Schwerkraft (eBook)

Roman - Mit einem wissenschaftlichen Anhang von Uwe Neuhold

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
784 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-13921-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwerkraft -  Hal Clement
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Willkommen auf Mesklin!
Stellen Sie sich eine Welt vor, auf der die Schwerkraft nahezu siebenhundertmal so stark ist wie auf der Erde. Eine Welt, auf der dennoch intelligentes Leben existiert, doch winzige Höhen unterschiede bereits gähnenden Abgründen gleichen. Der Planet Mesklin ist so eine Welt - und einer der Bewohner, der Forscher Barlennan, macht sich auf den Weg zum Äquator, um dort ein unerhörtes Ereignis zu untersuchen: Ein Raumschiff der Erde ist auf Mesklin gelandet ...

Hal Clement, eigentlich Harry Clement Stubbs, wurde 1922 in Somerville, Massachusetts geboren und studierte Chemie und Astronomie an den Universitäten Boston und Harvard. Seit den 1940er Jahren schrieb er Science Fiction unter dem Pseudonym Hal Clement. Seine Romane 'Die Nadelsuche' und 'Schwerkraft' gehören zu den Klassikern des Genres. Hal Clement starb 2003.

1   Wintersturm

Der Wind brauste über die Bucht wie ein rasendes, ungebärdiges Lebewesen. Er fegte über die Meeresoberfläche, sodass kaum noch zu erkennen war, wo das Meer aufhörte und der Himmel begann. Er versuchte, Wellenberge aufzutürmen, unter denen die Bree zerschellt wäre. Doch die Wellen zerstoben zu feiner Gischt, bevor sie eine Höhe von dreißig Zentimetern erreicht hatten.

So nässten nur die Spritzer der Gischt Barlennan, der sich auf dem Achterdeck der Bree hingekauert hatte. Sein Schiff lag sicher am Strand, eine Maßnahme, die er sofort getroffen hatte, als feststand, dass sie hier überwintern würden. Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl. Dieser ungewöhnlich hohe Seegang übertraf alles, was er jemals auf See erlebt hatte. Auch der Gedanke, dass das fehlende Gewicht, das den hohen Wellengang erlaubte, die Wogen gleichzeitig daran hinderte, das Schiff ernstlich zu beschädigen, auch wenn sie noch so hoch den Strand hinaufrollten, konnte ihn nicht wirklich beruhigen.

Barlennan war im Grunde nicht abergläubisch, doch hier, am »Rande der Welt«, konnte man nie voraussehen, was geschehen würde. Selbst die Mannschaft, die sonst kaum durch etwas zu beeindrucken war, äußerte ihr Unbehagen. Irgendetwas stimme hier nicht. Hier ginge es nicht mit rechten Dingen zu, flüsterten sie untereinander. Wer könne schon mit Bestimmtheit sagen, welche Macht, die die wütenden Winterstürme Tausende von Kilometern über diese Welt jagte, jenseits des »Randes« auf sie lauerte. Nach jedem Unglück wurde das Gemurmel lauter, und Unfälle geschahen immer wieder. Dem Kommandanten war klar, dass jemand, der an sein normales Körpergewicht von etwa 270 Kilogramm gewöhnt war, stattdessen aber plötzlich nur noch etwas mehr als ein Kilogramm wog, einen Fehlgriff tun konnte. Anscheinend war ein gewisses Maß an Bildung oder die Fähigkeit zu logischem Denken vonnöten, um mit diesem Umstand fertigwerden zu können.

