Lucky Newman
Weidle Verlag
978-3-938803-71-4 (ISBN)
- Titel erscheint in neuer Auflage
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Carl Nixon wurde 1967 in Christchurch geboren. Neben Romanen schreibt er Theaterstücke und Erzählungen. Auf deutsch erschienen im Weidle Verlag ROCKING HORSE ROAD (2012) und SETTLERS CREEK (2013), übersetzt von Stefan Weidle.
Elizabeth tritt in ein großes Schlafzimmer. Die Vorhänge sind zugezogen und tauchen den Raum in ein permanentes Halbdunkel. Es ist unerträglich heiß. Obwohl es draußen nicht kalt ist, brennt ein riesiges Feuer im Kamin. Ein Korb mit Holzscheiten steht daneben. Die Flammen prasseln und springen den Kamin hinauf, und das flackernde Feuer malt flüchtige Schatten an die Wände. Neugierig geworden, macht Elizabeth ein paar Schritte ins Zimmer. Obwohl es im Haus sicher Toiletten gibt, wird hier offenbar eine Bettpfanne benutzt. 'Er besteht darauf, daß es so heiß sein muß', sagt Mrs. Blackwell fast flüsternd. 'Er', das ist eine Figur, die mit dem Rücken zu ihnen am Feuer hockt. Er sitzt mit dem Gesicht zum Feuer auf seinen Fersen, die Knie hat er fast unter dem Kinn. Er hat sie keines Blickes gewürdigt. Es hat etwas Vogelartiges, wie er da vor dem Kamin sitzt. Er trägt nur eine gestreifte Pyjamahose, die an der Hüfte mit etwas zusammengebunden ist, was wie ein Strick aussieht. Elizabeth geht näher heran. Sie erschrickt, wie ausgemergelt der Mann ist. Der Feuerschein läßt erkennen, daß seine Rippen wie Sprossen einer Leiter aus dem Rücken hervorstehen; bei jedem Atemzug zieht sich die Haut darüber zusammen. Auch wenn er sich noch nicht nach ihnen umgeschaut hat, ist Elizabeth sicher, daß er ihre Gegenwart wahrgenommen hat. Mrs. Blackwell macht ein paar vorsichtige Schritte auf ihn zu. 'Paul, Paul, mein Lieber. Ich bin’s. Paul?' Ihre Stimme hat jede Autorität verloren. Sie klingt wie ein verängstigtes Mädchen, das seine Katze von einem Baum herunterlocken will. Die Figur am Feuer wirft seiner Frau einen bösen Blick zu, und Elizabeth weicht unwillkürlich einen Schritt zurück. Jede Ähnlichkeit zwischen dem Mann auf der Photographie und diesem hier wäre reiner Zufall. Das Gesicht ist eingefallen, gleicht einem Totenschädel. Die Augen liegen in tiefen dunklen Höhlen. Er hat einen dicken schwarzen Bart, der sein Gesicht und den Hals bedeckt; verfilzt und struppig, läßt er kaum einen Platz für den Mund frei. Sein Haar ist ebenfalls lang, länger, als sie es je bei einem Mann gesehen hat. Es umrahmt in fettigen Strähnen sein zerstörtes Gesicht. 'Paul, ich habe Besuch mitgebracht. Das ist Mrs. Whitman.' Elizabeth zwingt sich, näher heranzutreten. 'Guten Tag, Mr. Blackwell. Ich heiße Elizabeth und bin Krankenschwester. Kann ich einen Moment mit Ihnen sprechen?' Keine Antwort. Statt dessen wendet er sich zum Feuer zurück und starrt in die Flammen. Elizabeth schaut sich nach einer Inspiration um, aber da ist nichts, nur ein Bett und ein Lehnstuhl, ansonsten ist das Zimmer leer. An der Wand neben dem Kamin aber steht ein hohes Bücherregal. 'Wie ich sehe, haben Sie eine Menge Bücher.' Sie dreht den Kopf und beugt sich ins Licht des Feuers vor. Die Bände sind zumeist wissenschaftlicher Natur, geologische und paläontologische Literatur. 'Lesen Sie viel?' 'Nein', antwortet Mrs. Blackwell an Stelle ihres Mannes. 'Paul rührt die Bücher nicht mehr an. Ich versuche, ihn dazu zu bringen. Leider ohne Erfolg.' Elizabeth überlegt kurz. Sie ist ganz auf den Mann am Feuer konzentriert. 'Ich kann Sie bei dem Licht kaum sehen. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich die Vorhänge ein wenig öffne, damit wir uns richtig kennenlernen können?' Da keine Reaktion erfolgt, geht sie um das Bett herum zum Fenster. Sie bewegt sich so geräuschlos wie möglich, wie um einen bissigen Hund herum, aber er scharrt nur mit den Füßen auf dem Boden. Elizabeth zieht den schweren Vorhang zur Seite, und ein Lichtbalken trifft auf das gebohnerte Parkett und das nicht gemachte Bett. 'So ist es viel besser.' Paul Blackwell wendet den Kopf aus dem Lichtkreis. Seine Haut ist weiß und spannt sich noch dünner über den Knochen, als sie gedacht hatte. Außer seinen Rippen kann sie jetzt die einzelnen Rückenwirbel sehen, die Schulterblätter und die Kurve der Schlüsselbeine. Es scheint aber weder Narben noch Entstellungen zu geben. Elizabeth stellt sich so, daß sie sein Profil betrachten kann. Sein Gesicht, soweit sie es unter dem Bart sehen kann, zeigt die normalen Züge: Augen, Nase, Lippen, Kiefer, Kinn, alles ist da. Wo ist dann die Verwundung?
Erscheint lt. Verlag | 9.3.2015 |
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Mitarbeit |
Cover Design: Levke Leiß |
Übersetzer | Stefan Weidle, Ruth Keen |
Sprache | deutsch |
Maße | 130 x 205 mm |
Gewicht | 460 g |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Ballonfahrer • Erster Weltkrieg • Neuseeland |
ISBN-10 | 3-938803-71-1 / 3938803711 |
ISBN-13 | 978-3-938803-71-4 / 9783938803714 |
Zustand | Neuware |
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