Hundsleben (eBook)

(Autor)

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2011 | 1. Auflage
224 Seiten
Emons Verlag
978-3-86358-034-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hundsleben -  Nicola Förg
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Dr. Johanna Kennerknecht, kurz 'Jo', ist mit einer Delegation von Tourismusvertretern in der bayerischen Vertretung in Berlin eingeladen. Teil der Veranstaltung: eine Vernissage von Leonora Pia Pfaffenbichler. Allein - die Dame erlebt ihre eigene Ausstellungseröffnung nicht, sondern liegt erschlagen auf der Toilette. Die Künstlerin und ihr Tierschutzhof waren zu Hause im Pfaffenwinkel den bäuerlichen Nachbarn ein echter Dorn im Auge. Zudem hatte sie Ärger mit anderen Tierschutzorganisationen und mit Verwandten von Spendern - Verdächtige zuhauf also. Aber wo liegt die mörderische Verbindung zwischen Berlin und dem äußersten Südwesten der Republik? Eine echte 'Viecherei' für den bodenständigen Kommissar Gerhard Weinzirl: Hundstage an der Ammer, Mordskunst an der Spree.

Nicola Förg, Jahrgang 1962, arbeitet als freie Reisejournalistin für namhafte Tageszeitungen, Publikumsmagazine und Fachmagazine - vor allem für solche, die Bergtourismus, Skispass und Reiterreisen zum Thema haben. Sie hat zudem ein Dutzend Reiseführer und Bildbände verfasst. Sie lebt im Ammertal in Bad Bayersoien.

Nicola Förg, Jahrgang 1962, arbeitet als freie Reisejournalistin für namhafte Tageszeitungen, Publikumsmagazine und Fachmagazine - vor allem für solche, die Bergtourismus, Skispass und Reiterreisen zum Thema haben. Sie hat zudem ein Dutzend Reiseführer und Bildbände verfasst. Sie lebt im Ammertal in Bad Bayersoien.

EINS

Es war wieder so weit. Es war unvermeidbar, und es griff um sich wie eine Seuche. Am ersten Tag nur einmal, bald schon im Zweistundenrhythmus, um sich im furiosen Finale des vierten Advents dann so zu steigern, dass man es nahezu minütlich ertragen musste. »Last Christmas I gave you my heart, but the very next day you gave it away.« Es whamte wieder, und unweigerlich drängten sich da Bilder von George Michaels Achtziger-Jahre-Föhn-Inferno-Frisur vors innere Auge und jedes Bild dieses Videos, das Aliens – sollten Außerirdische mal Jahrmillionen später landen und die Überreste einer Zivilisation entdecken – in schiere Bestürzung treiben würde. Es war wieder so weit: Die stufenweise Weihnachtswahnsinnseskalation hatte die Endzeit erreicht.

Es war Weihnachtsmarkt in Weilheim, der ausnahmsweise entgegen der üblichen Terminierung am letzten Adventswochenende stattfand. Gerhard hatte frei und hatte sich zu einem Frühschoppen auf dem Markt eingefunden. Er hatte erfolgreich ein Gespräch bei den Bürgern von Weilheim abgeblockt und seiner Vermieterin Gundula glaubhaft versichert, dass er leider gar keine Zeit für ein Referat bei der Hausaufgabenbetreuung von sozial schwachen Kindern habe. Er hatte sich auch dem Eine-Welt-Laden verweigert, wo er eine Petition für einen Mann im fernen Sezuan hätte unterzeichnen sollen, etwas von »als Polizist keine politischen Äußerungen machen« murmelnd. Sezuan, war das nicht irgendwas mit Gulasch? Ach nein, das war Szeged, Sezuan hatte doch meist mit Schweinefleisch süßsauer zu tun. Was ihn daran gemahnte, dass er Hunger hatte. Um sicherzugehen und nicht in die kulinarische Vegetarierfalle bei den Betroffenenständen zu tappen, orderte er eine Leberkassemmel in der Metzgereifiliale, unweit vor deren Eingang zwei Schafe ein lebendes adventliches Bild abgaben, was Gerhard so Tür an Tür mit der Metzgerei doch eher bizarr fand. Er schlenderte rüber zu den blauen Jungs, schneidigen Burschen der Marine, die alljährlich hier waren. Immerhin gab es ja das Küchenminensuchboot Weilheim. Die blauen Jungs mit dem hervorragenden Glühwein, die ihrem Namen immer alle Ehre machten! Er hatte seinen Glühwein zur Hälfte leer getrunken, als sein Handy, dem er die bayerische Kulthymne »Vogelwiese«, eingespielt von den Schönberger Musikanten, als Klingelton verliehen hatte, sich meldete. Es war Melanie Kienberger, eine Kollegin, mit der er in diversen Sokos zu tun gehabt hatte. Gerhard lauschte mit zunehmender Beunruhigung.

