Mit Herz und Hufen - Janita Pauliks

Mit Herz und Hufen

(Autor)

Buch | Hardcover
239 Seiten
2017 | 1. Auflage
Francke-Buch (Verlag)
978-3-86827-651-0 (ISBN)
9,95 inkl. MwSt
Emma ist wütend. Sie muss von der Großstadt mitten ins Nirgendwo ziehen - und das nur, weil ihre Mutter eine Pension eröffnen will. Was soll sie als Stadtmädchen am Ende der Welt anfangen? Zum Glück lernt sie schnell Nele kennen. Nele, die so ganz anders ist als alle Freundinnen, die Emma bisher hatte. Nur blöd, dass Nele einen besten Freund hat, der Emma panische Angst einjagt. Nein, Jimmy ist kein Junge. Er ist ein Pferd. Genauer gesagt: Ein Pony ...

Coverillustration von Stefanie Klaßen.

Janita Pauliks ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie engagiert sich in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit. Durch Zufall entdeckte Janita ihre Begabung zum Schreiben. Mittlerweile hat sie mehrere Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht.

Das seltsame Mädchen „Mensch, pass doch auf – wenn der Karton auf den Boden fällt, dann können wir nur noch aus Töpfen essen! Die Stühle bitte ins Schlafzimmer und den Wäscheständer einfach im Keller abstellen!“ Emma schüttelte den Kopf. Wie konnte ein Mensch an einem einzigen Tag nur so viele Befehle erteilen? Sie lehnte sich an einen Baum und ließ ihren Blick über den kleinen See schweifen. Was war nur passiert? Gestern noch hatte sie mit ihrer Freundin Lulu im Café gesessen und den Menschenmassen hinterhergeschaut, die sich durch die Straßen schoben, während sie genüsslich ihren Milchshake schlürfte. Und heute stand sie hier in dieser Wildnis und schaute dabei zu, wie man ihr gesamtes Hab und Gut in dieses einsame Haus trug. Irgendetwas war mächtig schiefgelaufen. War während der ganzen Zeit eigentlich auch nur ein Auto vorbeigekommen? Emma verdrehte die Augen. Hier war man echt sowas von am Hintern der Welt! Wie sollte sie ohne ihre Lieblingseisdiele, die Inlinerbahn, die Schwimmhalle, die Deko- und Klamottenläden, den Lärm und die Action überleben? Sie war wirklich nicht für die Wildnis bestimmt. „Hey, Emma!“, riss sie ihre Mutter aus ihren Tagträumen, „fass doch mal mit an. Je schneller es geht, desto eher können wir unser neues Zuhause einrichten.“ Unser neues Zuhause einrichten … Emma stieß wütend einen Stein mit ihrem Fuß an, sodass er im hohen Bogen in Richtung See flog, bis er mit einem Platsch schließlich verschwand. Seufzend ging sie auf den LKW zu, aus dem schon seit Stunden Kartons getragen wurden. Sie kletterte auf die Ladefläche und schnappte sich einen großen, aber leichten Karton. Als sie damit vom LKW herabhüpfte, freute sie sich darüber, wie clever sie doch war, dass sie direkt auf Anhieb den leichtesten Karton gefunden hatte. Doch ein paar Schritte weiter trat Emma in etwas ekelhaft Glitschiges, das sie dummerweise nicht gesehen hatte, weil ihr der riesige Karton die Sicht versperrt hatte. „Mist!