So endet die Demokratie - David Runciman

So endet die Demokratie

(Autor)

Buch | Hardcover
232 Seiten
2020
Campus (Verlag)
978-3-593-51161-0 (ISBN)
19,95 inkl. MwSt
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Demokratie in der Midlife-Crisis
Alles hat ein Ende: Was für das menschliche Leben gilt, trifft auch auf politische Systeme zu. Zwar haben die westlichen Demokratien heute ihren Zenit überschritten, aber sie sind noch nicht an ihr Ende gelangt. Sie stecken in der Midlife-Crisis, sind erschöpft und schwerfällig.

Donald Trump wird die Demokratie nicht zugrunde richten, so ist David Runciman überzeugt. Viel gefährlicher wird ihr Mark Zuckerberg, der ein System geschaffen hat, das sich von den demokratischen Institutionen nicht mehr kontrollieren lässt. Die Demokratie könnte also eines Tages Opfer des technologischen Fortschritts werden, durch Gewalt oder eine ökologische Katastrophe zu Fall gebracht werden.

Dabei stimmt David Runciman nicht in den üblichen Abgesang ein. Ruhig, besonnen und ungewöhnlich elegant beschreibt er die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Demokratie. Sein Buch handelt von ihren Stärken und Schwächen und entwirft verschiedene Szenarien, wie es nach ihrem Ende weitergehen könnte.

David Runciman ist Professor für Politikwissenschaft an der University of Cambridge. Er schreibt regelmäßig für den Guardian und die London Review of Books und ist bekannt für seinen Podcast Talking Politics.

INHALT
VORWORT DAS UNDENKBARE DENKEN 7
EINLEITUNG 20. JANUAR 201715
KAPITEL 1 PUTSCH! 29
KAPITEL 2 KATASTROPHE! 81
KAPITEL 3 TECHNOLOGISCHE ÜBERNAHME! 117
KAPITEL 4 ETWAS BESSERES? 159
SCHLUSS SO ENDET DIE DEMOKRATIE 199
EPILOG20. JANUAR 2053 211
ANMERKUNGEN 217
BIBLIOGRAFISCHE HINWEISE 223
DANKSAGUNG 229

»Erfrischend klug (...) eine wunderbare Lektüre.« Guardian»Er ist klar und kraftvoll.« Financial Times»Eines der brillantesten und intelligentesten Bücher über Politik seit vielen Jahren.« New Statesman»Mark Zuckerberg ist noch gefährlicher als Donald Trump« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.2020»Ein erstaunliches, lesenswertes Buch.« Klaus Vater, Blog der Republik, 27.03.2020»Ein anregendes und (...) gerade jetzt hoch aktuelles Buch.« Jens Balzer, Deutschlandradio Kultur, 30.03.2020»David Runciman analysiert in seinem Buch "So endet die Demokratie" scharf und geistreich die Probleme anno 2020.« Andreas Gebbink, WAZ, 06.05.2020»Ein gut geschriebener Essay, der die [aktuellen Probleme der Demokratie] paradox zuspitzt. [...] Runciman spielt einfach Möglichkeiten durch und legt seinen Finger in jede denkbare Wunde.« Martin Hubert, Deutschlandfunk Andruck, 29.06.2020»In pointierten Überlegungen geht Runciman krisenhaften Entwicklungen nicht erst seit Ende des Kalten Krieges nach.« Micha Brumlik, Frankfurter Rundschau, 15.07.2020

»In pointierten Überlegungen geht Runciman krisenhaften Entwicklungen nicht erst seit Ende des Kalten Krieges nach.«
Micha Brumlik, Frankfurter Rundschau, 15.07.2020

»Erfrischend klug (...) eine wunderbare Lektüre.«
Guardian

»Er ist klar und kraftvoll.«
Financial Times

»Eines der brillantesten und intelligentesten Bücher über Politik seit vielen Jahren.«
New Statesman

