Tiere in Architektur
Sabine Scho, 1970 in Ochtrup/Westfalen geboren, lebt heute in Berlin und São Paulo. 2012 wurde sie mit "Anke Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis" der Deutschen Schillerstiftung ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es: "Sabine Scho, die auch fotografiert und zeichnet, malt und performt, trägt in ihrer lyrischen Sprache Worte aus allen Bereichen und Sprachen zusammen und erreicht dadurch eindrucksvolle Wortneuschöpfungen. Sie überträgt Verfahren der Fotografie und anderer Sparten der bildenden Kunst in ihre Lyrik, die beobachtet, konstatiert, spielt und provoziert, mit bebender Kühle und sachlicher Erotik lockt und trifft."
Matthias Holtmann, 1950 in Kamen/Westfalen geboren. Studium an der Musikhochschule Köln, danach mehrere Jahre Schlagzeuger der erfolgreichen deutschen Rockband "Triumvirat", danach Autotester bei Porsche, Comedian, Moderator, Motorjournalist, jahrelang Musikchef bei SDR 3, danach Moderator und Programmchef bei SWR 3, jetzt SWR 1. Erfinder und Regisseur von "Pop & Poesie in Concert", der SWR-Show, in der Songtexte übersetzt, inszeniert und live vor Publikum gespielt werden.
„Das neue Projekt ‚Tiere in Architektur‘, dem Sabine Scho eine eigene Website widmet, rückt unseren Umgang ‚der eigenen mit der je anderen Art‘ in den Mittelpunkt. ‚Künstlich‘, schreibt sie, ‚bauen wir en détail wieder auf, was wir en gros zerstören‘, wenn sie über zoologische Gärten nachdenkt, deren Bedeutung sich von der Repräsentation symbolischer Ordnung zu der von Sehnsuchtsorten und eingehegten Paradiesgärten verschoben hat, deren ‚Unterhaltungsarchitektur‘ die Theatralik und Verfügbarkeit der Tiere und ihrer Sichtbarkeit in den künstlichen Landschaften auf die Spitze treibt. In der Abbildung und Einhegung, in der Züchtung und Zurichtung, in der Berührung und Tötung, im Jagen und in der Liebe zu den Tieren geben wir uns selbst und unser Verhältnis zu dem kreatürlich Anderen, das uns ähnlich ist und sich doch fundamental von uns unterscheidet, in historisch sich wandelnden Prägungen zu erkennen. Tiere sind vertraute und doch rätselhafte Wesen, Ausdruck einer überbordenden Experimentierlust der Natur, die mitunter groteske Züge annimmt, und haben in ihrer in hohem Maße instinktgesteuerten und oft beschränkten Verhaltenspalette in einer immer durchstrukturierten Welt, in die sie oft nur noch als Erinnerung passen, manchmal etwas Komisches. Sabine Scho erinnert daran, dass Menagerien von Anfang an etwas praktiziert haben, das man heute Globalisierung nennt, und immer schon alles an Fauna versammelt haben, dessen man durch Reisen und Gastgeschenke aus aller Welt habhaft werden konnte. Zugleich entwickelt sich heute eine standardisierte Architektur zoologischer Gärten und Aquarien, die man als ‚International Style‘ bezeichnen könnte. Das Tier ist zugleich Zentrum und Akzidens dieser Architektur und wird gelegentlich zur komischen Figur: ‚Hat man die Kasse passiert, wird Architektur kaschiert und Natur simuliert. Schaut auch die Giraffe im Zoo von Santa Barbara von ihrem Gehege auf den Freeway. Fast möchte man glauben, der angeborene Knick in ihrem Hals rührt nur daher, dass sie an ihrem künstlichen Felsen vorbei nichts lieber tut, als den Fließräumen einer globalen Gesellschaft hinterherzuschauen, die eher sich als ihr natürliche Freiräume vorgaukeln muss. Oder lauscht sie versteckten Lautsprechern?‘ (.) Schos Gedichte sind darin auch von Anfang an politisch, dass sie Macht- und Herrschaftsdiskurse im Ensemble der Sprache, der instrumentellen, vorgestanzten Rede und damit der vorgestanzten Weltanschauungen, zitieren und zerlegen, geradezu schreddern und ironisieren, verlachen, zugleich ins Fragment zurückholen. Wenn das Erzählen, jedenfalls ein gewisser Strang des Erzählens, Übersicht zu schaffen verspricht, Kontrolle und planvolle Exekution einer Idee, wenn es Herrschaft und Geschlossenheit vermittelt, dann ist das Gedicht – das nun doch auch geformt und dessen Material geordnet ist – ein Ort für den ‚Vorrang des Objekts‘, wie Theodor Adorno es in seiner ‚Ästhetischen Theorie‘ nannte, das sich Einstellende, Überraschende der Objektwelt und der Zeichen, der Formeln und Redeweisen, der Stimmen und Eindrücke, der wimmelnden Bedeutungshaftigkeit der Welt, die noch nicht zur Weltanschauung, Meinung und Phrase geronnen ist. Das Gedicht kann als antihierarchischer Ort der Suspension von Herrschaft zugleich Bezüge deutlich machen, die das Geschichtliche und Überkommene unserer Zeichenwelt und ihrer Formeln für einen Moment kenntlich machen können, vielleicht so, wie die Dinge sich ja in gewisser Weise auch selbst immer zeigen, ohne dass wir sie recht zu sehen vermögen. Und an dem eingesperrten Tier wird abrupt deutlich, wie eingehegt wir selbst und unsere Weltwahrnehmung sind – ‚gated‘, wie Sabine Scho es in einem jüngst verfassten Eintrag nennt.“ Martin Hielscher (aus der Laudatio zur Verleihung des Anke-Bennholdt-Thomsen-Preises an Sabine Scho, in: Sprache im technischem Zeitalter Nr. 204)
