Tod zwischen den Zeilen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Commissario Brunettis dreiundzwanzigster Fall

(Autor)

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2015 | 2. Auflage
304 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60459-7 (ISBN)

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Tod zwischen den Zeilen -  Donna Leon
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Brunetti auf der Jagd nach Raritäten: Der Commissario wird zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen, der altehrwürdigen Biblioteca Merula. Wertvolle Folianten liegen aufgeschlitzt da, und der amerikanische Forscher, der ein Dauergast war, ist verschwunden. In Venedig, das einst auch eine florierende Bücherstadt war, entdeckt Brunetti eine eigenartige Welt: einen florierenden Schwarzmarkt für Bücher.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ?Brunetti?-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

Donna Leon, geboren 1942 in New Jersey, arbeitete als Reiseleiterin in Rom und als Werbetexterin in London sowie als Lehrerin und Dozentin im Iran, in China und Saudi-Arabien. Die ›Brunetti‹-Romane machten sie weltberühmt. Donna Leon lebte viele Jahre in Italien und wohnt heute in der Schweiz. In Venedig ist sie nach wie vor häufig zu Gast.

[7] 1

Es war ein nervtötender Montag, Brunetti hatte sich durch die Zeugenaussagen zu einer Schlägerei zwischen zwei Wassertaxifahrern hindurchgekämpft, als deren Ergebnis einer der beiden mit einer Gehirnerschütterung und einem gebrochenen rechten Arm ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ausgesagt hatte das amerikanische Ehepaar, das beim Hotelportier ein Taxi zum Flughafen bestellt hatte; der Portier, der eins der Taxis, mit dem sie immer zusammenarbeiteten, gerufen haben wollte; der Angestellte, der das Gepäck der Amerikaner in das wartende Boot verstaute, was schließlich sein Job war; und zu guter Letzt die beiden Taxifahrer – der eine vom Krankenhaus aus. Für Brunetti reimten sich die Aussagen nur dann zusammen, wenn das angeforderte Taxi zwar schnell zur Stelle war, da es sich zufällig in der Nähe befand, ihm aber dennoch am Hotelanleger ein anderes Wassertaxi zuvorgekommen war, das mit den Koffern beladen wurde. Das bestellte Taxi zwängte sich daneben, und der Fahrer rief laut die Amerikaner mit Namen, um sie zum Flughafen zu bringen. Der andere Fahrer aber bestand stur darauf, dass dies seine Fuhre sei, weil der Gepäckträger ihn herangewinkt habe. Jener bestritt das. Und dann fand sich der Fahrer, dessen Taxi bereits beladen war, plötzlich auf dem Deck des anderen Taxis wieder. Die Amerikaner waren außer sich, weil sie ihren Flug verpasst hatten.

Brunetti hatte zwar keine Beweise, konnte sich aber [8] bestens vorstellen, was geschehen war: Der Mann für das Gepäck hatte ein vorbeifahrendes Taxi herangewinkt, um dem Portier die Provision wegzuschnappen. Die Folgen lagen auf der Hand: Natürlich würde niemand sagen, wie der Hase lief, und die Amerikaner hatten wieder mal keine Ahnung, was los war.

Einen Moment hing Brunetti diesen Gedanken nach, vergaß sogar, dass er einen Kaffee trinken wollte. War er da etwa über die Formel gestolpert, die das aktuelle Weltgeschehen erklärte? Lächelnd nahm er sich vor, Paola am Abend davon zu erzählen, oder besser noch am nächsten Abend, für den sie bei den Faliers zum Essen eingeladen waren. Vielleicht konnte er seinen Schwiegervater, der paradoxe Situationen liebte, damit zum Lachen bringen. Bei seiner Schwiegermutter war er sich ganz sicher.

Er ließ das Träumen sein und machte sich auf den Weg nach unten, um endlich den Kaffee zu trinken, der ihn durch den Rest des Nachmittags hindurchretten würde. Doch kurz bevor er die Tür ins Freie öffnete, klopfte der Wachhabende in der Telefonzentrale ans Fenster seines winzigen Büros und winkte ihn herein. Brunetti bekam noch mit, wie der Wachmann ins Telefon sagte: »Ich denke, Sie sollten mit dem Commissario sprechen, Dottoressa. Der ist dafür zuständig.« Er reichte ihm den Hörer.