“, schrie sie ärgerlich und versuchte, den Glibber von ihren schönen neuen Turnschuhen abzuschütteln. „Das kannst du wohl laut sagen“, mischte sich eine Stimme in ihre Gedanken ein. Emma setzte den lästigen Karton ab und blickte sich um. Direkt neben dem LKW stand ein Junge mit einem frechen Grinsen. Seine Sommersprossen verliehen ihm Ähnlichkeit mit dem Sams. Emma musterte den Kerl kritisch von oben bis unten. An seinen Füßen befanden sich grüne dreckverschmierte Stiefel, die bis kurz unter die Knie reichten. Aus den Stiefeln quoll eine grüne Hose. Das T-Shirt, das locker über seinen Schultern hing, war ebenfalls grasgrün und betonte die blonden Locken, die ihm bis zu den Schultern reichten. Könnte auch mal wieder beim Friseur vorbeischauen, dachte Emma und zog ihren linken Mundwinkel abfällig nach oben. „Pferdeäpfel! Pferdeäpfel, aufgeweicht von dem Sturzregen gestern“, sagte der Junge und deutete grinsend auf die braune Brühe neben Emmas Schuh. „Ach?!“, gab Emma zurück, „so dumm, dass wir Pferdeäpfel nicht erkennen könnten, sind wir Kinder aus der Stadt auch nicht!“ „Siehst auch gar nicht dumm aus“, meinte der Junge und grinste Emma frech an. Die wusste nicht so recht, ob sie sich über seine aufdringliche Art ärgern oder ob sie ihn witzig und sympathisch finden sollte. Verwirrt schaute sie den Kerl an und entschied sich für zweiteres. Ein wenig komisch, aber witzig … Schien wirklich ganz nett zu sein, dieser Typ. „Wohnst du hier?“, fragte Emma. „Den Schotterweg runter in dem grünen Haus – nicht zu übersehen.“ Emma konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Hatte er gerade grünes Haus gesagt? Jetzt fehlt nur noch, dass sein Nachnahme Grün ist, dachte sie. „Und du ziehst in das Haus am See. Wow, das ist echt schön!“, stellte der Junge fest. Emma gefiel die Anerkennung in seiner Stimme. Aber wie gerne hätte sie dieses wunderschöne Haus wieder mit ihrer Wohnung in diesem hässlichen Mehrfamilienhaus eingetauscht! Sie schob die Gedanken energisch zur Seite und sagte: „Meine Mutter möchte hier eine Pension eröffnen.“ „Ja, hier werden die Leute gerne herkommen und Urlaub machen. Es ist wirklich ein schönes Fleckchen Erde hier.“ So ein vernünftiger Erwachsenen-Spruch passte gar nicht zu dem grünen Kerl, fand Emma. „Mir wäre etwas weniger Erde lieber!“, seufzte sie und schaute auf ihren verdreckten Turnschuh. „Ich stehe eher auf Beton“, fügte sie hinzu und blickte sich suchend um. „Puh, Beton? Was war das noch gleich?“, lachte ihr Gegenüber, „den musst du hier lange suchen.“ „Eine Straßenbahn würde mir auch schon reichen“, stimmte Emma in das Lachen ein und hielt dem Jungen die Hand zum Abklatschen hin. „Ich heiße Emma!“ „Ich bin Nele!“, sagte ihr Gegenüber und schlug ein. Emma konnte sich lebhaft vorstellen, wie verwirrt sie jetzt aus der Wäsche gucken musste – schließlich hatte sie doch die ganze Zeit geglaubt, sie hätte einen Jungen vor der Nase. „Das passiert vielen“, meinte Nele und grinste über das ganze Gesicht, „aber nicht alle schauen so dämlich dabei aus.“ Wieder fing Nele so fröhlich an zu kichern, sodass Emma einfach mitlachen musste. Jetzt ließ sie sich schon Frechheiten von komischen Landmädchen gefallen – was war nur mit ihr los? „Du machst es den Leuten aber auch wirklich nicht leicht zu erkennen, dass du ein Mädchen bist“, meinte Emma. „Pure Absicht“, erklärte Nele. „Du weißt doch selber, zu was für langweiligen Dingen Mädchen oft verdonnert werden!