Das grüne Paradoxon -  Prof. Hans-Werner Sinn

Das grüne Paradoxon (eBook)

Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
576 Seiten
Weltbuch Verlag
978-3-906212-61-6 (ISBN)
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Manche Beiträge zum Klimaschutz sind nicht nur sinnlos, sondern kontraproduktiv, sagt Hans-Werner Sinn. So hat die Beimischung von Biosprit fatale Folgen von globalem Ausmaß: Wenn wir in den Tank stecken, was andere gerne auf dem Teller hätten, pflegen wir unser grünes Gewissen zu Lasten der Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Die europäische Umweltpolitik unterliegt der Illusion, dass sie durch einseitige Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen und damit der Nachfrage nach fossilen Rohstoffen die weltweite Produktion solcher Rohstoffe verringern kann. Doch was, wenn die Herren über die Ressourcen nicht mitspielen? Was, wenn sie aus Angst vor einer Verschlechterung der Marktlage sogar noch mehr fördern? Sie müssen ihr Öl und Gas ja nicht an uns verkaufen, sondern können genauso gut die Nicht-Kioto-Länder bedienen, die 70% des globalen CO2 produzieren. Indem wir mit unserer Sparsamkeit die Energiepreise auf dem Weltmarkt drücken, subventionieren wir den Konsum der Amerikaner und Chinesen, die dann noch mehr Spritschleudern fahren und umweltverschmutzende Fabriken hochziehen. Mit argumentatorischer Wucht und Weitsicht stellt Hans-Werner Sinn die gefährlichen Irrtümer der Umweltpolitik dar. Wenn wir unser Klima retten wollen, muss der blinde Aktionismus gestoppt und eine globale Strategie zur Verlangsamung des Ressourcenabbaus gefunden werden.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn war, als er dieses Buch schrieb, Ordinarius für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft der LMU München und zugleich Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Vorher hatte er unter anderem in Kanada, den USA, den Niederlanden, Österreich und Israel unterrichtet. Dank seiner umfangreichen wissenschaftlichen Werke gehört er in Europa noch immer zu den Top 30 der 30.000 erfassten Wissenschaftler der internationalen Vergleichsstatistik 'Research Papers of Economics (RePEc)'. Jahrelang wurde er dort auf dem Spitzenplatz deutscher Ökonomen geführt. Zahlreiche Bestseller wie 'Kaltstart', 'Ist Deutschland noch zu retten?' (2003), 'Die Basar-Ökonomie' (2005), 'Kasino-Kapitalismus' (2009), 'Das grüne Paradoxon' (2008/2012/2020) und viele weitere machten ihn auch in der Öffentlichkeit bekannt. Energie;; Atomkraftwerke; Klimawandel; Weltbuch Verlag; Windräder; Bio; Kohlekraftwerke; IFO-Institut; Ökosteuer; Erdgas; CO2; Umwelt; Natur; Öl; Wirtschaft; Klimapolitik; Umweltpolitik; Grüne

PROLOG


Warum gibt es immer mehr Füchse in Brandenburg? Weil sie sich von dem frischen Geflügel ernähren, das ihnen die Windräder zerhackt vor die Füße werfen. Jägerlatein? Vielleicht. Immerhin schätzt aber der deutsche Naturschutzbund, dass jährlich mindestens 100.000 Vögel in den rotierenden Windrädern umkommen. Nicht nur Jäger schütteln den Kopf, wenn sie sich die Folgen grüner Politik vor Augen führen. Die grüne Politik ist voller Paradoxa.

Im Namen der Umweltpolitik werden die schönsten Naturlandschaften Norddeutschlands durch Windräder entstellt. Auf grünen Auen wachsen Wälder weißer Betonpfeiler, und in des echten Waldes Stille dringt das Brummen ihrer Rotoren. Wer bei klarem Wetter nach Hamburg oder Berlin fliegt, sieht Landstriche, die, so weit das Auge reicht, mit den weißen Grobianen besetzt sind. Die Gegenden, die Caspar David Friedrich zu seinen romantischen Landschaftsbildern animierten, gibt es nicht mehr. Auch die letzten Flecken unberührter Natur werden in Industriegebiete verwandelt. Nach einem Flug über Norddeutschland, noch im Bann der für mich unglaublichen Eindrücke, habe ich vor einigen Jahren einen führenden grünen Politiker getroffen und ihn gefragt, ob der Naturschutz nicht auch das Landschaftsbild umfasse. Als Antwort erhielt ich die lapidare Feststellung, die Gebiete, die ich gesehen hätte, stünden nicht unter Naturschutz. In Naturschutzgebieten dürfe man die Windräder nicht aufstellen. Das verschlug mir die Sprache. Mit dem grünen Pass im Gepäck darf man die Landschaft offenbar nach Belieben verschandeln.