Selbst Dondragmer, der die Gefahr an sich kennen musste … Barlennans langer Körper zog sich zusammen, und er brüllte schon einen Befehl, bevor er wirklich begriff, was auf dem übernächsten Deck vor sich ging. Der Maat beabsichtigte offensichtlich in diesem Augenblick, die Verankerung eines Mastes zu überprüfen, und nutzte die niedrige Schwerkraft aus, um seinen Körper zu fast voller Länge aufzurichten. Immer noch war es ein beeindruckender Anblick, ihn mit aufgerichtetem Körper auf seinen sechs Hinterbeinen balancieren zu sehen, obwohl den meisten Mannschaftsmitgliedern der Bree inzwischen solche Tricks geläufig waren. Doch nicht allein diese Tatsache beunruhigte Barlennan. Bei einem Gewicht von gerade einem Kilogramm genügte die kleinste Brise, um jemanden vom Deck zu wehen. Und wenn man sechs Beine gerade zum Gehen benutzte, konnte man sich wohl kaum irgendwo festklammern. Schon der nächste Windstoß konnte … Aber das Tosen des Sturmes hätte selbst den lautesten Befehl übertönt. Der Kommandant wollte gerade über die nächste Pufferzone zum anderen Deck hinüberkriechen, als er erkannte, dass der Maat sich mit einigen Seilen gesichert hatte und ebenso an Deck verankert war wie der Mast.

Barlennan entspannte sich. Ihm wurde bewusst, weshalb Don dieses gefährliche Kunststück vorführte. Einerseits war es eine Trotzreaktion gegenüber den Naturgewalten, die diesen Sturm entfesselt hatten, andererseits wollte er mit seinem Wagemut die Mannschaft beeindrucken.

Braver Kerl, dachte Barlennan und schaute wieder aufmerksam auf die Bucht hinaus.

Niemand hätte genau sagen können, wo der Strand verlief, denn in hundert Metern Umkreis um die Bree versperrten weiße Gischt und heller Sand, die der Sturm aufwirbelte, die Sicht. Selbst die Konturen des Schiffes verschwammen, als schwere Methantropfen gegen den Gesichtsschutz des Kommandanten klatschten. Wenigstens schien das Deck unter seinen Füßen ruhig wie ein Fels zu liegen; das Schiff würde trotz seiner Leichtigkeit wohl kaum vom Sturm fortgetragen werden. Grimmig dachte Barlennan an die Mühe, die es bereitet hatte, das Schiff mit Seilen an tief in den Boden versenkten Ankern und den wenigen Bäumen am Strand zu sichern. Seinem Ermessen nach bestand keine Gefahr, doch es wäre nicht das erste Schiff gewesen, das hier am »Rande der Welt« verschwunden war.

Aber vielleicht hatte die Mannschaft mit ihrem Misstrauen gegenüber dem Flieger doch recht. Schließlich hatte das seltsame Wesen ihn, Barlennan, überredet, hier zu überwintern, ohne ihm allerdings irgendwelche Hilfe oder Schutz für Schiff und Mannschaft zuzusagen. Doch hätte der Flieger sie ins Verderben stürzen wollen, hätte es genug andere Möglichkeiten gegeben, dies rascher und effektiver zu bewerkstelligen. Selbst hier, wo Gewicht als natürliche Größe kaum noch zählte, hätte der Flieger das seltsame Gebilde, in dem er flog, nur auf die Bree herabzusenken brauchen, und Schiff und Mannschaft wären verloren gewesen. Barlennan schüttelte diesen unbehaglichen Gedanken ab und wandte sich anderen Dingen zu. Wie jeder normale Mesklinit besaß er eine natürliche Abneigung gegen jegliche feste Materie, die sich über ihm befand.

Die Mannschaft hatte längst hinter der elastischen Decksummantelung Schutz gesucht, selbst der Maat unterbrach seine Arbeit, als der Sturm wieder mit unerwarteter Heftigkeit losbrach. Alle waren an Bord, Barlennan hatte die Konturen unter dem schützenden Stoff gezählt, solange er das ganze Deck überblicken konnte. Er hatte keine Jäger ausgeschickt, denn jeder der Matrosen wusste selbst, wann ein Sturm bevorstand, ohne dass es der Warnung durch den Flieger bedurft hätte. In den letzten zehn Tagen hatte sich niemand weiter als acht Kilometer vom sicheren Schiff entfernt, und bei dem geringen Gewicht waren acht Kilometer keine Entfernung.