»Mark Zuckerberg ist noch gefährlicher als Donald Trump«
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.2020

»Ein erstaunliches, lesenswertes Buch.«
Klaus Vater, Blog der Republik, 27.03.2020

»Ein anregendes und (...) gerade jetzt hoch aktuelles Buch.«
Jens Balzer, Deutschlandradio Kultur, 30.03.2020

»David Runciman analysiert in seinem Buch „So endet die Demokratie“ scharf und geistreich die Probleme anno 2020.«
Andreas Gebbink, WAZ, 06.05.2020


»Ein gut geschriebener Essay, der die [aktuellen Probleme der Demokratie] paradox zuspitzt. […] Runciman spielt einfach Möglichkeiten durch und legt seinen Finger in jede denkbare Wunde.«
Martin Hubert, Deutschlandfunk Andruck, 29.06.2020

Vorwort

DAS UNDENKBARE DENKEN

Nichts währt ewig. Es war immer klar, dass die Demokratie irgendwann nur noch in Geschichtsbüchern zu finden sein wird. Niemand, nicht einmal Francis Fukuyama – der bereits 1989 das Ende der Geschichte verkündete –, glaubte, ihre Vorzüge machten sie unsterblich. Aber bis vor Kurzem dachten wohl die meisten Bürgerinnen und Bürger westlicher Demokratien, das Ende liege in weiter Ferne. Sie dürften nicht erwartet haben, dass es zu ihren Lebzeiten eintreten könnte. Nur sehr wenige hätten sich vorstellen können, dass es vor ihren Augen passiert.

Und doch stellt sich uns nun, kaum zwei Jahrzehnte nach Beginn des 21. Jahrhunderts, wie aus dem Nichts die Frage: Endet so die Demokratie?

Wie vielen anderen drängte sich mir diese Frage erstmals auf, als Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Es erschien mir wie die reductio ad absurdum der demokratischen Politik, um einen Begriff der Philosophie zu entlehnen: Jeder Prozess, der zu einem derart lächerlichen Ergebnis führt, muss irgendwo gründlich schiefgegangen sein. Wenn Trump die Antwort ist, stellen wir einfach nicht mehr die richtige Frage. Aber es ist nicht nur Trump: Seine Wahl ist symptomatisch für ein überhitztes politisches Klima, das offenbar zunehmend von Instabilität, Misstrauen und Intoleranz, von wilden Anschuldigungen und Internetschikanen geprägt ist – ganz als ob sich Gehörlose gegenseitig mit Getöse bombardieren. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in vielen Ländern scheint die Demokratie allmählich ins Wanken zu geraten.

Eines möchte ich gleich zu Anfang klarstellen: Ich glaube nicht, dass Trumps Einzug ins Weiße Haus das Ende der Demokratie bedeutet. Die demokratischen Institutionen der USA sind darauf angelegt, alle erdenklichen Holperstrecken zu überstehen, und Trumps seltsame, erratische Präsidentschaft liegt nicht jenseits der Grenzen dessen, was sie überleben kann. Dass auf seine Amtszeit etwas relativ Normales folgt, ist wesentlich wahrscheinlicher, als dass etwas noch Abwegigeres auf uns zukommt. Aber Trumps Einzug ins Weiße Haus stellt eine unmittelbare Herausforderung dar: Was würde ein Scheitern der Demokratie in einem Land wie den Vereinigten Staaten tatsächlich bedeuten? Was könnte eine etablierte Demokratie nicht überleben? Wir wissen jetzt, dass wir anfangen sollten, diese Fragen zu stellen. Aber wir wissen sie nicht zu beantworten.

