Flugsommer - Gertraud F. Maier

Flugsommer

der böhmisch-bayerische Weg einer Starken Frau - Roman mit historischem Hintergrund
Buch | Hardcover
211 Seiten
2019 | 1. Erstauflage
Ohetaler Verlag
978-3-95511-099-4 (ISBN)
14,90 inkl. MwSt
FLUGSOMMER - DER BÖHMISCH-BAYERISCHE WEG EINER STARKEN FRAUROMAN MIT HISTORISCHEM HINTERGRUND VON GERTRAUD F. MAIERBöhmen 1878 - Ernestines heimlicher Wunsch war es wegzugehen! Wegzugehen - aus der bedrückenden Enge, der Not und der täglichen Mühsal. Weg von allem, was ihr schon seit langem verhasst war. Traum-verloren ließ sie den Blick nach Westen schweifen und in ihrer Vorstellung wurde das Land hinter dem unendlichen schwarzen Waldmeer zu einer Sehnsucht, die ihr ganzes Sein erfüllte ...Von meiner Urgroßmutter wusste ich nur zwei Dinge: Sie half meinem Urgroßvater Paul die Gänse aus dem böhmischen Grenzgebiet herüber zu treiben - und blieb! Und später war sie die arge "Alte" von niemanden gemocht. Ich versuchte ein Bild von ihr zu zeichnen wie sie vielleicht gewesen sein könnte, ein Bildnis längst vergangener Zeiten ...

Inhaltsverzeichnis
Flugsommer 5
Prolog 6
Ernestine 11
Paul 1878 34
Kreszenz: 55
Planie, Böhmen 1878 68
Marianna 84
Aufbruch 90
Ankunft am Jògowerlhof 103
Die böhmische Dirn 113
Die neue Jògowerlbäuerin: 135
Flugsommer 155
Epilog 175
Anhang 182
Nachwort und Danksagung 183
Stammbaum der Familie Schmid: 188
Übergabebedingungen im Jahr 1913 189
Quellen 190
Die Autorin Gertraud F. Maier

