Drama am Jang tse Kiang

Hans Traxler, geboren 1929 im nordböhmischen Herrlich, bereichert seit vierzig Jahren das Kinderbuch und das Bildgedicht ebenso wie den politischen Cartoon und die Buchillustration. Er ist Mitbegründer der Satirezeitschriften Pardon und Titanic und Mitglied der Neuen Frankfurter Schule. Traxler lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und am Ammersee.

Mao geht baden
Zum 70-jährigen Jubiläum der Volksrepublik China bringt die Büchergilde etwas ganz Besonderes heraus: Drama am Jang tse Kiang, einen Bilderbogen vom Cartoonisten und Illustrator Hans Traxler, der Unerhörtes über Mao Zedong enthüllt.

Am 16. Juli 1966 stieg Mao Zedong in den Jang tse Kiang, den längsten Fluss Chinas, um ihn schwimmend zu überqueren. Mao, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, war zu diesem Zeitpunkt bereits 72 Jahre alt. Aber er wollte etwas beweisen — nämlich, dass er noch quicklebendig war. Einige Wochen zuvor hatten Gerüchte von seinem Tod die Runde gemacht, also zeigte er der Welt und vor allem seinem Volk, wie fit er noch war. Immerhin hatte er noch Großes mit China vor. Begleitet von Tausenden, soll Mao die 15 Kilometer in 65 Minuten geschafft haben, trotz starker Strömung und obwohl er nebenher noch Schwimmunterricht gegeben und Konversation gepflegt haben soll. Mao war somit, zumindest der Legende nach, schneller als ein Olympionike.
Manche werden im Alter eben immer besser. Was für große Anführer gilt, das gilt erst recht für große Künstler. Hans Traxler ist in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden – und zeichnet leichtfüßiger denn je. Zum 70-jährigen Bestehen der Volksrepublik China zeigt er im ersten BÜCHERGILDE BILDERBOGEN allerdings eine etwas andere Version dieser Mao-Anekdote. Bei ihm ist es ein Drama am Jang tse Kiang. Denn Traxler hat seine Zweifel an der chinesischen Propaganda, hat Zweifel, dass Mao ein so guter Schwimmer war. Bei ihm gerät der große Sprung ins Wasser zum Nahtoderlebnis. Mao geht unter. So wie seine Politik.
Die Geschichte schildert Traxler im Bilderbogen in elf farbig kolorierten Bildern. Dabei handelt es sich um einen großen Einblattdruck zum Auffalten, 72 mal 67 Zentimeter misst er. Auf diesem Format kommen die kolorierten Zeichnungen voll zur Geltung.
Auch wenn der Meister der Neuen Frankfurter Schule mit seiner Geschichte mit Reim und Witz in der Tradition von Wilhelm Busch steht, ist der Hintergrund von Maos Schwimmaktion durchaus ernst. Todernst. Denn Mao hat durch eine ausgemachte Hungersnot und die Kulturrevolution Millionen Tote zu verantworten. Eine Tatsache, die man vor allem in den 1960ern- und 1970er-Jahren gerne übersah, als im Ausland Mao als großer Revolutionär gefeiert wurde. Erst in den 1980er-Jahren wurde das Ausmaß von Maos Verbrechen bekannt.
Übrigens: Der Mao-Biograf Helwig Schmidt-Glintzer stellt klar, Mao sei 1966 gar nicht richtig geschwommen, sondern habe sich nur 15 Kilometer weit von der Strömung treiben lassen. Mao habe zeigen wollen, wie gut es sei, mit dem Strom zu schwimmen. Die Schwimmerei war also eher eine Badestunde. Insofern kommt Traxler der Wahrheit sogar ziemlich nah.

Von Lukas Gedziorowski im Magazin der Büchergilde Gutenberg