Unsere politische Fantasie ist auf Bilder festgelegt, wie das Scheitern der Demokratie aussehen könnte. Wir sind in der Vorstellungswelt des 20. Jahrhunderts gefangen und greifen auf die dreißiger oder die siebziger Jahre zurück, wenn wir uns ausmalen, was passiert, wenn eine Demokratie auseinanderbricht: Panzer auf den Straßen, Westentaschendiktatoren, die Botschaften nationaler Einheit brüllen und Gewalt und Repression im Schlepptau haben. Trumps Präsidentschaft hat weithin Vergleiche mit früheren Tyrannen ausgelöst. Man hat uns gewarnt, uns nicht in dem sicheren Glauben zu wiegen, so etwas könne nie wieder passieren. Aber was ist mit der anderen Gefahr: Während wir nach den bekannten Anzeichen des Scheiterns Ausschau halten, schlagen unsere Demokratien auf eine Weise fehl, die uns nicht vertraut ist. Das erscheint mir als das größere Risiko. Ich halte es nicht für sonderlich wahrscheinlich, dass wir in die dreißiger Jahre zurückfallen. Faschismus, Gewalt und Weltkrieg stehen nicht vor der Tür. Unsere Gesellschaften sind heute ganz anders – zu reich, zu alt, zu vernetzt – und unser kollektives historisches Wissen, was damals schiefgegangen ist, ist zu fest verankert. Wenn die Demokratie endet, werden wir vermutlich überrascht sein, wie es passiert. Vielleicht bemerken wir nicht einmal, dass es geschieht, weil wir auf die falschen Stellen achten.

Die Politikwissenschaft hat gegenwärtig wenig darüber zu sagen, wie die Demokratie in Zukunft scheitern könnte, weil sie sich zu stark mit einer anderen Frage beschäftigt: Wie etabliert sich eine Demokratie überhaupt? Das ist verständlich. Bei der Verbreitung der Demokratie auf der Welt folgt auf zwei Schritte vorwärts häufig ein Schritt zurück. In Teilen Afrikas, Lateinamerikas oder Asiens wird zögerlich die Demokratie eingeführt, dann wird sie durch einen Staatsstreich oder Militärputsch hinweggefegt, bis jemand es erneut versucht. So ist es in Ländern von Chile über Südkorea bis Kenia passiert. Eines der zentralen Rätsel der Politikwissenschaft ist die Frage, was dazu führt, dass die Demokratie sich hält. Im Grunde ist es eine Frage des Vertrauens: Menschen, die durch eine Wahl etwas zu verlieren haben, müssen glauben, dass es sich lohnt, bis zum nächsten Mal durchzuhalten. Die Reichen müssen darauf vertrauen, dass die Armen ihnen ihr Geld nicht wegnehmen. Die Soldaten müssen darauf vertrauen, dass die Zivilisten ihnen ihre Waffen nicht abnehmen. Häufig schwindet dieses Vertrauen. Dann zerbricht die Demokratie. Folglich deuten Politologen das Scheitern der Demokratie in der Regel als »Rückfall«. Eine Demokratie fällt auf einen Punkt zurück, bevor dauerhaftes Vertrauen in ihre Institutionen etabliert werden konnte. Deshalb schauen wir uns frühere Beispiele für das Scheitern von Demokratien an, um herauszufinden, was nun schiefgehen könnte. Wir nehmen an, das Ende der Demokratie würde uns zum Anfang zurückbringen. Der Entstehungsprozess würde sich umkehren.

In diesem Buch möchte ich einen anderen Blickwinkel einnehmen. Wie würde politisches Scheitern in Gesellschaften aussehen, in denen das Vertrauen in die Demokratie so tief ist, dass es nur schwer zu erschüttern ist? Die Frage für das 21. Jahrhundert lautet, wie lange können wir mit institutionellen Arrangements durchhalten, auf die zu vertrauen wir so gewöhnt sind, dass wir es gar nicht merken, wenn sie nicht mehr funktionieren. Zu diesen Einrichtungen gehören reguläre Wahlen als Grundlage demokratischer Politik, aber auch demokratische Gesetzgebungsorgane, unabhängige Gerichte und eine freie Presse. Sie alle können ordnungsgemäß funktionieren und doch nicht mehr das leisten, was sie leisten sollten. Eine ausgehöhlte Demokratie läuft Gefahr, uns in einem falschen Gefühl der Sicherheit einzulullen. Wir könnten weiterhin auf sie vertrauen und Rettung von ihr erwarten, obwohl wir vor Wut über ihre Unfähigkeit kochen, ihrem Auftrag gerecht zu werden. Die Demokratie könnte also scheitern, obwohl sie intakt bleibt.

