Lötzsch

Der lange Weg eines Jahrhunderttalents

(Autor)

Buch
272 Seiten
2012 | 3. Auflage
Covadonga (Verlag)
978-3-936973-72-3 (ISBN)
19,80 inkl. MwSt
Eine zuriefst bewegende Sportlerbiografie
Philipp Köster erzählt mit dieser Biografie nicht nur den wohl authentischsten aller Radsportkrimis, sondern auch eine ebenso bewegende wie sportpolitisch höchst brisante Lebensgeschichte.
Es schien alles gerichtet zu sein für die große Karriere: Wolfgang Lötzsch ist das große Ausnahmetalent im Radsport der DDR. Als Erster hat er bei Leistungstests die Werte des legendären Täve Schur überboten. Er träumt von Siegen bei den Olympischen Spielen und bei der Friedensfahrt. Dann aber wendet sich das Blatt: Weil sein Cousin in den Westen geflohen ist, gilt auch Wolfgang Lötzsch als verdächtig. Zehn Monate muss er schließlich auf dem berüchtigten Kaßberg verbringen, im Gefängnis der Staatssicherheit hoch über Karl-Marx-Stadt.
Man versucht, ihn zu brechen. Auf 1 500 Seiten wächst seine Stasiakte. Fünfzig IMs sind auf ihn angesetzt. Selbst gute Freunde bespitzeln ihn. Wolfgang Lötzsch aber gibt nicht auf. Er stellt einen Ausreiseantrag nach dem anderen. Aus den Fördersystemen verbannt, trainiert er verbissen weiter, siegt trotz alledem in prestigeträchtigen Rennen. Allein gegen alle. "Ihr fahrt nach Mexiko ins Trainingslager und esst Bananen. Der Lötzsch sitzt daheim und futtert Butterbrote. Wie kann es da sein, dass Lötzsch gewinnt?", herrscht Sportbundchef Manfred Ewald die Nationalfahrer an.

Philipp Köster ist Herausgeber und Chefredakteur von „11 Freunde“, dem monatlich erscheinenden Magazin für Fußballkultur.

"Auch unter den Fahrern beginnt allmählich das Gift zu wirken, das die Staatssicherheit ausstreut. Bei den Rennen, zu denen sich Wolfgang Lötzsch meldet, bildet sich fortan ein unsichtbarer Wall um ihn. Denn natürlich wissen die anderen Fahrer, dass es der eigenen Karriere nicht gut tut, allzu lange mit Lötzsch gesehen zu werden. Man hat es ihnen schließlich oft genug gesagt.
So halten sich viele fern - kein Schwätzchen heute, ein andernmal. Auch für die Trainer gehört die Ansprache der Funktionäre vor den Rennen längst zum festen Rahmenprogramm. Auf keinen Fall darf der Mann aus Karl-Marx-Stadt gewinnen: 'Geschlossen gegen Lötzsch', lautet die Parole in den Krisensitzungen. Lötzsch spürt diese neue, beinahe unüberwindliche Wand bei jedem Rennen.
Auch am 11. April 1975 bei einem kleinen Kriterium in Frankfurt an der Oder. Wie so oft ist er allein mit dem Wartburg in die Grenzstadt gefahren, er hat sein Rad präpariert und inmitten des Starterfeldes auf den Schuss aus der Startpistole gewartet. Manche Teilnehmer mustern ihn verstohlen und nicken ihm zu, andere suchen sich lieber einen anderen unverfänglicheren Platz im wartenden Pulk.
Als es dann bei nasskaltem Frühlingswetter endlich losgeht, ist Wolfgang Lötzsch wie so häufig sofort vorn dabei. Hinterrad an Hinterrad geht es durch das flache Land, das Feld bleibt eng zusammen. In rasendem Tempo jagen die Fahrer über das bucklige Kopfsteinpflaster der Grenzregion, erbitterte Positionskämpfe prägen das Rennen, immer wieder fühlt Wolfgang Lötzsch die Ellenbogen der Gegner in den Rippen. Dann geht alles sehr schnell: Eine Bodenwelle erwischt sein Rad mit voller Wucht. Lötzsch spürt einen schnellen, harten Schlag - dann wird es dunkel um ihn.
Er muss sich später erzählen lassen, was mit ihm passiert ist. Die Bodenwelle hat sein Vorderrad zertrümmert, mit einem lauten Knirschen löst es sich aus der Nabe. Noch fünf, sechs Meter hält der Rahmen das Gleichgewicht, dann bricht das Rad zusammen. Vergeblich versucht Wolfgang Lötzsch, den Sturz abzufangen. Mit voller Wucht stürzt er auf die Straße, sein Kopf schlägt ungebremst gegen das Kopfsteinpflaster. Das zerstörte Rad liegt neben ihm, er verliert das Bewusstsein.
Hilfe von Zuschauern kann er nicht erwarten, an diesen abgelegenen Teil der Strecke haben sich keine Fans gewagt. Aber die Kollegen werden ihm doch sicherlich helfen. Normalerweise. Aber es ist kein normaler Fahrer, keiner aus ihrer Mitte, der da vom Rad gestürzt ist. Es ist Wolfgang Lötzsch, der verstoßene Clubfahrer, und die Angst vor den Konsequenzen einer schnellen Hilfe diktiert das Handeln. 'Wird schon nicht so schlimm sein', beruhigen sich die sensiblen Fahrer, die Hartgesottenen im Feld ignorieren den Sturz.
Einige Fahrer trägt das unerwartete Hindernis aus der Spur, mühsam müssen sie bremsen und korrigieren, um nicht selbst zu stürzen. Doch kein einziger hält an, um dem schwer verletzten Konkurrenten zu helfen. Fast ist es so, als sei Lötzsch plötzlich unsichtbar.
Auch die Materialwagen und die Begleiter des Feldes auf den Motorrädern fahren ohne Halt vorbei. Dann aber naht doch noch Hilfe, der Sanitätsbarkas mit seinen ausgebildeten Helfern fährt heran. Und beschleunigt dann noch einmal. Hinter der Frontscheibe stieren die Sanitäter wortlos nach vorne. Und die Straße ist leer. Schier endlose Minuten vergehen, in denen Wolfgang Lötzsch um sein Leben kämpft. Ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben, liegt er am Straßenrand - der Kopf schwer verletzt, das Gesicht im nassen Dreck der Straße, die Beine aufgeschlagen, die Rippen gestaucht.
Dann rollt noch ein Fahrzeug heran. Es ist ein Materialwagen, der den Anschluss verpasst hat und nun dem Feld hinterherjagt. Der Beifahrer späht angestrengt auf die Straße und erkennt den Schwerverletzten am Rand. Schon ruft er entsetzt: 'Dort vorne liegt der Lange!' Mit markigen Worten bedeutet er seinem Fahrer, das Tempo zu drosseln ..."

Vorwort Wolfgang Lötzsch
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Gewicht 572 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport Motor- / Rad- / Flugsport
Schlagworte DDR • Deutsche Demokratische Republik; Biografien • Deutsche Demokratische Republik (DDR); Biografien • Lötzsch, Wolfgang • Radrennen • Radrennsport; Biografien • Radsport • Rennrad • Sport • Sportgeschichte • Staatssicherheit
ISBN-10 3-936973-72-5 / 3936973725
ISBN-13 978-3-936973-72-3 / 9783936973723
Zustand Neuware
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