Kim und Struppi (eBook)

Ferien in Nordkorea
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-0702-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kim und Struppi -  Christian Eisert
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Wie viele Touristen jährlich Nordkorea besuchen, lässt sich exakt sagen: wenige. Dabei hält so ein Urlaub im Reich von Kim Jong-un viele Überraschungen bereit: Autobahnen ohne Autos, Hotels, in denen der fünfte Stock fehlt, und ein Tänzchen an der gefährlichsten Grenze der Welt - zu den Klängen von 'Tränen lügen nicht'. Christian Eisert ist 1.500 Kilometer durch die Demokratische Volksrepublik gereist. Mit gefälschter Biographie. Unter ständiger Beobachtung des Geheimdienstes. Und immer auf der Suche nach Kim Il-sungs legendärer regenbogenfarbener Wasserrutsche. Das Ergebnis ist einfach irre - und sehr komisch.

Christian Eisert, geboren 1976 in Berlin (Ost), ist TV-Autor, Satiriker und Comedy-Coach. Er war acht Jahre lang Autor für Harald Schmidt und schreibt für die Fernsehshows 'Alfons und Gäste' und 'Grünwald Freitagscomedy' sowie für 'Shopping Queen' und 'Löwenzahn'. Sein Reisebericht 'Kim und Struppi - Ferien in Nordkorea' stand über ein Jahr lang ganz oben auf der Spiegel-Bestseller-Liste.

CHRISTIAN EISERT, geboren 1976 in Ostberlin, ist TV-Autor, Satiriker und Comedy-Coach. Er schreibt Gags, Sketche und Drehbücher u. a. für Harald Schmidt und die Fernsehshows Alfons und Gäste und Grünwald Freitagscomedy. Erste Erfahrungen mit Nordkorea sammelte er im Jahr 1988, als er an seiner Schule zu Ehren einer Gästedelegation aus Pjöngjang Arbeiterkampflieder sang.

Der Mann mit den Eisaugen


Unserer Maschine näherte sich eine himmelblaue Gangway.

Gleich darauf traten wir hinaus in den nordkoreanischen Nachmittag. Der Wind war weich, die Luft warm, der Himmel grau. Es roch nach Frühling.

Ich legte den Zeigefinger auf die Messtaste meiner Uhr, hielt ihn die Stufen der Gangway hinab gedrückt. Als ich den Boden betrat, piepte es. Puls: hunderteinundzwanzig. Wie unsere Flugnummer.

An der niedrigen Decke in dem spiegelverkleideten Flachbau flimmerten nur wenige Leuchtstoffröhren. Er schien nur aus einem langen Raum zu bestehen. Mannshohe Holzwände, jeweils etwa einen Meter breit, trennten drei Viertel des Raumes der Länge nach ab. Hier hielten sich alle ankommenden Passagiere auf. Abfliegende sah man nicht. Wenn eine Maschine startete, würden sie es wohl umgekehrt arrangieren.

Olivgrüne Uniformen in jeder Ecke. Links vorne zwei Schalter des Zolls, davor ein Durchleuchtungsgerät mit dem Gepäckrolltisch. Gegenüber ein einziges Gepäckband.

Die Businessmenschen bildeten Gruppen. Fünf Westler und zweimal drei Asiaten. Touristen standen meist pärchenweise herum. Nur ein Tourist reiste anscheinend allein. Ein hünenhafter Mann, der Militärhosen trug und eine wüstensandfarbene Weste mit unzähligen Taschen, die über seinem Bauch spannte. Umherirrend rief er: »Yanggakdo? Fährt wer zum Yanggakdo Internäschenel? Irgendjemand? Yanggakdo?«

Alle fuhren zum Yanggakdo International. Dem Hotel für Ausländer.

Eine weißhaarige dicke Engländerin, grüne Windjacke, Gürteltasche, redete auf ihn ein. Er verstand sie nicht. Sie wusste sich zu helfen: »Are there any Germans here?«

Antwort gab eine schlanke Enddreißigerin mit roten Rastazöpfchen. »I’m Austrian. I speak German.«

»Oh Sweetheart, would you help him?«

Wie sich herausstellte, gehörte die Mehrheit der Touristen am Flughafen zu ein und derselben Reisegruppe. Sieben Tage Rundreise durch Nordkorea. Sandra und ich sahen uns an. Sie schloss kurz die Augen.