»Brunetti.«

»Sie sind ein Commissario?«

»Ja.«

»Hier spricht Dottoressa Fabbiani, Chefbibliothekarin der Biblioteca Merula. Man hat uns bestohlen. Vermutlich ist sogar mehrfach etwas entwendet worden.« Ihre Stimme klang [9] zittrig, wie bei allen Opfern eines Raubüberfalls, die Brunetti getroffen hatte.

»Aus der Sammlung?«, fragte Brunetti. Er kannte die Bibliothek, war als Student ein paarmal dort gewesen, doch das war Jahrzehnte her.

»Ja.«

»Was genau wurde gestohlen?«, fragte Brunetti und legte sich im Geist die nächsten Fragen zurecht.

»Das ganze Ausmaß ist uns noch nicht bekannt. Bis jetzt steht nur fest, dass aus mehreren Bänden einzelne Seiten herausgeschnitten wurden.« Er hörte sie tief Luft holen.

Brunetti zog Papier und Bleistift zu sich heran. »Um wie viele Seiten geht es denn?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe es soeben erst bemerkt.« Ihre Stimme gewann allmählich wieder an Festigkeit.

Neben ihr sagte ein Mann etwas. Ihre Antwort klang gedämpft, offenbar hatte sie sich zu dem Sprecher umgedreht. Dann herrschte Stille am anderen Ende der Leitung.

Brunetti erinnerte sich an das Prozedere, wenn er in den Bibliotheken der Stadt ein Buch hatte einsehen wollen, und fragte: »Haben Sie nicht ein Verzeichnis aller Benutzer der Bibliothek?«

Überraschte es sie, dass ein Polizist eine solche Frage stellte? Dass er sich mit Bibliotheken auskannte? Auf jeden Fall antwortete sie nicht gleich. »Das versteht sich wohl von selbst«, versetzte sie schließlich. »Wir überprüfen es gerade.«

»Und sind Sie dem Täter auf der Spur?«, fragte Brunetti.

Es folgte eine noch längere Pause. »Ein Wissenschaftler, vermutlich«, erklärte sie schließlich. Und wie um sich zu rechtfertigen: »Er hat sich ordnungsgemäß ausgewiesen.« [10] Schon begann sie, sich genauso zu rechtfertigen wie alle Beamten, die sich dem leisesten Vorwurf der Nachlässigkeit ausgesetzt wähnen.

»Dottoressa«, sagte Brunetti, um einen möglichst überzeugenden und sachlichen Ton bemüht, »wir sind auf die Zusammenarbeit mit Ihnen angewiesen. Je früher wir den Täter finden, desto weniger Zeit hat er, das Diebesgut zu verkaufen.« Er konnte ihr diese Tatsache nicht ersparen.

»Die Bücher sind ruiniert«, jammerte sie so verzweifelt, als wäre ein geliebter Mensch gestorben.

Für eine Bibliothekarin war ein beschädigtes Buch offenbar ebenso schlimm wie ein entwendetes. Er beschloss, den Klagen ein Ende zu machen. »Ich komme, sobald ich kann, Dottoressa. Fassen Sie bitte nichts an.« Bevor sie etwas entgegnen konnte, setzte er hinzu: »Bitte halten Sie auch die Unterlagen bereit, mit denen er sich ausgewiesen hat.« Als sie hierauf nichts antwortete, hängte der Commissario ein.

Brunetti wusste noch, dass die Bibliothek an den Zattere lag, aber wo genau, erinnerte er sich nicht mehr. An den Wachmann gewandt, sagte er: »Falls jemand nach mir sucht, ich bin in der Biblioteca Merula. Nehmen Sie mit Vianello Kontakt auf, er soll mit zwei Männern rüberfahren und Fingerabdrücke nehmen lassen.«

Foa lehnte mit verschränkten Armen und gekreuzten Füßen am Kanalgeländer. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und hielt sein Gesicht mit geschlossenen Augen der Frühlingssonne entgegen. Kaum kam Brunetti näher, fragte der Bootsführer: »Wohin darf ich Sie bringen, Commissario?«, und schlug erst dann die Augen auf.

