Lotte - Christian Winkelmann

Lotte

Von den Tücken des Alters und den Demenzmonstern
Buch
110 Seiten
2016
Roed Verlag
978-3-945489-02-4 (ISBN)
14,90 inkl. MwSt
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Als alte Frau macht man ja einiges durch. Während die Welt immer verrückter wird, plagen einen körperliche Beschwerden, Einsamkeit und Ärger, und dann kommt auch noch Demenz dazu! »Lotte« schildert einfühlsam die Höhen und Tiefen des Alltags sowie den schwankenden Zustand des Geistes im hohen Lebensalter, was zu absurden, rührenden, aber auch vielen komischen Begebenheiten führt. Dabei wird deutlich, dass das respektvolle Zusammenleben der Generationen eine Aufgabe ist, der wir uns unbedingt zu stellen haben.

[…] Plötzlich ein Jucken. Am Gesäß krabbelte etwas. Etwas ganz Großes. Würde sie sich umdrehen, wäre es bestimmt weg. Also blieb sie ruhig liegen und schämte sich wegen des Lochs in der Socke. Sie hatte das lange stopfen wollen, aber immer war etwas dazwischengekommen – der Brotpreis, die Lindenstraße oder das Hörgerät. Bestimmt würde ihr gleich die Lampe ins Gesicht fallen. Aber nur, wenn sie weiterhin auf der falschen Seite lag. Da hieß es umdrehen und drei mal kräftig ins Kissen husten. So tat sie denn auch, während die Möbel im Dunkeln bedrohliche Ausmaße annahmen. Da meinte Lotte auch schon, in der Anrichte die Umrisse ihrer Tante Helga zu erkennen, die ihr nie einen Fünfer geschenkt hatte. Lotte war weit davon entfernt, ihr das nachzutragen, musste sich aber jetzt auf den Bauch drehen, um nicht mehr den strafenden Blick der Tante sehen zu müssen. Die Krümel in der Ecke winkten herüber und der Mond war gerade beim Untergehen. Lotte bog sich vor Lachen. Wenig später wunderte sich Lotte, wo sie hier eigentlich war. Sie stand vor dem Spiegel und brüllte die Fremde an, die aber keinerlei Reaktion zeigte. War das Weib etwa taub? Vielleicht aber war Lotte auch nur zu Gast, denn an der Wand hingen lauter private Fotos von Unbekannten und draußen am Türschild stand ,Kramer‘. Sie hatte nachgeschaut. Wer war das? Sie lief zum Fenster und schrie um Hilfe, sie werde hier festgehalten und sei entführt worden! Gegen ihren Willen! Die Leute von gegenüber aber tippten sich nur an die Stirn und Lotte schlussfolgerte, sie sei stumm und niemand könne sie hören. Oder aber sie war ein Geist, oder sie träumte. Sie kniff sich ganz fest in den Arm. Sie schrie und es tat weh! Also träumte sie nicht, hörte noch gut und lebte auch noch. Das kam ihr sehr beruhigend vor und sie machte sich ein Butterbrot mit Marmelade. Bald schon kam – wie jeden verdammten Morgen, der ihr zum Brechreiz wurde – diese Anneliese. Die gab sich als ihre Tochter aus. Aber das hätte Lotte gewusst! Sie ließ sich jedoch lieber nichts anmerken, denn entweder hatte diese Anneliese nicht alle Tassen im Schrank, oder sie war gemeingefährlich. Und im letzteren Falle musste man sich gut mit ihr stellen, damit sie Lotte am Leben ließ an dem Tag, an dem sie sie auszurauben trachtete. Lotte war doch nicht auf den Kopf gefallen! Diese Verbrecher hatten meistens nur die Volksschule besucht und man konnte ihnen nur mit Psychologie beikommen. Das Luder wollte sich ihr Vertrauen erschleichen. So nicht! Nicht mit ihr! Lotte hatte das längst durchschaut! […] […] Es war zu Mittag. Der Tag hatte richtig gut angefangen. Denn Lotte hatte nun eine Motorradversicherung. So etwas konnte man immer mal brauchen. Der Herr von der Versicherung war auch noch so nett gewesen, nach der Unterschrift unter den Vertrag eine Tasse Kaffee mit ihr zu trinken. Nun war sie voller Tatendrang und sammelte Fusseln und Krümel aus dem Wohnzimmerteppich. Für den nächsten Besuch des jungen Herrn sollte es noch schöner sein. Nach ungezählten Mahlzeiten in verschiedensten Lebensepochen steckte da so einiges drinnen, im Teppich. Anneliese durfte da nicht ran. Die Fundstücke wurden jetzt fein säuberlich in kreativen, unordentlichen Häufchen auf dem Tisch nach Farben sortiert und Lotte hatte große Freude daran, einmal etwas so Sinnvolles zu tun. Einige Stunden später, gegen Abend, lagen etwa 756 Objekte auf der schweren Eichenholztischplatte und der Teppich war staub- und krümelfrei wie lange nicht. Doch inzwischen hatte Lotte einen Bärenhunger. Kurzerhand wischte sie das ganze Zeug vom Tisch und alles landete wieder im Teppich, wo es verdammt noch mal auch hingehörte, rief sie, und da kam nämlich auch schon Anneliese herein mit dem Abendbrottablett.

Erscheinungsdatum
Verlagsort Kehl
Sprache deutsch
Maße 150 x 200 mm
Gewicht 250 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Geriatrie
Schlagworte Alltagssituationen • Alter • Demenz • geisteszustand • Generationen • humorvoller Blickwinkel • Phantasiewelt • Zusammenleben
ISBN-10 3-945489-02-4 / 3945489024
ISBN-13 978-3-945489-02-4 / 9783945489024
Zustand Neuware
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