»Ja«, sagte ich. »Gott sei Dank!«

»Eine Reisegruppe hätten wir im Leben nicht ausgehalten.«

»Wir müssen ja schon uns aushalten.«

Ganz am Ende des Gebäudes, wo es nach draußen ging, warteten, jeweils zu zweit, Nordkoreaner in dunklen Anzügen. Meist Herren. Die wenigen Damen trugen schwarze Kostüme, der Rocksaum endete knapp unter dem Knie. Die Reiseleiter. Je zwei betreuten eine Gruppe. Und wie ich sie da hinten stehen sah, wurde mir klar, dass wir in puncto Überwachung gegenüber einer Gruppenreise eindeutig im Nachteil waren. Uns konnte je ein Reiseleiter im Blick behalten. In einer Gruppe würden sie definitiv schneller den Überblick verlieren.

Wer uns zugeteilt war, ließ sich von unserem Standpunkt nicht ausmachen. Sie würden uns schon finden.

Während wir auf unsere Koffer warteten, musterte ich die Zöllner. Wie in allen Ländern waren ihre Gesichter ausdruckslos, der Mund ein Strich, die Pupillen jagten hin und her.

Ich dachte an Sandras iPhone und versuchte zu ergründen, wie wohlgesonnen sie sich gegenüber einer Smartphone-Besitzerin zeigen würden, die ihr Telefon behalten will. Bestenfalls schickten sie uns zurück.

Plötzlich Sandras Stimme hinter mir.

»Oh no, I’m not Korean, I’m Vietnamese.«

»Vietnamese, really?« Die Engländerin entschuldigte sich. Sandra sagte etwas von »vacation« – Urlaub – und wie verrückt es sei, hier zu sein. Vielleicht sähe man sich.

»Was war?«, fragte ich.

»Die hat mich für ’ne Reiseleiterin gehalten.« Sandra schüttelte den Kopf samt ihren langen schwarzen Haaren und nickte Richtung Ausgang. »Ich seh gar nicht so aus wie die.«

»Stimmt, die tragen alle keine Lederjacken.«

»Im Gesicht, Hase, im Gesicht.«

Bevor ich meinen Einwand formulieren konnte, fuhr sie auf: »Nee, Hase, wirklich nicht.« Ihre Mandelaugen blitzten vor Empörung.

Bald ruckelten Sandras Tasche und mein Koffer heran. Kaum hatten wir sie vom Gepäckband genommen, winkte uns einer der Uniformierten heran. Sein Gesicht überzog ein Netz aus Fältchen, seine Augen hatten die Farbe alter Gletscher.

Er deutete auf den Durchleuchtungskasten. Eine Hitzewelle durchfuhr mich. Ich deutete von meinen Koffer auf den Kasten und zurück, um mich zu vergewissern, ob er das ernst meinte. Er schoss mehrere Worte Koreanisch auf mich ab.

Ich wuchtete meinen Samsonite auf das Transportband. Der Offizier wandte seine Eisaugen in Richtung Kontrollmonitor, an dem eine kleine Beamtin Dienst tat. Lippenstift und Rouge verliehen ihrem Gesicht einen Charme, wie ihn Mädchen auf Winterbildern naiver Maler ausstrahlen. Ein Pelzkragenmäntelchen statt der Uniform – und ich hätte Appetit auf Bratäpfel bekommen.

Der Offizier kniff die Augen zusammen, seine Fältchen vermehrten sich. Er knurrte. Die pausbäckige Beamtin senkte ihren Kopf, nickte zweimal schnell.

Der Röntgenapparat schluckte meinen Hartschalenkoffer und Sandras Reisetasche. Schweiß trat mir auf die Stirn, die Brille rutschte. Das letzte Mal hatte ich mich so gefühlt, als ich vor einer Wandkarte stand und Nordkorea finden sollte. Das war mir inzwischen gelungen.

Würde ihre Suche auch erfolgreich enden?

Wir hatten lange überlegt, womit wir, wenn es darauf ankam, Einheimischen eine Freude machen konnten. Dabei wollten wir nicht wie Seefahrer mit Glasperlen und Spiegeln daherkommen. Außerdem sollte es nicht gleich als Geschenk offensichtlich sein, sondern aussehen, als wäre es zum Eigenbedarf bestimmt.

Dass sie uns schon im Transitbereich auf die Schliche kommen würden, hatte nicht mal ich erwartet. Streng genommen waren wir noch gar nicht im Land.

Auf beide Gepäckstücke hatten wir ein halbes Kilo Schokolade in Zwanzig-Gramm-Täfelchen verteilt. Auf dem Papier jedes Täfelchens standen Sprichworte. Zum Beispiel: »Hochmut kommt vor dem Fall.«

Erster Vorwurf: Bestechung in Tateinheit mit Verbreitung von Hetzparolen.