Diese Analyse mag in Gegensatz zum verbreiteten Gerede über den Vertrauensverlust in die demokratische Politik und die Politiker in den westlichen Gesellschaften stehen. Es stimmt, dass viele Wähler ihren Vertretern mehr Abneigung und Misstrauen denn je entgegenbringen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrauensverlust, der Menschen dazu veranlasst, zu Waffen zu greifen. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie ihr Vertrauen verspielt wurde, die sie verzweifelt die Arme hochreißen lässt. Solches Verhalten kann die Demokratie lange überstehen. Wo es endet, ist eine ungeklärte Frage, die ich zu beantworten versuchen möchte. Aber es endet nicht in den dreißiger Jahren. Wir sollten nicht wie Benjamin Button davon ausgehen, dass Altes wieder jung wird, auch wenn es mehr Erfahrung sammelt. Die Geschichte kehrt sich nicht um. Es stimmt zwar, dass westliche Demokratien sich heute auf eine Weise verhalten, in der einige der finstersten Momente der Vergangenheit aufscheinen – allen, die in Charlottesville, Virginia, die Demonstranten mit Hakenkreuzen durch die Straßen ziehen sahen und den Präsidenten der Vereinigten Staaten anschließend sagen hörten, beide Seiten hätten Schuld, denen mag verziehen sein, wenn sie das Schlimmste fürchten. Aber so schlimm diese Ereignisse auch sind, handelt es sich dabei doch nicht um die Vorboten einer Rückkehr zu Verhältnissen, von denen wir glaubten, sie hinter uns gelassen zu haben. Wir haben das 20. Jahrhundert tatsächlich hinter uns gelassen. Wir brauchen einen anderen Bezugsrahmen.

Daher möchte ich eine andere Analogie vorschlagen, die zwar nicht perfekt ist, aber hoffentlich die Argumentation dieses Buches verständlich zu machen hilft. Die westlichen Demokratien befinden sich in einer Midlife-Crisis. Das soll das, was passiert, keineswegs verharmlosen: Solche Krisen können verheerend und sogar tödlich sein. Und hier handelt es sich um eine ausgewachsene Krise. Aber man sollte sie in Relation zur Erschöpfung der Demokratie sowie zu ihrer Volatilität und zur derzeit feststellbaren Selbstgefälligkeit und Wut sehen. Zu den Symptomen einer Midlife-Crisis gehören Verhaltensweisen, die wir vielleicht mit erheblich jüngeren Menschen in Verbindung bringen. Es wäre allerdings ein Fehler, anzunehmen, man könne die Vorgänge begreifen, indem man untersucht, wie sich junge Leute verhalten.

Wenn ein Mann mittleren Alters, dem es schlecht geht, sich aus einem Impuls heraus ein Motorrad kauft, kann es gefährlich sein. Wenn er wirklich Pech hat, endet es in einem Feuerball. Allerdings ist es nicht annähernd so riskant, wie wenn ein Siebzehnjähriger sich ein Motorrad kauft. Meist ist es einfach nur peinlich. Das Midlife-Motorrad wird ein paar Mal gefahren und steht letztlich am Straßenrand herum. Vielleicht wird es verkauft. Die Krise muss auf andere Art bewältigt werden, wenn sie sich denn überhaupt bewältigen lässt. Die amerikanische Demokratie befindet sich im krisenhaften mittleren Alter. Donald Trump ist das Motorrad. Es könnte nach wie vor in einem Feuerball enden. Wahrscheinlicher ist, dass die Krise anhält und auf andere Art bewältigt werden muss, wenn sie sich denn überhaupt bewältigen lässt.

