Mut für zwei (eBook)

Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt
eBook Download: EPUB
2013 | 2. Auflage
320 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96208-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mut für zwei -  Julia Malchow
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15 000 Kilometer allein mit Baby von München durch Sibirien und die Mongolei bis nach Peking auf der Suche nach einem individuellen zeitgemäßen Verständnis des Mutterseins - auf diese Reise begibt sich Julia Malchow mit ihrem 9 Monate alten Sohn Levi. Denn: Reisen ist für sie mehr als Unterwegssein: der Schlüssel zu neuen Ideen und zum Einssein mit sich selbst. Und genau danach sucht sie nach der Geburt von Levi, der erst mal alles in Julia Leben auf den Kopf stellt. Aber funktioniert Reisen in abgelegene Winkel der Welt auch mit Kind? Ein großes Abenteuer, das mit gängigen Familienvorstellungen aufräumt und den Kopf frei macht für die Welt - und für zu Hause.

Julia Malchow ist die Gründerin von mavia soul travel, einem Abenteuerreise-Veranstalter für anspruchsvolle Individualisten. Seit 2009 ist sie zudem geschäftsführende Gesellschafterin von Geobuch, der renommierten Spezialbuchhandlung für Reise und Geografie in München. Um besondere Reiseerlebnisse für ihre Kunden aufzuspüren, reist Julia Malchow regelmäßig in die abenteuerlichsten Winkel der Welt.

Julia Malchow ist die Gründerin von mavia soul travel, einem Reiseveranstalter mit dem Fokus auf Abenteuerreisen für anspruchsvolle Individualisten. Seit 2009 ist sie zudem geschäftsführende Gesellschafterin von Geobuch, der renommierten Spezialbuchhandlung für Reise in München. Um besondere Urlaubserlebnisse für ihre Kunden aufzuspüren reist Julia Malchow regelmäßig in die abgelegenen Winkel der Welt. "Im Zweifel für die größere Veränderung" ist Julia Malchows Motto und so reist die "Weltreisende mit Vision "(Myself) auch privat immer wieder auf der Suche nach Ideen für ihr Leben zu Hause.

2

VON SANKT PETERSBURG DURCH SIBIRIEN NACH IRKUTSK: ÜBER MENSCHEN  AUF DER SUCHE NACH IHREN TRÄUMEN

Guten Morgen, Ural:  Die längste Eisenbahnstrecke der Welt

Ich wache auf, und da ist dieser ohrenbetäubende Lärm. Mein gesamter Körper vibriert. Rhythmisch. Meine Knie sind angewinkelt, und meine Füße stoßen trotzdem an eine beige Plastikwand am Ende meiner Matratze. Meine rechte Hand drückt oberhalb meines Kopfes gegen eine zweite beige Plastikwand. Ein gelber Bibo-Schnuller drückt gegen meine Stirn, und meine Nase registriert einen milchigen Luftzug.

Die erste Nacht in der Transsibirischen Eisenbahn ist vorbei.

Die letzten Stunden habe ich mit Levi auf 55 Zentimeter Breite und 180 Zentimeter Länge verbracht. Wir haben zwar ein vier Quadratmeter großes Zweite-Klasse-Abteil für uns allein – und somit vier optionale Schlafstätten, zwei Bänke unten, zwei ausklappbare Pritschen darüber. Alle jedoch ohne Runterfallschutz. Meine Rolle für die kommenden fünf Nächte ist definiert: Ich bin das Gitter zum fehlenden Babybett.

Ich hebe meinen Kopf, um aus dem Fenster zu schauen, schlage mit selbigem gegen die Kante des Tischchens, das unterhalb des Fensters zwischen den zwei unteren Bänken angebracht ist, zucke vor Schmerz unkontrolliert zusammen, drehe dabei meine linke Hüfte entscheidende Zentimeter zu weit nach links, strample mit den Füßen gegen die Schwerkraft und spüre, wie das rhythmische Rattern meinem Körper den entscheidenden Schubs in die falsche Richtung gibt: Mit einem Plumps lande ich auf dem im persischen Stil ausgelegten Boden: Guten Morgen, Ural!

