»Die sichtbare Wirklichkeit bedeutet mir nichts«

Die Briefe an die Eltern

(Autor)

Volker Jehle (Herausgeber)

Buch | Hardcover
1584 Seiten
2016
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-42515-2 (ISBN)
78,00 inkl. MwSt
Selbst guten Kennern von Hildesheimers Leben und Werk war und ist weitgehend unbekannt, was genau ihn beschäftigte, bevor er 1950, scheinbar aus purem Zufall, zu schreiben begann und umgehend literarische Erfolge feierte. Hildesheimers Briefe an die Eltern, eine erstklassige Quelle, erhellen nicht nur das Dunkel dieser Frühzeit, sondern auch seine weitere, bislang weitgehend unbekannte Entwicklung. Beginnend mit einer Schiffsreise des angehenden Studenten nach London 1937 und endend mit dem Tod der Mutter 1962, bieten die erhalten gebliebenen 507 Briefe ein so aufschlussreiches wie aufregendes Tagebuch in Briefform über einen Zeitraum von 25 Jahren. Wichtige Stationen sind das Studium in England, der Aufenthalt in Palästina während des Weltkriegs, die Tätigkeit als Dolmetscher bei den Nürnberger Prozessen und der Weg ins Rampenlicht der deutschen Literaturszene als Autor und Übersetzer. In diesen Briefen spiegelt sich aber auch eine Epoche großer politischer Umwälzungen sowie tiefgreifender Entwicklungen in der internationalen Kultur und Kunst, die Hildesheimer als bildender Künstler aufmerksam verfolgte und denen er wichtige Impulse für sein schriftstellerisches Werk verdankte.Volker Jehle, einer der besten Kenner von Hildesheimers Werk, Editor und Monograph des Autors, hat sämtliche erhaltenen Briefe chronologisch geordnet und die ihnen zugrunde liegenden biographischen Fakten und Ereignisse in akribischer Recherche ermittelt.

Wolfgang Hildesheimer wurde am 9. Dezember 1916 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren und starb am 21. August 1991 in Poschiavo in der Schweiz. 1933 emigrierte er über England nach Palästina, wo er eine Schreinerlehre absolvierte. 1937 begann er an der Central School of Arts and Crafts (London) Malerei, Textilentwurf und Bühnenbildnerei zu studieren und nahm von London aus am Sommerkurs für Bühnenbild bei Emil Pirchan in Salzburg teil. Anfang 1939 gestaltete er in London am Tavistock Little Theatre sein erstes Bühnenbild. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Palästina zurück, arbeitete als Information Officer, war Englisch-Lehrer am British Institute und leitete zusammen mit einem Freund einige Zeit die Werbeagentur »HW«. Er beteiligte sich an Kunstausstellungen und veröffentlichte einige Gedichte, Essays und Kritiken. 1946 kehrte er nach London zurück, um Bühnenbildner zu werden, wurde aber für die Nürnberger Prozesse engagiert. Im Januar 1947 reiste er nach Nürnberg, dolmetschte für die amerikanische Besatzungsmacht und beteiligte sich wieder an Kunstausstellungen. 1949 zog er nach Ambach am Starnberger See, um als freier Maler und Grafiker zu arbeiten, schrieb im Januar 1950 aber eine Geschichte für Kinder – der Beginn seiner literarischen Karriere. Bereits 1951 wurde er zur Gruppe 47 eingeladen, 1955 erhielt er den Hörspielpreis der Kriegsblinden und im selben Jahr wurde zudem sein erstes Theaterstück von Gustav Gründgens uraufgeführt; ebenfalls in diesem Jahr begann er auch wieder zu malen. Nachdem er 1953 nach München gezogen war, übersiedelte er 1957 nach Poschiavo und widmete sich einer neuen Art von Theaterstücken, deren Besonderheiten er 1960 mit der Rede Über das absurde Theater fundierte. Anlässlich der Internationalen Theaterwoche der Studentenbühnen in Erlangen gehalten, sorgte diese für Aufsehen. Sein Prosabuch Tynset wurde 1966 mit dem Georg-Büchner-Preis und dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein Bestseller Mozart (1977) beeinflusste das Theaterstück und den Film Amadeus. Seit 1961 beteiligte er sich wieder an Ausstellungen, seit 1965 wurde sein bildkünstlerisches Werk in rund fünfzig Einzelausstellungen gezeigt. 1980 hielt Hildesheimer die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele Was sagt Musik aus. Neben seinen literarischen Werken verfertigte Hildesheimer auch Collagen, die er in mehreren Bänden sammelte. Spektakulär war 1984 seine Ankündigung, angesichts der drohenden Umweltkatastrophe nicht mehr zu schreiben, sondern zur bildenden Kunst zurückzukehren.

