Der Chronist eines neuen Spanien: Die Filme Pedro Almodóvars als Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklungen - Thorsten Kadel

Der Chronist eines neuen Spanien: Die Filme Pedro Almodóvars als Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklungen

(Autor)

Buch | Softcover
108 Seiten
2015 | Erstauflage
Diplomica (Verlag)
978-3-95850-991-7 (ISBN)
44,99 inkl. MwSt
Almodóvars Kinofilme spiegeln die Stimmungen einer spanischen Gesellschaft im Umbruch wider. Während er diese Zeit filmisch verarbeitete, wurde er ihr Chronist und prägte sie zugleich. Auf diese Weise avancierte Almodóvar auch international allmählich zum kulturellen Repräsentanten seines Landes und war ab den neunziger Jahren daran beteiligt, das vorherrschende Spanienbild zu revidieren und einem breiten Publikum eine neue spanische Mentalität näher zu bringen. Indem er die gängigen Stereotype konsequent demontierte, erschuf er gleichzeitig ein Bild eines neuen Spanien. Almodóvars Entwicklung weist Parallelen zu der Entwicklung Spaniens auf, die bei der chronologischen Betrachtung seines Werks von Pepi Luci Bom bis Alles über meine Mutter deutlich werden. Ein Überblick über die Entwicklungen seit dem Bürgerkrieg 1936 verdeutlicht, wie einschneidend die Veränderungen nach Francos Tod waren, und von welcher Zeit Almodóvar geprägt wurde.

Thorsten Kadel studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin. Heute arbeitet er als Autor und Kreativdirektor. Dabei beschäftigt er sich mit dem Zusammenhang zwischen Wirklichkeitskonstruktion und unbewusster Wahrnehmung und der Vermittlung von explizitem und implizitem Wissen in Form des Storytelling.

Textprobe:
Kapitel 2.2, Der allmähliche Wandel von Staat und Kirche:
Aus Angst vor einer Destabilisierung blieben zunächst viele franquistische Machthaber im Amt. Erst 1977 fanden nach über 40 Jahren die ersten freien allgemeinen Wahlen eleciones generales statt. Adolfo Suárez wurde in seinem Amt bestätigt, Felipe González war als Vorsitzender der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE: Partido Socialista Obrero Español) Oppositionsführer. Die beiden jungen Politiker waren die politischen Symbole des Neuaufbruchs. Zusammen initiierten sie einen bemerkenswerten friedlichen Demokratisierungsprozess und galten als Repräsentanten eines neuen und modernen Spanien.
Im folgenden Jahr wurde die erste demokratische Verfassung seit dem Bürgerkrieg verifiziert. Sie bildete die rechtliche Grundlage für die junge Demokratie.
Mit der Verfassung wurde ein staatliches Schulwesen eingeführt. Dadurch verlor auch die Kirche an direkter politischer Macht, weil der Einfluss der Klosterschulen auf die allgemeine Schulbildung schwächer wurde. Schritt für Schritt fanden Pluralismus und Säkularisation Eingang in die politische Realität.
2.3, Die neue Gesellschaft: eine kulturelle Revolution:
Während sich die politischen Veränderungen nur allmählich zeigten, vollzog sich die eigentliche Revolution auf gesellschaftlicher Ebene:
Although the political transformation was a gradual one transition rather than revolution the change in the cultural environment was rapid and at times excessive.
Auf einen Schlag galten die konservativen Normen nicht mehr. Vor allem für die junge Generation bedeutete das Ende der Diktatur das Ende der restriktiven Wertvorstellungen der Vergangenheit:
While for many adults Spain s new democracy represented the achievement of radical political ambition through peaceful means, for the younger generation it meant an instantaneous break with repressive social norms and regulations.
Zugleich hegten vor allem die Jüngeren Argwohn gegenüber dem neuen politischen System. Rabe beschreibt diesen Übergangszustand:
Die heranwachsende nachfranquistische Generation befand sich Ende der siebziger Jahre in einem Umbruchstadium ohne fest definierte Werte: Die konservative, restriktive und bevormundende Ideologie Francos galt nach dessen Tod nicht mehr, ohne zunächst von konkreten neuen Leitlinien abgelöst worden zu sein. Die Jugendlichen fühlten sich von der Elterngeneration, repräsentiert durch Staat, Kirche und Gesellschaft im Allgemeinen, im Stich gelassen. Nicht nur das politische System und die Gesellschaft befanden sich in einem Schwebezustand, auch die Jugend als eigene soziale Gruppe musste sich neu definieren.
Die gesellschaftlichen Veränderungen vollzogen sich in Spanien wesentlich schneller als beispielsweise in den USA oder Westeuropa. Dort waren sie das Ergebnis sukzessiver Entwicklungsschritte. Während beispielsweise in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg die wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen nacheinander und graduell abliefen zunächst das Wirtschaftswunder in den fünfziger Jahren und erst im Anschluss die kulturelle Revolution Ende der sechziger Jahre fand diese Entwicklung in Spanien gleichzeitig und in einer enormen Geschwindigkeit statt.
Die Veränderungen kondensierten sich in der Hauptstadt Madrid und beeinflussten im Besonderen die Jugend.
Mit dem Ende der Diktatur entwickelte sich in Madrid eine eigenständige Subkultur, die unter dem Namen movida madrileña berühmt wurde. Der Name movida erinnert dabei beinahe trotzig an Francos movimiento.
Die Entwicklung der movida begann schon 1975, ihre Hauptzeit waren jedoch die frühen achtziger Jahre. Zu ihrem Kern gehörten Maler, Sänger, Schauspieler und Fotografen. Auch Pedro Almodóvar war ein fester Bestandteil dieser Jugendbewegung. Die Anhänger der movida verband nicht unbedingt eine kollektive Ideologie, wohl aber ein gemeinsames Lebensgefühl zunächst die Euphorie über die neuen Freiheiten: Unabhängigkeit, ne

Erscheint lt. Verlag 3.3.2015
Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 187 g
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Fotokunst
Schlagworte Generation • Mentalität
ISBN-10 3-95850-991-6 / 3958509916
ISBN-13 978-3-95850-991-7 / 9783958509917
Zustand Neuware
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