Die Verzauberung der Welt (eBook)

Eine andere Geschichte der Naturwissenschaften
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2014 | 1. Auflage
336 Seiten
Siedler (Verlag)
978-3-641-06122-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Verzauberung der Welt -  Ernst Peter Fischer
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Von fallenden Äpfeln bis zu den Higgs-Teilchen - eine Anleitung zum Staunen
Die meisten Menschen glauben, die Naturwissenschaft habe die Welt entzaubert. Was berechnet werden könne, berge keinerlei Geheimnis mehr. Ganz im Gegenteil, sagt Bestsellerautor und Wissenschaftspublizist Ernst Peter Fischer in seinem neuen Buch - erst durch unablässiges Forschen, durch stetes Nachfragen und unbändige Neugier, kurz: durch die genaue Kenntnis der Naturwissenschaften enthüllt sich uns das wahre Geheimnis der Welt. Fischer zeigt dies am Beispiel großer Wissenschaftler und ihrer 'Entdeckungen' von Kopernikus' Weltbild bis hin zum Higgs-Teilchen. Eine gänzlich 'andere Geschichte der Naturwissenschaften' - und eine Anleitung zum Staunen.

Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal, studierte Mathematik, Physik und Biologie und promovierte 1977 am California Institute of Technology. 1987 habilitierte er sich im Fach Wissenschaftsgeschichte und lehrte in den Jahren darauf an den Universitäten Konstanz und Heidelberg. Als Wissenschaftspublizist schreibt er unter anderem für Die Welt und Focus. Fischer ist Autor zahlreicher Bücher, darunter der Bestseller »Die andere Bildung« (2001) und die Max-Planck-Biographie »Der Physiker« (2007). Für seine Arbeit erhielt er mehrere Preise, u. a. den Sartorius-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Bei Siedler erschien zuletzt »Die Verzauberung der Welt. Eine andere Geschichte der Naturwissenschaft« (2014).

VORWORT

Das verlorene Gefühl

Man wird nicht sagen dürfen, daß die Physik
die Geheimnisse der Natur wegerkläre, sondern daß sie
sie auf tieferliegende Geheimnisse zurückführe.

CARL FRIEDRICH VON WEIZSÄCKER

Das Schönste, was ein Mensch erleben kann, ist, so Albert Einstein, das Geheimnisvolle. Einstein nennt es »das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Wissenschaft und Kunst steht«. Und dieses Gefühl geht den Menschen in diesen Tagen auf vielfache Weise verloren oder wird ihnen genommen – etwa wenn manche Sozialphilosophen verkünden, die aufklärenden Naturwissenschaften sorgten für eine »Entzauberung der Welt«. Zahlreiche journalistische Vermittler unterwerfen sich diesem Diktum, wenn sie mit kühnen Überschriften wie »Schwänzeltanz entzaubert« ihren Lesern ein Wissen über das Leben und Weben von Bienen vorgaukeln – ein Wissen, das sie nicht haben können, weil das angesprochene Phänomen keineswegs vollständig erklärt ist. Häufig wetteifern mediale Kommunikatoren darin, dem Publikum vorzuführen, was die Naturwissenschaften scheinbar alles erklären können, ohne dass eine Frage offen bliebe: Krebs entsteht durch entartetes Zellwachstum. Farben versteht man durch unterschiedliche Wellenlängen. Wasser bekommt seine Oberflächenspannung durch die Gestalt seiner Moleküle. Licht wird von Atomen ausgesandt. Energie wird durch Kernspaltung oder Fusion frei. Und so weiter und so fort.

Bereits vor einiger Zeit hat der Literaturwissenschaftler Erich Heller darüber geklagt, dass die bunten Bildchen, die im Fernsehen als wissenschaftliche Erklärung etwa von Viren und ihren Wirkungen angeboten werden, kaum für ein Verstehen sorgen und mehr dafür, dass sich die Zuschauer »im Nu in einer Walt-Disney-Welt von farbigen Absurditäten« wiederfinden. Das zappelnd bunte Geflimmer hektischer Bildschnitte raubt ihnen jedes Gefühl für das Geheimnisvolle, das die Natur demjenigen bietet, der sie aus der Nähe sieht und sie wahrnimmt.

