Verdammt (eBook)

Roman
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2014 | 1. Auflage
384 Seiten
Manhattan (Verlag)
978-3-641-13979-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verdammt -  Chuck Palahniuk
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Fegefeuer ist auch keine Lösung ...
Madison Spencer hat die Hölle hinter sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Acht Monate lang verbrachte sie dort nach ihrem frühzeitigen Tod als 13- jährige Tochter eines selbstverliebten Hollywoodpaars. An Halloween betritt sie zum ersten Mal wieder die Welt der Menschen, wie es unter Geistern so üblich ist. Sie verschlingt unzählige Schokoriegel und rächt sich an ehemaligen Erzfeindinnen, bis sie einen Anruf von Satan erhält. Dass dieser nichts Gutes im Sinn hat, liegt auf der Hand. Tatsächlich hat er einen teuflischen Plan, bei dem ihm Madison äußerst behilflich sein könnte. Und so muss Madison im Fegefeuer bleiben, das heißt als Geist auf Erden. Und sie ergreift die Chance, die Stätten ihres alten Lebens zu besuchen. Schlimmer als die Hölle kann das doch auch nicht sein, oder doch?

Der amerikanische Autor Chuck Palahniuk, geboren 1962, träumte lange davon, Schriftsteller zu werden. Doch erst ein persönlicher Einschnitt in seinem Leben gab ihm schließlich den Impuls, seinen Traum zu verwirklichen. Seit seinem Überraschungserfolg »Fight Club« genießt Palahniuk nicht nur bei zahllosen Lesern Kultstatus, er hat sich mit seinen folgenden Romanen auch in die Riege amerikanischer Bestsellerautoren geschrieben. Chuck Palahniuk lebt in Portland, Oregon.

21. DEZEMBER, 06:05 CET

Wie ich als schon bei Gott in Ungnade Gefallene in Ungnade fiel

Gepostet von Madisonspencer@aftrlife.hell

eneigter Twitterer,

ohne die Halloweenkapriolen gewisser dreier Schlampen würde ich nicht hier auf diesem felsigen Galapagos von Erde festsitzen und den warmen Schildkrötenurin trinken, der die Gesellschaft von Menschen ist. An dem fraglichen Halloween hatte man mich erwürgt und mir für acht Monate alles Blut abgelassen. Ich wurde verdammt, nun ja, weil ich einen schrecklichen Mord begangen hatte, von dem ich hier noch früh genug berichten werde. Eine der Hauptfoltern der Hölle besteht darin, dass wir alle insgeheim wissen, warum wir es verdienen, hier zu sein. Rausgekommen bin ich, weil an Halloween nach altem Brauch die gesamte Bevölkerung des Hades auf die Erde zurückkehrt, um vom Morgengrauen bis Mitternacht gesalzene Nüsse und Schokorosinen zu hamstern. Mit dieser Erwerbstätigkeit war ich beschäftigt, durchstöberte Vorstadtgebiete nach Twix und Bounty, die Schatzkammer der Hölle zu füllen, als ein Windhauch meinen Namen aus der nächtlichen Ferne herantrug. Ein Chor von Mädchenstimmen, diese schmeichelnden, flötenden Teeniestimmen rufen meinen Namen: »… Madison Spencer … Madison Spencer, erscheine! Wir befehlen dir, erscheine uns!«

Ob es euch gefällt oder nicht, aber ihr Vortoten könnt die Nachlebenden nicht einfach so herumkommandieren. Die Toten haben Besseres zu tun, als auf eure dämlichen Fragen nach Lottozahlen und künftigen Ehepartnern zu antworten. Ihr mit euren albernen Séancespielchen, eurer Tischrückerei und dem ganzen parapsychologischen Mumpitz! Ich hatte bestenfalls vier Stunden Dunkelheit, um Kit-Kat-Riegel einzusammeln, und da ruft mich dieser Haufen hysterischer Trullas. Sie saßen auf meinem ehemaligen Bett, im Zimmer meines ehemaligen Internats in Locarno und geboten unisono: »Erscheine uns, Madison Spencer! Lass uns sehen, ob dein dicker Arsch im Tod geschrumpelt ist.« Und kicherten hinter vorgehaltenen schlanken Händen.

