Guttäter -  Enrico Fischer

Guttäter (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
342 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-2265-6 (ISBN)
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Wenn die Erde nicht mehr für alle reicht ... Wie weit darf man dann gehen? Der Geschäftsmann Maximilian Drechsler kommt in Mombasa mit der mysteriösen Gesellschaft SALUS in Kontakt, die eine ungewöhnliche Form von Entwicklungshilfe praktiziert. Das mit großem Aufwand betriebene Engagement mitten im afrikanischen Busch, aber auch die offenbar grenzenlos bereitstehenden Mittel faszinieren ihn zunächst. Wieder zurück in Deutschland bemüht er sich, mehr über SALUS zu erfahren. Doch es bleiben Fragen offen. Erst nachdem er selbst Mitarbeiter in diesem Projekt geworden ist, erfährt er die ganze Wahrheit über das Vorgehen der Gesellschaft. Damit beginnt eine persönliche Zerreißprobe. Argwöhnisch von der Manager-Etage beobachtet, ringt Maximilian mit Hilfe alter und neuer Freunde um die richtige Entscheidung.

Enrico Fischer, geboren 1957 in Leimbach (Thüringen), studierte nach dem Abitur Mathematik und Physik auf Lehramt. Zwölf Jahre arbeitete er in diesem Beruf, bis er 1993 in die Beton-/Zementindustrie wechselte, wo er bis zu seiner Pensionierung als kaufmännischer Angestellter, später als Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften tätig war. Enrico Fischer ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Die Geschichte des Menschen gehört zu seinen Lieblingsthemen. Seit 2019 studiert er an der Universität Erfurt Philosophie und Staatswissenschaften. "Guttäter" ist nach "Gelbes Pferd" sein zweiter Roman.

2. KAPITEL


Dem Hinweisschild Oberursel folgend, lenkte Frank Wolf seinen BMW X3 von der A5 auf die Ausfahrt zur A661 und freute sich, endlich einmal ohne den ansonsten obligatorischen Stau vor Frankfurt davongekommen zu sein. Fünfzehn Minuten später saß er seinem Chef, Dr. Gerd Vogel in dessen Büro gegenüber.

»War es auszuhalten, da unten in der Hitze?«

Frank sah zu, wie Vogel in seinem Bericht blätterte. Es war der übliche Besuchsreport, den er immer nach seinen Einsätzen anfertigte. Vogels Frage ließ er unbeantwortet.

Der schien zufrieden.

»Verbrauchsmengen und Keimraten sind im System eingepflegt?«, fragte er sein Gegenüber, ohne auch auf diese Frage tatsächlich eine Antwort zu erwarten.

Frank bemerkte trotzdem: »Sie liegen im Planbereich.«

»Gab es sonst noch etwas Besonderes?«

Frank löste sich etwas aus seiner bequemen Haltung, die der Tiefe des Besuchersessels geschuldet war, und antwortete:

»Im Kraal sechzehn hatte ich etwas Ärger mit dem Ältesten. Er faselte die ganze Zeit von irgendwelchen Flüchen, die über dem Dorf liegen würden, und natürlich läge das an uns, weil wir seine jungen Krieger zu Ackerbauern machen würden und sie damit die alten Traditionen verraten.«

Vogel sah interessiert auf, doch Frank machte eine beruhigende Handbewegung.

»Keine Sorge, ich habe ihm ein neues Jagdgewehr geschenkt, jetzt ist er erst einmal wieder beruhigt.«

»Und die anderen Dorfbewohner, der Ältestenrat?«

»Für die sind wir nach wie vor der Heilsbringer. Mittlerweile erkennen die Massai, wie sich ihr Leben verbessert hat, seit sie ansässig geworden sind. Auch die Frauen haben es leichter und das sollten wir nicht unterschätzen. Hinzu kommt, dass die Abhängigkeit von den Händlern, bei denen sie früher Mais und Hirse kaufen mussten und die sie eh immer übers Ohr gehauen haben, damit vorbei ist.«

Er lachte leise vor sich hin.

