Politik der Apokalypse

Wie Religion die Welt in die Krise stürzt

(Autor)

Buch | Hardcover
363 Seiten
2009 | 3. Aufl. 2010
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-94114-2 (ISBN)
23,00 inkl. MwSt

John Gray, einer der wichtigsten lebenden Philosophen, legt mit »Politik der Apokalypse« ein großes Werk über die Politik des 20. und 21. Jahrhunderts vor: Eine erschütternde Bestandsaufnahme religiöser Grundideen in den Ideologien unseres Zeitalters und ein kluges Plädoyer für eine moderne und pragmatische Politik. Ein Buch wie eine Offenbarung!

»Das überwältigendste Buch des Jahres, höchst beunruhigend, glasklar argumentierend, verblüffend feinmaschig geschrieben, wunderbar brillant.«
John Banville


Die Politik des 20. Jahrhunderts ist ein Kapitel der Religionsgeschichte. Mit dieser Einsicht leitet John Gray seinen Abriss moderner politischer Ideen von der Antike bis in die Gegenwart ein.

Furios und in verblüffender Evidenz stellt Gray dar, wie sehr sich islamische oder christliche Fundamentalisten und neoliberale Turbokapitalisten, die Jakobiner im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts, die Nationalsozialisten und die US-amerikanische Bush-Regierung ähneln.

Die von Utopien geschundene Welt lässt sich im 21. Jahrhundert nur noch durch eine globale Realpolitik vor dem Untergang bewahren.

John Gray, geboren 1948, ist Professor für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics.Durch zahlreiche Sendungen für die BBC wurde er weltweit bekannt, wie auch als Autor herausragender Bücher gefeiert: »Die falsche Verheißung. Der globale Kapitalismus und seine Folgen«; ferner der Weltbestseller »Straw Dogs«; dt. »Von Menschen und anderen Tieren«.


1 Der Tod der Utopie
Apokalyptische Politik
Die Geburt der Utopie
Die utopistische Rechte als millenarische Bewegung der Moderne
2 Aufklärung und Terror im 20. Jahrhundert
Der Sowjetkommunismus: eine millenarische Revolution der Moderne
Nationalsozialismus und Aufklärung
Terror und westliche Tradition
3 Der Utopismus greift auf den politischen Mainstream über
Margaret Thatcher und der Tod des Konservatismus
Erscheinen und Verschwinden des Neoliberalismus
Ein amerikanischer Neokonservativer in Downing Street Number 10
4 Die Amerikanisierung der Apokalypse Von der Puritaner-Kolonie zur Erlöser-Nation
Die Ursprünge des Neokonservatismus
»Die Dämonen«
5 Bewaffnete Missionare
Der Irak: ein utopistisches Experiment im 21 . Jahrhundert
Missionarischer Liberalismus, liberaler Imperialismus
Warum der »Krieg gegen den Terror« nicht zu gewinnen ist
6 Post-Apokalypse
Nach dem Säkularismus
Die Unübersichtlichkeit der Welt: Die verlorene Tradition des Realismus
Das Ende, mal wieder
Anmerkungen
Dank
Register