Und diesen Weg will Deutschland ja nun konsequent weitergehen, denn die Windflügel sollen auch noch die Atomkraftwerke ersetzen. Was bislang als Schlüsseltechnologie der Menschheit zum Ersatz der fossilen Brennstoffe und zur Überwindung des Klimaproblems galt, wird mit lockerer Hand beiseitegewischt. Eine Woche nach dem Unglück von Fukushima im März 2011 beschloss die Bundesregierung den Atomausstieg. Während die Stromproduktion in Japan durch die Havarie in Fukushima um 6 % zurückging, wurde sie in Deutschland freiwillig um 7 % reduziert. Nirgends sonst auf der Welt, nicht einmal in Japan selbst, verspürte die Bevölkerung so viel Angst wie in Deutschland, nirgends haben die Medien das Ereignis in ähnlicher Weise zelebriert. Eine Massenhysterie hat das Land erfasst und treibt es zu einsamen Entscheidungen. Unser Land spielt bei der Atomkraft den Geisterfahrer auf der Autobahn und findet es paradox, dass alle anderen in die falsche Richtung fahren. Wieder einmal soll die Welt am deutschen Wesen genesen, und wiederum will sie partout nicht folgen. Fukushima ist eben nur ein Dorf in Deutschland.

Die Windräder werden sich schwertun, den Atomstrom zu ersetzen, weil ihre Leistungsfähigkeit begrenzt ist. Obwohl es in Deutschland davon heute schon wimmelt, tragen sie nur winzige 1,4 % zum Endenergieverbrauch bei. Zudem liefern sie einen ziemlich unregelmäßig fließenden und deshalb wertlosen Strom, den man durch Gaskraftwerke und Speicherkraftwerke verstetigen muss, bevor er nutzbar wird. Aber keine Angst, das Licht wird in Deutschland nicht ausgehen. In den anderen europäischen Ländern gibt es nämlich weit über 100 Atommeiler, die uns mit Strom versorgen werden. Die Belieferung mit ausländischem Atomstrom kann Deutschland, ohne die EU-Verträge zu brechen, gar nicht verhindern, selbst wenn es das wollte. Das Land, das für die Energiegewinnung durch Atomspaltung den Nobelpreis bekommen hat und einmal führend bei dieser Technologie war, gibt seine Sicherheit in die Hände der französischen und tschechischen Nachbarn, deren Kraftwerke zum Teil so nah an den deutschen Grenzen stehen, dass man sie mit bloßem Auge von Deutschland aus sehen kann.

Aber das sind Fakten, die wir verdrängen, denn es geht ja in Wahrheit gar nicht um eine rationale Entscheidung, sondern um Gefühle, Stimmungen und Träume. Die deutsche Konsensgesellschaft steht im Bann der neuen grünen Ideologie, die den Sozialismus ersetzt hat. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass irgendeine führende Zeitung über technische Wunderdinge berichtet, die uns helfen, fossile Energie zu sparen und neue Energiequellen zu erschließen. Man träumt von der Wasserstoffwirtschaft, als ob der Wasserstoff irgendwo im Boden läge und nicht bloß ein Speichermedium sei. Man will das Land mit Windrädern bepflastern, die Dächer mit Solarzellen decken und die Autos mit Biosprit fahren. Neue Industrien werden mit öffentlichem Geld hochgezogen, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, aber im Endeffekt zahlt immer der Bürger die Zeche.

Ich will den grünen Politikern wirklich nicht unterstellen, dass sie sich Pfründe verschaffen wollen. Sie sind gemeinhin Idealisten, die das Klima retten und ihre Mandate behalten wollen. Das ist nachvollziehbar. Das Geld verdienen andere. Aloys Wobben hat in seiner Firma Enercon mit Windrädern ein Vermögen gemacht, das auf fünf Milliarden Euro geschätzt wird. Für Windräder gibt es nämlich einen reißenden Absatz, nachdem die Politik im Jahr 2000 das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien in Kraft gesetzt hat. Danach mussten die Netzbetreiber für den minderwertigen Windstrom 80 % mehr als für normalen, stetig fließenden Strom zahlen. Für Sonnenstrom, der gerade dann nicht zur Verfügung steht, wenn man das Licht anknipsen will, muss sogar mehr als das Zehnfache gezahlt werden. Im Durchschnitt aller alternativen Energieträger ist der grüne Strom für die Netzbetreiber mehr als doppelt so teuer wie normaler Strom. Kein Wunder, dass bei den Herstellern des grünen Stroms eine Goldgräberstimmung erzeugt wurde. Dass der grüne Idealismus sich so gut mit dem Mammon versteht ist für einen Ökonomen wie mich zwar nicht paradox, doch manch einer mag es so empfinden.