»Manchmal komme ich mir vor wie der Weihnachtsmann.«

»Noch etwas?« Vogel hatte keinen Sinn für derartige Abschweifungen.

Frank überlegte kurz:

»In Siebenbürgen scheint es Probleme mit der Lieferung des Saatgutes zu geben.«

Vogel nickte.

»Ich weiß. Ich werde mich darum kümmern.« Dann fragte er noch einmal: »Noch etwas?«

»Nein, das war alles«, antwortete Frank und verabschiedete sich von seinem Chef.

In seinem Büro angekommen, setzte er sich an seinen Schreibtisch und ließ den Computer hochfahren.

Sein Instinkt verriet ihm, dass Ärger in der Luft lag. Die Geschichte mit Maximilian Drechsler machte ihm Sorgen. Er hatte die Episode weder in seinem Bericht noch gegenüber seinem Chef erwähnt. Wer konnte aber auch ahnen, dass dieser Unglücksrabe mit dem Kopf aufknallte und er ihn bei den Massai lassen musste. Er hätte ihn einfach nicht einladen sollen, dann wäre ihm das Ganze erspart geblieben.

Andererseits, überlegte er weiter, mochte er ihn. Er war ein interessanter, unterhaltsamer Gesprächspartner und die einsamen Abende im Hotel waren so verdammt langweilig.

Frank beschloss, nicht mehr an die Geschichte mit Maximilian zu denken. Er sah, dass der Computer bereit war, öffnete eine App und prüfte die Kennziffern der vergangenen Wochen.

Frank Wolf war für zwei Regionen zuständig, für die Stammesgebiete der Massai in Kenia und Tansania und für Siebenbürgen in Rumänien. Diese Regionen waren in Abschnitte unterteilt, in denen die jeweiligen landwirtschaftlichen Aufbauprogramme umgesetzt wurden. Im Land der Massai waren das naturgemäß die einzelnen Dörfer, in Rumänien Gebiete, die in Deutschland etwa einem Landkreis entsprechen würden.

Frank sah nacheinander die Zahlen zu diesen Abschnitten durch. Einige kennzeichnete er, bei anderen machte er sich Notizen. Er würde später die Verantwortlichen vor Ort anrufen und mit ihnen die offenen Fragen klären. Das war normaler Geschäftsalltag, nichts Besonderes.

Sein Blick fiel auf seinen Tischkalender. Der zeigte Montag, den 4. September 2017.

Franks Gedanken verloren sich in Erinnerungen. Fast auf den Tag genau war es acht Jahre her, dass er seine Arbeit in der Firma begonnen hatte. Es war reiner Zufall gewesen, dass er durch einen Freund auf die Association aufmerksam geworden war. SALUS, hatte der ihm damals vorgeschwärmt, sei der Name der Göttin für Wohlergehen und Rettung, »und wenn du etwas für die Welt tun willst, komm zu uns.«

Er war der Aufforderung gefolgt und hatte es bis jetzt nicht bereut, auch wenn sein Freund kurze Zeit später plötzlich und spurlos aus dem gemeinsamen Götterhimmel verschwunden war. Von dem damaligen Pathos war nicht viel geblieben, nur die Kleinigkeit, dass sie tatsächlich daran arbeiteten, die Menschheit vor ihrem Untergang zu bewahren.

Es klopfte und die Tür öffnete sich. Maria Schlegel kam herein und ging zu ihm an den Schreibtisch.

»Hallo Frank«, begrüßte sie ihn mit einem Lächeln, »ich wollte nur schnell sehen, was du mitgebracht hast.«

Maria arbeitete als Sekretärin, sowohl für ihn als auch für die beiden anderen seiner Kollegen, die wie er ihren Sitz in Deutschland hatten. Eine von Marias Aufgaben war es, das Bildmaterial und die technischen Berichte, die vor Ort gemacht wurden, zu bearbeiten und im System einzupflegen.

Er schob ihr einen Stick über den Tisch. »Hier ist alles drauf.«

Sie nahm ihn, nickte ihm dankend zu und wollte das Büro gerade wieder verlassen, als er wissen wollte:

»Gab es hier in der Zwischenzeit etwas Besonderes?«

Sie überlegte kurz, dann schüttelte sie den Kopf.