Sie besaßen reichlich Vorräte, denn Barlennan war kein Narr und gab sich selbst größte Mühe, auch möglichst keinen Narren anzuheuern. Trotzdem bedeutete frische Nahrung eine Abwechslung im Speiseplan. Er fragte sich, wie lange dieser Sturm sie noch zwingen würde, im Schiff zu bleiben, denn dies war ein Wert, den die Instrumente nicht errechnen konnten, so genau sie auch sonst das Herannahen des Sturmes vorhergesagt hatten. Jedenfalls gab es im Moment nichts zu tun, und deshalb erwog Barlennan, sich mit dem fremden Wesen zu unterhalten. Er betrachtete das Gerät, das ihm der Flieger gegeben hatte, mit Erstaunen und Verständnislosigkeit, wurde aber andererseits nie müde, sich von dessen magischen Kräften zu überzeugen.

Das Gerät lag neben ihm unter der Schutzplane des Achterdecks. Es war ein rechteckiger Block von zehn Zentimetern Kantenlänge und fünf Zentimetern Höhe und Breite. Der kleine Bildschirm darauf wirkte wie ein Auge und funktionierte anscheinend auch so. Die einzige andere Unregelmäßigkeit auf der sonst glatten Oberfläche des Gerätes war ein kleines rundes Loch an der Längsseite des Kastens, die nach oben wies. Das »Auge« befand sich dicht vor der Plane, die der Sturm leicht gegen die Box drückte.

Barlennan schob einen Arm unter die Plane und tastete mit seiner Zange suchend auf der Oberfläche des Gerätes herum. Schließlich fand er das Loch und steckte seine Zange hinein. Das Gerät besaß keinerlei äußere Regler oder Schalter, was den Meskliniten jedoch nicht verwundern konnte, da er noch nie etwas von Thermik-, Photonen- oder Energie-Schaltungen gehört hatte. Aus Erfahrung wusste er, dass der Flieger sich meldete, sobald man einen nicht reflektierenden Gegenstand in das Loch hineinsteckte. Barlennan wusste auch, dass es zwecklos war, die Funktionsweise des Gerätes ergründen zu wollen, denn das wäre dem Versuch gleichgekommen, einem zehn Tage alten Kind die Navigation eines Schiffes beizubringen. Ihn tröstete der Gedanke, dass die nötige Intelligenz bei ihm sogar vorhanden war, doch ihm fehlten die Grundlagen und die jahrelange Erfahrung.

»Hier ist Charles Lackland.«

Das Gerät erwachte plötzlich zum Leben, unterbrach seine Gedanken. »Bist du das, Barl?«

»Ja, hier ist Barlennan, Charles.«

Der Kommandant antwortete in der Sprache des Fliegers, die ihm von Tag zu Tag geläufiger wurde.

»Ich bin froh, von dir zu hören. Haben wir das kleine Unwetter richtig vorausgesagt?«

»Es brach genau zu dem Zeitpunkt los, den ihr angegeben habt. Einen Augenblick … ich glaube, es schneit. Das hatte ich noch nicht bemerkt. Doch ich sehe noch keinen Staub.«

»Der kommt sicher noch. Der Vulkan hat bestimmt fünfzehn Kubikkilometer davon in die Atmosphäre geschleudert, und die Wolke dehnt sich schon seit Tagen aus.«

Auf diese Neuigkeit antwortete Barlennan nicht sofort. Dieser Vulkan war immer noch ein Streitpunkt zwischen ihnen, weil er angeblich in einem Teil von Mesklin lag, der gemäß Barlennans geografischen Kenntnissen überhaupt nicht existieren durfte.

»Ich bin besorgt, Charles, wie lange dieser Sturm noch dauern mag. Deine Leute können ihn doch von oben beobachten und müssten seine Ausdehnung bestimmen können.«

»Seid ihr schon in Schwierigkeiten? Der Winter beginnt doch gerade erst, und vor euch liegen noch Tausende von Tagen, ehe ihr zurückkehren könnt.«

»Das weiß ich. Was den...

Erscheint lt. Verlag 9.6.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Heavy Planet
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte eBooks • Fremde planeten • Hal Clement • Hard SF • Meisterwerke der Science Fiction • Science Fiction • Science Fiction, Meisterwerke der Science Fiction, Hard SF, Hal Clement, fremde Planeten
ISBN-10 3-641-13921-X / 364113921X
ISBN-13 978-3-641-13921-6 / 9783641139216
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