Der blau-golden gemusterte kleine Vorleger, auf dem ich sitze, erinnert mich an meine romantischen Vorstellungen von Transsibirischer Eisenbahn und an unsere Mission. Die Zeitschrift La France hatte 1901 zur Fertigstellung der 9288 Kilometer langen transsibirischen Eisenbahnroute gejubelt, dass die Geschichte neben der Entdeckung Amerikas und dem Bau des Sueskanals kein weiteres Ereignis kenne, das so große direkte und indirekte Konsequenzen auf die Welt haben würde. Im 21. Jahrhundert hoffe vermutlich nur ich auf erste Impulse für ein neues Leben.

Ich reibe mir die Knie. Laut Mobiltelefon ist es fünf Uhr morgens.

Vor sechzehn Stunden waren wir nach einer Woche in Sankt Petersburg im mit großen Rundbögen und schnörkeligem Stahl verzierten Moskauer Bahnhof in den Zug Nummer 10 eingestiegen, der uns in fünf Tagen und vier Nächten nach Irkutsk bringen würde – wenn nichts dazwischenkam. Der Taxifahrer hatte in dem Meer aus kyrillischen Schriftzeichen Bahnsteig, Zug und Waggon für uns gefunden sowie der blonden jungen Frau vor dem Waggon mit einer Liste in der Hand, auf der auch ich unsere beiden Namen ausmachen konnte – was nicht schwer war, da es die einzigen mit lateinischen Buchstaben geschriebenen Namen waren –, zu verstehen gegeben, dass wir zwar nur zwei Personen, genau genommen anderthalb waren, aber dennoch vier Betten reserviert hätten. Nach einigem Hin und Her, das ich zwar nicht verstanden, aber mit meinem schönsten und zuversichtlichsten Lächeln begleitet hatte, durfte ich mit Levi, im Maxi-Cosi an meinem rechten Arm baumelnd, die zwei hohen eisernen Stufen erklimmen und stand zum ersten Mal in der Transsibirischen Eisenbahn. Eingerahmt von Markus, mit unserer Reisetasche im Arm, und vom Taxifahrer, mit Kinderwagen und Seesack in seinen Händen und Schweiß auf der Stirn.

Entgegen allen Ankündigungen in Transsibreiseführern, dass nicht mitreisenden Begleitpersonen der Zutritt zum Zug strengstens verboten sei, durften sowohl Markus, der uns nach sechs Mutter-Sohn-Tagen in Sankt Petersburg für zwei Tage besucht hatte, als auch der Taxifahrer mit Levi und mir einsteigen. Auch wurde das Gepäck – entgegen der Expertenmeinung – nicht gewogen und war somit nicht auf 36 Kilogramm begrenzt. Alles war einfacher und freundlicher als erwartet. Vielleicht waren die Sankt Petersburger Verhältnisse entspannter als die in Moskau, von wo aus die meisten Reisenden ihr Abenteuer Transsib starteten?

Die hellblonde Schaffnerin zeigte auf Levi und runzelte die Stirn. »Warum?«, meinte ich in ihrem erstaunten Gesicht lesen zu können. Ich lachte ihr eine Zuversicht entgegen, die ich unterwegs zu finden hoffte, und der Taxifahrer fand scheinbar die richtigen Worte.

Zu dritt verstauten wir das Gepäck in Levis und meinem neuen Nest aus Plastik und Metall – den Kinderwagen, den ich im Zug sicher nicht brauchen würde, in den Stauraum über der Abteiltür, die Tasche mit unseren Kleidern unter einer Sitzbank, den Seesack mit Levis Essen, meinen Teebeuteln, Windeln und Spielzeug für die Tage in der Transsib immer griffbereit auf eine Pritsche – und verabschiedeten uns vom Taxifahrer.

