Sozialgeschichte als politische Geschichte - Thomas Etzemüller

Sozialgeschichte als politische Geschichte

Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945
Buch | Hardcover
VI, 445 Seiten
2001 | 1. Reprint 2014
De Gruyter Oldenbourg (Verlag)
978-3-486-56581-2 (ISBN)
129,95 inkl. MwSt
Der Historiker Werner Conze, als Angehöriger der sogenannten Volksgeschichte in der Zwischenkriegszeit sozialhistorisch ausgebildet, verfolgte nach dem Kriege dezidiert das Projekt, die bislang von der Politikgeschichte dominierte Geschichtsschreibung auf Sozialgeschichte umzustellen. Er und einige befreundete Kollegen waren der Meinung, dass die tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungsprozesse im Gefolge der Industrialisierung und des Aufstiegs des Kommunismus in Europa politikgeschichtlich nicht mehr angemessen zu verstehen seien, sondern neuer Untersuchungsmethoden bedürften...
Der Historiker Werner Conze, als Angehöriger der sogenannten Volksgeschichte in der Zwischenkriegszeit sozialhistorisch ausgebildet, verfolgte nach dem Kriege dezidiert das Projekt, die bislang von der Politikgeschichte dominierte Geschichtsschreibung auf Sozialgeschichte umzustellen. Er und einige befreundete Kollegen waren der Meinung, dass die tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungsprozesse im Gefolge der Industrialisierung und des Aufstiegs des Kommunismus in Europa politikgeschichtlich nicht mehr angemessen zu verstehen seien, sondern neuer Untersuchungsmethoden bedürften. Die Erneuerung erforderte freilich geschickte strategische Arbeit. Die Historiker mussten in einem mühevollen Prozess vom Mehrwert einer sozialgeschichtlichen Herangehensweise überzeugt werden, Sozialgeschichte setzte nicht sich durch, sie musste durch Historiker wie Conze aktiv propagiert und in der Historiographie etabliert werden. Gleichzeitig wird hinter dem Projekt der Sozialgeschichte ein spezifisches Weltbild sichtbar. Man erkennt, dass die Texte der frühen Sozialgeschichte durch die Vorstellung, dass die Gesellschaft im Innern sozial harmonisiert und nach außen durch sichere, eindeutigen Grenzen geschützt sein sollte, strukturiert wurden. Eine solche Gesellschaftsordnung bildete - wegen der persönlichen Erfahrung andauernder gesellschaftlicher Instabilität seit 1918 - das Ideal der Sozialhistoriker. Durch den Kommunismus sahen sie dieses Ideal permanent doppelt bedroht: im Innern durch soziale Revolutionen, von außen durch die Sowjetunion. Ihre Texte erweisen sich vor diesem Hintergrund als ein komplexes System ineinander verschachtelter und sich gegenseitig stützender Deutungen, das die Legitimation des Kommunismus historiographisch eliminieren sollte. Sozialisation in der Zwischenkriegszeit, methodische Innovation und politisches Programm erweisen sich in der Sozialgeschichte der frühen Bundesrepublik als unlösbar miteinander verknüpft; ein in der Zwischenkriegszeit ausgebildetes Ordnungsdenken modernisierte und prägte inhaltlich wie methodisch die Historiographie der 1950er Jahre.

Dr. phil. Thomas Etzemüller lehrt als Juniorprofessor Zeitgeschichte an der Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Wissenschaftssoziologie sowie nordwesteuropäische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert.

"Es gibt noch nicht viele Arbeiten, die sich mit den Ursachen und Entstehungsbedingen der Sozialgeschichte als politische Geschichte beschäftigt haben, zu deren Protagonisten vor allem der Historiker Werner Conze zählt, weiß Rezensent Winfried Schulze. Thomas Etzemüller, ein Schüler des Tübinger Zeithistorikers Anselm Doering-Manteuffel, hat mit seiner Untersuchung über Conze einen wesentlichen Grundstein und damit Maßstäbe für künftige Arbeiten gesetzt, ist der Rezensent überzeugt. Sowohl die Denkstile Conzes als auch ihr institutionelles Umfeld und der Blick auf die Nachbardisziplinen Politikwissenschaft und Soziologie geben dem Leser einen dichten Einblick in das Wirken eines nach 1945 neu entstandenen Forschungszweiges. Wichtig sei dabei aber auch die "personelle Konstellation" der 'Rothfels-Gruppe", "also jener in Königsberg durch den - spät emigrierten - deutsch-nationalen Historiker sozialisierten Gruppe von Historikern und Soziologen, die sich nach 1945 als eng zusammenhaltendes Netzwerk verstanden und entsprechend agierten". Schulze findet all diese Zusammenhänge in Etzemüllers Studie intelligent, einfühlsam und fundiert aufbereitet. Der Autor hat, ist sich der Rezensent sicher, damit die Messlatte für die weitere Forschung zum Thema "erfreulich hoch angelegt". (SDZ, 29.11.2001)

Erscheint lt. Verlag 26.9.2001
Reihe/Serie Ordnungssysteme ; 9
Verlagsort Berlin/München/Boston
Sprache deutsch
Maße 155 x 230 mm
Gewicht 660 g
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Zeitgeschichte
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Sozialgeschichte
Schlagworte Arbeit • Arbeiten • Biography • bloss • Bundesrepublik Deutschland (1949-1990) • Conze • Conze, Werner • Deutschland • Deutschland (BRD) • Germany • Geschichte • Geschichte 1945-1986 • Geschichtsschreibung • Geschichtswisse • Geschichtswissenschaft • Geschichtswissenschaft, Deutschland (BRD), idsbb • Geschichtswissenschaft / Historik • Gesellschaft • Hardcover, Softcover / Geschichte/Zeitgeschichte (1945 bis 1989) • HC/Geschichte/Zeitgeschichte (1945 bis 1989) • historians • Historians - Germany - Biography • Historians, Germany, Biography • Historik • Historiographie • Historiography • Historiography - Germany • Historiography, Germany • Hochschulschrift • idsbb • Kommunismus • Mainstreet • Mathe • Philosophie • Revolution • SNOLück • Social History • Sozialgeschichte • Sozialgeschichte, Deutschland (BRD), idsbb • Sozialgeschichte (Einzelne Länder); Deutschland • Sozialgeschichte (Einz. Länder); Deutschland • Sozialgeschichte <Fach¿ • Sozialgeschichte <Fach> • Wallstreet • Werner • Weyl • Wissensch. • Wissenschaft • Zeitgeschichte • Zeitgeschichte nach 1945
ISBN-10 3-486-56581-8 / 3486565818
ISBN-13 978-3-486-56581-2 / 9783486565812
Zustand Neuware
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