Einander zum Schweigen bringend sangen die verhurten Wanderhuren: »Zeig uns deine geheime Gespensterdiät.« Kindische Frotzeleien wie auf dem Schulhof; und sie glucksten und wankten und stießen sich mit den Schultern an. Sie saßen im Schneidersitz, beschmutzten mein Bettzeug mit ihren Schuhen, traten auch gelegentlich gegen mein ehemaliges Kopfbrett und aßen Popcorn beim Schein einiger Kerzen, die auf einem Teller brannten. »Wir haben Kartoffelchips«, höhnten sie und schüttelten einen Beutel derselben. Mit Barbecuegeschmack. »Wir haben Zwiebeldip.« Eine Stimme hob an: »Hier, Madison … Hier, kleines Schweinchen, hol es dir …« Und alle stimmten ein: »Huuuiiiii …!« Lauthals riefen sie den Schweinelockruf in die eisige Halloweennacht. »Hier, Schweinchen, komm, kleines Schweinchen.«

Sie schnaubten. Sie grunzten. Sie riefen: »Oink, oink, oink.« Geräuschvoll schmatzend, die Münder vollgestopft mit kalorienreichen Snacks quiekten sie vor Lachen.

Nein, geneigter Twitterer, ich habe die widerlichen Tussen in meinem Zorn nicht abgeschlachtet. Während ich dies schreibe, sind sie weiterhin sehr am Leben, wenn auch gedemütigt. Es genüge der Hinweis, dass ich ihrem albernen Gejodel Folge leistete und dort in einem schwarzen Lincoln Town Car vorfuhr. An dem fraglichen Halloween veranlasste ich das niederträchtige Trio schludriger Schlunzen, den dürftigen Inhalt ihrer anorektischen Mägen auszuleeren. Also Schande über mich, Schande! Zu meinen Gunsten sei gesagt, wegen der drohenden Sperrstunde war ich ein klein wenig nervös und abgelenkt.

Auch nur ein einziges Uhrticken Verspätung nach Mitternacht hätte meine Verbannung auf die langweilige Erde bedeutet, also blieb ich äußerst wachsam, während der große Zeiger meiner Armbanduhr Minute um Minute auf die Zwölf zurückte. Sobald die drei Schlampampen sich in ihrem eigenen Erbrochenen und Kot wälzten, machte ich mich schleunigst auf den Weg zu meinem wartenden Lincoln.

Mein treues Fluchtfahrzeug stand noch da, wo ich es verlassen hatte: am eisigen Bordstein neben dem verschneiten Rasen des Schulwohnheims. Die Schlüssel baumelten im Zündschloss. Die Uhr im Armaturenbrett zeigte dreiundzwanzig Uhr fünfunddreißig, also noch reichlich Zeit für meine Rückkehr in die Hölle. Ich klemmte mich hinters Steuer und legte den Sicherheitsgurt an. Ach, Erde, dachte ich ein wenig nachsichtig, ja geradezu nostalgisch, während ich das alte Bauwerk betrachtete, wo ich einst gekatzbuckelt hatte, wo ich Fig Newtons geknabbert und Die Parasiten gelesen hatte. Heute Nacht strahlten alle Fenster hell, viele hatten sich weit dem Schweizer Winterklima geöffnet, Vorhänge flatterten im frostigen Wind, der von den Gletschern der öden Alpen herabwehte. Und all die weit offenen Fenster umrahmten die Köpfe verwöhnter, reicher Schulmädchen, die sich hinauslehnten und die rote Backsteinfassade des Gebäudes mit ihrer Gourmetkotze verzierten. Ich hätte mich dem Anblick gern noch länger hingegeben, aber inzwischen zeigte die Uhr bereits dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig.

Ich sagte dem allen zärtlich Adieu und drehte den Zündschlüssel.

Ich drehte den Schlüssel noch einmal.

Ich setzte meinen bequemen Schlupfhalbschuh mit flachem Absatz aufs Gaspedal und gab ihm einen kleinen Schubs. Die Uhr zeigte dreiundzwanzig Uhr fünfzig. Ich sah zweimal nach, ob der Schalthebel auch wirklich auf Parken stand, und drehte den Schlüssel ein drittes Mal.

Ihr Götter! Und nichts geschah. Kein Autogeräusch ertönte unter der Motorhaube. Für euch Wichtigtuer der Blogosphäre, die ihr immer alles besser wisst – vor allem, wenn es um Autos geht –, nein, ich hatte nicht vergessen, das Licht auszumachen. Und, zweimal nein: dem Auto war auch nicht der Dinosauriersaft ausgegangen. Verzweifelt drehte ich immer wieder den Zündschlüssel, während der Zeiger unaufhaltsam auf dreiundzwanzig Uhr fünfundfünfzig zukroch. Um dreiundzwanzig Uhr sechsundfünfzig begann das Autotelefon zu läuten – ein altmodisches brrring –, aber das ignorierte ich in meinem hektischen Bemühen, das Handschuhfach zu öffnen, wo die Bedienungsanleitung sein musste, die mir aus der mechanischen Krise helfen sollte. Das Telefon klingelte auch noch vier Minuten später, als ich den Tränen nahe den Hörer abnahm und mich mit einem knappen »Alors!« meldete.