Prolog Spitzenberg, 30. Sept. 1941 Vorsichtig öffnete Mare die niedrige Türe zur Austragskammer, sorgsam darauf bedacht, die stets knarrende Holzschwelle nicht zu berühren. Ihre Holzpantinen hatte sie schon vorsorglich davor abgestreift. Auf Zehenspitzen näherte sie sich behutsam dem Bett, das sich an der Stirnseite des karg eingerichteten Stübels befand. Rechter Hand stand ein schmaler hoher Kleiderschrank aus Nussbaum, dessen matte Vorderseite auch schon bessere Tage gesehen hatte. Außer einem dunkelbraunen Stuhl mit hoher Lehne und einer Wäschekommode neben dem Bett mit einem handtuchgroßen etwas verstaubten Spiegel darauf, war das Zimmer so gut wie leer. In der linken vorderen Ecke befand sich neben der Tür noch ein kleiner Ofen aus Gusseisen und daneben eine Schwinge mit Holz. Der Raum wirkte kalt und unbewohnt und das dunkle Holz des spärlichen Mobiliars verlieh ihm noch zusätzlich eine düstere Note. Der einzige Farbtupfer darin war eine rote geschliffene Glasvase auf der Kommode, die sich etwas fremdartig neben der verbeulten Blechschüssel, in der einige benutzte graue Lappen und ein Seifenrest lagen, ausnahm. Darin steckten ein verdorrter Buchsbaumzweig und zwei Blumen, kunstvoll aus Krepppapier gefertigt, deren ursprüngliche Farbe längst zu einem verwaschenen Rosa verblasst war. Die abgestandene Luft roch nach den Körperausdünstungen, lang benutzter Bettwäsche, vermischt mit der unverkennbaren Schärfe von Urin. Durch das niedrige Fenster fiel ein dünner orangefarbener Streifen der bereits untergehenden Sonne auf die Bettdecke, verblasste in Sekundenschnelle zu bläulichem Violett, den Raum zunehmend in diffuses Dämmerlicht tauchend. Möglichst geräuschlos versuchte sie die oberste Schublade des dunkel gebeizten Kasten zu öffnen, dessen Messingbeschläge matt im Zwielicht glänzten. Sie nahm eine der geweihten Wetterkerzen, von denen sich ein halbes Dutzend darin befanden, in die Hand. Unschlüssig verharrte sie, zögernd ob sie diese jetzt schon anzünden sollte. Das Gesicht ihrer Großmutter lag bewegungslos im Schatten des Kissens und für einen Moment befürchtete sie, diese sei bereits gestorben, ohne tröstliches Licht und ganz allein in der Dumpfheit dieser verlassenen Kammer. Kurz beschlich sie leises Schuldgefühl. Den ganzen Nachmittag hatte sie noch keine Zeit gefunden um nach ihr zu sehen. Sachte stellte sie die Waschschüssel samt Inhalt auf den Boden. Nachdenklich nahm sie eine der Papierblüten in die Hand. Angeblich hatte Großmutter sie angefertigt. So recht vorstellen konnte sie sich dies aber nicht. Vielleicht vor langer Zeit, wer wusste das schon. Sie stellte die Kerze daneben und das jetzt schimmernde Rot des Glases erweckte sie nun fast zu neuem Leben. Beim milden Lichtschein jedoch öffnete die Greisin mühevoll die Augen, scheinbar ziellos irrte ihr Blick in der Austragskammer umher. „Schuhe, Schuhe“, kam es fast unverständlich aus ihrem zahnlosen Mund. Was sie schon wieder mit ihren Schuhen will, schoss es Mare verärgert durch den Kopf, bald braucht sie sowieso keine mehr! Sie nahm das Paar, das ständig unter Großmutters Bett stehen musste, in die Hand. Eine Marotte dieser alten Frau, und die ihr deswegen beim Saubermachen schon oft im Weg waren. Sie hielt die Schuhe, es waren ganz gewöhnliche schwarze halbhohe Schnürschuhe, in die Höhe. Unauffällig wischte sie mit dem Schürzenzipfel den angesammelten Staub von den Kappen. Großmutter konnte recht eigen sein, wenn es um ihr Gehwerkzeug ging. Seufzend stellte Mare die beiden klobigen Dinger neben das Licht und die Zufriedenheit, die daraufhin das runzlige Antlitz wie ein heller Schein überzog, machte sie betroffen. Es gibt so wenig, was ich noch für sie tun kann, ging es ihr durch den Sinn. Das Sterben dauerte nun schon Tage. Mitleidig strich sie die Falten der zerschlissenen Bettdecke glatt, ordnete das verrutschte Leintuch unter den mageren Beinen. Nicht, dass sie besonders viel für ihre Großmutter empfand. Niemand – so schien es – empfand etwas für diese hagere Alte, deren unnahbares herrisches Wesen sie bereits als Kind einschüchterte, und die vor allen Dingen mit ihren unerbittlich hohen Forderungen für ihren Austrag, den elterlichen Hof beinahe an den Rand des finanziellen Ruins getrieben hatte. Sie konnte die unglaublichen Bedingungen fast auswendig herunterbeten, waren diese früher doch der Anlass, dass ihre Mutter Maria oft mit rotgeweinten Augen ihr schweres Tagwerk verrichtete, dessen Mühsal sich durch die harten Ansprüche noch um einiges erschwerte. Dies war sicherlich auch mit ein Grund, warum ihre Großmutter jetzt den Großteil des Tages allein in der Kammer lag. Nur sie selbst fühlte sich verpflichtet, von Zeit zu Zeit nach ihr zu schauen, um ihr etwas dünne Suppe einzuflößen oder die Nässe zwischen den Beinen zu beseitigen. Ansonsten kümmerte es niemanden besonders, wie es um die „Alte“, wie sie von allen nur genannt wurde, stand. Warum sie sich genötigt fühlte, öfter nach ihr zu sehen, konnte sie sich selbst nicht so recht erklären. Irgendwie war in ihr das unbestimmte Gefühl, hinter diesen strengen Gesichtszügen verberge sich vielleicht eine verletzte Seele, deren bitterer Ausdruck früher nicht vorhanden war. Sie wusste so gut wie überhaupt nichts vom Leben ihrer Großmutter „Ernestine“. Großvater Paul war schon seit zwanzig Jahren tot. Ob sie ihn wohl geliebt hatte? Sie sprach nie von ihm und Mare konnte sich nur undeutlich an einen hageren Mann mit Schnurrbart und gebeugten Schultern erinnern. Doch sein mildes Lächeln war ihr noch lebhaft im Gedächtnis geblieben. „Gänse, wo bleiben denn heuer die Gänse?“ Die Stimme der Alten erklang unvermittelt klar und fest, ihre Augen waren für einen kurzen Moment funkelnd und sie schien bei vollem Verstand. Es mussten einmal schöne Augen gewesen sein, fuhr es Mare durch den Kopf, aber jetzt war nichts mehr davon übrig. Lauschend hob sich ihr Greisenkopf mit den grauen Haarsträhnen, die sich aus dem geflochtenem Zopf gelöst hatten und die immer noch etwas von der früheren Festigkeit besaßen. Es war, als ob sie auf etwas wartete, etwas – das nur ihr schon verwirrter Geist erahnen konnte. „Dieses Jahr gibt es keine Gänse“, versuchte Mare sie zu beschwichtigen. Es war 1941, Anfang des dritten Kriegsjahres. Der älteste Bruder Fritz war auf Kreta stationiert, Hans und Josef irgendwo in den unendlichen Weiten Russlands. Nur selten kam eine Feldpostkarte, die davon zeugte, dass sie am Leben waren. Max und Alfons befanden sich noch daheim, sie waren zu jung um zum Kriegsdienst eingezogen zu werden. Aber wenn der Krieg nun länger dauerte? Sie mochte gar nicht daran denken. Das Essen war karg und es fehlte oft am Nötigsten. Wo sollte man da Gänse hernehmen? Sanft strich sie ihr das wirre Haar aus der feuchten Stirn. Schon vor Tagen hatte man den Pfarrer aus Neu-Reichenau geholt, um ihr das Sterben leichter zu machen, aber sie war noch immer nicht bereit loszulassen. Sie zog sich den abgewetzten Stuhl an die Längsseite des Bettes und ließ den bereitliegenden Rosenkranz durch die Finger gleiten, begann leise den „Schmerzhaften“ zu beten: „Der du für uns gekreuzigt worden bist …“ Die alte Frau murmelte erneut etwas vor sich hin, aber Mare versuchte vergeblich die Worte zu verstehen. Deren Atem wurde von Minute zu Minute mühsamer … setzte aus, kam pfeifend zurück, um erneut zu stocken. Die Wangen waren bereits von bläulichen Schatten umgeben. Das Kinn unter dem eingefallenen Mund zog eine scharfe Linie. Mare stand auf. Es wurde Zeit, jemanden von der übrigen Familie zu holen. Es geht dem Ende zu, dachte sie bekümmert, empfand plötzlich echte Trauer. Es gibt so vieles, was ich sie jetzt noch fragen möchte – jetzt wo es dafür zu spät ist. Ein leichter Lufthauch brachte die Kerze zum Flackern. Mit sichtlicher Anstrengung hob die Sterbende den Kopf aus dem Kissen, starrte suchend in eine dunkle Ecke des Raumes. „Paul?“ Ein Flüstern nur wie ein Raunen, ein schwaches Lächeln milderte ihre harten Züge auf wundersame Weise. Die Kerzenflamme hatte sich beruhigt. Stille erfüllte den Raum …

