Bevor die Nacht geht (eBook)

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2014 | 1. Auflage
288 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-14248-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bevor die Nacht geht -  Patrycja Spychalski
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Ein Tag, eine Nacht - eine große Liebe!
Als Kim und Jacob sich an einem ganz normalen Samstagmorgen in der Berliner S-Bahn treffen, ist es Liebe auf den ersten Blick! Eigentlich wollte Kim nur einkaufen, doch als Jacob ihr erzählt, dass er Berlin nicht leiden kann, überredet sie ihn, mit ihr zu kommen - quer durch die Stadt, an all ihre Lieblingsorte. Jacob soll sich in Berlin verlieben ... und vielleicht auch in sie. Doch für Jacob ist es der letzte Tag, bevor er am nächsten Morgen für ein Jahr weggeht. Obwohl es hoffnungslos ist, folgt er diesem Mädchen, das sich so unerwartet in sein Herz gemogelt hat, durch Straßen, Parks und Cafés ... Einen Tag und eine Nacht haben sie - und jede Sekunde mit Kim pulsiert vor Leben, wie Berlin selbst.

Patrycja Spychalski, 1979 in Polen geboren, zog im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern nach Berlin. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Schauspielausbildung, wandte sich dann aber einem ganz anderen Bereich zu: Seit 2002 arbeitet sie in vielfältigen sozial-kulturellen Projekten mit Kindern und Jugendlichen. Mit 'Heute sind wir Freunde' erscheint bereits ihr sechstes Jugendbuch bei cbt.

Wahnsinn! Jetzt steigen wir doch wirklich zusammen aus. Er kann mich also nicht für geistesgestört halten, sonst wäre er wohl kaum mitgekommen. Ich habe mir das nicht groß überlegt, bin eher einem Impuls gefolgt. Das passiert mir schon manchmal, dass ich Dinge tue und erst hinterher darüber nachdenke. Okay, eigentlich dauernd!

»Wie heißt du denn jetzt eigentlich?«, frage ich, während ich mich auf diesem großen Bahnhof erst mal orientieren muss. Die einfahrenden Züge machen einen Riesenlärm, sodass ich mir die Hände vor die Ohren halten muss.

»Jacob!«, ruft er und weicht den Leuten aus, die es besonders eilig haben und es nicht ertragen können, wenn einer im Weg steht. Wir lassen uns an den Rand abdrängen und stellen uns so lange neben die Mülltonnen, bis sich das Durcheinander etwas gelegt hat.

»Jacob … Jacob. Ich kenne bisher keinen Jacob. Man sagt ja immer, dass Namen etwas über einen Menschen aussagen, aber zu Jacob fällt mir echt nichts ein.« Mist! Sofort bereue ich, was ich gesagt habe. Vielleicht kriegt er das in den falschen Hals. Warum muss ich auch immer gleich alles rausposaunen, was noch nicht zu Ende gedacht ist? Wenn Mia jetzt hier wäre, würde sie die Augen verdrehen und mir unauffällig einen Vogel zeigen. Ich schiele besorgt zu Jacob rüber.

»Ich glaube da nicht dran.« Er macht eine wegwerfende Handbewegung. Gott sei Dank!

»Nein?«

»Nein. Die Eltern geben dir diesen Namen, meistens haben sie ihn schon ausgesucht, bevor du auf der Welt bist. Sie können unmöglich schon so früh ahnen, was für ein Mensch du wirst.«

Wir trauen uns jetzt, unseren Platz aufzugeben, und laufen eine der vielen Treppen hinunter und durch den Haupteingang nach draußen. Die drei roten Backsteinhäuser auf der linken Seite sind schon das Schönste an dieser Gegend. Obwohl die Sonne bereits freundlich scheint, wirkt hier alles andere trostlos. Die Bushaltestelle, das abgezäunte leere Gelände, die hohen Gebäude im Hintergrund, alles steht traurig in der Gegend rum. Wir nähern uns der gewaltigen S-Bahn-Brücke aus grauem Beton.

»Ich habe mal einen Artikel gelesen, in dem stand, dass Lehrer Kinder mit komischen Namen – so was wie Justin oder Jason oder Chantal – von vornherein abstempeln und dass die automatisch schlechtere Noten bekommen«, greife ich das Namen-Thema wieder auf.

»Da sieht man es mal wieder!« Jacob seufzt verächtlich und berührt mit seiner Hand die Graffiti an der Mauer.