“ Emma strich sich einer ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht und musste grinsen. Nele gefiel ihr. Wenn dieser Ort etwas Gutes hatte, dann könnte das Nele sein. Emma schnappte sich ihren Karton. „Warte hier, ich komme gleich wieder“, sagte sie zu Nele, die immer noch seelenruhig am LKW lehnte. Emma flitzte ins Haus, stellte den Karton in die große Diele und bekam von ihrer Mutter, die von dort die vielen Helfer hin und her schickte, ein liebevolles Lächeln geschenkt. „Ich schau mich mal in der Gegend um“, sagte Emma und wollte gleich wieder aus dem Haus stürzen. „Einen Moment mal, Emma!“, rief ihre Mutter ihr hinterher. Emma blieb stehen und schaute ihre Mutter mit ihrem treuesten Hundeblick an. Dann deutete sie auf Nele, die jetzt breit grinste und Emmas Mama freundlich zuwinkte. Emmas Mutter schaute von einer zur anderen und sagte: „Na, gut, dann mach, dass du wegkommst! Aber sei pünktlich zum Abendessen um sechs da.“ Sie zögerte kurz und fügte noch hinzu: „Du kannst deinen neuen Freund gerne mitbringen. Das Essen reicht sicher noch für eine Person mehr.“ „Werd sie fragen“, rief Emma und rannte auf Nele zu. „Jetzt hast du mich wohl an der Backe kleben!“ Frech grinste sie Nele an. Nele musterte Emma von oben bis unten. „Was mach ich jetzt mit so einem Stadtkind wie dir?“ Nele zog ihre Nase kraus, dass ihre unzähligen Sommersprossen über ihre Nase tanzen, dann schlug sie Emma kameradschaftlich auf den Rücken und lachte. „Das war ein Scherz, du Liesel!“, sagte sie und zeigte auf den Schotterweg, der zu ein paar Häusern führte. „Ich schlage vor, ich zeige dir erst einmal mein Zuhause und dann bring ich dich zu dem Herzstück auf diesem wunderschönen Plätzchen Erde. Dort kann ich dir Jimmy, meinen allerbesten Freund, vorstellen.“ Ohne Emmas Antwort abzuwarten, rannte Nele den Schotterweg hinunter, an zwei kleinen, abseits stehenden Häuschen vorbei direkt auf ein großes, altes Haus zu. Das Erste, was Emma an dem Haus auffiel, waren die dunkelgrünen Fensterläden, in die jeweils ein Herz hineingesägt war. Fast so wie an einem Plumpsklo in Schweden, dachte Emma und verzog ihre Wangen zu einem schelmischen Grinsen, bis sich ihre kleinen Grübchen zeigten. „Ihr habt bestimmt ganz viele Toiletten“, kicherte sie, doch Nele schien ihren Gedankensprung überhaupt nicht zu verstehen. Sie führte Emma über eine kleine Brücke bis zu dem Haus. Dort blieb Emma bewundernd stehen. „Wow!“, sagte sie begeistert. „Das sieht ja urgemütlich aus.“ „Meine Mutter steht auf gemütlich“, erklärte Nele und zog Emma hinter sich her durch einen Rosenbogen, um den sich leuchtend rote Rosen und Weinreben rankten. Emma kam nicht mehr aus dem Staunen heraus, als sie die vielen wunderschönen Details in diesem Garten entdeckte. Ein Hühnerhaus, das früher mal ein riesiges Fass für Wein gewesen sein musste. Das Ziegengatter, ein Teich, die vielen Blumen zwischen alten Zinkwannen und Tontöpfen, der Lehmofen und die Holzterrasse, die über den Teich ragte. „Wow!“, sagte Emma nochmal bewundernd. „Meine Mutter hat die Ideen und mein Papa setzt sie um“, erklärte Nele und fragte: „Magst du eine kalte Limo?