Die Vergessenen Welten 12 - R.A. Salvatore

Die Vergessenen Welten 12

Schattenzeit

(Autor)

Buch | Softcover
416 Seiten
2001
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-442-24973-2 (ISBN)
9,00 inkl. MwSt
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Salvatores "Vergessene Welten" zählen in Deutschland zu den erfolgreichsten Fantasy-Sagas. Die Geschichten um den Dunkelelfen Drizzt Do'Urden springen in den USA regelmäßig in die Top Ten der Bestsellerliste und haben auch bei uns eine riesige Fangemeinde. Einst ein mächtiger Held, ist Wulfgar unter der Last seines grausamen Schicksals zerbrochen und sucht nun vergebens, seinen Erinnerungen zu entkommen. Erst ein Mordvorwurf reißt ihn aus seiner Apathie. Auf der Flucht vor seinen Verfolgern wird er am Rand der Welt in gefährliche Kämpfe verwickelt und muss sich gleichzeitig seinem eigenen Dämon stellen.


Robert A. Salvatore wurde 1959 in Massachusetts geboren, wo er noch heute mit seiner Frau Diane, drei Kindern, einer Katze und einem Hund lebt. Sein erster Roman "Der gesprungene Kristall" machte ihn bekannt und legte den Grundstein für seine weltweit beliebten Zyklen um den Dunkelelfen Drizzt Do Urden. Neben seinen zahlreichen Fantasy-Büchern verfasste er auch den ersten Roman der Star-Wars-Serie "Das Erbe der Jedi-Ritter".

Die Gegenwart In meinem Heimatland Menzoberranzan, wo Dämonen ihr Spiel treiben und Drowelfen sich an dem schrecklichen Untergang ihrer Rivalen ergötzen, herrscht ein ständiger, lebensnotwendiger Zustand der Wachsamkeit und der Vorsicht. Ein Drow, der nicht auf der Hut ist, ist in Menzoberranzan ein ermordeter Drow, und daher gibt es nur wenige Gelegenheiten, bei denen Dunkelelfen sich den Genüssen von exotischen Kräutern oder Getränken hingeben, die ihre Sinne vernebeln. Wenige, doch es gibt Ausnahmen. Bei der Abschlusszeremonie von Melee-Magthere, der Schule der Kämpfer, an der ich ausgebildet wurde, geben sich die Schüler nach bestandener Prüfung einer Orgie mit trunken machenden Pflanzen und sinnlichen Freuden mit den Frauen von Arach-Tinilith hin. Es ist ein Moment des reinsten Genusslebens, ein Fest purer Gelüste, ohne an spätere Folgen zu denken. Ich verweigerte mich dieser Orgie, auch wenn ich damals nicht wusste, warum. Sie widerstrebte meinem Sinn für Moral, glaubte ich (und tue dies noch immer), und würdigte so viele der Dinge herab, die ich in hohen Ehren halte. Jetzt, in der Rückschau, erkenne ich einen weiteren Grund, der mich zwang, die Orgie abzulehnen. Abgesehen von den moralischen Gründen, und von ihnen gab es viele, stieß mich der bloße Gedanke an die betäubenden Kräuter ab und machte mir Angst. Das wusste ich natürlich die ganze Zeit über - sobald ich während der Zeremonie die Berauschung bemerkte, rebellierte ich gegen sie -, aber erst seit kurzem habe ich den wahren Grund dieser Ablehnung erkannt, die Ursache, warum solche Betäubungen keinen Platz in meinem Leben haben. Diese Kräuter greifen den Körper natürlich auf unterschiedliche Arten an, ob sie nun die Reflexe verlangsamen oder die gesamte Bewegungskoordination zunichte machen, doch wichtiger ist, dass sie den Verstand auf zwei verschiedene Weisen attackieren. Als Erstes vernebeln sie die Vergangenheit, sie löschen angenehme und unangenehme Erinnerungen aus, und zweitens verhindern sie jeden Gedanken an die Zukunft. Rauschmittel fesseln ihren Benutzer an die Gegenwart, an das Hier und Jetzt, ohne Rücksicht auf die Zukunft, ohne ein Bedenken der Vergangenheit. Das ist die Falle, eine fatalistische Perspektive, die es erlaubt, sich der versuchten Sättigung von körperlichen Freuden hemmungs- und bedenkenlos hinzugeben. Eine berauschte Person wird selbst törichte Wagnisse unternehmen, weil