Außerdem hatte Sandra in Peking und Abu Dhabi sämtliche kostenlosen Hochglanzmagazine eingesteckt. Zweiter Vorwurf: Einfuhr feindlichen Propagandamaterials. Schon ein ausländischer Reiseführer über das Land wurde angeblich als feindlich eingestuft.

In meinem Koffer würden sie zudem die Umrisse eines Porsches entdecken. Ich wollte den Spielzeugsportwagen in Pjöngjang fotografieren – für die Facebook-Seite meines letzten Buches. In dessen Schlusskapitel tanzen Sandra und ich nackt um einen Porsche. Von meinem Fotovorhaben wusste Sandra nichts. Dritter offizieller Vorwurf: Einfuhr kleiner roter Autos.

Vierter Vorwurf, inoffiziell: »Hase, echt ey!«

Ich ärgerte mich bereits über das Triumphgefühl Sandras, wenn sie statt ihrer mich verhaften würden. Obwohl ich mein Telefon zu Hause gelassen hatte.

Das Gesichtsrund der Kontrollbeamtin am Monitor blieb ohne Reaktion. Entweder war das Gerät nur eine Attrappe wie manche Rakete bei nordkoreanischen Militärparaden oder sie suchten nach Gefährlicherem als Schokolade, Illustrierten und Spielzeugautos. Handys zum Beispiel.

Der Faltenuniformierte deutete auf Sandras Kreuzchen im Einreiseformular bei hand phone, cell phone and other communication means.

Sandra schüttelte den Kopf.

Der Uniformierte blickte ihr in die Augen. Stieß ein Wort aus. Kein schönes.

Ich bot ihm zur Ablenkung mein Netbook an. Von dem Kleincomputer hatte ich alle verräterischen Dateien durch dreifaches Überschreiben gelöscht. Offiziell führte ich das Gerät mit, um darauf meine Urlaubsbilder vor Ort bearbeiten zu können, für das Fotoalbum daheim.

Er sah mich nicht einmal an.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle schon mal verraten, dass wir den Flughafen nie wiedersahen.

»Jetzt gib’s ihm«, presste ich hervor. Sandra nahm mich beim Wort. Allein dafür, wie sie dem Faltenmann ihr Handy in die Hand klatschte, hätte man uns einsperren können.

Mein Puls überholte sich selbst.

Beim Durchschreiten des Metalldetektors piepte nichts. Am Zollschalter hämmerte ein Uniformierter Stempel in unsere beiden Pässe – und behielt sie. Jetzt hatten sie schon drei Dinge von uns.

Immerhin durften wir den Transitbereich verlassen. Endlich waren wir ganz offiziell in dem Land, das zwei Wochen zuvor seinen letzten Atomtest absolviert hatte.

Wir hatten kaum durchgeatmet, da kamen zwei Männer auf uns zu.

»Frau Schafer, Herr Esert?«

In ihren schwarzen Anzügen standen sie lächelnd vor uns. Am Revers ein Abzeichen. Es zeigte die beiden ewigen Landesführer: Kim Il-sung und Kim Jong-il, vor roter Fahne. Beide mit Zahnpastalächeln.

Nordkorea war bis 2011 das einzige Land der Welt, das offiziell ein Toter regierte. Landesvater Kim Il-sung war nach seinem Tod 1994 zum »Ewigen Präsidenten« ernannt worden. Sein Sohn Kim Jong-il übernahm nach einer – entsprechend dem konfuzianischen Ritus – dreijährigen Trauerzeit die Staatsgeschäfte. Als Kim Jong-il Ende 2011 starb, erhielt er kurz darauf den Titel »Ewiger Generalsekretär der Arbeiterpartei Koreas und ewiger Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates«. So wurde Nordkorea das einzige Land der Welt, das offiziell von zwei Toten regiert wird.

Da diese ihr Amt naturgemäß nur passiv ausüben können, kümmert sich seit dem 29. Dezember 2011 ein Kim in dritter Generation um die Staatsgeschäfte: Kim Jong-ils jüngster Sohn Kim Jong-un....

Erscheint lt. Verlag 10.3.2014
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Reisen Reiseführer
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Diktator • Heinz Strunk • Humor • Kim Jong-il • Kim Jong-Un • Molwanien • Nordkorea • Reise • Reisebericht • Satire • Südkorea • Titanic
ISBN-10 3-8437-0702-2 / 3843707022
ISBN-13 978-3-8437-0702-2 / 9783843707022
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