Friede Freude Eierkuchen - Martin M Coers

Friede Freude Eierkuchen

Die Technoszene

Martin M Coers (Autor)

188 Seiten
2000
Beck, C H (Hersteller)
978-3-406-45914-6 (ISBN)
9,90 inkl. MwSt
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    keine Neuauflage
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Beim Thema Techno - so scheint es - scheiden sich die Geister:
Das beginnt mit der Frage, ob Technomusik überhaupt noch Musik ist oder einfach nur (furchtbarer) Lärm, und endet noch lange nicht bei der Frage, ob deren Anhänger - die 14- bis 25jährigen Technokids - überhaupt noch ernst genommen werden können. Kurz: Auch nach zehn Jahren Techno-Fieber herrscht immer noch weitgehend Ratlosigkeit: Ist Techno gleich Tekkno? Heißt Ekstase gleich XTC? War das nicht auch mal ein Getränk? Und wenn nicht, warum nur hüpften all diese ausgeflippten Gestalten dennoch alljährlich so ekstatisch über den Ku-Damm bzw. wackeln jetzt durch das Brandenburger Tor? Was, bitte, veranstalten die alle? Warum ist Roland dabei so wichtig? Wer oder was ist Roland? Und wann genau beginnt eine After Hour? Kann man sich im Chill-Out-Room auf einer Slipmat ausruhen? Oder ist das was ganz anderes?...

"2. 68 und die Folgen

'Wenn wir uns erheben, wird die Welt uns erleben.' (Apo-Spruch)
'Laßt Blumen sprechen.' (Hippie-Spruch)
Mehr Gefühl!
Nachdem man erfolgreich die Musik in ihre vielen und sich dabei auch als selbsttragend erweisenden Einzelteile aufgespalten hatte, erschien es sinnvoll, diesem doch langsam als sehr akademisch und kopflastig empfundenen Spieltrieb ein Ende zu bereiten und das dabei offensichtlich verlorengegangene Gefühl wieder stärker in den musikalischen Vordergrund zu rücken. In den 60er Jahren geschah das ganz unverblümt: Gerade die Aufbruchstimmung und das anarchistische Pathos, die die Studentenunruhen und die Hippiebewegung begleiteten, sollten nicht nur in Politik, Kunst, Film, Literatur und in der privaten Liebesbeziehung für frischen Wind sorgen, sondern auch die Musikszene noch einmal so richtig auf- und durcheinanderwirbeln. Unvergeßlich: Das legendäre Woodstock-Konzert, das Musikgeschichte schrieb und auf dem u. a. Janis Joplins Stimme kräch zte, Jimmy Hendrix' berühmt gewordene elektronisch verstärkte Gitarre virtuos verzerrt ächzte und gut 300.000 Blumenkinder in Ekstase gerieten.
Die Tatsache, daß halluzinogene Drogen wie LSD und Opium zu dieser Zeit Hochkonjunktur hatten, verhalf so auch der elektronischen Musik mit ihren psychedelischen Klangpotentialen zum allmählichen Durchbruch. Denn mit welchem Instrument, wenn nicht dem Synthesizer, dessen Tasten mit immer neuen Geräuschen, Klängen, Rhythmen und aberwitzigen Effekten belegt wurden, wäre es einfacher gewesen, das ähnlich unendlich anmutende Spektrum von Gefühls- und Bewußtseinszuständen zu erweitern? Rein elektronisch produzierte Musik begann sich, trotz aller Widerstände ('Ein Synthesizer ist doch kein natürliches, gleichwertiges Instrument!'), langsam aber sicher mehr und mehr durchzusetzen.
Doch nicht nur das: Denn wie immer man die 68er mit ihrem Anspruch, die Welt global zu verändern, bewerten mag, fest steht auch, daß sie eine enorme Reformen- und Ausdrucks vielfalt hinterließen (Bildungs- und Rechtsreform, Schaffung einer Streitkultur, größere Toleranz gegenüber sogenannten 'Randgruppen', etc.), ohne die alle darauffolgenden sozialen Bewegungen einschließlich der Techno-Bewegung schlicht undenkbar wären. Mehr noch: Sie alle werden von einem Freiraum und einer Artikulationsvielfalt profitieren, die '68 erst erkämpft und schließlich mit geschaffen hat.
Mit geschaffen heißt aber auch, daß sie all das weder allein leistete noch überhaupt leisten konnte. So erscheinen die euphorischen Aussagen, in denen das Woodstock-Festival von vielen 68ern zum Höhepunkt der Bewegung überhaupt stilisiert wurde, doch als eher übertrieben und verschleiernd. Denn deren Kultfeste in London und Woodstock waren ja nicht der Höhepunkt der Kulturrevolution, sondern die Kernfusion von Gegenkultur und Kulturindustrie gewesen. Ohne die von den 68ern sonderbar geächtete und geachtete Kulturindustrie, die über ihre Medien zugleich als eine gefährliche, Herrschaft legit imierende Bewußtseinsindustrie angefeindet wurde, wäre also vermutlich recht wenig gelaufen. So entwickelte (sie) sich zunehmend zu einer Instanz, die Jugendliche bei ihren Autonomiebestrebungen unterstützte, gleichzeitig aber mithalf, sie in das Konsumsystem der kapitalistischen Gesellschaft zu integrieren.
Der Traum vom Leben in 'Love, Peace & Happiness' lebt jedoch, unterstützt durch die Kulturindustrie, die diese Bewegung vereinnahmte und schließlich auch durch das Musical 'Hair' verkommerzialisierte und damit auch konservierte, bis heute fort. Der Transformationsprozeß von Subkultur zu offizieller Kultur durch die Mechanismen der Kulturindustrie, deren Bestreben es ist, niemanden als Außenseiter auszugrenzen, den man als Kunden eingemeinden kann, wird hier also auf geradezu klassische Weise sichtbar und weist dabei zugleich die Liaison zwischen Kulturindustrie und Subkultur als eine Art Schicksalsgemeinschaft aus ..."

Reihe/Serie Beck'sche Reihe ; 1374
Zusatzinfo 21 Abb.
Sprache deutsch
Gewicht 221 g
Einbandart Paperback
Schlagworte Jugendkultur • Techno
ISBN-10 3-406-45914-5 / 3406459145
ISBN-13 978-3-406-45914-6 / 9783406459146
Zustand Neuware
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