Depression ist keine Krankheit -  Josef Giger-Bütler

Depression ist keine Krankheit (eBook)

Neue Wege, sich selbst zu befreien
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
214 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86434-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
15,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der Autor schlägt einen völlig neuen Weg ein, der den Betroffenen Mut macht, sich aus ihrer depressiven Entwicklung selbst zu befreien: Indem er der Depression das krankhafte, dämonisch-unverständliche nimmt und sie mit der persönlichen Lebensgeschichte des Einzelnen verknüpft. Ein Buch auch für Angehörige und alle, die mehr darüber wissen wollen. Die Depression gilt als seelisches Volksleiden - Tendenz zunehmend. Sie wird vorwiegend medikamentös behandelt, aber nur bei der Hälfte der depressiven Menschen mit Erfolg. Mit seinem neuen, erfolgreichen Ansatz grenzt Josef Giger-Bütler die Depression von Trauer, Angst, Burnout und Verbitterung ab und zeigt uns, wie sie sich beim Betroffenen entwickelt. Er betont, dass die Depression keine Krankheit ist, sondern ein falsch gelerntes und damit falsch gelebtes Leben, aus dem sich jeder befreien kann.

Dr. Josef Giger-Bütler ist Psychotherapeut mit eigener Praxis in Luzern. Seit vielen Jahren ist er auf die Therapie und Heilung von Depressionen spezialisiert.