»Was sieht man?«

»Dass Lehrer völlig inkompetent sind«, fällt er sein hartes Urteil.

»Du magst die Schule wohl nicht besonders?« Ich stupse ihn an die Schulter.

»Nee. Hätten mich meine Eltern nicht gezwungen, ich hätte mein Abi nicht fertig gemacht.«

»Deswegen hat man wohl Eltern«, grinse ich.

»Und du?« Er tritt eine Dose zur Seite, die auf dem Bordstein liegt.

»Ich habe noch ein Jahr vor mir.« Ich zucke mit den Schultern. Kurz habe ich überlegt, mich für älter auszugeben, als ich bin, aber das wäre ja Quatsch. Wenn er schon mit mir ausgestiegen ist, muss ich nicht gleich mit Lügen anfangen. Das mache ich hin und wieder gerne, einfach um in eine neue Rolle zu schlüpfen, zu sehen, wie es sich anfühlt, jemand anderes zu sein, aber im Moment finde ich das irgendwie unangebracht.

»Mein Beileid. Wegen der Schule meine ich.«

»So schlimm ist es nicht. Ich kann mir meine Entschuldigungen jetzt selber schreiben und mein Vater kümmert sich nicht um meine Noten. Sie sind eh gut.«

»Oh, ein Fräuleinwunder«, zieht er mich auf.

Es macht mir Spaß, mich mit ihm zu unterhalten. Da ist immer dieses ironische Lächeln auf seinen Lippen und gleichzeitig so ein nachdenklicher Blick, als würde er immer gut überlegen, bevor er was sagt. Ganz im Gegensatz zu mir.

»Ganz genau, ein echtes Fräuleinwunder«, bestätige ich.

Die Autoflut auf dem Sachsendamm lässt uns erst mal eine Weile verstummen. Etwas angespannt überqueren wir die unübersichtliche Kreuzung und nähern uns dann der Stadtautobahn, die sich unterhalb der Straße erstreckt. Ich schiebe meine Füße zwischen die Metallstreben des Geländers und beuge mich nach vorne.

»Pass auf, dass du nicht runterfällst!« Jacob macht ein besorgtes Gesicht.

»Ja, Papi!«

»Ich meine ja bloß.«

Das Rauschen der vorbeirasenden Autos hat was Hypnotisierendes. Ich winke Jacob heran.

Nach kurzem Zögern stellt er sich zu mir auf das Geländer und schaut nach unten. »Irre viele Autos!«, ruft er, um den Lärm zu übertönen.

»Was glaubst du, wie viele hier so in einer Minute vorbeidüsen?« Ich beuge mich noch ein Stück weiter vor, bis es im Bauch kribbelt.

»Keine Ahnung. Hundert? Zweihundert?« Er streckt seinen Finger aus und versucht, die Autos zu zählen, gibt aber gleich wieder auf, weil er gar nicht hinterherkommt.

»Wie lange, denkst du, muss man hier stehen, um verrückt zu werden?« Solche Fragen interessieren mich brennend, ich bin bloß zu feige, sie im Selbstexperiment zu beantworten.

»Ich will es lieber gar nicht wissen.« Jacob tritt wieder auf den Bordstein und zupft vorsichtig an meiner Bluse, um mich zum Weiterlaufen zu animieren.

»Eigentlich ist das hier ganz schön gefährlich. Man könnte einfach so runterspringen. Oder etwas nach unten schmeißen. Würde keiner so schnell reagieren können.« Ich streiche noch einmal über das Geländer und winke den Autos zu.

Jacob schüttelt den Kopf und sieht mich einen Moment verständnislos an.

»Ich meine das theoretisch!«, beruhige ich ihn, aber wahrscheinlich glaubt er jetzt, ich wäre eine Psychotante.

Wir schlendern schweigend weiter und schauen zu den hohen Bürogebäuden, wo hinter jedem Fenster grelle Neonröhren leuchten. Riesige Werbetafeln großer Kaufhäuser ragen in den Himmel, damit wir sie ja nicht übersehen. Es ist ein merkwürdiger, unfreundlicher Ort, und ich hoffe, Jacob bereut nicht jetzt schon, dass er mit mir ausgestiegen ist.

Endlich erreichen wir den weitläufigen Möbelhaus-Parkplatz, der für einen Samstag ziemlich leer ist. Zwei Mal berühren sich unsere Arme dabei versehentlich. Jacob ist es, der als Erster seinen Arm zurückzieht. Ich lächele vor mich hin.