„Flugsommer“ der böhmisch-bayerische Weg einer starken Frau Gertraud F. Maier beschreibt in ihrem neuen Roman das harte Leben in der Ortschaft Planie im Böhmerwald. In einer Höhenlage von 1200 Metern wächst auf dem kargen Boden fast nichts und die kleine Landwirtschaft kann die Menschen kaum ernähren. Schmuggel und Wilderei helfen beim Überleben. Ein wichtiges Zubrot ist der Verkauf von Gänsen, die immer im Herbst nach Bayern getrieben werden. Leseprobe: An Herbsttagen mit sonnigem Wetter – auch Altweibersommer oder Flugsommer genannt –, kühlt es sich in klaren Nächten oft sehr ab, so dass in den Morgenstunden durch den Tau, die feinen Fäden der kleinen Flugspinnen sehr deutlich zu erkennen sind. Durch den Windhauch getragen schweben sie durch die Luft, bleiben an Gräsern und Hecken hängen. Die seltsamen Fäden schimmern im Sonnenlicht wie lange silbergraue Haare. Vergangene Sagen erzählten, dass alte Frauen diese beim Kämmen verloren hatten und dass dies, das Wirken der „Nornen“, der alten Schicksalsgöttinnen, die die Lebensfäden der Menschen spinnen, war … … Die Söhne waren jetzt um diese Jahreszeit oft mit dem Vater unterwegs, paschten mit Rum, Schnaps und Tabak, den sie weiter südlich über die Grenze ins Bayerische verkauften. Schwärzen wurde unnachsichtig mit Gefängnis bestraft und die Grenzer, die den Schmugglern auf ihren unwegsamen Pfaden auflauerten, zögerten nicht, von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen. Oder sie gingen in den fast undurchdringlichen Wäldern, die dem Grafen Thun gehörten, auf die Jagd, das Wildbret heimlich in die Wirtsschenken an der Grenze bringend. Alles Jammern und Lamentieren seitens ihrer Mutter brachte Vater nicht dazu, die gefahrvollen Unternehmungen aufzugeben und er hielt immer mit dem allzeit beliebten Leitspruch dagegen: „Es ist zwar verboten, aber keine Sünd!“ Seit ihre Brüder das vierzehnte Lebensjahr vollendet hatten, durften sie dieses unstete Leben im Spätherbst nach Herzenslust mit ihm teilen. Das Jahr über verdingten sich Vater und ihre Brüder Johann und Karl bei den Holzfällergruppen, die in den großen Waldungen die zum Gut „Groß-Zdikau“ gehörten und die von den Außergefielder, Buchwalder, Planier, Kaltenbacher und Groß-Zdikauer Forstrevieren bewirtschaftet wurden, rodeten. Sie kamen dann abends oft zerschunden, ausgehungert und todmüde nach Hause ... Roman mit historischem Hintergrund, 212 Seiten, fester Einband

Erscheinungsdatum
Verlagsort Grafenau
Sprache deutsch
Maße 140 x 210 mm
Gewicht 300 g
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bayerisch Böhmisch • Erzählung von Früher • Flugsommer • Gänse treiben • Gertraud F. Maier • Grenzland • Historischer Roman • Jògowerlhof • Wahre Begebenheit
ISBN-10 3-95511-099-0 / 3955110990
ISBN-13 978-3-95511-099-4 / 9783955110994
Zustand Neuware
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