitze anzünden, was ihn härtete und widerstandsfähiger als Quarz machte. Die einzige Möglichkeit, einen noch besseren Stempel zu erlangen, bestand darin, ihn gleich aus Kristall zu schneiden, was aber unglaublich schwierig war.

Als Tinte hatte man ihr den Extrakt des roten Tintenfisches bereitgestellt, gemischt mit einer kleinen Menge Wachs. Jede frische organische Tinte würde ihren Zweck erfüllen, aber tierische war besser als pflanzliche.

»Hast du … eine Vase aus dem Korridor draußen gestohlen?«, fragte Gaotona und runzelte die Stirn, als er einen solchen Gegenstand an der Seitenwand ihres kleinen Zimmers entdeckte. Tatsächlich hatte sie eine der Vasen auf dem Weg von ihrem Bad mitgenommen. Einer ihrer Wächter hatte sie daran zu hindern versucht, aber Shai hatte ihn wortreich davon abgebracht. Dieser Wächter errötete nun.

»Ich war neugierig auf die Fähigkeiten Eurer Fälscher«, sagte Shai, stellte die Werkzeuge ab und hob die Vase auf den Tisch. Sie legte sie auf die Seite, sodass der Boden mit dem roten, in den Ton eingedrückten Siegel sichtbar wurde.

Ein Fälschersiegel war leicht zu finden. Es war nicht nur ein Abdruck auf der Oberfläche eines Objekts, sondern sank in das Material ein und erschuf ein Muster aus roten Mulden. Der Rand des runden Siegels war ebenfalls rot, aber leicht erhaben, wie ein Prägedruck.

Man konnte anhand der Art des Siegels eine Menge über die Person in Erfahrung bringen, die es angebracht hatte. Dieses hier verbreitete zum Beispiel eine sterile Atmosphäre. Es war keine wahre Kunst und stand im Gegensatz zu der detailreichen und zarten Schönheit der Vase selbst. Shai hatte gehört, dass die Fraktion des Erbes sich nur schlecht ausgebildeter Fälscher bediente, die diese Gegenstände auf die gleiche Weise herstellten wie die Männer, die in einer Fabrik Schuhe am Fließband nähten.

»Unsere Arbeiter sind keine Fälscher«, sagte Gaotona. »Diesen Ausdruck benutzen wir nicht. Sie sind Erinnerer.«

»Das ist dasselbe.«

»Sie berühren die Seele nicht«, sagte Gaotona streng. »Außerdem drücken wir damit unsere Wertschätzung der Vergangenheit aus und wollen niemanden betrügen oder hintergehen. Unsere Erinnerer verhelfen den Menschen zu einem besseren Verständnis ihres Erbes.«

Shai hob eine Braue. Sie nahm Hammer und Meißel und setzte sie in spitzem Winkel an den erhabenen Rand des Siegels unter der Vase. Es widerstand zunächst – es steckte Macht in ihm, denn es versuchte, an Ort und Stelle zu bleiben – aber schließlich brach es. Es hob sich aus dem Ton, die Mulden verschwanden, es wurde zu einfacher Tinte und verlor seine Macht.

Sofort verblassten die Farben der Vase, bluteten zu mattem Grau aus, und ihre Umrisse verwarfen sich. Ein Seelenstempel veränderte nicht nur das Aussehen der Dinge, sondern schrieb die Geschichte eines Gegenstandes neu. Ohne den Stempel war die Vase ein schreckliches Stück Töpferarbeit. Wer immer es gemacht hatte, hatte keine Mühe auf das Endprodukt verwandt. Vielleicht hatte er gewusst, dass es Teil einer Fälschung werden sollte. Shai schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem unvollendeten Seelenstempel zu. Er war nicht für den Kaiser gedacht – so weit war sie noch lange nicht –, das Schnitzen half ihr lediglich beim Denken.

Gaotona gab den Wachen das Zeichen zum Verlassen des Zimmers; nur Tzu blieb an seiner Seite. »Du bist mir ein Rätsel, Fälscherin«, sagte Gaotona, sobald die anderen beiden Wächter gegangen waren und die Tür hinter sich geschlossen hatten. Er setzte sich auf einen der beiden wackligen Stühle. Zusammen mit dem gesplitterten Bett, dem uralten Tisch und der Truhe mit Shais Habseligkeiten bildeten sie die spärliche Möblierung des Raumes. Das einzige Fenster hatte einen verzogenen Rahmen, der die Zugluft hereinließ, und sogar die Wände hatten Risse und Spalten.

»Ein Rätsel?«, fragte Shai, hielt sich den Stempel dicht vor die Augen und betrachtete ihre Arbeit eingehend. »Was für ein Rätsel?«

»Du bist eine Fälscherin. Deshalb können wir dich nicht unbeaufsichtigt lassen. Du würdest weglaufen, sobald du einen Fluchtweg entdeckt hast.«

»Dann lasst die Wächter bei mir«, sagte Shai und schnitzte noch ein wenig an dem Stein herum.

»Entschuldigung«, erwiderte Gaotona, »aber ich bezweifle, dass es lange dauern würde, bis du sie entweder bestochen oder bedroht oder gar erpresst hast.«

Tzu versteifte sich neben ihm.

»Ich will dich damit nicht beleidigen, Hauptmann«, sagte Gaotona. »Ich setze großes Vertrauen in deine Leute, aber wir haben hier eine Meisterbetrügerin, eine Lügnerin und Diebin vor uns. Deine besten Wächter würden irgendwann zu Lehm in ihren Händen werden.«

»Danke«, sagte Shai.

»Das war kein Kompliment. Was du und deinesgleichen berühren, ist verdorben. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil ich dich einen ganzen Tag unter der Aufsicht Sterblicher gelassen habe. Nach alldem, was ich über dich weiß, könntest du sogar die Götter selbst um den Finger wickeln.«

Sie arbeitete weiter.

»Ich darf nicht einmal darauf vertrauen, dass Fesseln dich halten werden«, sagte Gaotona leise, »denn damit du an unserem … Problem arbeiten kannst, müssen wir dir Seelenstein zur Verfügung stellen. Du könntest deine Fesseln in Seife verwandeln und dann lachend in der Nacht entkommen.«

Diese Aussage verriet natürlich völlige Verständnislosigkeit, was die Funktionsweise der Fälscherei betraf. Eine Fälschung musste glaubhaft und wahrscheinlich sein, sonst wirkte sie nicht. Wer würde Fesseln aus Seife herstellen? Das wäre doch lächerlich.

Allerdings könnte es ihr gelingen, die Herkunft und Zusammensetzung der Kette herauszufinden und dann das eine oder das andere umzuschreiben. Sie könnte die Vergangenheit der Kette fälschen und festlegen, dass eines ihrer Glieder schlecht geschmiedet worden war, was...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2014
Übersetzer Michael Siefener
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Emperor's Soul, Infinity Blade - Awakening, Legion
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Brandon Sanderson • Brandon Sanderson, High Fantasy, Science Fiction, Elantris, Legion, Emperor's Soul, Infinity Blade, Novellen • eBooks • Elantris • Emperor's Soul • Fantasy • High Fantasy • Infinity Blade • Legion • Novellen • Science Fiction
ISBN-10 3-641-11352-0 / 3641113520
ISBN-13 978-3-641-11352-0 / 9783641113520
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