Volker Jehle, geboren 1954 in Balingen, ist ein deutscher Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Herausgeber. Er studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Slavistik und Musikwissenschaft an den Universitäten Regensburg, Tübingen, Wien, Mainz, Bamberg. Promotion bei Walter Jens. 1982 gründete er das Hildesheimer-Archiv (seit 1993 Wolfgang Hildesheimer-Archiv im Archiv der Akademie der Künste Berlin). Er ist Herausgeber der Werke von Wolfgang Hildesheimer.

»Hildesheimers Briefe an seine Eltern sind mehr als eine Ergänzung zur Lebensbeschreibung. Sie bilden ein eigenständiges biographisches Panorama, zumal Volker Jehle die 507 Briefe mit einem aufschlussreichen Apparat versehen hat ... Jehles Anmerkungen kann man als Parallelerzählung zu den Briefen lesen.« Hilmar Klute Süddeutsche Zeitung 20161209

»Hildesheimers Briefe an seine Eltern sind mehr als eine Ergänzung zur Lebensbeschreibung. Sie bilden ein eigenständiges biographisches Panorama, zumal Volker Jehle die 507 Briefe mit einem aufschlussreichen Apparat versehen hat ... Jehles Anmerkungen kann man als Parallelerzählung zu den Briefen lesen.«

»Die Briefe ermöglichen einen detaillierten Einblick in wichtige Lebenssituationen und Schaffensperioden.«

»Die Edition ist ein spannend zu lesendes Tagebuch, ein Dokument der Selbstreflexion bis hin zum Blick auf das Nachkriegs-Deutschland, als Hildesheimer als Kommentator der Nürnberger Prozesse arbeitet, und sie zeigt, welche Strategien Hildesheimer verfolgte, sowohl idealistischer wie auch pragmatischer Natur.«

»Was auf fast 1600 Seiten aufgefächert wird, ist ein Panorama der Zeitgeschichte, besonders der Kultur- und Sozialgeschichte der deutschen Nachkriegsära, ein 25 Jahre spiegeldes Tagebuch in Briefform, das die Genese eines Künstlers mit ihren Brüchen, Zweifeln, Erfolgen, Misserfolgen ... in seltener Vollständigkeit dokumentiert, ein Entwicklungsroman in Briefen ...«

»Über die frühen Jahrzehnte Hildesheimers war wenig bekannt; das hat sich nun grundlegend geändert. Dank Jehles Kommentierung finden sich eine Fülle von Neuigkeiten und Kuriositäten. Überhaupt sind diese Briefe ein Geschenk.«

» ... äußerst genau, klug und detailliert kommentiert... Die Lektüre in Hildesheimers Briefen an die Eltern ist ein kurzweiliges, bildendes Vergnügen.«

Erscheinungsdatum
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 145 x 226 mm
Gewicht 1817 g
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Literatur Romane / Erzählungen
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Briefe • Deutsche Literatur • Exil • Gruppe 47 • Hildesheimer, Wolfgang; Briefe • Judentum • Nachkriegsgeschichte • Theater
ISBN-10 3-518-42515-3 / 3518425153
ISBN-13 978-3-518-42515-2 / 9783518425152
Zustand Neuware
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