»Melanie, was habe ich damit zu tun? Das ist wohl kaum Sache der Mordkommission«, sagte Gerhard. Das Schluchzen am anderen Ende war so laut, dass er unwillkürlich das Handy vom Ohr weghielt.

»Die sind doch alle krank. In Schongau haben alle die Magen-Darm-Grippe, die Füssener können wegen Glatteis nicht fahren, da ist das in Weilheim gelandet. Bei mir und Felix. Ich schaff das nicht, ich schaff das nicht, da hab ich Sie angerufen.« Der Rest ging in einem erneuten Schluchzen unter.

»Melanie, beruhigen Sie sich! Ich komme!« Na, das war ja toll. Nun musste er, sozusagen als Freundschaftsdienst, in die Einöde fahren. Er überlegte noch kurz, den Kollegen in Schongau zu informieren, aber er beschloss doch, erst hinterher vorbeizufahren. Hinter was nur? Das klang nämlich nicht gut, gar nicht gut. Das klang nach Ekel, und das klang, so viel war klar, nach verdammtem Medienrummel, sofern Melanie nicht übertrieben hatte. Und es klang nach einer Scheißfahrerei an irgend so einen Weltenarsch. Dieser Landkreis Weilheim-Schongau war für Gerhard immer noch ein Buch mit gewissen Siegeln, und wohin er nun berufen wurde, das hatte er wahrlich noch nie gehört.

»Hinter der Wieskirche«, hatte Melanie gesagt, »aber nicht über die Wieskirche zu erreichen.« Da Gerhard sich immer geweigert hatte, ein Navi zu verwenden, und auf seine alten Landkarten bestand, würde das ein echter Spaß werden, denn seine Karten stammten aus den achtziger Jahren und waren zumeist wegen Colaüberflutungen verpappt. So wie sich das allerdings anhörte, brauchte man in dem Fall eher eine Wanderkarte.

Es nieselte vor sich hin, Gerhard nannte so ein Wetter »hohe Luftfeuchtigkeit«. Er war nun mal Optimist. Er hastete durch die Fußgängerzone, sein Auto stand auf dem Parkplatz des Weilheimer Tagblatts. Weil er so ein netter Bulle war, hatte er mal von einem Redakteur ein paar der Ausfahrtsmarken erhalten, in einer retsina- und ouzoseligen Verbrüderungsaktion im Dionysos, beim kleinen Griechen Toni.

Das Wetter war wirklich eins für viel Weihnachtsmarktglühwein oder für Bettdecke über den Kopf – oder beides. Keines für eine Ausfahrt. Wie fuhr man eigentlich auf dem schnellsten Weg nach Steingaden?, fragte er sich und registrierte, dass er nach über drei Jahren im Oberland immer noch weiße Flecken auf der inneren Landkarte hatte. Zumindest wusste er seit seinem letzten Fall, wie man von Schönberg nach Echelsbach gelangte, wo Jo und Kassandra nach wie vor ihre Wohngemeinschaft hatten. Und von der unseligen Selbstmörderbrücke gleichen Namens ging es ab nach Steingaden. Jo und Kassandra – die beiden mit all ihren Viechern –, für sie musste das der Alptraum sein, was ihn nun erwartete. Sofern Melanie nicht übertrieben hatte.

Als er auf Höhe Wildsteig war, wurde es stürmischer. Der Wind zerrte an seinem Bus, aber auch an den Wolken, die ab und zu einer blauen Lücke Platz machten. Gerhard stellte fest, dass auf einmal Schnee lag, gar nicht mal so wenig. Plötzlich war Winter, Schneewinter, Sturmzeit. In Steingaden bog er nach links ab, ganz durch den Ort müsse er fahren und am Schild mit den vielen Namen abbiegen. Was damit gemeint war, ging Gerhard am Ortsende auf: So schnell konnte man gar nicht lesen, zu viele Namen standen da. Fronreiten, Schlatt, Gogel – Hiebler war auch dabei gewesen. Das Sträßchen war eng und kurvig, und es wand sich unmerklich bergauf. Und als wolle Steingadens wildes Hinterland Werbung für sich machen, riss der Himmel auf. Der Blick ging über einen zugefrorenen Tümpel und hinein in die Allgäuer Alpen – alles wie im Bilderbuch.

