Perfidia (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
960 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1069-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Perfidia -  James Ellroy
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»Ellroy ist der wohl wahnsinnigste unter den lebenden Dichtern und Triebtätern der amerikanischen Literatur.« Süddeutsche Zeitung 6. Dezember 1941: Es ist der Vorabend des Angriffs der Japaner auf Pearl Harbor. Amerika steht kurz vor dem Kriegseintritt. In Los Angeles wird eine japanische Familie tot aufgefunden. Handelt es sich um Mord oder rituellen Selbstmord? Die Ermittlungen bringen vier Menschen zusammen: einen brillanten Forensiker, japanisch-amerikanischer Abstammung, eine junge Frau, von einer unbändigen Abenteuerlust getrieben, einen Polizisten, den es wirklich gab: William H. 'Whiskey Bill' Parker, später Chef des LAPD, und einen, der ein Produkt von Ellroys unnachahmlicher Phantasie ist: Dudley Smith, die perfide Verkörperung des Bösen.

James Ellroy, Jahrgang 1948, begann seine Schriftstellerkarriere 1981 mit Browns Grabgesang. Mit Die Schwarze Dahlie gelang ihm der internationale Durchbruch. Unter anderem wurde Ellroy fünfmal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, zahlreiche Bücher wurden verfilmt, darunter L.A. Confidential.

James Ellroy, Jahrgang 1948, begann seine Schriftstellerkarriere 1979 mit Browns Grabgesang. Mit Die Schwarze Dahlie gelang ihm der internationale Durchbruch. Unter anderem wurde Ellroy fünfmal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, zahlreiche Bücher wurden verfilmt, darunter L.A. Confidential.

9.


LOS ANGELES / SONNTAG, 7. DEZEMBER 1941

01:31 Uhr

»Bestimmt der Abschiedsbrief«, sagte Dudley Smith.

»Ja, sehr wahrscheinlich«, sagte Ashida.

»Sind Sie Nisei, Dr. Ashida?«

»Ja, Sergeant.«

»Verfügen Sie mit Ihrem kulturellen Hintergrund über Erkenntnisse, die mir fürs Erste weiterhelfen könnten?«

Die Lage der Leichen stimmte nicht. Das Haus war zu gut aufgeräumt. Vor einem Seppuku kam es oft zu häuslichem Chaos. Die Unordnung sollte größer sein.

»Der Abschiedsbrief wirkt eher wie eine Rechtfertigung, statt Entehrung oder Schande einzugestehen. Die Abschiedsbriefe bei japanischen Massenselbstmorden sind meist konkreter und betonen die Vorstellung der wiedergewonnenen Ehre.«

Dudley Smith lächelte. Er war groß und gut in Schuss. Er hatte kleine braune Augen. Der sanfte irische Akzent wickelte die Tatverdächtigen ein. Mit der Gaskammer als Folge.

»Ich weiß Ihre Hinweise zu schätzen. Ich möchte hierbleiben und darüber nachdenken, während Sie unten assistieren.«

Ashida verbeugte sich und ging zur Treppe. Er analysierte den Gestank: Eingeweideflüssigkeiten in Verbindung mit abgestandener Luft. Er ging nach unten ins Esszimmer. Blanchard und Brown hielten sich vom Teppich fern. Sie rümpften die Nase und hatten Zigaretten angezündet.

Ray Pinker machte Leichenfotos. Nort Layman studierte die Leichen. Er trug kniehohe Gummistiefel. Er war auf flüssige Verwesung vorbereitet gewesen.

»Ich mag das Mädchen«, sagte Blanchard. »Wenn die leben und atmen würde, würde ich ihr was stecken.«

»Das hier kann dauern«, sagte Brown. »Könnte uns Ace Kwan vielleicht was zum Knabbern rüberschicken?«

»Hop Sing und die Vier Familien gehen mal wieder aufeinander los. Ace ist ausgelastet.«

»Dudley hat bei Ace was gut«, sagte Brown. »Er kann uns was zum Futtern besorgen.«

»Lasst Ace ja nicht wissen, dass es hier um tote Japsen geht«, sagte Blanchard. »Japsen und Chinks sind sich seit Urzeiten spinnefeind.«

Zwei Männer von der Pathologie brachten Blutbehälter. Layman schrieb Zeit und Datum auf Klebeetiketten. Die Pathologie-Mitarbeiter trugen Gummihandschuhe und Metalllöffel. Layman wies auf die Leichen.

»Macht einen Weg um sie herum frei. Klebt die Behälter mit Klebeband zu. Das Blut soll tiefgekühlt werden, damit ich einen Blick auf die Zellen werfen kann.«

Die Pathologie-Mitarbeiter machten sich an die Arbeit. Sie löffelten Blutklumpen auf und schoben sie einzeln in die Behälter. Layman warf ihnen vier weitere Behälter zu. Das Blut war jetzt vollständig geronnen und ließ sich halb angetrocknet ablösen.