[11] »Zur Biblioteca Merula.«

»Dorsoduro 3429«, ergänzte Foa wie aus der Pistole geschossen.

»Woher wissen Sie das?«

»Mein Schwager wohnt mit seiner Familie im Haus nebenan«, der Bootsführer strahlte.

»Ich hatte schon befürchtet, der Tenente hätte Sie dazu verdonnert, alle Adressen der Stadt auswendig zu lernen.«

»Wer wie ich auf einem Boot aufgewachsen ist, findet sich blind in der Stadt zurecht, Signore. Besser als jedes Navi«, meinte Foa und tippte sich an die Stirn. Er stieß sich vom Geländer ab, wie um auf das Boot zu steigen, dann aber hielt er plötzlich inne und drehte sich zu Brunetti um. »Wissen Sie eigentlich, was aus denen geworden ist, Signore?«

»Woraus?«, fragte Brunetti verwirrt.

»Aus den Navis.«

»Was für Navis?«

»Die für die Boote bestellt wurden.«

Brunetti wartete stumm auf eine Erklärung.

»Vor ein paar Tagen habe ich mit Martini gesprochen«, erklärte Foa. Martini war der für die Materialbeschaffung zuständige Beamte. Man suchte ihn auf, wenn ein Funkgerät zu reparieren war oder eine neue Taschenlampe gebraucht wurde. »Er hat mir die Rechnung gezeigt und mich gefragt, ob die was taugen.«

»Und?«, meinte Brunetti, während er sich im Stillen fragte, wie sie auf das Thema gekommen waren.

»Oh, das weiß doch jeder, Signore. Die Dinger sind Mist. Die Wassertaxifahrer wollen sie nicht, ich kenne nur einen einzigen, der sich eins angeschafft hat, und den hat es so zur [12] Raserei getrieben, dass er es eines Tages von der Windschutzscheibe seines Boots gerissen und in den Kanal geworfen hat.« Foa machte ein paar Schritte auf sein Boot zu und hielt dann erneut inne: »Das habe ich Martini gesagt.«

»Und was hat er getan?«

»Was kann er schon tun? Die werden von irgendeiner zentralen Stelle in Rom geordert. Jemand dort streicht eine Kommission für die Bestellung ein, und ein anderer streicht etwas dafür ein, dass er die Bestellung abgezeichnet hat.« Er zuckte die Schultern und stieg aufs Boot.

Warum Foa ihm das erzählt haben mochte, fragte sich Brunetti, der auch nichts daran ändern konnte. So liefen die Dinge nun einmal.

Foa startete den Motor. »Martini meinte, die Bestellung belief sich auf ein Dutzend.« Das letzte Wort betonte er.

»Haben wir nicht nur sechs Boote?«, fragte Brunetti, was Foa gar nicht erst kommentierte.

»Wie lange ist das her, Foa?«

»Ein paar Monate. Muss irgendwann in diesem Winter gewesen sein.«

»Wissen Sie, ob die Navis jemals eingetroffen sind?«, fragte Brunetti.

Foa hob das Kinn und schnalzte mit der Zunge, so wie Straßenkinder eine absurde Vorstellung quittieren.

Brunetti hatte die Qual der Wahl: Falls er dagegen vorging, warf ihn das zurück; man konnte versuchen, über einen Umweg voranzukommen, oder einfach die Augen verschließen und sich ruhig verhalten. Wenn er mit Martini sprechen und erfahren würde, dass die Navigationsgeräte zwar bestellt und bezahlt, aber nie geliefert worden waren, [13] geriet er selbst in die Bredouille. Ging er dem auf eigene Faust nach, mochte er vielleicht weitere Plünderungen der öffentlichen Kassen verhindern. Doch er konnte die Sache auch einfach auf sich beruhen lassen und sich um wichtigere Dinge kümmern – oder weniger aussichtslose.

»Was meinen Sie,...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2015
Reihe/Serie Commissario Brunetti
Übersetzer Werner Schmitz
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Belletristik • Bibliothek • Brunetti • Bücher • Krimi • Priester • Selbstportrait • Tatort • Thriller • Venedig • Verbrechen
ISBN-10 3-257-60459-9 / 3257604599
ISBN-13 978-3-257-60459-7 / 9783257604597
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