Heartbeat Berlin (eBook)

WG mit Aussicht
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
256 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65291-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heartbeat Berlin -  Antonia Rothe-Liermann
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Anna und Lise sind grundverschieden und doch teilen sie eine große Leidenschaft - die Musik! Dafür lassen sie die Provinz hinter sich und ziehen nach Berlin, ohne Kohle und ohne Plan. Doch der Weg in den Rock-Olymp ist steinig. Als Wohnung muss ein Ladenlokal mit großem Schaufenster herhalten und auf der Suche nach passenden Mitbewohnern stoßen sie auf jede Menge schräge Typen. Aber was tut man nicht alles für seinen großen Traum?

Antonia Rothe-Liermann, geboren 1978 in Halle/Saale, studierte Film- und Fernsehdramaturgie an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Potsdam-Babelsberg. Danach arbeitete sie als Storyliner und Autorin für verschiedene Produktionen der GrundyUFA und teamworx. Seit 2007 schreibt sie als freie Autorin für Spielfilme und verschiedene Serienproduktionen. Sie verfasste u. a. als Co-Autorin Drehbücher für die RTL-Erfolgsserie 'Doctor's Diary' (Chefautor: Bora Dagtekin).

Antonia Rothe-Liermann, geboren 1978 in Halle/Saale, studierte Film- und Fernsehdramaturgie an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Potsdam-Babelsberg. Danach arbeitete sie als Storyliner und Autorin für verschiedene Produktionen der GrundyUFA und teamworx. Seit 2007 schreibt sie als freie Autorin für Spielfilme und verschiedene Serienproduktionen. Sie verfasste u. a. als Co-Autorin Drehbücher für die RTL-Erfolgsserie „Doctor's Diary“ (Chefautor: Bora Dagtekin).

1


Oh Mann, Anna, worauf hast du dich da eingelassen?! Du kennst diese Frau überhaupt nicht – und willst von null auf hundert dein ganzes Leben mit ihr teilen? DU SIEHST DOCH, DASS SIE VERRÜCKT IST!

Denk nach: Was kannst du jetzt noch retten? Darf man noch ›Ach, nein danke, ich hab’s mir anders überlegt‹ sagen, obwohl man vor achtundvierzig Stunden einen gemeinsamen Mietvertrag unterschrieben hat? Wegen abrupter Vernunfts-Rückkehr? Wegen spontaner Erkenntnis des fragwürdigen Geisteszustands der neuen Wohnungs-, Lebens-, Alles-Partnerin?

Moment mal, Anna! Erstens stimmt es nicht, dass du sie gar nicht kennst. Ihr seid zusammen aufgewachsen. So könnte man es doch sagen … Lise wuchs immerhin in derselben Stadt auf wie ich. Zur selben Zeit. Okay – während ich an einem Ende von Eberswalde zum Ballettunterricht radelte, hat sie am anderen Rand der Stadt im Feng-Shui-Garten ihrer Mutter Marihuanapflanzen gezogen. Als ich bei meinen Eltern noch um die Ausgeherlaubnis bis Mitternacht gekämpft habe, hat sie in der angesagtesten Bar gekellnert. Während ich ein Schuljahr in Frankreich verbrachte, hat sie in Eberswalde eine Klasse wiederholt. Aber abgesehen vom Alter und der Kleinstadtvergangenheit gibt es noch eine andere Gemeinsamkeit zwischen Lise und mir. Die Wichtigste. Die Allerallerwichtigste!

Weder in Lises noch in meinem Leben gibt es etwas Größeres als die Liebe zur Musik. Ich gebe zu, dass sich auch die höchst unterschiedlich entwickelt hat. Bei mir Gitarrenunterricht und Schulchor, bei Lise Schlagzeug und Kellerband. Wir haben uns an der Musikschule kennengelernt. Als ich zum Jahreskonzert auf der Westerngitarre Let it be vorgetragen habe – und Lise ihren Schlagzeuglehrer gefeuert hat. Angeblich, weil er ihr nichts mehr beibringen konnte. Tatsächlich wohl, weil er sie ebenfalls zu dem Jahreskonzert angemeldet hatte. Zur Begleitung der Achtklässler-Big-Band.

Nebeneinander lehnten wir an der roten Klinkerfassade, ich befriedigte meinen Perfektionismus mit dem zwanzigsten Probelauf, Lise verarbeitete ihren Ärger mit dem Zerkrümeln einer Zigarette. »In diesem Nest kann ich nichts mehr werden«, sagte sie schließlich missmutig. »Alles, was Eberswalde mir zu bieten hatte, hab ich ausgeschöpft. Ich zieh nach Berlin.«

Berlin. Eine Zugstunde von unserer Stadt entfernt und weiter weg als der Mond. Alles ist dort anders, hieß es, freier, bunter, wilder, lauter, grober. Leider liegt es so nah an Eberswalde, dass die Schulausflüge nach Berlin nie mit Übernachtung sind. Ich kenne im Grunde nur die Sehenswürdigkeiten. Und das Lafayette, in das meine Mutter immer vor den Familiengeburtstagen Shoppingausflüge macht.