Deutschland ist Weltmeister bei der grünen Energie. Bei der Produktion von Biodiesel liegen wir sogar mit weitem Abstand vor allen anderen Ländern. Die Lobby aus Automobilfirmen, die ihre Auflagen zur CO2-Drosselung abmildern wollen, und Bauern, die auf die neuen Gewinne durch den Anbau von Pflanzen zur Biospritgewinnung hoffen, paart sich mit dem ideologischen Interesse grüner Politiker und führt Deutschland auf einen einsamen Sonderweg. Nur der Alarmruf des ADAC, der darauf hinwies, dass bei Millionen von Autos durch das beigemischte Bioethanol die Dichtungen kaputtgehen würden, hat die Politik gezwungen, für einen Moment innezuhalten. Dass der Teller mit dem Tank im Wettbewerb steht, wenn man Energiepflanzen zum Autofahren statt zum Essen verwendet, war nicht das Thema. Es hätte aber das Thema sein sollen, denn die Hungerproteste in 37 Ländern der Welt, die im Jahr 2008 durch die hohen Nahrungsmittelpreise ausgelöst wurden, gehen auf das Konto der Biosprit-Freunde. Und machen wir uns nichts vor. Auch die Jasmin-Revolution in den arabischen Ländern kämpft nicht in erster Linie gegen Diktatoren, sondern gegen den Hunger, denn vor dem Ausbruch dieser Revolution waren die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel auf das höchste Niveau der Geschichte gestiegen. Die Bioenergie war ethisch gemeint, erweist sich aber bei näherem Hinsehen als extrem unethische Energieform. Auch dies ist ein Paradoxon.

Für die Bürger, aber auch die Politik und die Wissenschaft stellt sich die Frage, ob der deutsche Kurs wirklich sinnvoll ist. Wissen wir eigentlich, was wir tun? Oder ist das alles nur blinder Aktionismus zur Befriedigung einer neuen, grünen Religiosität? Interpretiere ich die Windflügel vielleicht nur falsch? Sind sie gar keine technischen Einrichtungen zur Produktion von Strom, sondern in Wahrheit Sakralbauten zur Dokumentation des neuen Glaubensbekenntnisses der Deutschen?

Man muss es fast befürchten. Der vermeintliche Klimaschutz absorbiert nämlich mittlerweile so viel Kraft, und er drückt durch die horrenden Kosten den Lebensstandard der Deutschen in einem solchen Ausmaß, während die klimapolitischen Wirkungen gleichzeitig in den Sternen stehen, dass es schwerfällt, ihn als Ergebnis einer rationalen Politikentscheidung zu begreifen.

Ich möchte nicht missverstanden werden: Das Klimaproblem ist keine Einbildung. Die Menschheit ist tatsächlich bedroht durch ihre eigenen Kohlenstoffabfälle, die sie in der Atmosphäre ablädt. Das erste Kapitel dieses Buches wird das, so hoffe ich, zweifelsfrei darlegen. Es ist tatsächlich fünf vor zwölf, und man muss etwas unternehmen. Die Widerlegungsversuche der Klimaskeptiker beleuchten nur kleinere Teilaspekte des Problems und verblassen gegenüber der überwältigenden naturwissenschaftlichen Evidenz.

Aber was sollen wir nur tun? Mit welchen Instrumenten können wir den Kohlenstoffausstoß der Menschheit eindämmen? Welche Maßnahmen bringen am meisten relativ zu ihren Kosten? Sollte man tatsächlich alles tun, was technisch möglich ist, oder sollte man seine Kräfte nicht lieber auf jene Maßnahmen konzentrieren, die relativ zu dem Geld, das sie kosten, die größte Einsparung beim Ausstoß des gefährlichen Kohlendioxidgases versprechen? Sollten wir nicht mindestens die...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Naturwissenschaften Biologie
ISBN-10 3-906212-61-0 / 3906212610
ISBN-13 978-3-906212-61-6 / 9783906212616
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