"Das neue Projekt 'Tiere in Architektur', dem Sabine Scho eine eigene Website widmet, rückt unseren Umgang 'der eigenen mit der je anderen Art' in den Mittelpunkt. 'Künstlich', schreibt sie, 'bauen wir en détail wieder auf, was wir en gros zerstören', wenn sie über zoologische Gärten nachdenkt, deren Bedeutung sich von der Repräsentation symbolischer Ordnung zu der von Sehnsuchtsorten und eingehegten Paradiesgärten verschoben hat, deren 'Unterhaltungsarchitektur' die Theatralik und Verfügbarkeit der Tiere und ihrer Sichtbarkeit in den künstlichen Landschaften auf die Spitze treibt. In der Abbildung und Einhegung, in der Züchtung und Zurichtung, in der Berührung und Tötung, im Jagen und in der Liebe zu den Tieren geben wir uns selbst und unser Verhältnis zu dem kreatürlich Anderen, das uns ähnlich ist und sich doch fundamental von uns unterscheidet, in historisch sich wandelnden Prägungen zu erkennen. Tiere sind vertraute und doch rätselhafte Wesen, Ausdruck einer überbordenden Experimentierlust der Natur, die mitunter groteske Züge annimmt, und haben in ihrer in hohem Maße instinktgesteuerten und oft beschränkten Verhaltenspalette in einer immer durchstrukturierten Welt, in die sie oft nur noch als Erinnerung passen, manchmal etwas Komisches. Sabine Scho erinnert daran, dass Menagerien von Anfang an etwas praktiziert haben, das man heute Globalisierung nennt, und immer schon alles an Fauna versammelt haben, dessen man durch Reisen und Gastgeschenke aus aller Welt habhaft werden konnte. Zugleich entwickelt sich heute eine standardisierte Architektur zoologischer Gärten und Aquarien, die man als 'International Style' bezeichnen könnte. Das Tier ist zugleich Zentrum und Akzidens dieser Architektur und wird gelegentlich zur komischen Figur: 'Hat man die Kasse passiert, wird Architektur kaschiert und Natur simuliert. Schaut auch die Giraffe im Zoo von Santa Barbara von ihrem Gehege auf den Freeway. Fast möchte man glauben, der angeborene Knick in ihrem Hals rührt nur daher, dass sie an ihrem künstlichen Felsen vorbei nichts lieber tut, als den Fließräumen einer globalen Gesellschaft hinterherzuschauen, die eher sich als ihr natürliche Freiräume vorgaukeln muss. Oder lauscht sie versteckten Lautsprechern?' (.) Schos Gedichte sind darin auch von Anfang an politisch, dass sie Macht- und Herrschaftsdiskurse im Ensemble der Sprache, der instrumentellen, vorgestanzten Rede und damit der vorgestanzten Weltanschauungen, zitieren und zerlegen, geradezu schreddern und ironisieren, verlachen, zugleich ins Fragment zurückholen. Wenn das Erzählen, jedenfalls ein gewisser Strang des Erzählens, Übersicht zu schaffen verspricht, Kontrolle und planvolle Exekution einer Idee, wenn es Herrschaft und Geschlossenheit vermittelt, dann ist das Gedicht - das nun doch auch geformt und dessen Material geordnet ist - ein Ort für den 'Vorrang des Objekts', wie Theodor Adorno es in seiner 'Ästhetischen Theorie' nannte, das sich Einstellende, Überraschende der Objektwelt und der Zeichen, der Formeln und Redeweisen, der Stimmen und Eindrücke, der wimmelnden Bedeutungshaftigkeit der Welt, die noch nicht zur Weltanschauung, Meinung und Phrase geronnen ist. Das Gedicht kann als antihierarchischer Ort der Suspension von Herrschaft zugleich Bezüge deutlich machen, die das Geschichtliche und Überkommene unserer Zeichenwelt und ihrer Formeln für einen Moment kenntlich machen können, vielleicht so, wie die Dinge sich ja in gewisser Weise auch selbst immer zeigen, ohne dass wir sie recht zu sehen vermögen. Und an dem eingesperrten Tier wird abrupt deutlich, wie eingehegt wir selbst und unsere Weltwahrnehmung sind - 'gated', wie Sabine Scho es in einem jüngst verfassten Eintrag nennt." Martin Hielscher (aus der Laudatio zur Verleihung des Anke-Bennholdt-Thomsen-Preises an Sabine Scho, in: Sprache im technischem Zeitalter Nr. 204)
Illustrationen | Sabine Scho, Andreas Töpfer |
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Zusatzinfo | 64 Fotoseiten, Fotos von Sabine Scho und Matthias Holtmann, durchgehend 2-farbig, beiliegendes Thaumatrop, gestaltet von Andreas Töpfer, Broschur mit Umschlag-Poster |
Sprache | deutsch |
Maße | 130 x 210 mm |
Gewicht | 220 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Menagerie • zoo • Zoologischer Garten; Roman/Erzählung |
ISBN-10 | 3-937445-58-7 / 3937445587 |
ISBN-13 | 978-3-937445-58-8 / 9783937445588 |
Zustand | Neuware |
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