Physiotherapie bei Kopfschmerzen und Migräne (eBook)

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2019 | 1. Auflage
176 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-242107-3 (ISBN)

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Physiotherapie bei Kopfschmerzen und Migräne -
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Kopfschmerzen effektiv behandeln Patienten mit Kopfschmerzen stellen oftmals eine besondere Herausforderung in der physiotherapeutischen Praxis dar. Dieses Buch beinhaltet alles, was Sie wissen müssen, um diese Patientengruppe effektiv zu behandeln - unter anderem - wie Sie zielgerichtet herausfinden, unter welcher Form von Kopfschmerzen der Patient leidet, - wie sie die Symptome gegeneinander abgrenzen und Red Flags ausschließen können, - welche Techniken und Übungen es gibt und wie diese durchgeführt werden, - welche ärztlichen, medikamentösen und psychologischen Behandlungsansätze den Patienten zur Verfügung stehen, - welchen Stellenwert Edukation, Ausdauertraining und Entspannungstechniken haben. Die Autoren haben jahrelange Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit Kopfschmerzen und therapieren auf Basis der aktuellen Evidenz.

1 Einleitung


1.1 Kopfschmerz-Grundlagen


Arne May

1.1.1 Pathophysiologie der Kopfschmerzen


Lange war angenommen worden, dass die Ursache primärer Kopfschmerzen vaskulär sei. Das pathophysiologische Konzept der vaskulären Kopfschmerzen basierte auf der Vorstellung, dass Änderungen des Gefäßdiameters oder Änderungen des zerebralen Blutflusses den Schmerz auslösen und, zumindest teilweise, die Mechanismen erklären, mittels deren vasokonstriktorische Substanzen, z. B. Ergotamin oder Triptane, ihre Wirkung entfalten. Vom physiologischen Standpunkt aus impliziert das Konzept der vaskulären Kopfschmerzen als pathophysiologische Einheit, dass es sich hierbei um eine Gefäßerkrankung handelt.

Neuere anatomische und physiologische Überlegungen deuten eine Vasodilatation als Antwort auf einen trigeminal-nozizeptiven Reiz jedoch eher als Epiphänomen denn als ursächlich für den Schmerz. Darüber hinaus weisen schon rein klinisch gesehen die meisten Kopfschmerzsyndrome auf eine zentrale Genese hin, d. h., dass sie primär vom Gehirn selbst gesteuert werden. Das gemeinsame anatomische und physiologische Substrat der unterschiedlichen Syndrome ist die neurale Innervation der kranialen Gefäße. Funktionelle Bildgebung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zeigte erstmalig eine Aktivierung des Hirnstammes in der Migräne sowie des Hypothalamus im Cluster-Kopfschmerz. Beide Befunde wurden mehrfach von verschiedenen Arbeitsgruppen repliziert und es ist anzunehmen, dass diese zentralen Areale in den Schmerzprozess eher in Form eines Auslösers oder Triggers eingreifen, als schlicht eine Schmerzreaktion auf einen trigeminal-nozizeptiven Impuls zu sein.

In einer PET-Studie im Cluster-Kopfschmerz wurde allerdings auch eine Aktivierung in den großen basisnahen Gefäßen beobachtet. Dies ist auf eine Vasodilatation dieser Gefäße während der Schmerzattacke zurückzuführen und repräsentiert die erste überzeugende Darstellung eines neural vermittelten gefäßerweiternden Mechanismus beim Menschen. Diese Beobachtung wurde auch in einer Studie zum experimentellen trigeminalen Schmerz gemacht und legt nahe, dass die Dilatation dieser Gefäße nicht typisch für eine bestimmte Kopfschmerzform ist, sondern einen prinzipiellen physiologischen Anteil trigeminal vermittelter Schmerzen und einen direkten Einfluss der trigeminalen neuralen Innervation auf die kraniale Zirkulation darstellt ( ▶ [45]). Klinische und tierexperimentelle Befunde legen nahe, dass diese Vasodilatation durch einen trigemino-parasympathischen Reflex vermittelt wird ( ▶ [52]). Aufgrund der bekannten Physiologie und Pathophysiologie des beteiligten Systems wurde vorgeschlagen, dass zumindest Migräne und Cluster-Kopfschmerzen zusammenfassend als neurovaskuläre Kopfschmerzen beschrieben werden sollten, um der Interaktion zwischen den Nerven und den Gefäßen Rechnung zu tragen, welche das zugrunde liegende Charakteristikum dieser Syndrome ist ( ▶ [56]).

1.2 Die Klassifikation der International Headache Society (IHS)


Im klinischen Alltag spielen Kopfschmerzen als Symptom oder Syndrom durch die Häufigkeit ihres Auftretens eine große Rolle. Fast jeder Mensch hat hin und wieder Kopfschmerzen und jede medizinische Fachrichtung kennt Kopfschmerzen als ein Symptom gleich mehrerer verschiedener Erkrankungen innerhalb ihres Spezialgebietes. Die Differenzialdiagnose erscheint daher auf den ersten Blick sehr breit gefächert und wird durch die Tatsache kompliziert, dass die pathophysiologischen Vorstellungen für die meisten primären Kopfschmerzsyndrome rudimentär sind. Die wahre Problematik besteht aber darin, dass 92% aller Kopfschmerzpatienten einen primären Kopfschmerz (also z. B. eine Migräne) haben und es keinerlei apparative Zusatzdiagnostik gibt, diesen von anderen Kopfschmerzen zu trennen. Man ist allein auf die Anamnese und den neurologischen Untersuchungsbefund angewiesen, um die korrekte Diagnose zu stellen.