Menschen sind primär nicht rational urteilende, sondern sinnlich wahrnehmende – also ästhetisch empfindsame – Wesen, die sich ganz selbstverständlich darum bemühen, das Schöne in der Welt zu entdecken. Sie erfahren dabei unter anderem Freude an dem, was Licht so alles vermag. Licht funkelt, strahlt, leuchtet, scheint, wärmt, erhellt, glitzert, blitzt auf, wird gespiegelt, polarisiert und inzwischen in höchst raffinierten Leuchtdioden produziert oder auf besondere Weise in Form von Laserstrahlen frei- und eingesetzt. Licht bietet auf seine Weise viele sinnlich zugängliche Geheimnisse, die Lust auf mehr Phänomene machen – sofern sie einem nicht ausgetrieben wird, etwa in der Schule. Denn dort werden diese Phänomene in der Regel unter den schwarzen Strichen versteckt, mit denen Schulbücher Strahlengänge etwa bei Fernrohren, Mikroskopen oder Prismen nachzeichnen und vorführen. Diese glatten Linien der Pädagogen erfassen unter anderem das Reflexionsgesetz, bei dem Licht auf einen Spiegel trifft, der merkwürdigerweise ebenfalls bevorzugt als schwarze Linie erscheint, sodass ein schwarzer Strich auf einen anderen trifft – was mit dem, was Kinder sehen, endgültig nichts mehr zu tun hat. Mit den schwarzen Linien ist alles klar, man hat alles erklärt und in eine Formel gebracht, die in Prüfungen als Wissen abgefragt wird.

Und niemand bemerkt, dass dabei das vergnügliche Verstehen ausgeschaltet und dem Licht mithin jeglicher Zauber genommen wird. Mit den schwarzen Strichen der Pädagogik verschwindet die ästhetische Neugierde der Schüler auf den schönen Schein des Lichts, und der kalte und schneidende Verstand der Forscher verlangt sein Opfer, wie es oberflächlich aussieht. Doch was den Physikern und anderen Wissenschaftlern gelingt und sie beschäftigt, wenn sie sich dem Licht zuwenden, hat mit solch einer – vorgeblich didaktischen – Darstellung nicht das Geringste zu tun. Wer sich auf ihre Einsichten einlässt, merkt, wie weit die groteske Idee einer Entzauberung der Welt durch die Naturwissenschaften neben der Wahrheit liegt. Die vorliegende »andere Geschichte der Naturwissenschaften« hat sich vorgenommen, diese Feststellung mit einigen Beispielen zu untermauern und zu verdeutlichen.

Wie zu zeigen sein wird, vermehrt eine naturwissenschaftliche Erklärung der Welt das Geheimnisvolle in ihr und führt damit zu ihrer Verzauberung und unserer Verzückung. Keineswegs handelt es sich bei den Naturwissenschaften um eine »anonyme, kollektive träge Bewegung«, die nur »mindere Wahrheiten« erfassen kann, wie es der vielbeachtete amerikanische Kulturphilosoph Francis George Steiner in seinem 2001 erschienenen Buch Grammatik der Schöpfung behauptet hat. Im Gegenteil: Für viele naturwissenschaftliche Entwicklungen sind kreative Prozesse konstitutiv. Sie bestehen nicht aus schlichten Entdeckungen (im Sinne von Aufdeckungen bereits vorhandener Gegebenheiten), sondern erweisen sich bei näherem Hinschauen als freie Hervorbringungen des menschlichen Geistes.

Physiker wie Carl Friedrich von Weizsäcker wussten seit Jahrzehnten zwischen tiefen und einfachen Wahrheiten auf ihrem Gebiet zu unterscheiden. Das Gegenteil einer einfachen Wahrheit – Elektronen tragen eine elektrische Ladung – ist falsch, während das Gegenteil einer tiefen Wahrheit – Elektronen bewegen sich als Teilchen – eine neue Wahrheit ist: Elektronen zeigen nämlich auch Eigenschaften von Wellen.