Einleitung


Depressive Menschen sind keine kranken Menschen. Vielmehr sind es Menschen, die sich auf eine überfordernde Weise ans Leben angepasst haben und jetzt darunter leiden und zu zerbrechen drohen, und zwar so sehr, dass dieses Leiden Krankheitswert hat. Mit anderen Worten: Auch wenn die Depression keine Krankheit ist, bringt sie für die Betroffenen oder den Betroffenen ein hohes Maß an Leiden mit sich.
Dass es sich bei der Depression um keine Krankheit im herkömmlichen Sinn handelt, ist für mein Depressionsverständnis wichtig und zentral.
Für viele mag das tröstlich klingen, nicht krank, sondern »normal« zu sein. Andere wiederum sind enttäuscht. Wenn man krank ist, dann hat man etwas, dann weiß man, woran man ist. Und es gibt Ärzte, die dafür zuständig sind, und Medikamente, die es für einen richten.
In meiner therapeutischen Tätigkeit erfahre ich jedoch immer wieder von Neuem, dass man die Depression verstehen kann, dass es sich um nachvollziehbare Schritte handelt, die zu depressiven Zuständen führen. Aus diesem Verständnis heraus lassen sich dann nachvollziehbare Wege ableiten, wie man aus der Depression aussteigen kann, ob zusammen mit professioneller Hilfe und Unterstützung oder allein.
Aussteigen bedeutet, neue Verhaltensweisen zu lernen. Die bisherigen haben diese Menschen dorthin geführt, wo sie heute stehen, und zu dem gemacht, was sie heute sind. Lernen aber heißt Umlernen, heißt auch, neue Gewichte setzen, neue Einstellungen finden. Das jedoch ist nur möglich, weil die alten Denk- und Verhaltensmuster nicht gottgegeben oder angeboren waren, sondern so gelernt wurden. Das so zu sehen ist deshalb wichtig, weil viele depressive Menschen von Fachleuten im Glauben gelassen oder gar bestärkt werden, mit diesem Leiden und mit diesem Schmerz weiterhin leben zu müssen, und die einzige Erleichterungsmöglichkeit darin besteht, bis ans Lebensende Medikamente zu schlucken.
Mein Ansatz unterscheidet sich von dieser Sichtweise grundlegend: Der depressive Mensch soll wissen, dass er nicht krank ist, dass er nicht weiter leiden muss und dass es darum geht, sich zu verstehen und nachzuvollziehen, weshalb welche Schritte beim Ausstieg wichtig und erfolgreich sind. Wissen, warum man etwas tut, und warum man es gerade so macht, gibt Sicherheit und Vertrauen. Nachvollziehbar und einleuchtend sollen die Schritte des Ausstieges sein, und die Folgerungen daraus plausibel, logisch und umsetzbar. Vor allem aber müssen die vorgeschlagenen Schritte bringen, was sie versprechen. Sonst nützen die besten Erklärungen nichts.
Die Schritte beim Ausstieg sind logisch, nachvollziehbar und machbar, was aber nicht heißt, dass sie einfach sind. Was sich über Jahre in den depressiven Menschen eingelagert hat, kann nicht mit einem Handstreich verändert werden. Verstehen und nachvollziehen können, weshalb man selbst etwas unternehmen könnte, gibt den depressiven Menschen ein erstes Werkzeug in die Hand und nimmt ihnen das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins. Der Ausstieg ist nicht nur beschwerlich und erfordert viel Ausdauer und Geduld, sondern es ist auch spannend, neue Gefühle bei sich wahrzunehmen, zu erfahren, wie das Selbstbewusstsein wächst und die Angst vor Rückschlägen immer kleiner wird.
Es hat sich im Laufe der letzten Jahre gezeigt, dass die drei Forderungen, die ich mit einer stimmigen Theorie der Depression verbinde, mit meinem Verständnis der Depression schlüssig einhergehen:
  • Der depressive Mensch selbst muss die Erklärungen des Therapeuten verstehen und durch sie sich selbst besser verstehen können. Sie müssen für ihn stimmig, rational nachvollziehbar und emotional evident sein.
  • Die Theorie muss einen Weg zur Veränderung aufzeigen und praktisch umsetzbar sein.
  • Ursache, Verlauf und Ausstieg müssen durch ein solches Verständnis folgerichtig in ihrem Zusammenhang erklärt werden können.
Aufgrund meiner langjährigen therapeutischen Erfahrung bin ich zu der festen Überzeugung gekommen, dass der depressive Mensch sich verändern kann und die anderen ihn verstehen können. Die hier beschriebenen Erklärungen weisen den Weg und öffnen ihm Perspektiven und Einsichten, die er sich bislang selbst nie überlegt hat, weil ihm die gängigen Vorstellungen, was eine Depression ist, die Sicht versperrt und ihn gehindert haben, sich selbst zu verstehen. Es gibt also Wege, wie der depressive Mensch sein Leiden hinter sich bringen und ein neues Leben beginnen kann. Das ist deshalb möglich, weil
  1. es ganz klare, nachvollziehbare und umsetzbare Schritte gibt, die jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten und Vorlieben auswählen kann;
  2. es Schritte sind, die nicht überfordern und jederzeit veränderbar sind;
  3. es auf dem Weg kein Muss, kein fertiges Programm gibt, das die oder der Betreffende zu übernehmen hat;
  4. der depressive Mensch all die Eigenschaften mitbringt, die ihn zu einem erfolgreichen Ausstieg befähigen.
