Brandzeichen - Helge Nyncke

Brandzeichen

Roman

(Autor)

Buch | Hardcover
400 Seiten
2020
Dielmann, Axel (Verlag)
978-3-86638-298-5 (ISBN)
20,00 inkl. MwSt
Der Autor Helge Nyncke hat die Geschichte einer fiktiven Brandstifterin erzählt: Der reale Hintergrund seines Roman ist eine lange Serie von Brandstiftungen in Frankfurt im Jahr 2017, der unter anderem der Goetheturm zum Opfer gefallen war.Weniger Krimi als Bild einer fatalen Verknüpfung von Umständen, führt das Buch abwechselnd zu unterschiedlichen Personenkreisen, die mit der Brandstiftung, den polizeilichen Recherchen und anderen Aspekten rund um den Goetheturm und seinem inzwischen erfolgten Wiederaufbau spannend und hintergrundreich erzählt. »Brandzeichen« ist insofern nicht nur Buchtitel und metaphorisch zu lesen, sondern zugleich ein Hinweis auf ungute Befindlichkeiten und biogaphische Bedingungen in unserer Gesellschaft, die sich kaum anders denn mit Flammen auszudrücken, Luft machen zu können scheinen.

Helge Nyncke, Jahrgang 1956, vierfacher Vater, mehrfacher Großvater und vielfacher Ideenschöpfer, lebt und arbeitet in Mühlheim am Main. Als Diplom-Designer, Illustrator und Autor hat er zahlreiche Schul-, Sach- und Bilderbücher, Spiele und Trickfilme für Kinder illustriert, geschrieben und erfunden, aber auch kritische Essays, kabarettistische und freie Texte für Erwachsene verfasst und als philosophisches Sachbuch oder gepfefferte Satiren veröffentlicht. Außerdem entwickelte und realisierte er Raum- und Wandgestaltungskonzepte sowie Spiel-Objekte für diverse Kinderkrankenhäuser. Auf Youtube betreibt er einen eigenen Kanal mit kreativ inszenierten Lesungen vielfältiger Art, welche er auch gerne vor Publikum präsentiert. Daneben bietet er innovative Workshops und Fortbildungen zu den Themen musikalisch- rhythmische Selbsterfahrung, Kommunikation und Körpersprache sowie Kreativität mit Kindern und arbeitet halbtags ganz bodenständig als pädagogischer Mitarbeiter in einem internationalen Kinderhort.

