Die sieben Leben des Arthur Bowman (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
576 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-14831-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die sieben Leben des Arthur Bowman -  Antonin Varenne
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Ein großer historischer Thriller und Abenteuerroman
1852: Arthur Bowman, einer der härtesten Söldner der Ostindienkompanie in Birma, hat eine gefährliche Expedition tief in indigenes Gebiet geführt; ein Himmelfahrtskommando, das mit der Gefangensetzung der zehn Überlebenden endet. Sechs Jahre später ist er ein gebrochener Mann im viktorianischen London während der Jahrhunderthitze. Alkohol- und opiumsüchtig verdingt er sich als Polizist. Da wird in der Kanalisation eine verstümmelte Leiche entdeckt - und Bowman des Mordes verdächtigt. Denn der Tote trägt Narben wie er - Folge der Folter in Birma. Also bricht er auf, die neun Mitinhaftierten zu finden. Die Suche führt ihn in den Wilden Westen, wo weitere bestialische Morde geschehen. Bis er den Mörder findet, hat er sich durch seine Erlebnisse und die Liebe einer Frau zu einem geläuterten Menschen gewandelt ...

Antonin Varenne, geboren 1973, studierte Philosophie in Paris. Er war Hochhauskletterer und Zimmermann, arbeitete in Island, Mexiko und in den USA, wo er seinen ersten Roman schrieb. Seine Romane wurden mit den wichtigsten französischen Krimipreisen ausgezeichnet.

1

»Rooney! Du elender irischer Faulenzer! Los, beweg dich!«

Rooney erhob sich von der Bank, überquerte schlurfend den Hof und stand stramm.

»Sie kann nicht mehr, Sir. Keiner von den Gäulen hält sich mehr aufrecht.«

»Willst du dir Ärger einhandeln? Aufsitzen!«

Mit vor Müdigkeit durchhängendem Rücken, den Kopf halb untergetaucht, soff die Stute geräuschvoll Wasser aus dem Trog. Rooney griff nach dem Halfter, zog das Maul aus dem Wasser und verzog das Gesicht, als er den Fuß in den Steigbügel setzte. Die halbe Nacht war er von einer Kaserne zur anderen galoppiert, der Hintern tat ihm weh, er hatte Sand zwischen den Zähnen und in der Nase, und die Sonne brannte ihm auf dem Schädel.

Fünfzehn Meilen waren es bis zum Kontor von Pulicat.

Das Pferd schüttelte den Kopf, wehrte sich gegen das Zaumzeug. Rooney zog an den Zügeln, die Stute bäumte sich auf, und er musste sich am Sattelknauf festhalten, um nicht abgeworfen zu werden. Der Corporal lachte. Rooney zog seinem Reittier die Peitsche über die Ohren und schrie: »Vorwärts! Hü!«

Die Stute galoppierte über den gepflasterten Hof. Ohne anzuhalten, passierte Rooney das nördliche Portal des Forts St. George und peitschte eine Meile lang auf das Pferd ein. Die Maulbeerplantagen zogen an ihm vorbei, Baumwollfelder, auf denen, über ihre Hacken gebeugt, einige Bauern arbeiteten. Überall entlang des Weges waren Kolonnen von Sepoys in ihren roten Uniformen mit ihren Tornistern und geschulterten Gewehren zu sehen.

Die militärischen Verbände und Einheiten bewegten sich in Richtung Fort und Hafen. Die Dorfbewohner waren unruhig geworden und hatten ihre Türen und Fenster verschlossen, um sich vor dem von den Stiefeln aufgewirbelten Staub zu schützen. Die Armee von Madras marschierte, und außer den Soldaten war kaum noch jemand unterwegs.

Lord Dalhousie, Generalgouverneur von Britisch-Indien, hatte dem König der Birmanen den Krieg erklärt.

General Godwin war am Vortag mit zehn Schiffen aus Bombay gekommen. Er mobilisierte alle Regimenter.

Zwölf Stunden lang ritt Rooney jetzt in alle Winkel der Region, um die Schriftstücke zuzustellen.

Pulicat. Noch acht Meilen. Die letzte Adresse.

Vielleicht würde er sich dort heute Nacht ausruhen können, vielleicht konnte er zu den Chinesen gehen und sich ein Mädchen kaufen. Sie waren sauber, und der Gin war nicht so teuer wie in St. George. Der Gedanke, dass er die Nacht im Dorf der Weber verbringen würde, verlieh ihm Flügel, aber die Stute lief nicht schneller und keuchte wie eine Schwindsüchtige.