Lise ist allein nach Berlin gefahren, schon oft, behauptete sie. Ich nicht. Ich kenn doch dort niemanden. Aber in den 10 Minuten mit Lise malte sie mir eine so schillernde Zukunft zwischen die Rauchringe ihrer Zigarette, dass es mir auf einmal schien, als könnte eine Neunzehnjährige mit musikalischen Ambitionen im ganzen Leben keine klügere Entscheidung treffen, als allein mit ihrer Gitarre in die Hauptstadt zu ziehen. Weg von Mama und Papa, Blumenkästen und Sonntagskaffee, von den Nachbarn, die einfach alles über dich wissen – und umgekehrt! –, von »Dreh die Musik leiser« und der Frage, was ich werden soll, die meine Eltern gänzlich anders beantworten als ich.

»Komm doch mit«, sagte Lise. »Dann kennst du schon jemanden dort: Mich. Und ich lern rasend schnell Leute kennen. Wir könnten eine WG sein. Und ein Duo. Tagsüber strolchen wir durch die Stadt und nachts rocken wir die Clubs.«

Lise hatte recht. So recht, wie noch niemals jemand zuvor. Es war Zeit, auszuziehen in die weite Welt.

Ich sehe sie immer noch da stehen, kaputte Jeans und bemalte Turnschuhe, Wuschelhaare und zehn verschiedene Ohrringe, die selbst gedrehte Zigarette, die selbstbewusste Zuversicht, dass diese weite Welt nur auf sie wartet. Eine Schlagzeugerin. Eine Draufgängerin. Eine Frau, gegen deren Kraft und Träume eine Stadt wie Eberswalde einfach nicht standhalten kann. Ich wollte sein wie sie. Mit ihr gehen. Nach Berlin.

Und da sind wir jetzt. Oh Mann!

Ach so, eins noch: Lise ist nicht RICHTIG verrückt. Aber in den drei Tagen, in denen ich sie nun näher kenne, hat sie mich 28-mal zur Weißglut gebracht. Ich weiß das genau, weil ich über solche Dinge Buch führe. Müsste ich nicht, ich kann die Liste aus dem Kopf hersagen. Sie hat den Mietvertrag spontan ohne mich unterschrieben. Sie hat erst mal nichts außer ihrem Schlagzeug aus dem Transporter geladen, es aufgebaut und eine halbe Stunde getrommelt, eh sie sich bequemte, wieder mit anzufassen. Sie hat es geschafft, dass nach zwei Stunden Einräumen – nach denen ich zwanzig Kisten in meinem Zimmer gestapelt hatte – bereits überall ihre Klamotten herumlagen. Obwohl all ihre Kisten noch verpackt sind. Von dem Geld für die Kühlschrank-Erstausstattung hat sie Cola, Eis und Sekt gekauft, sonst nichts. Ich zähle nicht alle 28 Dinge auf. Aber ich KÖNNTE.

In der Planungsphase, als wir gemeinsam in meinem Mädchenzimmer unter dem Dach gehockt und unser neues Leben organisiert haben, wirkte sie noch ganz zurechnungsfähig. Auch wenn es nicht so sehr Lise war, die da Pläne geschmiedet hat. Wäre es nach ihr gegangen, wären wir einfach mit unserem Taschengeld in den Zug gestiegen. Noch vor dem Abi. Über meine Listen hat sie sich bestens amüsiert. Aber erstens wären wir ohne diese Tabellen tatsächlich mittel- und möbellos hier aufgeschlagen – und zweitens hat es mir riesigen Spaß gemacht, sie zu erstellen. Es fühlte sich an, als könnte ich meine Zukunft schon greifen.

Andererseits ist es Lise zu verdanken, dass meine Eltern überhaupt eingewilligt haben. Mit Erwachsenen kann Lise gut. Ihre Zweifel hat sie geduldig zerstreut, ohne zu erwähnen, dass man ihrer Meinung nach genauso gut einfach losdüsen könnte. Es war, als WOLLTE sie mich wirklich gern dabeihaben. Schrecklich gern.