So, wie man über Jahre hinweg in eine Depression hineingeraten ist, kann man auch wieder aus ihr herauskommen; aber es braucht Zeit.
Depression bedeutet depressive Entwicklung und ist immer mit einer zunehmenden Überforderung und Ermüdung verbunden.
Geradezu zwangsläufig hat eine solche Entwicklung, die weder krank noch abnorm ist, eine wachsende Isolierung und Einsamkeit zur Folge. Aber es gibt Wege, diesen Zustand zu verändern, Wege, die alle gehen können und die zum Ziel führen.
Man wird von der Depression nicht befallen, auch nicht heimtückisch überfallen, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Depression ist auch keine Krankheit, die zufälligerweise irgendjemanden trifft. Man sollte sich von diesen Gedanken möglichst schnell trennen, weil sie viel Unheil stiften. Es sind Vorstellungen, die den depressiven Menschen den Zugang zu sich und den Zugang der anderen zu ihm verbauen. Es sind diese immer und immer wieder aufgewärmten Bilder, die die depressiven Menschen in ihrer Einsamkeit gefangen halten und die es den nicht betroffenen Menschen verunmöglichen, sich sachlich dem Thema Depression und den depressiven Menschen zu nähern und lang gehegte Vorurteile abzubauen.
Der Gedanke, der Depression hilflos ausgeliefert zu sein und ohnmächtig von ihr heimgesucht zu werden, ist furchtbar. Zum Glück ist es nicht so. Und es ist auch nicht so, dass man sich daran gewöhnen muss, mit ihr zu leben. Es ist falsch, wenn man sagt, dass es für den depressiven Menschen nur darum gehen kann, sich mit ihr zu befreunden, weil man gezwungen ist, mit ihr zu leben. Es darf kein Leben mit der Depression geben, weil die damit verbundene Unfreiheit und Ohnmacht zu demütigend sind und dieses Leiden zu heftig ist. Leben mit einer Depression ist kein Leben, sondern ein An-sich-und-dem-Leben-Vorbeileben.
In diesem Buch geht es mir ganz wesentlich darum, aufzuzeigen, was eine wirkliche Depression ist und was nicht. Zu vieles wird der Depression zugewiesen, was nicht im Entferntesten mit einer Depression zu tun hat. Zum anderen wird die Depression als Krankheit betrachtet. Damit wird all das, was ein Mensch im Laufe seines Lebens geworden ist, mit all dem Guten und all dem Beschwerlichen, als nicht gesund, nicht normal, falsch und nicht lebenswert etikettiert. Eine solche Betrachtungsweise finde ich furchtbar, beleidigend und demütigend. Das haben die depressiven Menschen nicht verdient, dass ihre Art, zu leben, und damit sie als Personen krank sein sollen. Krank bedeutet schließlich nach Ansicht der meisten Menschen, dass etwas nicht stimmt, dass jemand »be«-handelt werden muss. Wie soll denn ein depressiver Mensch vor diesem Hintergrund Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen aufbauen können und selbstständig handeln? So, wie er ist, ist es ja falsch.
All das, was nicht so heiter und leicht daherkommt, als Depression zu bezeichnen und dann gleichzeitig die Depression als Krankheit hinzustellen, die alle Menschen treffen kann, macht aus der Depression einen letztlich beliebigen Zustand, der jeden und jede treffen kann. Den Leidtragenden, den wirklich depressiven Menschen, wird dabei sehr viel Unrecht getan. Ihr Leiden wird bagatellisiert und gleichzeitig pathologisiert.
Ich wehre mich gegen die verbreitete Pathologisierung all dessen, was in irgendeiner Form schmerzhaft oder nicht ganz so lebensbejahend ist. Leiden, Schmerz, Trauer und ebenso die Depression sind menschliche Erlebensformen und keine krankhaften Zustände. Es so zu sehen bedeutet, unbelastet und vorurteilsfrei an den jeweiligen Menschen heranzugehen. Wenn diese Einstellung wieder vermehrt zum Maßstab unseres Denkens würde, wäre allen Menschen, den Gesunden wie letztlich auch den wirklich Kranken, geholfen.
Krankheit gehört wie die Gesundheit zum Leben. Es geht mir nicht darum, die Depression mit allen Mitteln vom Krankhaften fernzuhalten, sondern darum, die Zustände, die normal sind, in der Normalität zu belassen, auch wenn sie für die Betroffenen noch so leidvoll und schmerzlich sind. Depressives Erleben ist leidvolles, aber auch normales und gesundes Erleben. Gesund ist gesund und krank ist krank und beides sind urmenschliche Lebensformen.
So, wie Gesundheit nicht einfach die Kehrseite der Krankheit ist, so ist die Krankheit nicht einfach die Abwesenheit von Gesundheit. Und mit Krankheit hat nicht zu tun, was normale und selbstverständliche Entwicklungen hervorbringen.
Krankheit ist eine Abweichung von selbstverständlichen und gewohnten Abläufen und Zuständen, häufig verbunden mit Schmerzen und Leiden.
Auch wenn sie...

Erscheint lt. Verlag 20.6.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-407-86434-5 / 3407864345
ISBN-13 978-3-407-86434-5 / 9783407864345
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Mit Online-Material

von Ulman Lindenberger; Wolfgang Schneider

eBook Download (2018)
Beltz (Verlag)
58,99