Eine Stimme im Hörer sagte: »›… Madison weinte beinahe vor Frust.‹« Eine schmeichelnde Männerstimme sagte: »›Ihr süßer Triumph über ihre schikanösen Schulkameradinnen war zu bitterer Panik geworden, als sie feststellte, dass ihr Fluchtfahrzeug nicht anspringen wollte …‹«

Es war Satan, der Fürst der Finsternis, zweifellos las er aus seinem lausigen Manuskript Die Geschichte von Madison Spencer vor – meine angebliche Lebensgeschichte, die er bereits vor meiner Zeugung geschrieben zu haben behauptet. Auf diese Blätter will er jeden Augenblick meiner Vergangenheit und Zukunft diktiert haben.

»›… die kleine Madison‹«, fährt Satan fort, »›entsetzt von der Stimme ihres Herrn und Meisters im Telefon des Lincoln …‹«

Ich unterbrach ihn: »Hast du an dem Wagen herumgepfuscht?«

»›… wusste‹«, sagte die Telefonstimme, »›dass sie auf Erden das unvermeidliche Grausame Schicksal erwartete …‹«

Ich schrie: »Das ist nicht fair!«

»›… Bald würde Maddy nichts anderes übrig bleiben, als sich hinauszuwagen und das Ende der Zeiten einzuleiten …‹«

Ich schrie: »Ich leite überhaupt nichts ein!« Ich schrie: »Ich bin nicht deine Jane Eyre!«

Die Uhr stand jetzt auf Mitternacht. Eine Glocke im Turm einer fernen Alpenkirche begann zu schlagen. Noch vor dem sechsten Schlag begann der Hörer in meiner Hand zu verdampfen. Der ganze Lincoln verschwand um mich herum, aber Satans Stimme leierte weiter: »›… Madison Spencer hörte das ferne Läuten der Kirchenglocke und erkannte, dass sie gar nicht existierte. Sie hatte nie real existiert, nur als Marionette, nur dazu erschaffen, dem überaus sexy aussehenden Teufel zu dienen …‹«

Als der Fahrersitz sich auflöste, knallte mein praller plumper Mädchenhintern aufs Pflaster. Der letzte Schlag der Mitternachtsglocke hallte durch die Schluchten und Täler der öden Schweiz. Die Fenster des Schulwohnheims schlossen sich. Die Lichter gingen aus. Die Vorhänge wurden zugezogen. Der Sicherheitsgurt, der noch einen Augenblick zuvor mein fettes Bäuchlein gequetscht hatte, wurde so substanzlos wie ein Nebelfetzen. Hinter mir lag wie auf die Straße geworfen die gefälschte Coach-Handtasche, die meine Freundin Babette auf dem Rücksitz hatte liegen lassen.

Schlag Mitternacht war der Lincoln zu einer nebulösen Nebelbank zerstoben, einer kleinen grauen Wolke in der Form eines Autos. Einsam und allein saß ich mit Babettes beschmutzter Kunstledertasche in stürmischer Nacht in der Gosse.

Statt Kirchenglockenläuten trug der Wind nur das synthetische Zirpen eines Popsongs heran. »Barbie Girl« von der europäischen Band Aqua. Ein Klingelton. Der kam aus einem Smartphone, das ich zwischen den Kondomen und Schokoriegeln aus der Handtasche hervorwühlte. Auf dem Display stand eine Nummer aus Missoula, Montana. Die SMS lautete: »DRINGEND: Schmuggel dich an Bord des Darwin-Airlines-Flugs Nr. 2903 von Lugano nach Zürich; dann nimm Swissair-Flug Nr. 6792 nach Heathrow und von dort den American-Airlines-Flug Nr. 139 nach JFK. Schwing deinen...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2014
Übersetzer Werner Schmitz
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Doomed
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Coming-of-age • eBooks • Fantasy • Fight Club • Hölle • New York Times Bestseller • New York Times Bestseller, Hölle, Coming-of-age, Fight Club • Roman • Romane
ISBN-10 3-641-13979-1 / 3641139791
ISBN-13 978-3-641-13979-7 / 9783641139797
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