Rooneys Beine waren feucht von ihrem Schweiß. Er gab ihr eine weitere Tracht Prügel. Es war Krieg, man hatte das Recht, ein Pferd zu töten.

Er überholte Kinder, die auf Eseln ritten, und zerlumpte Bauern, erblickte die ersten Häuser von Pulicat und bog, ohne anzuhalten, in die Hauptstraße ein, wo sich Frauen mit Babys auf dem Rücken eilends vor ihm in Sicherheit brachten.

»Vorwärts!«

Am Ausgang des Dorfes wandte er sich nach links, in Richtung der Lagerhallen. Er würde den Laden des Chinesen ganz für sich haben. Und im Fort wäre es nicht anders. Niemand da, keine verdammten Pflichten mehr, wochenlang. Während alle Welt sich auf den Weg nach Rangun machte, würde er es sich gut gehen lassen. Der König von St. George!

»Schneller! Hü!«

Die Stute schüttelte den Kopf, sie geriet aus dem Takt und schwankte, als ob die Beine unter ihrem Gewicht nachgäben. Rooney hielt sich krampfhaft fest, aber das Pferd fing sich und wurde wieder schneller, obwohl es nicht einmal die Sporen gespürt hatte. Es war halb wahnsinnig vor Austrocknung und Erschöpfung. In der Mitte der Gebäude, in einem von Speichergebäuden umgrenzten Hof, sah Rooney die Fahne der Kompanie, die im Wind flatterte.

Er passierte den ersten Schuppen. Der Kopf der Stute streckte sich vorwärts und verschwand. Er hörte, wie ihre Beine brachen – ein unerhörtes Geräusch von sich bei hoher Geschwindigkeit pulverisierenden Knochen –, und flog zwei Meter durch die Luft. Er streckte die Arme aus und spürte nichts von dem Aufprall, nichts von den splitternden Knochen seiner Handgelenke und Unterarme. Sein Kopf schlug auf dem Boden auf, er überschlug sich, und sein Rücken brach auf der gusseisernen Wasserpumpe in der Mitte des Hofs.

Sergeant Bowman griff nach seinem Gewehr, das an einer Wurzel des großen Banyanbaums lehnte, und erhob sich von seinem Liegestuhl im Schatten. Die Staubwolke, die beim Sturz des Pferdes und seines Reiters entstanden war, hob sich langsam. Die Stute wieherte erbärmlich und strampelte mit den Hufen. Der bewusstlose Kurier rührte sich nicht. Der Sergeant legte sich die Enfield quer über die Beine und ging neben dem Gestürzten in die Hocke.

Gekrümmt lag er unter der Pumpe. Er öffnete die Augen.

»Was ist … Was ist passiert?«

Sein Kopf fiel auf die Brust, Blut sickerte ihm aus dem Mundwinkel. Seine Hüfte war gebrochen, die Beine waren wie Stofffetzen ineinander verknäult. Seine Augäpfel rollten hin und her in dem vergeblichen Bemühen, den Ort zu erkennen, an dem er sich befand. Der Hof, die Lagerhallen mit den Seidenstoffen, dieser Sergeant, der ihn betrachtete. Seine geschwollene Zunge leckte Staub, als wäre es Wasser.

»Ich fühle … nichts …«

Seine Augen wanderten über den verrenkten Körper. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer panischen Grimasse.

»Teufel noch mal … Was ist … Was ist mit mir?«

Der Sergeant gab keine Antwort.

»Helfen Sie mir … Zum Teufel … Helfen Sie mir.«

Rooney sah sich um. Außer dem Sergeant war weit und breit niemand zu sehen. Die Stute wieherte und schlug aus, der Sergeant rührte sich nicht. Rooney versuchte, um Hilfe zu rufen, aber er verschluckte sich und spuckte Blut. Sergeant Bowman trat einen Schritt zurück, um nichts abzubekommen.

»Um Gottes willen … Helfen … Sie … mir.«

Der Sergeant senkte den Kopf.

Das von Panik gezeichnete Gesicht des Soldaten erstarrte, seine aufgerissenen Augen blieben auf Bowman gerichtet. Eine Blutblase erschien zwischen seinen Lippen und platzte.

Der Verwalter kam aus seinem Büro gelaufen.

Sergeant Bowman erhob sich und ging zu dem Pferd, das noch immer auf dem Rücken lag. Er lud sein Gewehr, setzte seinen Fuß auf die Kehle des Tieres und schoss ihm eine Kugel in den Kopf.