Aber seit wir vor zwei Tagen zu Papa in den Miettransporter gestiegen sind, hat Lise ihre wahre Natur gezeigt. Als wäre mit jedem Kilometer, den wir uns von Eberswalde wegbewegten, auch etwas von ihr abgefallen, das sie im Zaum hielt. Gestern Abend musste ich sie unter Aufbietung all meiner Kräfte davon abhalten, die Wand zur leer stehenden Nachbarwohnung zu durchbrechen – »Wenn das irgendwann jemanden kümmert, sagen wir einfach: Als wir hier angemietet haben, gehörte das Zimmer schon dazu.« Danach habe ich ihr mit Engelszungen ausgeredet, vier wildfremde Jungs in unsere nagelneue Wohnung zu schleppen. Und der Grund, warum ich jetzt ernsthaft überlege, ob ich von diesem Himmelfahrtskommando noch abspringen kann, ist, dass Lise soeben alle WG-Bewerber, die halbwegs vernünftig wirkten, auf einen Schlag nach Hause geschickt hat. Sie hat fröhlich in die Runde gefragt, wer ordentlich ist, wer freiwillig Putzdienste übernehmen würde und nicht zu laut Musik hört. Und dann alle, die sich gemeldet haben, hinauskomplimentiert.

Spring ab, Anna, das hier wird schrecklich! Und laut, unordentlich, schlodderig. Sag einfach: ›Ach, nein danke, ich hab’s mir anders überlegt‹!

Aber ich sage nichts. Weil ich leider meine Sprache noch nicht wiedergefunden habe.

Oder vielleicht … in wirklichster Wirklichkeit, tief im Allerallerinnersten … weil es sein könnte, dass es genau das hier ist, was ich mir die ganze Zeit gewünscht habe? Denn freier, bunter und wilder als mit Lise kann ein Neustart ja wohl nicht sein …

Fest steht ohnehin: Allein kann Lise sich die Wohnung nicht leisten. Und ich auch nicht. Obwohl man das hier nicht Wohnung nennen kann. Lise erklärt gerade mit zufriedener Grinsekatzen-Miene, sie hätte in der Anzeige auch nicht das Wort ›Wohnung‹ benutzt. Das erklärt, warum so viele Mitbewohner-Bewerber hier sind. Der Junge ihr gegenüber ist der Erste, der Kontra gibt. »Und dafür komm ich den weiten Weg aus Spandau!«, wettert er. »Ich zahl doch nicht 300 Euro dafür, dass mir wildfremde Leute beim Schlafen zugucken!«

Ach ja, ich dachte mir, dass das ein Problem wird.

Unser neues Zuhause hat Lise im Internet aufgestöbert und sie ist übersprudelnd stolz darauf. Vollkommen zu Recht, denn eine Fünf-Zimmer-Wohnung mitten im Friedrichshain, die zwei Neunzehnjährige ohne Vorschuss auf die zu erwartende Musikerkarriere bezahlen können, ist wie ein Sechser im Lotto.

Jetzt sage ich auch schon ›Wohnung‹!

Aber es stimmt: Lise selbst hat das Wort in der Mitbewohner-Annonce vermieden. ›Wohnen im Friedrichshain mit bester Aussicht!‹ steht da, ›Zwei Musikerinnen suchen unkomplizierte WG-Mitbewohner für geschichtsträchtiges, großes 5-Zimmer-Domizil.‹

Denn was wir gemietet haben, ist ein leer stehender Laden. Früher war hier eine Apotheke drin, später eine Schneiderei, zuletzt ist in diesen Räumen eine Kneipe gescheitert. Vier kleine Räume, eine winzige Küche, eine Kammer … und das große Zimmer zur Straße. Mit riesigem Schaufenster.

Paul, der hartnäckige Junge, versucht Lise klarzumachen, dass wir den Ladenraum nicht vermieten können, weil niemand in einem Schaufenster leben wolle. Aber da muss ich widersprechen. Dieser Paul hat keine Fantasie. Auf einem einzigen Kiezbummel habe ich 16 gute Ideen notiert, wie man die Scheibe undurchsichtig gestalten kann. Andere Laden-Bewohner haben ihren Wohnraum mit bunten Gardinen, Bildern oder Fenstermalerei uneinsehbar gemacht. Man darf nur keinen Zentimeter frei lassen, denn so was macht extra-neugierig und die Passanten drücken sich dann an diesem Zentimeter die Nase platt.

Lise findet es völlig falsch, das Schaufenster zuzukleben. »Kann man mehr...

Erscheint lt. Verlag 7.4.2015
Mitarbeit Designer: Cornelia Niere
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Berlin • Freundinnen • Freundschaft • Liebe • Musik • WG
ISBN-10 3-522-65291-6 / 3522652916
ISBN-13 978-3-522-65291-9 / 9783522652919
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