Ein Mann säuberte einen Pfad zu Ryoshi Watanabe. Ein weiterer Mann einen zu Johnny. Sie füllten sechs Blutbehälter und hoben sie vom Teppich.

»Ach du Scheiße«, sagte Blanchard.

Layman ging zu den Leichen rüber. Er nahm die Schwerter hoch. Er legte sie auf den Teppich. Er drehte die Leichen auf den Bauch und streifte ihnen Hosen, Rock und Unterwäsche ab. Pinker warf ihm vier Thermometer zu, die von einem Gummiband zusammengehalten wurden. Layman steckte sie den Leichen in den Anus und zählte auf seiner Armbanduhr die Sekunden.

Ashida zählte auf seiner Armbanduhr die Sekunden mit. Layman holte die Thermometer raus und überprüfte die Werte. Er bedeutete den Pathologie-Mitarbeitern Geht jetzt. Sie verschwanden zu ihrem Leichenwagen.

Layman hustete. »Ich denke, dass sie seit zehn Stunden tot sind. Sie wurden ausgeweidet, wobei das Blut den Nahrungsbrei im Darm auf den Teppich gewaschen haben dürfte. Falls ich Genaueres über ihren Verdauungsprozess ermittle, kann ich den Todeszeitpunkt exakter bestimmen.«

Die Pathologie-Mitarbeiter rollten vier eiserne Tragbahren herein. Mit blutverschmierten Seiten. Pinker stand über den Leichen und machte Rückenaufnahmen.

»Ein Suizid«, sagte Brown. »Ich habe mit dem Chief gesprochen. Er hat gesagt, wir sollen den Vorgang abschließen und die Akte ablegen.«

Dudley Smith kam rein. »Ich neige ebenfalls zu Suizid, aber das wird zu gegebener Zeit entschieden.«

Die Pathologie-Mitarbeiter lehnten sich an ihre Bahren. Layman bedeutete weitermachen. Sie bildeten eine Leichenkette. Der innen stehende Mann hob die Leiche hoch. Der außen stehende Mann packte die Leiche und reichte sie weiter. Layman legte sie Gesicht nach oben auf die Bahre.

Ashida beobachtete. Ashida schluckte leer und erklärte laut:

»Bei Vollzug des Seppuku wird kurz vor der Bauchöffnung eine rituelle Mahlzeit eingenommen. Dr. Layman sollte in der Lage sein zu ermitteln, wie viel Nahrungsmittel sich im Verdauungstrakt befinden.«

Layman lachte. »Ein netter Junge. Könnte mich ›Nort‹ nennen und spricht mich als ›Herr Doktor‹ an.«

Pinker lachte. »Er hat selber einen Doktortitel. Ein gottverfluchtes Stanford-Diplom.«

Blanchard signalisierte Fick dich. Dudley Smith zwinkerte Ashida zu.

Er bekam die Flatter. Seine Beine schwankten. Acht weiße Männer sahen ihn an.

Er ging zu den Bahren. Er zog sich Gummihandschuhe an. Die Pathologie-Mitarbeiter wechselten Was-will-denn-der-Tunichtgut-Blicke.

Ashida drehte Ryoshi um. Ja – Instinkt bestätigt. Ashida drehte Johnny um. Ja – da auch. Ashida drehte Aya und Nancy um. Ja – auch, auch.

Er hatte das Sagen. Acht weiße Männer starrten ihn an.

»Wir können Verzögerungsspuren direkt unterhalb der Einstichstelle erkennen. Was angesichts der Enormität der Tat nicht weiter verwunderlich ist. Erstaunlich hingegen ist die Gleichartigkeit der Spuren, angesichts der Annahme, dass sich vier Menschen eigenhändig die Bauchhöhle geöffnet haben. Bei Seppuku-Fällen stellen sich die Verzögerungsspuren üblicherweise als senkrechte Linien dar. In allen vier hier vorliegenden Fällen gehen die Risse von Seite zu Seite, als ob die Menschen um sich schlagen oder dem eigenen Impuls zur Selbstentleibung widerstehen würden, und das in einer Art und Weise, wie sie noch in keiner kriminologischen Zeitschrift dokumentiert worden ist.«

Pinker und Layman stellten sich dicht neben ihn. Ashida wies auf die Spuren bei Nancy und Johnny. Layman wischte Blutflöckchen weg. Pinker pfiff durch die Zähne. Layman sagte: »Der Junge hat recht.«