ihre Vernunft bis hin zu ihren Überlebensinstinkten ausgeschaltet sein kann. Wie viele junge Krieger werfen sich töricht mächtigeren Feinden entgegen, nur um von ihnen erschlagen zu werden? Wie viele junge Frauen werden von Liebhabern schwanger, die sie sich niemals als zukünftige Ehemänner wünschen würden? Das ist die Falle, die fatalistische Perspektive, die ich nicht tolerieren kann, ich lebe mein Leben mit der Hoffnung, einer Hoffnung, die immer vorhanden ist, dass die Zukunft besser wird als die Gegenwart, doch nur solange ich daran arbeite, sie dazu zu machen. Aus dieser ständigen Bemühung heraus entsteht die Befriedigung des Lebens, das Gefühl, etwas geleistet zu haben, das wir alle brauchen, um echte Freude zu empfinden. Wie könnte ich dieser Hoffnung treu bleiben, wenn ich mir einen Moment der Schwäche erlauben würde, der all das vernichten könnte, für das ich schwer gearbeitet habe, und all das, was ich noch erreichen möchte? Wie hätte ich auf so viele unerwartete Krisen reagiert, wenn ich bei ihrem Auftreten unter dem Einfluss einer bewusstseinsverändernden Substanz gestanden hätte, die mein Entscheidungsvermögen getrübt oder meine Perspektive behindert hätte? Zudem darf die Gefahr, wohin solche Substanzen führen können, nicht unterschätzt werden. Wenn ich mich von der Stimmung bei der Abschlusszeremonie von Melee-Magthere hätte mitreißen lassen, wenn ich mich den sinnlichen Freuden hingegeben hätte, die mir die Priesterinnen anboten, wie sehr wäre dadurch jede echte Liebe herabgewürdigt worden, die ich jemals empfand? Ganz bedeutend, so denke ich. Sinnenfreuden sind - oder sollten es sein - der Höhepunkt körperlichen Verlangens, gepaart mit einer gefühls- und verstandesmäßigen Entscheidung, sich selbst mit Körper und Seele einer Verbundenheit von Vertrauen und Respekt zu überantworten. Auf eine Weise wie bei jener Abschlusszeremonie kann ein solches Teilen nicht stattfinden; es wäre nur ein Hingeben des Körpers und, mehr noch als das, das Nehmen der Waren, die einem angeboten werden. Es hätte keine höhere Vereinigung gegeben, keine spirituelle Erfahrung, und damit auch keine wahre Freude. Mit einem so verzweifeltem Suhlen kann ich nicht leben, denn das ist es; ein jämmerliches sich Suhlen in den schäbigen Niederungen der Existenz, das, wie ich glaube, aus der Hoffnungslosigkeit geboren ist, nie eine höhere Existenzebene zu erlangen. Und daher lehne ich solche Rauschmittel bis auf den allergezügeltsten Gebrauch ab, und auch wenn ich jene, die sich ihnen hingeben, nicht offen verurteile, so bedaure ich doch ihre leeren Seelen. Was ist es, das Männer und Frauen in solche Abgründe treibt? Schmerz, so glaube ich, und Erinnerungen, die zu elend sind, als dass man sich ihnen offen stellen und mit ihnen fertig werden kann. Berauschende Substanzen können die Schmerzen der Vergangenheit in der Tat auf Kosten der Zukunft verschwimmen lassen. Aber es ist kein fairer Tausch. Im Angesicht dieser Überlegungen fürchte ich um Wulfgar, meinen verlorenen Freund. Wo wird er Zuflucht vor den Peinigungen seiner Versklavung finden? Drizzt Do'Urden In den Hafen »Oh, wie ich diesen Ort hasse«, sagte Robillard, der Zauberer. Er sprach zu Kapitän Deudermont von der Seekobold, während dieser dreimastige Schoner einen langen Kai umrundete und in Sicht des Hafens der nördlichen Handelsstadt Luskan kam. Deudermont, ein großer, stattlicher Mann mit vornehmem Auftreten und ruhigem, besinnlichem Temperament, nickte nur zu den Worten des Zauberers. Er hatte das alles schon früher gehört, und zwar oft genug. Er schaute zur Stadt hinüber und erspähte den unverkennbaren Hauptturm des Arkanums, der berühmten Zauberergilde von Luskan. Dies, so wusste Deudermont, war die Ursache für Robillards verächtliche Einstellung zu der Hafenstadt, obgleich der Zauberer in seinen Erklärungen vage geblieben war. Er hatte nur ein paar abschätzige Bemerkungen über die »Idioten« von sich gegeben, die den Turm leiteten, und über ihre Unfähigkeit, einen echten Meister der Magie von einem betrügerischen Taschenspieler zu unterscheiden. Deudermont vermutete, dass man Robillard einst den Eintritt in die Gilde verweigert hatte. »Warum Luskan?