Mein Blick traf meinen Blick im Spiegel auf der Innenseite der Abteiltür, und da wusste ich, dass es ernst wurde: Ich saß tatsächlich im Zug. Mit Levi. Ich sah Aufregung in meinem Gesicht. Und ein bisschen Angst. Ein Satz lag mir auf der Zunge: »Ich will nicht!« Aber ich ließ ihn nicht über meine Lippen entkommen. Also bahnte er sich einen Weg über die Augen, die feucht wurden. Levi gähnte und schlief ein. Ich lief wie ein eingepferchter Tiger im Abteil auf und ab. Irgendwann stieg Markus aus.

Nächster planmäßiger Halt war Perm. In 38 Stunden.

Auch im 21. Jahrhundert ist die Transsib noch die längste durchgehende Eisenbahnstrecke der Welt.

Ein Rettungsreifen im Wodkameer

Das mit roten Vorhängen versehene Fenster umrahmt eine schmierige grau-rosa Morgendämmerung. Und Birken.

Vorsichtig öffne ich die Abteiltür und spähe auf den Gang hinaus. Niemand zu sehen. Mit meiner Thermostasse hüpfe ich auf Socken zum kohlebefeuerten meterhohen Samowar, der am vorderen Ende meines Waggons Nummer 7 rund um die Uhr kochend heißes Wasser für maximal 36 Reisende und zwei Schaffnerinnen bereithält, lasse einen Viertelliter einlaufen und eile zurück zu unserem Abteil mit den Plätzen 21, 22, 23 und 24, in dem Levi immer noch schlummert. Das Thermometer oberhalb der Waggontür zeigt kuschelige 26 Grad. Die Uhr darunter 7.12 Uhr. Dass es sinnvoll ist, sich die Bettennummern einzuprägen, hatte ich gestern Nacht gemerkt, als ich von einem Blitztoilettenbesuch zurückkehrte und mich erst an zwei falschen Abteiltüren versuchte. Die erste Tür war verschlossen, und ich kämpfte gegen die Sorge, dass sich jemand mit Levi in unserem Abteil eingeschlossen hatte, um unser Gepäck in Ruhe zu inspizieren oder um Levi zu stehlen. Vor Ersterem wird in den konsultierten Reiseführern ausgiebig gewarnt mit der Empfehlung, doch immer beim Verlassen des Abteils die Tür von der Waggonschaffnerin abschließen zu lassen. Mit Levi im Inneren und wenn man bedenkt, dass die Schaffnerin ja auch mal schlafen muss, nicht wirklich praktikabel. Die zweite Tür ließ sich öffnen. Statt des schlummernden Levi blickte ich in das erst erboste und dann lächelnde Gesicht des jungen Mannes, der neben uns wohnte. Hinter der dritten Tür fand ich endlich unser kleines Nest und meinen schlafenden Sohn.

Ich verbrenne mir den Mund am Tee und stelle fest, dass ich keine Vorstellungen davon habe, was mich und uns die nächsten fünf Tage erwartet. Dass ich keinen Plan habe, was ich die nächsten fünf Stunden, geschweige denn die nächsten fünf Tage mit Levi in diesem Zug anstellen soll. Lesen, Musik hören, aus dem Fenster schauen, all das wird nur bedingt mit Levi funktionieren. Und der wacht bald auf. Und dann?

Eine Stunde später sitzen Levi und ich im Zugrestaurant. Ich bin überwältigt von der zwölfseitigen russisch-englischen Auswahl an Speisen und Getränken. Die Reiseführer hatten vor der eher spärlichen Verpflegung im Zug gewarnt. Ich rechne also mit einer eingeschränkten Verfügbarkeit und bilde im Kopf eine Favoritenliste von fünf Gerichten. Zwei Kellnerinnen herrschen über den Restaurantwagen: eine ältere, offensichtlich weisungsbefugte, schwer Beschäftigte und eine jüngere, gelangweilte, grimmig dreinblickende mit Zeitlupensyndrom und ohne erkennbare Aufgabe. Ohne mit der Wimper zu zucken, nimmt die Ältere unsere Bestellung auf.