»Die Lage der Leichen scheint mir nicht zu stimmen«, sagte Ashida. »Ich habe Fotografien von Mehrfach-Seppukus in japanischen Textbüchern gesehen. Sie alle zeigen Familienangehörige, die sich im Sterben aneinander festhalten, obwohl sie ursprünglich Seite an Seite liegen wollten. Die Leichen wurden stets zu einem Haufen geschichtet aufgefunden.«

Dudley Smith zündete sich eine Zigarette an. »Nehmen wir mal an, dass wir die Verzögerungsspuren auf den Vater zurückführen können. Er hat Angst, dass Frau, Sohn und Tochter im letzten Moment versagen und nicht in der Lage sind, die Klinge zu führen. Er führt ihnen die Hand, tötet sie, legt die Leichen zurecht und tötet sich dann selber. Bei sich selber zögert er, weil ihn der Vorgang des Tötens der Familie entmutigt hat.«

»Ja, das ist denkbar«, sagte Ashida.

Brown zuckte mit den Schultern. »Wir verrennen uns. Hier liegt ein gottverdammter Selbstmord vor.«

Blanchard grunzte. »Dem Mirror eine Kurzmeldung wert. ›Tote Japsen in Highland Park. Kaiser schluchzt.‹«

»Entschuldige dich bei Dr. Ashida, Leland«, sagte Dudley. »›Tut mir leid, Sir‹ reicht.«

Blanchard starrte seine Schuhspitzen an. »Tut mir leid, Sir«, sagte Blanchard.

Ashida starrte seine Schuhspitzen an. Layman holte einen Flachmann hervor. Pinker schnappte sich ihn, nahm einen tüchtigen Schluck und reichte ihn rum. Ashida bekam den Satz.

Ein Pathologie-Mitarbeiter lachte. Brown lachte. Ashida lachte. Dudley wies auf die Schwerter und die Leichen.

»Wir nehmen Fingerabdrücke und gleichen sie ab. Wir müssen feststellen, mit welcher Hand welche Waffe berührt wurde.«

Pinker schüttelte den Kopf. »Die Griffe sind aus genarbtem Leder. Da ist kein Abdrucknachweis möglich.«

»Staubt die Klingen ein«, sagte Layman. »Vielleicht finden wir was.«

Ashida öffnete seinen Spurensicherungskoffer. Zuoberst: Fingerabdruck-Puder, Abdrucktinte, Abdruckroller, Abdruckkarten.

Er legte den Koffer am Rand von Ryoshis Bahre ab. Er untersuchte die vier Händepaare. Die Leichenstarre hatte eingesetzt. Die Finger krallten sich nach innen. Was einen sauberen Abdruck schwierig machte.

Pinker öffnete seinen Beweissicherungskoffer. Layman hob die Schwerter auf. Dudley kam rüber und stellte sich neben Ashida. Sie sahen sich kurz an. So was wie eine telepathische Verständigung.

Ashida fasste Ryoshis linkes Armgelenk. Dudley bog die Finger und brach sie. Knochen krachten hörbar. Ashida bekam eine stabile Abdruckfläche.

»Meine Güte«, sagte Blanchard.

»Sei keine Zimperliese, Junge«, sagte Brown.

Ashida bestrich Finger und Daumen mit Farbe. Ashida rollte die Fingerspitzen auf einer Abdruckkarte ab und erhielt ein perfektes Abdruckbild.

»Heiliger Bimbam«, sagte Blanchard.

Pinker und Layman arbeiteten an den Schwertern. Dudley brach die Finger an Ryoshis rechter Hand. Ashida färbte sie ein, rollte sie ab und erhielt ein perfektes Abdruckbild.

Das Zimmer wurde wärmer. Ashida fing an zu schwitzen. Dudley...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2015
Reihe/Serie Das zweite L.A.-Quartett
Übersetzer Stephen Tree
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1941 • 20. Jahrhundert • 20. Jh. • 2. Weltkrieg • 40er Jahre • Alte Fälle • alte Leiche • Band 1 • Banküberfall • Bette Davis • Black Dahlia • Clark Gable • Dashiell Hammett • Detektiv • Drogen • Drogenhandel • Dudley Smith • Ermittlungen • Forensik • Gold • Hardboiled • Hardboiled Krimis • Hishida Akido • Hishido Akida • historisch • Hollywood • Hollywood-Ära • Jack Kennedy • Japan • J. Edgar Hoover • Joan Crawford • Joseph P. Kennedy • Katastrophe • Klassiker • Kriegseintritt • Krimi • Kriminalroman • L. A. Confidential • LAPD • Los Angeles • Los Angeles Police Department • Mord • Noir • Pearl Harbor • Polizei • Raymond Chandler • Rita Hayworth • Salvador Dalí • Schwarze Dahlie • spannend • Suspense • USA • Vierziger Jahre • Waffenhandel • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8437-1069-4 / 3843710694
ISBN-13 978-3-8437-1069-5 / 9783843710695
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