Der Verwalter bekreuzigte sich, bevor er vor dem Kadaver in die Knie ging und die Satteltasche öffnete. Er zog ein versiegeltes Schreiben heraus, das an ihn adressiert war.

»Wie sinnlos. Zu sterben mit der Kriegsmeldung in der Tasche.«

Sergeant Bowman kreuzte die Hände über dem noch heißen Lauf seines Gewehrs. Sepoys liefen herbei und bildeten einen Kreis um den Toten. Der Verwalter durchsuchte den Soldaten und fand seinen Ausweis in der Jackentasche.

»Sean Rooney. Fort St. George … Na, jedenfalls musste er nicht in Birma sterben.«

Er wandte sich an Bowman.

»Sergeant, Sie rücken sofort ab. Man erwartet Sie mit Ihren Männern in Madras.«

Bowman schulterte sein Gewehr und ging zu seiner Hütte im Schatten des Banyanbaums. Der Verwalter schrie:

»Sergeant! Sie werden die Leiche des Soldaten Rooney nach Madras mitnehmen.«

Bowman ging ungerührt weiter.

»Das Pferd können Sie auch haben.«

Eine Kolonne von zwanzig Sepoys wartete in der Sonne. Ein Ochse war vor einen Karren gespannt worden. Man hatte Rooneys Leichnam hineingeworfen, er lag hingestreckt über dem Marschgepäck der Soldaten.

Bowman trabte an den in Habtachtstellung wartenden Männern vorbei, sprang vor der Tür des Verwalters von seinem Pferd und klopfte.

»Fünf Mann bleiben hier und warten, bis Madras eine weitere Abordnung schickt.«

»Sehr gut. Ich führe keinen Krieg, Sergeant, ich bin Kaufmann. Ich gehe hier kein Risiko ein. Sie abziehen zu sehen, Bowman, macht mich nicht unglücklich, aber meine Pflicht als Christ ist es, Ihnen allen das Beste zu wünschen. Gott sei mit Ihnen, wo auch immer Sie hingehen.«

Bowman schwang sich wieder in den Sattel und lenkte sein Pferd zu der toten Stute. Es berührte den Kadaver mit den Nüstern, schnaubte dann kräftig, wie um einen schlechten Geruch loszuwerden, und hob den Kopf. Die Sepoys verfielen in Trab, der Karren folgte. Bowman passte sich ihrer Laufgeschwindigkeit an und beschloss den Zug.

Nach der Ankunft im Fort St. George sorgte Bowman dafür, dass die Sepoys sich von dem Marsch erholen konnten, dann erkundigte er sich bei einem der Wachposten nach dem Offizier, der für den Kurierdienst verantwortlich war.

»Wegen Rooney? Da müssen Sie zum Corporal. Er ist im Stall. Was ist los?«

Bowman fand die Ställe. Der Corporal saß im Kreis seiner schmutzigen und erschöpften Kuriere um einen Tisch. Es stank nach Mist.

»Was für ein Dummkopf! Ein Pferd zuschanden zu reiten und selbst dabei draufzugehen! Hatte immer Flausen im Kopf, dieser Rooney. Und diese verdammten Iren wollen um keinen Preis hier begraben werden! Was machen wir jetzt mit ihm?«

»Meine Affen bringen Ihnen die Leiche. Ich lasse Ihnen auch mein Pferd. Ich brauche es nicht mehr.«

Beim Kommandanten des Forts erhielt Bowman neue Befehle.

Alle Kais waren vollgestellt mit Handelswaren, Kisten voller Waffen und Munition. Berge von Fässern stapelten sich über Dutzende von Metern. Wasser, Wein, Rum, Essig, Käfige mit Hühnern und Kaninchen, grunzende Schweine. Kulis...

Erscheint lt. Verlag 18.5.2015
Übersetzer Anne Spielmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Trois mille chevaux vapeur
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Abenteuerroman • Abenteuerroman, Wilder Westen, historischer Thriller, 19. Jahrhundert, London, Birma, Entwicklungsroman, Serienkiller • Birma • eBooks • Entwicklungsroman • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Historischer Thriller • Krimi • Kriminalromane • Krimis • London • Roman • Romane • Serienkiller • Wilder Westen
ISBN-10 3-641-14831-6 / 3641148316
ISBN-13 978-3-641-14831-7 / 9783641148317
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