Dem Philosophen und Physiker von Weizsäcker stand seinerzeit etwa die geheimnisvolle Stabilität der Atome vor Augen, die von der Physik erst mit der Notwendigkeit von Quantensprüngen zwischen stationären Zuständen und dann mit den Formen begründet wurde, die Atome dabei annahmen. So brauchbar sich diese Deutung für den weiteren Verlauf der Physik auch erwies, so wird doch niemand behaupten, dass das ursprüngliche Geheimnis damit wegerklärt wurde. Vielmehr kann jeder sehen, der sehen will, dass das Mysterium der Atome dadurch vertieft wurde und insgesamt bis in die Gegenwart offen geblieben ist.

Wahrheiten der Wissenschaft

Es soll riskiert werden, zehn Wahrheiten zu formulieren, die der Arbeit von Naturforschern zu verdanken sind – wobei der Autor nicht darauf hingewiesen werden muss, dass es auf keinen Fall zu den ursprünglichen Zielen von Wissenschaft gehört, Wahrheiten zu verkünden, wie es etwa die Religionen tun. Wissenschaft wollte durch Wissen zum einen die Freude an der Wahrnehmung der Welt vergrößern und zum anderen das Leben von Menschen erleichtern. Auf der Suche nach dem dazugehörigen Wissen sind erfreulicherweise Einsichten aufgetaucht, die den Charakter von Wahrheiten beanspruchen können. Einige werden hier angeführt. Sie tauchen alle im weiteren Text auf und bleiben an dieser Stelle daher ohne Erläuterung.

1. Energie ist unzerstörbar.

2. Atome sind keine Dinge; ihr Aussehen bekommen sie von den Menschen, die dadurch im Innersten der Welt auf sich selbst treffen.

3. Das Weltall ist endlich und unbegrenzt.

4. Die Wirklichkeit ist ein Ganzes ohne Teile.

5. Die Welt steckt voller Möglichkeiten; sie ist nicht nur alles, was der Fall ist, sondern alles, was der Fall sein könnte.

6. Menschen sind Zuschauer und Mitspieler im Theater der Welt, in dem das Drama des Lebens gespielt wird.

7. Zu jeder Beschreibung der Wirklichkeit gibt es eine zweite, die der ersten gleichberechtigt ist, auch wenn sie ihr widerspricht.

8. Leben kann nur im Licht der Evolution verstanden werden und bringt sich selbst in einem kreativen Prozess hervor.

9. Die Beschreibung des Wirklichen benötigt eine unwirkliche (imaginäre) Dimension.

10. Alle Menschen sind für die Folgen der Wissenschaft zuständig, da sich aus ihnen ihre Geschichte ergibt; wer Wissenschaft nicht versteht, versteht sich selbst nicht.

Der freie Fall

Die Idee des vertieften Geheimnisses offenbart sich direkter und leichter, wenn man das einfache Beispiel des freien Falls betrachtet, über das bereits antike Philosophen wie Aristoteles nachgedacht haben. Warum fallen Gegenstände nach unten auf den Boden, so lautete und lautet die Frage, wobei die in Kindergärten bejohlte und von Erwachsenen schmunzelnd zur Kenntnis genommene Auskunft nicht zugelassen ist, dass Gegenstände deshalb nach unten fallen, weil die, die nach oben fallen, längst weg sind.

Aristoteles meinte das Problem der stets zur Erde fallenden Gegenstände durch ein Ziel klären zu können, und so nahm er an, dass allen Dingen ein Platz in der Welt zukommt; der den fallenden Gegenständen zugehörige Ort sei eben unten auf dem Erdboden. Es hat lange gedauert, bis diese nicht wirklich als wissenschaftlich durchgehende Erklärung in einem modernen Sinn durch eine bessere ersetzt wurde. Sie stammt von dem Briten Isaac Newton, der im späten 17. Jahrhundert konkret weniger einen Grund als eine Ursache für den...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Technik
Schlagworte Albert Einstein • Albert Einstein, Isaac Newton, Werner Heisenberg, Schwerkraft, Was ist Licht?, Energie, Kunst und Wissenschaft, Wissenschaft und Religion, Allgemeinbildung, Alltagsphänomene • Allgemeinbildung • Alltagsphänomene • eBooks • Energie • Isaac Newton • Kunst und Wissenschaft • Naturgesetze • Romantik • Schwerkraft • Was ist Licht? • Werner Heisenberg • Wissenschaft und Religion
ISBN-10 3-641-06122-9 / 3641061229
ISBN-13 978-3-641-06122-7 / 9783641061227
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