Das System SELBST

Eine Studie zur Frage: Wer liebt wen, wenn jemand sagt: 'Ich liebe Dich!'?

(Autor)

Buch | Hardcover
320 Seiten
2010 | 1., Auflage
Velbrück (Verlag)
978-3-938808-79-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das System SELBST - Peter Fuchs
39,90 inkl. MwSt
zur Neuauflage
  • Titel erscheint in neuer Auflage
  • Artikel merken
Zu diesem Artikel existiert eine Nachauflage
Mein SELBST ist alles, nur nicht: meines. - Nach den Analysen dieses Buches sieht es ganz so aus, als sei das SELBST alles andere als es selbst und stattdessen Ausdruck einer sozial je fungierenden Phantasmatik, die festlegt, was an 'Originalität' oder 'Selbstheit' oder 'Authentizität' ausgespielt werden kann und plausibel ist. Das SELBST ist - summarisch formuliert - ein soziales Phänomen, dessen Individualisierung oder Singularisierung durch 'Einkörperung'gewonnen wird. Insofern ist die großartige Bibelformulierung 'Und das Wort ist Fleisch geworden ...' (wenn man metaphysische Instanzen und Pläne für einen Moment suspendiert) in gewisser Weise paradigmatisch.Das psychische System erweist sich als Produkt der sozialen Interpretation von Hirnereignissen. Die Psyche ist nicht einfach da, wenn Menschen geboren werden. Sie entsteht durch Sozialisation,die ihr nicht noch Fehlendes hinzufügt, sondern sie als Sinnsystem erzeugt.Das psychische System, das SELBST einbegriffen, ist nicht eine Intimität,sondern randlose Extimität, in der durch Sozialisation unter unendlich vielem anderen auch die Selbstbeschreibung als Intimitätverfügbar wird, das Erleben eines Körpers etwa, in dem das Psychische, repräsentiert durch das SELBST, schaltet und waltet, ein Erleben, das ohne Sinngebrauch schwerlich möglich wäre, der etwa die Unterscheidung von Innen/Außen anbietet, obgleich Sinnsystemekeine Räume sind. Das SELBST ist demnach nicht 'so ein Ding da'; es ist wie alle Sinnsysteme nicht ontologisch aufweisbar, auch nicht durch eine Phänomenologie, die die Weise der Gegebenheit der Welttatbestände nur untersuchen kann, weil sie in das universale Sinnspiel verwickelt ist.
Die im Untertitel dieser Arbeit vermerkte Frage Wer liebt wen, wenn jemand sagt: 'Ich liebe Dich!'? bereitet keineswegs auf ein Buch über Liebe vor. Sie zitiert nur ein Feld, innerhalb dessen das eigentliche Problem, um das diese Arbeit kreisen wird, geradezu paradigmatisch einleuchten könnte. In der Liebe geht es schließlich wie nur in wenig anderen Sozialkontexten um ICH und DU, und zwar eben nicht nur um konventionell genutzte Ausdrücke in der Kommunikation für Sprech- und Ansprechpositionen,sondern, wie man zu sagen pflegt, um 'Tieferes', um das, was ein Jemand (eben tief drinnen und zugriffsentzogen) irgendwie 'tatsächlich' ist, um einen 'Kern', dessen man nicht ansichtig werden könnte, selbst wenn man die Körper durchleuchten würde.Das Zeichen 'Ich' (und seine Äquivalente) wird in solchen Fällen habituell 'emphatisch' eingesetzt, als Anzeige einer lebensbedeutsamen Verborgenheit, einer nukleolenhaften'Identität', die sich suchen, finden, (wieder)verlieren und (wieder)gewinnen läßt. Aber auch jenseits dieser emotional hoch aufgeheizten Zellen der Intimität sind 'Ich' und 'DU' oder überhaupt Markierungen personaler Identität zumindest in europäisch-christlich instruierten Kontexten nicht wegdenkbar. Sie treten nicht selten in der Form auf, daß da eine Vorderwelt sei, hinter deren Kulissen eine Hinterwelt sich vorstellen lasse, in der das eigentliche, das wirkliche 'Ich' oder 'Selbst' gleichsam in Wahrheit residiere - eine Art 'Hinterweltler', wie man es mit Nietzsche und in schon sehr abgekühlter Manier sagen könnte. Dieses Modell ruft wie von allein die Idee auf, man müsse nur in diese Hinterwelt gehen, in diese terra incognita, und könne absteigen in den dunklen Kontinent hinter/unter der offiziös-offiziellen Welt der Kulissen und dann werde man sich selbst finden, zu sich selbst gelangen, man selbst werden - ein Gedanke, von dem nicht wenige Psychotherapeut/inn/en leben und der in Selbstfindungskursen bis zur Unmäßigkeit inszeniert und zelebriert wird.Daß dieses Modell sozial wie psychisch überzeugen kann, liegt an den tief eingeschliffenen Effekten einer Phantasmatik des Raumes, in der die Welt erscheint als Welt von 'Be-Inhaltungen'. Sie ist in gewisser Weise wie eine ungeheure Kammer, eine Behausung, die aufnahmefähigist für Unterkammern, die ihrerseits frei für Besetzungen sind. Was immer ist, ist in etwas 'drin'. Und was immer als ein Mensch 'Darinnen' ist, schaut, hört und spricht aus sich 'heraus' und selten von wo anders her, und wenn, dann hat man es mit mystischen oder psychiatrisch bedenklichen Phänomenen zu tun, mit Abweichungen jedenfalls, die die Normalität des 'Aus-dem-Drinnen-Heraus' bestätigen. Und: Derjenige, der darinnen haust, ist - so die konventionelle Vorstellung - ein Jemand, ist eine Singularität, also eine Einmaligkeit und Einzigartigkeit, die selbst dann gegeben ist, wenn sie weder bedacht noch mitgeteilt werden kann.Es sind solche (und anrainende) Vorstellungen, die in diesem Buch einer 'De-Konventionalisierung' unterzogenwerden sollen, aber nicht im Sinne von leicht zu habenden Tabu-Brüchen, nicht im Sinne einer Negation, die vielleicht eher eine 'Privation' wäre wie in der wunderbarenFormulierung Rimbauds: 'Je est un autre'. Statt dessen steht die Frage im Mittelpunkt, ob es gelingenkann, eine selbst im Scheitern noch instruktive Theoriezu entwickeln, die sich mit dem befaßt, womit man sich befaßt, wenn man sich mit sich selbst befaßt. Oder anders ausgedrückt: Ist die Systemtheorie strukturreich genug, um das Problem psychischer Selbstreferenz, zugespitztauf das, was als personale Identität behandelt wird, vom Kopf auf die Füße zu stellen?