Es gibt Nachrichten, die lassen uns kalt, unabhängig von ihrer tatsächlichen Tragweite. Andere dagegen bewegen viele Menschen tief, auch wenn sie einigen kaum der Aufregung wert erscheinen. Entscheidend ist dabei zumeist der Grad der eigenen Betroffenheit, also die einfache Frage: Was hat das alles mit mir zu tun? Am 1. Mai des Jahres 2017 brennt der Morgentau-Pavillon im Koreanischen Garten am Rande des Grüneburgparks in Frankfurt am Main. Komplette Zerstörung. Genau einen Monat später, am 1. Juni folgt der Wasser-Pavillon im Chinesischen Garten im Bethmannpark. Rettungslos verloren. Am 12. Oktober schließlich der berühmte Goetheturm am Rand des Stadtwalds hoch über der Stadt. Abgebrannt bis auf die betonierten Sockel. Alles vernichtet. Alles bedeutende kulturelle Bauwerke aus Holz. Alle verbrannt immer zur selben nächtlichen Stunde um 3:30 Uhr. Genau wie der Atzelbergturm bei Kelkheim im nahen Taunus am 3. Juli und die Waldorfkita am 23. Oktober. Am 21. Januar 2018 dann das so genannte Blaue Haus am Mainufer, am 20.03. das Eingangsgebäude des Strandbades Niederroden sowie mehrere Gartenhütten im Stadtbereich über die Jahre verteilt. Alles vermutlich Brandstiftung, fast alles zur selben Tatzeit inszeniert, alles mit vernichtendem Erfolg. Mutwillige Zerstörung. Welche Niedertracht, Gemeinheit, Grausamkeit. So viel Schönheit ein für alle Mal getilgt, so viele Erinnerungen an sommerliche Ausflüge, Picknicks, stille Einkehr oder lachendes Kindergewusel weggewischt, weggebrannt, weggerissen aus dem kollektiven Gedächtnis einer ganzen Stadt. Oh diese Wut! Diese hilflose Verzweiflung, dieser Verlust des Glaubens an das Gute im Menschen, die unzähligen Verwünschungen und die abgrundtiefe Verachtung für den, der so was tut, der anderen so etwas antut. Diese Sinnlosigkeit. Diese Missachtung gemeinschaftlicher Werte. Die Verletzung ganz privater Erinnerungen und Gefühle. Als hätte jemand das Familienalbum geplündert, unersetzbare Fotos herausgerissen, gestohlen, vernichtet, als hätte jemand brutal in das eigene Leben eingegriffen, einen geliebten Teil davon gestohlen, geschändet, ausradiert. Vor allem nach dem Brand des Goetheturms, dieses weithin bekannten und tief verwurzelten Wahrzeichens der Stadt. Die Leute stehen komplett unter Schock, treffen sich an den noch qualmenden Brandstätten wie an Orten eines Anschlags, verweilen in stiller Trauer, verstricken sich in hitzige Diskussionen, füllen Leserbriefspalten mit erschütterten Trauerbekundungen, sammeln Geldspenden für den Wiederaufbau, versuchen sich mit solidarischen Willensbekundungen zur baldigen Wiederherstellung des alten Zustandes gegenseitig zu trösten. Eines Zustandes, dessen Verlust die allermeisten nicht akzeptieren wollen, dessen verstörende Veränderung ihnen echte Seelenpein beschert und dessen provokante Verneinung ihres Wertesystems nicht geduldet werden kann. Das darf einfach nicht passieren. So etwas darf nicht ungesühnt bleiben. Und so etwas muss schnellstens wieder in Ordnung gebracht werden. Anders kommt der aufgewühlte Zorn nicht zur Ruhe, irren die heimatlos gewordenen Erinnerungen und Gefühle wie aufgescheuchte Vögel durch das schöne Bild einer heilen, heiteren und heiß geliebten Vergangenheit. All das ist zutiefst verständlich und nachvollziehbar. Die Meisten würden ganz spontan erst mal so denken und fühlen. Aber im Leben ist es selten so einfach und übersichtlich, wie man im ersten Moment subjektiv und auch kollektiv empfindet. Angenommen es ist ganz anders gewesen als wir denken. Angenommen, der Schock über diese scheinbar sinnlosen Taten ist noch harmlos gegen den, der sich einstellt, wenn man die Wahrheit erfährt. Dass dahinter womöglich keine gedankenlosen Zündeleien übermütiger Jugendlicher oder gewissenlose Anschläge eines notorisch alkoholisierten Vollidioten oder Ähnliches stehen, sondern eine ganz andere, unfassbare und in ihrer Tragweite zutiefst erschütternde Geschichte. Eine Ereigniskette, die Perspektiven in kaum vorstellbare Abgründe, in Lebens- und Sichtweisen eröffnet, die den meisten von uns zutiefst fremd, aber – wenn wir sie kennen lernen – durchaus nachvollziehbar, logisch, ja fast unentrinnbar folgerichtig erscheinen. Und die, wenn wir uns einen Moment lang dem Gedanken hingeben, womöglich selbst darin verstrickt oder daran beteiligt zu sein, in einen fast unentrinnbaren Sog der zwangsläufigen Katastrophen führen müssen und das ganze Geschehen auf einmal für uns vollkommen nachvollziehbar machen. Moment mal. Verständnis? Für einen notorischen Brandstifter? Einen Verbrecher? Einen, den man am liebsten windelweich prügeln, den man büßen, leiden und vor allem selbst so verzweifeln sehen möchte wie alle diejenigen, denen er diesen Verlust zugefügt hat? Aus einem Kindermund stammt der Ausspruch, groß zu werden sei nicht schön, weil dabei alles rundherum so klein würde. Wenn es denn nur immer so wäre. Manchmal ist schon das klein sein nicht schön, weil alles rundherum so groß ist. Manches bleibt auch beim groß werden immer noch so groß wie zu Kinderzeiten, obwohl es doch längst kleiner hätte werden müssen. Und bisweilen ist dann gerade dies das Schöne am größer werden, wenn zu großes dann doch irgendwie endlich klein wird. Dann ordnet sich die Welt wieder neu, dann ist klein was klein und groß was groß sein soll, dann ist innen wieder innen und außen wieder außen und die Füße wieder auf dem Boden. Und heute ist das morgen von gestern …