“ Emma nickte, woraufhin Nele durch eine niedrige weiße Tür verschwand. Kurze Zeit später kam sie mit zwei Gläsern wieder zurück. „Mach es dir gemütlich“, sagte sie und deutete auf die Gartenstühle auf der Holzterrasse. Emma ließ sich auf einen der Stühle plumpsen und schaute auf den Teich. „Alles, was das Herz begehrt“, seufzte Nele zufrieden, die sich auf einem zweiten Stuhl niedergelassen hatte. „Dort drin leben Frösche, Fische, eine Wasserschlange ... Ich hab dort mal einen ziemlich großen Fisch rausgeangelt.“ „Du angelst in diesem kleinen Teich?“, fragte Emma verwirrt und schaute Nele irritiert an. „Nur so zum Spaß – ich hab ihn dann wieder reingeschmissen“, sagte Nele und grinste. Was für ein seltsames Mädchen, dachte Emma, doch sie musste auch grinsen. Neles Fröhlichkeit war richtig ansteckend. „Laufen die hier immer herum?“, fragte sie dann und deutete auf die Hühner, die überall im Garten herumpickten. „Nachts zwitschern sie freiwillig in ihr Hühnerhaus ab“, erklärte Nele, „den Fuchs mögen sie nämlich gar nicht leiden.“ „Oha“, stöhnte Emma, „das kann ich verstehen.“ Sie nahm einen großen Schluck von der kalten Limo und schüttelte den Kopf. „Als ich kleiner war, sind wir öfter in den Tierpark gegangen. Ich kann mich erinnern, dass mir einmal ein Eichhörnchen ein Stück von meinem Brot aus der Hand gegessen hat. Ansonsten sind mir Tiere bisher immer völlig unnütz vorgekommen. Die vielen Hundehaufen auf den Grünflächen in der Stadt. In jedem Sandkasten auf den Spielplätzen gab es eklige Überraschungen zu finden. Und dann die lästigen Tauben, die alles vollkleckern ... Also, Tiere waren nie so meine Welt.“ Emma lehnte sich zurück und ließ sich ein paar Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen. „Das wird sich noch ändern, da bin ich mir sicher!“, sagte Nele und lehnte sich auch in ihren Stuhl zurück. „Das glaub ich nicht, ich bin wirklich kein Naturmensch!“ Emma richtete sich auf und schaute sich um. „Wo sind denn eigentlich deine Eltern?“ Nele zuckte mit den Schultern. „Die sind bei einem Auftritt von meiner schönen Schwester – Alexandra die Große. Sie tanzt in einer Ballettgruppe und ist darin ziemlich gut. Ich kann das viele Herumdrehen aber nicht mehr mit ansehen.“ Nele sprang auf, drehte sich einmal um ihre Achse und verbeugte sich mit einer Eleganz, die Emma ihr niemals zugetraut hätte. Emma applaudierte und Nele verbeugte sich noch einmal. „Jetzt komm, ich muss dir unbedingt Jimmy vorstellen“, rief sie und rannte vom Grundstück auf den Schotterweg zurück, der zu dem Haus von Emmas Familie führte. Kurz vorher bog sie allerdings ab und rannte auf ein großes Gebäude zu. „Das ist der Reiterhof – das Herzstück dieses Ortes“, erklärte Nele und zeigte auf die alten Mauern, die sich gen Himmel zu strecken schienen. „Das war früher mal ein Rittergut. Davon gibt es hier in der Gegend wahnsinnig viele. Wahrscheinlich war jeder zweite damals ein Ritter.“ Sie führte Emma um das Gebäude herum, bis sie plötzlich auf einem riesigen Hof standen, der von einer Mauer umgeben war. „Das sind die Stallungen“, sagte Nele und zog Emma durch ein schweres Holztor. „Ich glaub, ich bleibe lieber draußen“, meinte Emma und blieb stehen. Nele schaute sich zu ihr um und zwinkerte ihr zu. „Ich mag deine Witze!