Peter Fuchs hat bei Velbrück Wissenschaft veröffentlicht: Die Metapher des Systems. Studien zu der allgemein leitenden Frage, wie sich der Tänzer vom Tanz unterscheiden lasse (2001); Der Sinn der Beobachtung. Begriffliche Untersuchungen (2004); Das Gehirn ist genauso doof wie die Milz (2005); Die Psyche. Studien zur Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt (2005); Das Maß aller Dinge. Eine Abhandlung zur Metaphysik des Menschen (2007); Das System SELBST. Eine Studie zur Frage: Wer liebt wen, wenn jemand sagt: »Ich liebe Dich!«? (2010); Der Papst und der Fuchs. Eine fabelhaft unaufgeregte Unterhaltung (2012); DAS Sinnsystem (2015).

InhaltsübersichtI. PrologII. Die Operation der BeobachtungA Die OperationB Die BeobachtungIII. Das Selbst - psychischA Erste BestimmungsstückeB. Innen-SprechenC. Die soziale AdresseD. Die psychische AdresseIV. Das SELBST - modernA. Symptome der De-IndividualisierungB. Die De-Präzisierung der sozialen AdresseC. Das Unjekt SELBSTD. Das Selbst - phantasmatischE. Das System SELBST - organisationalF. Coda speculativaEpilog

Erscheint lt. Verlag 3.5.2010
Sprache deutsch
Maße 140 x 222 mm
Gewicht 540 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Hardcover, Softcover / Soziologie • Kommunikationstheorie • Liebe • Philosophie • Psychologie • Selbst • Soziologie
ISBN-10 3-938808-79-9 / 3938808799
ISBN-13 978-3-938808-79-5 / 9783938808795
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Was leistet die Gesellschaftstheorie?

von Martin Bauer; Andreas Reckwitz; Hartmut Rosa

Buch | Hardcover (2021)
Suhrkamp (Verlag)
28,00

von Dietmar J. Wetzel

Buch | Softcover (2023)
Herbert von Halem Verlag
16,00