»Nein«, sagte sie, »außer du findest an der Hochzeit von Steve und Ellen etwas Außergewöhnliches, was mich aber nach mehr als fünf Jahren Verlobungszeit wundern würde.«

Lachend verließ sie den Raum.

Frank sah ihr nach. Diese Frau, dachte er, verkörpert mehr jugendlichen Übermut als die meisten Teenager von heute.

Maria hatte in diesem Jahr ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert. Sie war schlank, hatte ein schmales Gesicht, in dem zwei dunkle, fast schwarze Augen die Blicke auf sich zogen, vor allem die der Männer,. Frank hatte sie einmal gefragt, ob sie Verwandtschaft in Persien hätte, doch statt zu antworten, hatte sie nur gelacht.

Ihr braunes, langes Haar trug sie im Büro meist als Hochfrisur, wodurch die Regelmäßigkeit ihrer Gesichtszüge mit der klassisch zu nennenden Nase und den vollen Lippen besonders gut zur Geltung kam. Für Frank war sie eine der schönsten Frauen, die er kannte.

Als sie in der Firma anfing, hatte er, wie einige andere Kollegen auch, versucht, ihr näher zu kommen. Ohne Erfolg.

Marias Charme und ihre allgemeine Aufmerksamkeit waren keine Signale für Interesse, sondern einfach ein Wesenszug ihrer Persönlichkeit. Das verhinderte allerdings nicht, dass der in jedem Unternehmen mit mehr als zwei Mitarbeitern obligatorischen Firmenbuschfunk Ursachenforschung zu ihrer Person betrieb. Die Ideen reichten von trauriger Kindheit bis zu mindestens einer gescheiterten Ehe. Ein Kollege äußerte sogar den Verdacht, sie sei lesbisch, was durch das Gros der männlichen Mitarbeiter entsetzt als undenkbar eingestuft wurde.

Irgendwann war es genug damit und es kamen andere, neue Themen auf, die Marias Mysterium in den Hintergrund rückten.

Frank verließ ebenfalls sein Büro und ging zwei Stockwerke tiefer in die Medienabteilung. Er klopfte an eine Tür mit einem Knauf statt Klinke, die nur von innen oder mit einem Zahlencode geöffnet werden konnte.

Der ältere Mann, der ihn einließ, war über seinen Besuch nicht sonderlich überrascht.

»Na«, brummte er, »haben sie dich wieder aus dem Dschungel gelassen?«

Frank schüttelte den Kopf. Er hatte es aufgegeben, zu erklären, dass es in Kenia keinen Dschungel gab. Für Eckard Wenzel, den digitalen Zeitungsjungen, wie er sich trotz seiner sechzig Jahre selbst bezeichnete, gehörte Dschungel und Afrika einfach zusammen, basta. Vielleicht wurde man so verschroben, wenn man Jahrzehnte lang immer nur langweilige Texte las und Schlüsselwörter suchen musste.

»Ist Karin da?«, fragte Frank.

»Sie ist da drin«, antwortete Wenzel und deutete auf die Tür zum Nebenraum.

Frank ging und klopfte. Geduldig wartete er, bis er eine Stimme sagen hörte: »Herein.«

In dem kleinen Raum standen drei Personen zusammen und schienen mitten in einer angeregten Unterhaltung zu sein. Jede von ihnen hatte eine Tasse Kaffee in der Hand.

»Habt ihr auch einen für mich?«, fragte Frank.

Ein hochgewachsener, fast bullig wirkender Mann deutete auf die in der hinteren Ecke stehende Kaffeemaschine. »Bediene dich.«

Während er der Aufforderung nachkam, setzten die drei ihr Gespräch fort.

Neben dem Bulligen, der Gerd Schweizer hieß und sogar einer war, standen...

Erscheint lt. Verlag 2.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7557-2265-8 / 3755722658
ISBN-13 978-3-7557-2265-6 / 9783755722656
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