“, sagte sie und zog Emma hinter sich her. Die beschloss, dass sie sich lieber nicht die Blöße geben und darauf bestehen würde, draußen stehen zu bleiben. Dabei schüchterten sie diese großen Tiere unheimlich ein. Einmal war Emma auf ein Pferd gesetzt worden und ihre Mutter hatte versucht, das Tier unter Kontrolle zu bekommen. Doch das hätte alles andere lieber getan, als ein Mädchen durch die Gegend zu tragen. Zu guter Letzt war der Gaul ihrer Mutter auf den Fuß gestiegen. Daraufhin hatte Emmas Mutter ihre Tochter vom Pferd gerissen und war mit ihr von der Weide gehumpelt. Nein – Pferde mochte Emma überhaupt gar nicht. Und jetzt befand sie sich zwischen den ganzen Boxen dieser Ungeheuer! Am liebsten wäre sie aus den Stallungen gerannt und hätte diesen Ort nie wieder betreten, aber sie wollte es sich nicht mit Nele verderben. Immer auf Deckung bedacht, schlich Emma hinter Nele her, die ununterbrochen erzählte, wie jedes Pferd hieß, und viele der riesigen Pferdeköpfe mit einem Klaps freundlich begrüßte. In Emmas Magen grummelte es. Jedes Mal, wenn wieder ein Pferdekopf aus einer Box herauslugte, machte sie einen weiten Bogen um die Box herum. Nele schien das überhaupt nicht zu bemerken. Sie beschrieb fröhlich ihre schönsten Erlebnisse mit den Pferden. Vor einer der Boxen blieb Nele stehen. Mit einer schwungvollen Armbewegung deutete sie auf die Box. „Darf ich vorstellen?“, sagte sie strahlend, „das ist Jimmy, mein bester Freund.“ Nele riss das Holzgatter auf. Emma bekam sehr weiche Knie. Sie folgte mit ihren Augen ängstlich Neles Hand, die auf ein weißes glattes Fell zeigte. Emma schnappte nach Luft und versuchte, sich aus ihrer Versteinerung zu lösen. „Danke, Jesus!“, murmelte sie, „ein Pony kann ich verkraften.“ Nele schaute sie an und begriff anscheinend erst jetzt, was mit Emma los war. „Hast du etwa Angst vor Pferden?“, fragte sie und blickte Emma direkt in die Augen. Emma nickte und ließ die Schultern hängen. „Na, dann ist das gerade der erste Moment, in dem ich wirklich dankbar bin, dass Jimmy nur ein Pony ist und kein riesiger Wallach“, meinte Nele. „Jimmy ist schließlich mein kleiner Engel. Nicht wahr?“, sagte sie in Jimmys Richtung. Sofort kam das Pony auf Nele zu und schmiegte sich an sie, während sie durch seine Mähne huschelte. „Du bist der Beste!“, flötete sie und kuschelte sich an ihr Pony. Emma musste grinsen, weil Nele so verliebt aussah. „Komm, sag meiner neuen Freundin Hallo“, forderte Nele ihr Pony auf. Jimmy wieherte und nickte Emma zu. Emma kam jetzt näher heran und streichelte vorsichtig über das samtene weiße Fell von Jimmy. „Er scheint ein richtig netter Kerl zu sein“, sagte sie anerkennend und war stolz, dass sie es bis hierher geschafft hatte. „Er ist der Beste!“, schwärmte Nele, „Wenn du erst einmal mit mir geritten bist, dann kannst du ihm nicht mehr widerstehen.“ Emma schüttelte heftig den Kopf. „Nein, nie im Leben wirst du mich auf ein Pferd kriegen. Das kannst du mir glauben!“ „Du hast vergessen, dass Jimmy ein Pony ist. Schau ihn dir doch mal an, er ist nur halb so groß wie du.“ Nele zwinkerte Emma zu und wandte sich dann an Jimmy. „Was meinst du, mein Kleiner? Werden wir sie überzeugen können, dass du ein ganz wunderbarer Kerl bist, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann?“ Jimmy wieherte und nickte, als hätte er Neles Frage verstanden. Nele hielt Emma ihre Hand hin. „Wollen wir wetten? Ich bin überzeugt, dass du eines Tages nicht mehr genug davon kriegen kannst, auf diesem wunderbaren Pony zu reiten.