«, beschwerte sich der Schiffszauberer. »Würde Tiefwasser unseren Bedürfnissen nicht besser dienen? Kein Hafen an der Schwertküste kann sich mit Tiefwassers Reparaturwerften messen.« »Luskan war näher«, erinnerte ihn Deudermont. »Ein paar Tage, mehr nicht«, erwiderte Robillard. »Wenn uns in den paar Tagen ein Sturm erwischt hätte, wäre der beschädigte Rumpf möglicherweise auseinander gebrochen, und wir wären alle zu Fischfutter geworden«, sagte der Kapitän. »Das schien mir ein etwas zu großes Risiko, nur für den Stolz eines Mannes.« Robillard setzte zu einer Entgegnung an, erkannte aber rechtzeitig genug die Bedeutung des letzten Satzes des Kapitäns, um sich nicht noch weiter zu blamieren. Ein tiefes Stirnrunzeln zog über sein Gesicht. »Die Piraten hätten uns erwischt, wenn ich die Explosionen nicht ganz genau berechnet hätte«, murmelte der Zauberer, nachdem er sich ein paar Momente Zeit genommen hatte, um sich zu beruhigen. Deudermont gab ihm in diesem Punkt Recht. Tatsächlich war Robillards Arbeit bei diesem letzten Angriff spektakulär gewesen. Vor ein paar Jahren war die Seekobold - die neue, größere, schnellere und stärkere Seekobold - von den Fürsten von Tiefwasser als Piratenjäger in Auftrag gegeben worden. Kein anderes Schiff war jemals so erfolgreich bei dieser Aufgabe gewesen. Daher hatte Deudermont es kaum glauben können, als der Ausguck ein paar Piraten ausgemacht hatte, die dicht bei Luskan in den nördlichen Gewässern der Schwertküste segelten, wo die Seekobold häufig patrouillierte. Der Ruf des Schoners allein hatte dieses Gebiet viele Monate lang sauber gehalten. Diese Piraten waren aus Rache gekommen, nicht um leichte Beute zu machen, und sie waren gut auf den Kampf vorbereitet gewesen. Jedes der Schiffe war mit einem kleinen Katapult, einer großen Gruppe Bogenschützen und einem Zauberer ausgestattet. Dennoch wurden sie von dem gewieften Deudermont und seiner erfahrenen Mannschaft ausmanövriert und von dem mächtigen Robillard, der seit einem Jahrzehnt seine machtvollen Dweomers in Schiffskämpfen wirkte, auch magisch überrumpelt. Eine von Robillards Illusionen hatte den Anschein erweckt, die Seekobold würde zerstört im Wasser treiben, der Hauptmast auf das Deck herabgefallen und Dutzende Leichen an der Reling liegen. Wie hungrige Wölfe hatten die Piraten sie immer dichter und dichter umkreist und waren dann längsseits gegangen, ein Schiff an Steuerbord, das andere an Backbord, um das Wrack vollends zu versenken. In Wirklichkeit war die Seekobold überhaupt nicht schlimm beschädigt gewesen, da Robillard alle Angriffszauber der feindlichen Zauberer abgeblockt hatte. Die kleinen Katapulte der Piraten hatten an den gepanzerten Seiten des stolzen Schoners nur wenig Schaden anrichten können. Deudermonts Männer, alles brillante Bogenschützen, hatten unbarmherzig zugeschlagen, als die Schiffe in Reichweite gekommen waren, und der Schoner war mit rascher Präzision von Kampfsegeln auf volle Beseglung gewechselt. Der Bug hatte sich regelrecht aus dem Wasser erhoben, als die Seekobold zwischen den überraschten Piraten hindurchgeschossen war. Robillard hatte einen Schleier der Stille auf die Seeräuberschiffe gelegt, der ihre Zauberer daran gehindert hatte, irgendwelche Schutzzauber zu wirken, und