Gerhard kam an eine Abzweigung, aha, da ging’s nach Hiebler. Definitiv, hier war er noch nie gewesen; er bezweifelte, ob hier überhaupt je Fremde gewesen waren. Das war ja eine … Er stutzte: gottverlassene Gegend? Nein, das eigentlich nicht, es war wohl vielmehr so, als hätte Gott hier eine gute Lobby: Feldkreuze, Kruzifixe an den Häusern, Lüftlmalerei mit biblischen Motiven.

Die Straße führte in ein kleines Tal hinab, wo jemand augenscheinlich ein Bauernhaus mit viel Liebe renovierte, und wieder hinauf nach Hiebler. Ein paar Höfe, eine enge Ortsdurchfahrt, ein Hund bellte, eine rote Katze huschte über die Straße. »Weiter auf der Teerstraße«, hatte Melanie gesagt, »vielleicht fünfhundert Meter, dann geht’s rechts in den Wald. Aber da steht dann eh ein Schild.« Da stand ein Schild, zweifelsfrei: »Gut Sternthaler«. Der blaue Himmel hatte soeben den Kampf gegen die Wolken verloren, schlagartig wurde es dunkler.

Gerhard rüttelte über einen Schotterweg und hielt, stieg langsam aus und sog die Atmosphäre mit einem langen Blick in sich auf. Es ging ein wirklich frischer Wind, so einer, der augenblicklich durch alle Klamotten kroch. Fröstelwetter, zumal das Haus da im Wald einem unwillkürlich Schauer über den Rücken jagte. Es war von einer hohen Mauer umgeben, gekrönt mit Stacheldraht. Kameras richteten ihre neugierigen Augen auf jeden Ankömmling. Das Tor stand offen. Das Haus selbst war ein altes Gutshaus oder besser ein großes Bauernhaus, das unter wild wucherndem Efeu zu ersticken drohte. Es war ein typisches Einhaus, westseitig war der ehemalige Stalltrakt, der vor sich hin bröselte. Einige wie zufällig platzierte Schuppen und Nebengebäude wirkten, als hätte ein Riese Bauklötzchen auf den Boden geworfen. Bei schönem Wetter im Sommer mochte das romantisch wirken, momentan hatte es was von der »Rocky Horror Picture Show«, irgendjemand von der »Addams Family« würde gleich auftauchen oder »der Hund von Baskerville«. Nebel war nun auch aufgezogen.

Und das Hundebellen klang schauerlich. Es kam von der Ostseite des Hauses, wo sich Hundehäuser mit davorliegenden Zwingern anschlossen; in Reih und Glied standen sie, das Ganze wirkte mehr wie eine Ferienhaussiedlung denn wie ein Tierasyl. Die Hundehäuschen waren in weit besserem Zustand als das Haus, und Gerhard rieselte es eiskalt den Rücken hinunter. Er sah schnell weg und richtete den Blick wieder auf das Haupthaus. Im gekiesten Hof standen ein Sanka, ein Notarztwagen und ein Polizeiauto. Melanie lehnte am Wagen, weiß wie eine frisch gekalkte Wand. Felix Steigenberger stand abseits, er hantierte mit einer Tempopackung, es war augenscheinlich, dass er sich übergeben hatte. Melanie machte einen Schritt auf ihn zu, sie wirkte wie ferngesteuert.

»Ist gut, Melanie. Warum ist der Notarzt hier?«, fragte Gerhard.

»Die Frau dahinten ist komplett zusammengebrochen. Das ist so, so …« Melanie begann wieder zu weinen.

»Ist gut, Melanie«, sagte Gerhard nochmals und reichte ihr einen Flachmann. »Kräftiger Schluck, ich nehm das auf meine Kappe. Geben Sie Steigenberger auch einen.« Er fummelte wieder in der Jacke. »Pfefferminz, kann er vielleicht auch brauchen.«

Gerhard ging auf den Sanka zu, wo eine Frau lag, die völlig apathisch wirkte. Eine Infusion tropfte, der Arzt sprang elastisch aus dem Wagen.

»Haben Sie die Schweinerei schon gesehen?«, fragte er.

Gerhard schüttelte den Kopf.

»Das ist widerlich, die einzige Bestie im Tierreich ist der Mensch. Kennen Sie Nietzsche? Der hat mal gesagt: ›Ich fürchte, die Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2011
Reihe/Serie Oberbayern Krimi
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bayerisches Oberland • Gerhard • Gerhard Weinzirl • Johanna • Johanna Kennerknecht • Kennerknecht • Krimi • Pfaffenwinkel • Weinzirl
ISBN-10 3-86358-034-6 / 3863580346
ISBN-13 978-3-86358-034-6 / 9783863580346
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