“ Emma schüttelte energisch den Kopf – „Das glaubst aber auch nur du!“ – und schlug ein. „Die Wette gilt und Jimmy ist unser Zeuge“, sagte Nele feierlich. Jimmy wieherte begeistert. Irgendwie konnte Emma den Gedanken nicht loswerden, dass er jedes Wort verstand. „Wir wetten um einen Erdbeerbecher bei meiner Lieblingseisdiele“, schlug Nele vor und blickte Emma siegesgewiss an. „Oh, apropos Essen. Wie spät ist es eigentlich?“, fragte Emma. Sie erinnerte sich plötzlich an das Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte. „Fünf nach sechs“, sagte Nele, nachdem sie auf ihre Armbanduhr geschaut hatte. „Mist!“, fauchte Emma, „Ich hab meiner Mutter versprochen, dass wir um sechs Uhr zum Abendessen da sind. Magst du bei uns zu Abend essen?“ Nele schlüpfte aus Jimmys Box und schloss sorgfältig die Tür. „Gerne! Zu Hause wartet nur eine Tütensuppe auf mich. Wenn das für deine Mutter wirklich okay ist, dass ich mitkomme ...“ Emma fasste Neles Hand und rannte mit ihr im Schlepptau durch den Stall, der ihr plötzlich gar nicht mehr so viel Angst einflößte wie noch vor ein paar Minuten. Keuchend kamen die beiden Mädchen bei Emmas neuem Zuhause an. „Da seid ihr ja!“, rief Emmas Mutter, als sie in das provisorische Esszimmer traten. „Wir dachten schon, wir müssen ohne euch anfangen.“ Emma und Nele setzten sich auf die zwei freien Stühle. Alle reichten sich die Hände. Nele schaute Emma fragend an. „Ich bete und danke für das Essen“, erklärte Emmas Vater. Alle schlossen die Augen. Nur Nele schaute ein wenig verwirrt in die Runde, während Emmas Vater ein Gebet sprach. Es hört sich eher an, als würde er mit einem Freund reden als mit irgendeinem Gott, dachte sie. Nach dem „Amen“ schaute Nele zu Emma. Die grinste. „Ich wette mit dir, dass du dir eines Tages nichts Normaleres mehr vorstellen kannst, als Gott zu danken.“ Emma hielt Nele ihre Hand hin und die lachte und schlug ein.

Das seltsame Mädchen
"Mensch, pass doch auf - wenn der Karton auf den Boden fällt, dann können wir nur noch aus Töpfen essen! Die Stühle bitte ins Schlafzimmer und den Wäscheständer einfach im Keller abstellen!"
Emma schüttelte den Kopf. Wie konnte ein Mensch an einem einzigen Tag nur so viele Befehle erteilen? Sie lehnte sich an einen Baum und ließ ihren Blick über den kleinen See schweifen. Was war nur passiert? Gestern noch hatte sie mit ihrer Freundin Lulu im Café gesessen und den Menschenmassen hinterhergeschaut, die sich durch die Straßen schoben, während sie genüsslich ihren Milchshake schlürfte. Und heute stand sie hier in dieser Wildnis und schaute dabei zu, wie man ihr gesamtes Hab und Gut in dieses einsame Haus trug. Irgendetwas war mächtig schiefgelaufen. War während der ganzen Zeit eigentlich auch nur ein Auto vorbeigekommen? Emma verdrehte die Augen. Hier war man echt sowas von am Hintern der Welt! Wie sollte sie ohne ihre Lieblingseisdiele, die Inlinerbahn, die Schwimmhalle, die Deko- und Klamottenläden, den Lärm und die Action überleben? Sie war wirklich nicht für die Wildnis bestimmt.
"Hey, Emma!", riss sie ihre Mutter aus ihren Tagträumen, "fass doch mal mit an. Je schneller es geht, desto eher können wir unser neues Zuhause einrichten."