dann in rascher Folge drei Feuerbälle geschleudert, einen auf jedes Schiff und den letzten zwischen sie. Anschließend erfolgte der normale Beschuss durch die Ballista und das Katapult, mit dem die Schützen der Seekobold schwere Eisenketten geschleudert hatten, um Segel und Takelage zu zerstören, sowie Pechkugeln, um die ausbrechenden Flammen anzufachen. Mastlos und hilflos im Wasser treibend gingen die beiden brennenden Piratenschiffe kurz darauf unter. Die Feuersbrünste waren so heftig gewesen, dass Deudermont und seine Leute nur wenige Überlebende aus dem kalten Wasser fischen konnten. Allerdings war auch die Seekobold nicht unbeschädigt davongekommen. Sie wurde jetzt nur noch von einem Segel angetrieben. Gefährlicher war jedoch, dass sie knapp oberhalb der Wasserlinie einen ziemlich großen Riss aufwies. Deudermont hatte fast ein Drittel seiner Mannschaft dazu abstellen müssen, eindringendes Wasser abzupumpen, was der Grund war, warum er den nächsten Hafen ansteuerte - Luskan. Deudermont hielt dies für eine wirklich gute Wahl. Er zog Luskan dem bedeutend größeren Hafen von Tiefwasser vor, denn auch wenn sein Schiff von der südlicheren Stadt finanziert worden war und er dort bei jedem Magistrat der Stadt einen Platz an dessen Tafel finden konnte, so war Luskan doch seinen Mannschaftsmitgliedern gegenüber gastfreundlicher. Hier wurden die einfachen Seeleute, die nicht über Manieren verfügten, um an den Tischen des Adels Platz zu nehmen, herzlicher aufgenommen. Luskan hatte, ebenso wie Tiefwasser, seine festen Bevölkerungsklassen, aber die untersten Sprossen auf der sozialen Leiter von Luskan befanden sich immer noch ein paar Stufen über dem Fußende von Tiefwasser. Von jedem Pier klangen Willkommensrufe herüber, als sie sich der Stadt näherten, denn die Seekobold war hier gut bekannt und hoch respektiert. Die ehrlichen Fischer und Handelssegler von Luskan, ja von der gesamten nördlichen Schwertküste, schätzten seit langer Zeit die Arbeit von Kapitän Deudermont und seinem schnellen Schoner. »Eine gute Wahl, denke ich«, sagte der Kapitän. »In Tiefwasser gibt es besseres Essen, bessere Frauen und bessere Unterhaltung«, erwiderte Robillard. »Aber keine besseren Zauberer«, konnte Deudermont sich nicht verkneifen zu sagen. »Der Turm gehört mit Sicherheit zu den angesehensten Magiergilden in den Reichen.« Robillard stöhnte und murmelte ein paar Flüche, während er davonging. Deudermont schaute ihm nicht nach, aber er konnte das betonte Stampfen der Stiefel des Zauberers nicht überhören. »Dann nur eine schnelle Nummer«, bettelte die Frau schmeichelnd, während sie mit der Hand durch ihr schmutziges blondes Haar fuhr und eine schmollende Pose einnahm. »Nur kurz, um mich für einen Abend an den Tischen zu entspannen.« Der riesige Barbar fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, denn sein Mund fühlte sich an, als sei er voller schmutziger Watte. Nachdem er den Abend über in der Taverne »Zum Entermesser« gearbeitet hatte, war er wie immer mit Morik an die Piers zurückgekehrt, um die Nacht hindurch heftig zu trinken. Wie üblich waren die beiden bis nach Sonnenaufgang dort geblieben, bevor Wulfgar zurück ins »Entermesser« gewankt war, das sein Zuhause und seine Arbeitsstelle darstellte, und direkt ins Bett fiel. Aber diese Frau, Delly Curtie, ein Schankmädchen in der Taverne und seit ein paar Monaten seine Geliebte, war zu ihm gekommen. Am Anfang hatte er sie als angenehme Ablenkung betrachtet, als Zuckerguss auf seinem Branntwein-Kuchen, und auch als fürsorgliche Freundin. Delly hatte Wulfgar durch seine ersten schweren Tage in Luskan geholfen. Sie hatte sich um seine Bedürfnisse gekümmert - sowohl seine emotionalen, als auch seine körperlichen -, ohne etwas dafür zu fordern. Doch in letzter Zeit hatte sich ihre Beziehung verändert, und zwar nicht einmal besonders heimlich. Jetzt, da er sich ein wenig besser mit seinem neuen Leben arrangiert hatte, das fast ausschließlich darin bestand, die Erinnerungen an die Pein seiner Jahre bei Errtu zu verdrängen, sah Wulfgar das Schankmädchen mit anderen Augen. Emotional war Delly ein Kind, ein bedürftiges kleines Mädchen. Wulfgar, der Mitte zwanzig war, war mehrere Jahre älter als sie. Mittlerweile war er der Erwachsene in ihrer Beziehung geworden, und Dellys Bedürfnisse hatten begonnen, seine eigenen zu überschatten. »Ach komm, du hast doch zehn Minuten für mich übrig, Wulfgar«, sagte sie, rückte näher und strich ihm sanft über die Wange. Wulfgar ergriff ihr Handgelenk und schob es sanft, aber bestimmt weg. »Es war eine lange Nacht«, erwiderte er. »Und ich hatte gehofft, mich noch ein bisschen ausruhen zu können, bevor meine Pflichten für Arumn anfangen.« »Aber ich habe so ein Jucken ...« »Ich brauche Ruhe«, wiederholte Wulfgar und betonte jedes einzelne Wort. Delly zog sich von ihm zurück, und ihre verführerische, schmollende Pose wurde plötzlich kalt und abweisend. »Wie du willst«, sagte sie mit rauer Stimme. »Glaubst du, du bist der einzige Mann, der in mein Bett will?« Wulfgar würdigte den Ausbruch keiner Erwiderung. Die einzige Antwort, die er ihr hätte geben können, wäre zu sagen, dass es ihm wirklich egal sei, dass diese ganze Sache - sein Trinken, sein sich Prügeln - nur seine Weise war, sich zu verstecken. In Wahrheit mochte und respektierte Wulfgar das Mädchen und sah sie als Freundin an - oder täte es, wenn er ehrlich glauben würde, dass er ein Freund sein könnte. Er wollte ihr nicht wehtun. Zitternd und unsicher stand Delly in Wulfgars Zimmer. Plötzlich fühlte sie sich in ihrem dünnen Hemd sehr nackt, verschränkte die Arme vor der Brust und rannte in den Gang hinaus und zu ihrem eigenen Raum, dessen Tür sie hinter sich zuschlug. Wulfgar schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Er lachte leise und hilflos auf, als er hörte, wie Dellys Tür sich wieder öffnete und ihre eiligen Schritte sich auf die Tür nach draußen zubewegten. Auch diese Tür wurde laut zugeschlagen, und Wulfgar erkannte, dass der ganze Krach für seine Ohren bestimmt war. Delly wollte, dass er hörte, dass sie wirklich fortging, um in den Armen eines anderen Trost zu finden. Sie war ein kompliziertes Mädchen, erkannte der Barbar, und ihr Gefühlsleben befand sich in noch größerem Aufruhr als sein eigenes, wenn das überhaupt möglich war. Er fragte sich, wie es zwischen ihnen beiden überhaupt so weit hatte kommen können. Zu Beginn war ihre Beziehung so einfach gewesen, so geradlinig: zwei Menschen, die einander ihre Bedürfnisse befriedigen konnten. In letzter Zeit jedoch war alles viel komplexer geworden. Delly brauchte Wulfgar, um sich um sie zu kümmern, um sie zu schützen und ihr zu sagen, dass sie schön war, aber Wulfgar wusste, dass er sich nicht einmal um sich selbst kümmern konnte, geschweige denn um sie. Delly brauchte Wulfgar, um sie zu lieben, und doch besaß der Barbar keine Liebe, die er zu geben vermochte. Für Wulfgar gab es nur Schmerz und Hass, nur Erinnerungen an den Dämon Errtu und den Kerker des Abgrunds, in dem er sechs lange Jahre hindurch gepeinigt worden war.

Reihe/Serie Blanvalet Taschenbuch
Die Vergessenen Welten
Forgotten Realms
Übersetzer Rainer Gladys
Sprache deutsch
Original-Titel The Spine of the World
Maße 115 x 183 mm
Gewicht 316 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy
ISBN-10 3-442-24973-2 / 3442249732
ISBN-13 978-3-442-24973-2 / 9783442249732
Zustand Neuware
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