Es gibt Nachrichten, die lassen uns kalt, unabhängig von ihrer tatsächlichen Tragweite. Andere dagegen bewegen viele Menschen tief, auch wenn sie einigen kaum der Aufregung wert erscheinen. Entscheidend ist dabei zumeist der Grad der eigenen Betroffenheit, also die einfache Frage: Was hat das alles mit mir zu tun?Am 1. Mai des Jahres 2017 brennt der Morgentau-Pavillon im Koreanischen Garten am Rande des Grüneburgparks in Frankfurt am Main. Komplette Zerstörung. Genau einen Monat später, am 1. Juni folgt der Wasser-Pavillon im Chinesischen Garten im Bethmannpark. Rettungslos verloren. Am 12. Oktober schließlich der berühmte Goetheturm am Rand des Stadtwalds hoch über der Stadt. Abgebrannt bis auf die betonierten Sockel. Alles vernichtet. Alles bedeutende kulturelle Bauwerke aus Holz. Alle verbrannt immer zur selben nächtlichen Stunde um 3:30 Uhr. Genau wie der Atzelbergturm bei Kelkheim im nahen Taunus am 3. Juli und die Waldorfkita am 23. Oktober. Am 21. Januar 2018 dann das so genannte Blaue Haus am Mainufer, am 20.03. das Eingangsgebäude des Strandbades Niederroden sowie mehrere Gartenhütten im Stadtbereich über die Jahre verteilt. Alles vermutlich Brandstiftung, fast alles zur selben Tatzeit inszeniert, alles mit vernichtendem Erfolg. Mutwillige Zerstörung. Welche Niedertracht, Gemeinheit, Grausamkeit. So viel Schönheit ein für alle Mal getilgt, so viele Erinnerungen an sommerliche Ausflüge, Picknicks, stille Einkehr oder lachendes Kindergewusel weggewischt, weggebrannt, weggerissen aus dem kollektiven Gedächtnis einer ganzen Stadt.Oh diese Wut! Diese hilflose Verzweiflung, dieser Verlust des Glaubens an das Gute im Menschen, die unzähligen Verwünschungen und die abgrundtiefe Verachtung für den, der so was tut, der anderen so etwas antut. Diese Sinnlosigkeit. Diese Missachtung gemeinschaftlicher Werte. Die Verletzung ganz privater Erinnerungen und Gefühle. Als hätte jemand das Familienalbum geplündert, unersetzbare Fotos herausgerissen, gestohlen, vernichtet, als hätte jemand brutal in das eigene Leben eingegriffen, einen geliebten Teil davon gestohlen, geschändet, ausradiert. Vor allem nach dem Brand des Goetheturms, dieses weithin bekannten und tief verwurzelten Wahrzeichens der Stadt. Die Leute stehen komplett unter Schock, treffen sich an den noch qualmenden Brandstätten wie an Orten eines Anschlags, verweilen in stiller Trauer, verstricken sich in hitzige Diskussionen, füllen Leserbriefspalten mit erschütterten Trauerbekundungen, sammeln Geldspenden für den Wiederaufbau, versuchen sich mit solidarischen Willensbekundungen zur baldigen Wiederherstellung des alten Zustandes gegenseitig zu trösten. Eines Zustandes, dessen Verlust die allermeisten nicht akzeptieren wollen, dessen verstörende Veränderung ihnen echte Seelenpein beschert und dessen provokante Verneinung ihres Wertesystems nicht geduldet werden kann. Das darf einfach nicht passieren. So etwas darf nicht ungesühnt bleiben. Und so etwas muss schnellstens wieder in Ordnung gebracht werden. Anders kommt der aufgewühlte Zorn nicht zur Ruhe, irren die heimatlos gewordenen Erinnerungen und Gefühle wie aufgescheuchte Vögel durch das schöne Bild einer heilen, heiteren und heiß geliebten Vergangenheit.All das ist zutiefst verständlich und nachvollziehbar. Die Meisten würden ganz spontan erst mal so denken und fühlen. Aber im Leben ist es selten so einfach und übersichtlich, wie man im ersten Moment subjektiv und auch kollektiv empfindet.Angenommen es ist ganz anders gewesen als wir denken. Angenommen, der Schock über diese scheinbar sinnlosen Taten ist noch harmlos gegen den, der sich einstellt, wenn man die Wahrheit erfährt. Dass dahinter womöglich keine gedankenlosen Zündeleien übermütiger Jugendlicher oder gewissenlose Anschläge eines notorisch alkoholisierten Vollidioten oder Ähnliches stehen, sondern eine ganz andere, unfassbare und in ihrer Tragweite zutiefst erschütternde Geschichte. Eine Ereigniskette, die Perspektiven in kaum vorstellbare Abgründe, in Leben

Erscheinungsdatum
Verlagsort Frankfurt am Main / Niederrad
Sprache deutsch
Maße 135 x 210 mm
Gewicht 450 g
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Brandschutz • Brandstiftung • Feuerwehr • Frankfurt am Main • Goetheruh • Goetheturm • Kleingarten • Schrebergarten • SoKo Holz Frankfurt • Traumabewältigung
ISBN-10 3-86638-298-7 / 3866382987
ISBN-13 978-3-86638-298-5 / 9783866382985
Zustand Neuware
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