Unser neues Zuhause einrichten ... Emma stieß wütend einen Stein mit ihrem Fuß an, sodass er im hohen Bogen in Richtung See flog, bis er mit einem Platsch schließlich verschwand.
Seufzend ging sie auf den LKW zu, aus dem schon seit Stunden Kartons getragen wurden. Sie kletterte auf die Ladefläche und schnappte sich einen großen, aber leichten Karton. Als sie damit vom LKW herabhüpfte, freute sie sich darüber, wie clever sie doch war, dass sie direkt auf Anhieb den leichtesten Karton gefunden hatte. Doch ein paar Schritte weiter trat Emma in etwas ekelhaft Glitschiges, das sie dummerweise nicht gesehen hatte, weil ihr der riesige Karton die Sicht versperrt hatte.
"Mist!", schrie sie ärgerlich und versuchte, den Glibber von ihren schönen neuen Turnschuhen abzuschütteln.
"Das kannst du wohl laut sagen", mischte sich eine Stimme in ihre Gedanken ein.
Emma setzte den lästigen Karton ab und blickte sich um. Direkt neben dem LKW stand ein Junge mit einem frechen Grinsen. Seine Sommersprossen verliehen ihm Ähnlichkeit mit dem Sams. Emma musterte den Kerl kritisch von oben bis unten. An seinen Füßen befanden sich grüne dreckverschmierte Stiefel, die bis kurz unter die Knie reichten. Aus den Stiefeln quoll eine grüne Hose. Das T-Shirt, das locker über seinen Schultern hing, war ebenfalls grasgrün und betonte die blonden Locken, die ihm bis zu den Schultern reichten.
Könnte auch mal wieder beim Friseur vorbeischauen, dachte Emma und zog ihren linken Mundwinkel abfällig nach oben.
"Pferdeäpfel! Pferdeäpfel, aufgeweicht von dem Sturzregen gestern", sagte der Junge und deutete grinsend auf die braune Brühe neben Emmas Schuh.
"Ach?!", gab Emma zurück, "so dumm, dass wir Pferdeäpfel nicht erkennen könnten, sind wir Kinder aus der Stadt auch nicht!"
"Siehst auch gar nicht dumm aus", meinte der Junge und grinste Emma frech an.
Die wusste nicht so recht, ob sie sich über seine aufdringliche Art ärgern oder ob sie ihn witzig und sympathisch finden sollte. Verwirrt schaute sie den Kerl an und entschied sich für zweiteres. Ein wenig komisch, aber witzig ... Schien wirklich ganz nett zu sein, dieser Typ.
"Wohnst du hier?", fragte Emma.
"Den Schotterweg runter in dem grünen Haus - nicht zu übersehen."
Emma konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Hatte er gerade grünes Haus gesagt? Jetzt fehlt nur noch, dass sein Nachnahme Grün ist, dachte sie.
"Und du ziehst in das Haus am See. Wow, das ist echt schön!", stellte der Junge fest. Emma gefiel die Anerkennung in seiner Stimme. Aber wie gerne hätte sie dieses wunderschöne Haus wieder mit ihrer Wohnung in diesem hässlichen Mehrfamilienhaus eingetauscht!
Sie schob die Gedanken

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Mit Herz und Hufen ; 1
Sprache deutsch
Maße 205 x 135 mm
Gewicht 368 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Christlicher Glaube • Kinder/Jugendliche: Natur- & Tiergeschichten • Kinder/Jugendliche: Natur- & Tiergeschichten • Kinder/Jugendliche: Religiöse Romane • Landleben • Mädchen; Kinder-/Jugendliteratur • Pferde • Ponys; Kinder-/Jugendliteratur • Reiterhof • Stadtmädchen • Umzug
ISBN-10 3-86827-651-3 / 3868276513
ISBN-13 978-3-86827-651-0 / 9783868276510
Zustand Neuware
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