»Was?«, fragt er und sieht mich von der Seite an.

»Nichts. Gar nichts«, erwidere ich und grinse noch breiter.

Ich mag diese Unsicherheit zwischen zwei Fremden sehr gerne. Dieses Auschecken, gucken, wie nah man sich kommen darf, verstehen, was für einen Humor der andere hat, und schauen, ob man auf gleicher Wellenlänge ist. Ich lasse es noch einmal darauf ankommen und streife Jacobs Arm. Verstohlen riskiere ich einen kurzen Blick, aber er tut, als wäre nichts passiert.

»Hörst du das?« Er bleibt stehen und horcht nach allen Seiten. »Es ist eine echte Erleichterung, dass dieser Autobahnlärm beinahe verschwunden ist.«

»In meinen Ohren rauscht es trotzdem noch.« Ich stecke ein paar Mal meine Zeigefinger in die Ohren und ziehe sie dann schnell wieder raus.

»Stell dir vor, du wohnst hier …«

Ich hüpfe auf die weißen Parkplatzmarkierungen und versuche, den nackten Boden nicht zu berühren. Jacob stapft hinter mir her und pfeift leise vor sich hin.

»Danke, dass du mich begleitest.« Ich drehe mich nach ihm um und schenke ihm ein breites Lächeln, während ich mein Gleichgewicht mit den Armen auszubalancieren versuche.

»Keine Ursache.« Er zwinkert mir zu.

Als ich wieder nach vorne blicke, schlage ich mir mit der Hand vor die Stirn. Die Türen vom Möbelhaus sind noch verschlossen. »Mist! Die machen erst um zehn auf.« Gestern wollte ich doch noch im Internet die Öffnungszeiten nachgucken und habe es dann doch wieder vergessen.

»Egal. Warte hier.« Jacob lässt mich stehen und rennt über den großen Parkplatz zu einem Imbiss auf der anderen Seite.

Ich setze mich auf die Bordsteinkante und schaue ihm nach. Seine Haare wippen bei jedem Schritt auf und ab. Er zieht ein paar Mal seine Hose hoch, damit sie ihm nicht von seiner schmalen Hüfte rutscht.

Mein Vater sagt, ich soll nicht mit irgendwelchen Jungs alleine durch die Gegend laufen, es könnten Psychopathen sein. Ich frage mich, woher er das hat. War er selbst mal einer? Oder hatte er solche Freunde? Wahrscheinlich hat er zu viel Akte 2000 geguckt, die Sendung über Verbrecher, Betrüger und Vergewaltiger, die er sich so gerne ansieht, um mich hinterher darüber aufzuklären, wie schlecht die Welt ist. Das regt mich furchtbar auf.

»Papa! Das ist bloß Fernsehen. Das ist nicht die Welt da draußen«, versuche ich, ihn zu überzeugen. Aber seit er nicht mehr arbeitet, ist er kaum noch draußen oder unter Menschen, nicht mehr richtig jedenfalls, und deshalb denkt er, dass es jetzt so ist auf der Welt. Düster, verlogen, gefährlich. Ich kann wahrscheinlich froh sein, dass er mich überhaupt noch rauslässt.

Ich habe aber eigentlich ein gutes Bauchgefühl, was Leute angeht. Die Psychopathen erkenne ich immer schon von Weitem. Und Jacob ist keiner. Er steht an der Imbissbude in der Schlange und schaut zu mir rüber.

Ich winke ihm zu. Wenn wir die Filzgleiter gefunden haben, muss ich mir etwas einfallen lassen, damit er noch länger bleibt. Ich habe keine Pläne für den heutigen Tag. Meine Freunde sind alle mit ihren Eltern in die Ferien gefahren. Mia ist sogar alleine auf Jugendreise nach Kroatien, auf einen Campingplatz direkt an der Adria. Sie wollte mich unbedingt...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 24-Stunden • ab 14 • Berlin • Berlin, 24-Stunden, Große Liebe, S-Bahn, Schicksal, Zufall, Lieblingsorte, Liebeserklärung, Großstadt • eBooks • Große Liebe • Großstadt • Jugendbuch • Liebeserklärung • Lieblingsorte • S-Bahn • Schicksal • Young Adult • Zufall
ISBN-10 3-641-14248-2 / 3641142482
ISBN-13 978-3-641-14248-3 / 9783641142483
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