1 DER TOD DER UTOPIE
Die Politik der Moderne ist ein Kapitel der Religionsgeschichte. Die großen revolutionären Umbrüche, welche die vergangenen zwei Jahrhunderte entscheidend prägten, waren Episoden der Glaubensgeschichte - Wegmarken, die den nicht enden wollenden Zerfall des Christentums und den Aufstieg politischer Religionen anzeigen. Unsere Welt am Beginn des neuen Jahrtausends ist übersät mit den Trümmern utopischer Projekte, die zwar säkular auftraten und sich religiösen Vorstellungen widersetzten, in Wirklichkeit aber von religiösen Mythen getragen waren.
Kommunismus wie Nationalsozialismus beanspruchten, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beruhen - im Fall des Kommunismus auf der Pseudowissenschaft des historischen Materialismus, im Fall des Nationalsozialismus auf dem Sammelsurium einer »wissenschaftlichen Rassenlehre«. Die Verwendung pseudowissenschaftlicher Begründungen fand aber mit dem Zusammenbruch des Totalitarismus, der im Dezember 1991 im Zerfall der Sowjetunion gipfelte, keineswegs ein Ende. Neokonservative Theorien setzen sie fort. Denn folgt man ihnen, so mündet die Entwicklung der gesamten Welt in ein und dieselbe Regierungsform und in ein und dieselbe Wirtschaftsordnung - eine universelle Demokratie und einen globalen freien Markt. Dieser Glaube, die Menschheit stünde an der Schwelle einer neuen Ära, kommt sozialwissenschaftlich daher, ist aber einfach nur die neueste Spielart apokalyptischer Anschauungen, die bis in die Antike zurückreichen.
Jesus und seine Jünger glaubten, sie lebten in einer Endzeit und alles Leid und Elend ihrer Welt werde bald vorübergehen. Krankheit und Tod, Entbehrung und Hunger, Krieg und Unterdrückung werde es nicht mehr geben, nachdem die Mächte des Bösen in einer welterschütternden Schlacht endgültig vernichtet seien. Dieser Glaube beseelte die ersten Christen. Spätere christliche Denker deuteten die Endzeit zwar in ein Gleichnis für einen inneren Wandel um, doch seit jenen Anfängen ist die Vorstellungswelt des Abendlands eine apokalyptisch-visionäre.
Im Mittelalter kamen in Europa Massenbewegungen auf, die von der Überzeugung erfüllt waren, das Ende der Geschichte und die Geburt einer neuen Welt stünden unmittelbar bevor. Die neue Welt, so glaubten diese Christen, konnte einzig und allein Gott bewirken. Als das Christentum an Einfluss verlor, verblasste die Vorstellung einer bevorstehenden Endzeit keineswegs. Vielmehr verstärkte sich diese Hoffnung sogar noch und gewann an Militanz. Die Revolutionäre der Neuzeit wie die französischen Jakobiner und die russischen Bolschewiken verabscheuten die traditionelle Religion. Ihre Überzeugung jedoch, sie könnten in einer allumfassenden Umwälzung des menschlichen Lebens die Verbrechen und Torheiten der Vergangenheit hinter sich lassen, war eine säkulare Neuauflage frühchristlicher Ideen. Diese Revolutionäre waren radikale Aufklärer und wollten eine wissenschaftliche Weltsicht an Stelle der Religion inthronisieren. Doch ihr Glaube, ein plötzlicher Umschwung in der Geschichte des Menschen sei möglich, der die Fehler der Gesellschaft für alle Zeiten beheben werde, wurzelt im apokalyptischen Christentum.
Die aufklärerischen Ideologien der vergangenen Jahrhunderte bestanden zu einem sehr großen Teil aus einer verfremdeten, ins Gegenteil verkehrten Theologie. Deshalb führt das Bild eines rein säkular geprägten Fortschritts, das linientreue Vertreter der Rechten wie der Linken gern von ›ihrem‹ 20 . Jahrhundert zeichnen, in die Irre. Die Machtergreifung der Bolschewiken oder der Nationalsozialisten gründete ebenso in einem Glaubenssystem wie die theokratische Revolution des Ayatollah Khomeini im Iran. Allein schon die Vorstellung von der Revolution als einem Ereignis, das den Lauf der Geschichte verändert, ist im Kern religiös. Moderne Revolutionen und revolutionäre Bewegungen sind Fortsetzungen der Religion mit anderen Mitteln.
Säkularisierte Spielarten religiö

Erscheint lt. Verlag 24.8.2009
Übersetzer Christoph Trunk
Sprache deutsch
Original-Titel Black Mass. How Religion Led the World into Crisis
Maße 136 x 211 mm
Gewicht 505 g
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Theorie
Schlagworte Ideengeschichte • Politikgeschichte • Realismus/ politisch • Religionskritik • Utopie • Weltpolitik
ISBN-10 3-608-94114-2 / 3608941142
ISBN-13 978-3-608-94114-2 / 9783608941142
Zustand Neuware
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