Außer mir sitzt noch eine Frau um die 45 vor einer Wasserflasche und einem randvollen Glas an einem der Vierertische aus beigem Plastik, die sich rechts und links vom Gang wie in einem altmodischen Klassenzimmer aufreihen. Am vorderen Waggonende eine Bar mit Kasse, am hinteren Ende eine Ausstellung an Süßwaren und Getränkedosen, die man zum Verzehr im eigenen Abteil erwerben kann: Snickers, Cola, Wasser, Gummibärchen, Fünfminutenterrine, Bier. Zwei Männer sitzen am hintersten Tisch und spielen Karten. Levi und ich haben in der Mitte des Waggons Platz genommen, in Fahrtrichtung, und beobachten die vorbeiratternden Birken.

Als unser Frühstück in Form von dampfenden Rühreiern, Brot und Orangensaft vor uns steht und ich zum vierten Mal versuche, die ältere Kellnerin dazu zu überreden, Levis Frühstücksbrei in der Mikrowelle aufzuwärmen, setzt sich die 45-jährige Frau zu uns und möchte die Sache in die Hand nehmen. Aufwärmen, tippe ich in die Übersetzungs-App meines iPhones. Sie nickt, spricht mit der jüngeren Kellnerin, und Sekunden später ergießt sich ein großer Schwall eiskalten Wassers in Levis Teller. Selbst für meinen rechten Oberschenkel reicht der Schwall. Erwartungsfroh schaut mich Ina aus Nowosibirsk unter schweren halb geschlossenen Augenlidern an. Ihre Schwester lebt in den USA, und im Juni haben beide sich in der Dominikanischen Republik getroffen, schließe ich aus Inas Ausführungen...

Erscheint lt. Verlag 14.5.2013
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte Asien
Technik
Schlagworte Abenteuer • alleinerziehend • Allein erziehende Mutter • Alleinerziehende Mutter • Alleinerziehende Mütter • allein mit Baby • allein mit Kind reisen • allein reisen • Allein unterwegs • als Frau allein • als Frau allein reisen • als Frau solo reisen • als Mutter allein • anstiften • Auf der Suche • Baby • Babys • Bilder • Bildteil • Buch • Bücher • Bücher über die Transsibirische Eisenbahn • Bücher zur Transsib • China • eBook • Eigene Bedürfnisse • eine neue Welt • Entwicklungsphasen eines Kleinkinds • Familie • Familie neu denken • Familienklischees • familienkonzept • Familienmodelle • familienreisen • Fernweh • Fotos • Frauenpower • gängige Familienvorstellungen • große Veränderung • Individuell • jenseits des Klischees • Kind • Kinder • kleiner Sohn • Kleinkind • Kopf frei machen • Mama Kind • Mama Kind Reise • mit dem Baby reisen • moderne Abenteurerin • moderne Familie • moderne Familienkonzepte • Moderne Nomadin • Mongolei • Motivieren • München • Mut machen • Mutter • Mutter-Kind-Reise • Mutter und Kind • nachahmer • National Geographic • National Geographic Taschenbuch • neue Familienkonzepte • Neue Familienmodelle • NG • Peking • raus in die Welt • Reise • Reisebericht • Reiseberichte • Reisebeschreibung • Reisebuch • Reiseerzählung • Reiseliteratur • Reiselust • Reisen • Reisen mit Baby • reisen mit dem zug • Reisen mit der Bahn • reisen mit der Transsib • reisen mit der Transsibirischen Eisenbahn • Reisen mit Kind • Reisen mit Kindern • Reisen mit Kleinkind • Reisen mit Sohn • Russland • Selbstfindung • Sibirien • sich als Familie finden • SIch selber finden • Sinnsuche • Soloreise • Solo reisen • Starke Frauen • Transsib • Transsibirische Eisenbahn • travelogues • unsere neue Welt • unterwegs im Zug • Unterwegssein • von München nach Peking • Wahre Geschichten • Zugreisen • Zweifel
ISBN-10 3-492-96208-4 / 3492962084
ISBN-13 978-3-492-96208-7 / 9783492962087
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