Aus diesem Grund hat die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (IHS) 1988 eine operationalisierte Klassifikation vorgestellt, die 2018 zuletzt revidiert wurde ( ▶ [36]). Diese Klassifikation wurde eigentlich für wissenschaftliche Zwecke erstellt und ist daher sehr rigide. Sie ist aber so gut und umfangreich, dass es gelingt, fast alle Patienten einer der inzwischen fast 240 Kopfschmerzdiagnosen allein nach Anamnese und neurologischem Untersuchungsbefund zuzuordnen ( ▶ [54]). Und es handelt sich nicht um einen Elfenbeinturm: Wenn ein Kopfschmerz die Kriterien für eine bestimmte primäre Kopfschmerzerkrankung nach IHS-Kriterien klinisch erfüllt und der neurologische Untersuchungsbefund unauffällig ist, liegt z. B. die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tumor vorliegt, bei 0,2% und damit nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung ( ▶ [49], ▶ [47]).

Da man den meisten Menschen mit einem Kopfschmerzsyndrom inzwischen wirklich gut helfen kann, wenn die für die Erkrankung richtige Medikation angewandt wird, ist es darüber hinaus hilfreich zu wissen, welche Diagnose überhaupt vorliegt. Und es ist überraschend einfach: Grundsätzlich unterteilt diese Klassifikation die Kopfschmerzen in idiopathische (sog. primäre) Kopfschmerzen und sekundäre Kopfschmerzen als ein Symptom eines anderen zugrunde liegenden Syndroms, z. B. Tumor oder Blutung ( ▶ [36]). Während eine Heilung der primären Kopfschmerzen im eigentlichen Sinne auch weiterhin nicht möglich ist, haben sich die therapeutischen Möglichkeiten der akuten wie prophylaktischen Therapie in den letzten Jahren dramatisch erweitert, sodass mit einer individuell abgestimmten Medikation unter fachärztlicher Kontrolle in der Regel eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität sowie eine Verminderung der Ausfallzeiten erzielt werden kann. Die deutsche Übersetzung der Klassifikation der IHS steht unter www.dmkg.de zum Einsehen und Downloaden zur Verfügung.

1.2.1 Ausschluss von symptomatischen Kopf-, Hals- und Gesichtsschmerzen


Beim Leitsymptom Kopfschmerz beruht die klinische Diagnose auf der Anamnese- und Beschwerdeschilderung des Patienten und dem klinischen Befund. Entscheidend ist der erste Schritt: die Differenzierung zwischen einer primären oder idiopathischen und einer sekundären, symptomatischen Kopfschmerzform. Beim sekundären Kopfschmerz ist der Schmerz ein Symptom einer zugrunde liegenden Läsion oder eines Syndroms (Tumor, Trauma, Blutung, Entzündung), beim primären Kopfschmerz ist der Schmerz selbst die Erkrankung ( ▶ [36]). Die Anzahl der symptomatischen Kopfschmerzen ist groß. Es sprengt den Rahmen eines Lehrbuches, jedes einzelne Syndrom zu beschreiben, und es sei daher hier auf spezifische Kopfschmerzbücher verwiesen ( ▶ [16], ▶ [23], ▶ [56]). Grundsätzlich kann gesagt werden, dass diagnostische Schwierigkeiten im Falle der primären Kopfschmerzsyndrome, bei denen definitionsgemäß die neurologische Untersuchung und die Routinediagnostik normal sind, dann auftreten können, wenn es sich um die Erstmanifestation handelt oder die Anamnese nicht eindeutig ist. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft unterscheidet mehrere Dutzend verschiedene Kopfschmerzsyndrome. Daraus folgt, dass man in der Diagnose ausschließlich auf eine differenzierte Anamnese des Patienten angewiesen ist. Entscheidend sind solche Angaben wie die Lokalisation, Dauer und Frequenz der Kopfschmerzen sowie eventuelle Begleitsymptome.

Während bei schon langjährig bestehenden, konstanten und nach den Kriterien der IHS gut zuordenbaren primären Kopfschmerzen eine kraniale Bildgebung in der Regel nicht erforderlich ist, sollte sie in den folgenden Fällen erfolgen ( ▶ [49], ▶ [47]):

  • Erstmanifestation einer Kopfschmerzerkrankung mit untypischem Charakter

  • atypischer klinischer Verlauf

  • zunehmende Schmerzintensität oder sich ändernder Schmerzcharakter bei bekanntem Kopfschmerzsyndrom

  • zusätzliches Auftreten neurologischer Symptome/Ausfälle

  • Angst des Patienten (nicht bei Patienten mit Phobie) vor schwerwiegenden zugrunde liegenden Erkrankungen wie Tumoren etc.

Bei typischer Klinik und normalem neurologischem Befund ist die Wahrscheinlichkeit von irrelevanten Zufallsbefunden...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2019
Reihe/Serie Physiofachbuch
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Gesundheitsfachberufe
Schlagworte Ausdauertraining • Eigenübungen • Entspannungstechniken • Evidence Based Medicine • Evidenzbasierte Therapie • Kopfschmerzen • Kraniomandibuläre Dysfunktion • Manuelle Therapie • Migräne • muskuloskeletale Therapie • Patientenedukation • physiotherapeutische Praxis • Physiotherapie • Red Flags • Schmerztagebuch • Schmerztherapie • Selbstmanagement • Trigeminusneuralgie • Yellow Flags • ZERVIKOGENER KOPFSCHMERZ
ISBN-10 3-13-242107-3 / 3132421073
ISBN-13 978-3-13-242107-3 / 9783132421073
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