Mir ist klar, dass es selbstgefällig klingen mag, so über die Krise der Demokratie zu reden, zumal, wenn es von einem privilegierten weißen Mann mittleren Alters kommt. Sich so zu verhalten, ist ein Luxus, den sich viele auf der Welt nicht leisten können. Es handelt sich um Probleme der Ersten Welt. Die Krise ist zwar real, in gewisser Weise ist sie aber auch ein Witz. Deshalb ist es so schwer abzusehen, wie sie enden wird. Wenn man nicht am Anfang oder am Ende eines Lebens, sondern irgendwo in der Mitte in eine Krise gerät, fühlt man sich gleichzeitig vorwärtsgedrängt und rückwärtsgezogen. Vorwärts drängt uns der Wunsch nach etwas Besserem. Rückwärts zieht uns das Widerstreben, etwas aufzugeben, was uns bis hierher gebracht hat. Dieses Widerstreben ist verständlich: Die Demokratie hat uns gute Dienste geleistet. Ihr Reiz besteht in ihrer Fähigkeit, Gesellschaften langfristig zu nutzen und den einzelnen Bürgern eine Stimme zu verleihen. Das ist eine hervorragende Kombination. Es ist durchaus nachvollziehbar, warum wir das nicht aufgeben wollen, zumindest jetzt noch nicht. Allerdings könnte es sein, dass sich nicht die Wahl zwischen dem gesamten demokratischen Paket und einem antidemokratischen Alternativpaket stellt. Vielmehr könnten die Elemente, die Demokratie so attraktiv machen, durchaus weiter funktionieren, aber nicht mehr zusammenwirken. Das gesamte Paket bricht auseinander. Wenn das Leben eines Menschen aus den Fugen gerät, sagen wir, er zerbreche. Gegenwärtig sieht es so aus, als zerbreche unsere Demokratie. Das bedeutet keineswegs, dass sie sich nicht reparieren ließe. Noch nicht.

Was unterscheidet die gegenwärtige Krise der Demokratie von früheren, die sie durchgemacht hat, als sie noch jünger war? Meiner Ansicht nach gibt es drei grundlegende Unterschiede. Erstens hat politische Gewalt nicht mehr die gleiche Bedeutung, die sie für frühere Generationen besaß. Westliche Demokratien sind im Grunde friedliche Gesellschaften, das heißt, dass unsere destruktivsten Impulse sich auf andere Art manifestieren. Selbstverständlich gibt es nach wie vor Gewalt. Aber sie findet in den Randbereichen unserer Politik und in den Tiefen unserer Fantasie statt, ohne je in den Kern vorzudringen. Sie ist das Gespenst in dieser Geschichte. Zweitens hat sich die Katastrophengefahr verändert. Hatte die Aussicht auf eine Katastrophe früher eine mobilisierende Wirkung, so scheint sie nun eher zu lähmen. Wir erstarren angesichts unserer Ängste. Drittens hat die Revolution der Informationstechnologie die Bedingungen verändert, unter denen Demokratie stattfinden muss. Wir sind von Kommunikationsformen und Arten der Informationsvermittlung abhängig geworden, die wir weder kontrollieren noch völlig verstehen. All diese Merkmale unserer Demokratie haben damit zu tun, dass sie älter wird.

Mein Buch gliedert sich um drei Themen: Putsch, Katastrophe und technologische Übernahme. Ich beginne mit Putschen – den Standardmarkern des Scheiterns von Demokratien –, um zu fragen, ob eine bewaffnete Übernahme demokratischer Institutionen nach wie vor eine realistische Möglichkeit darstellt. Wenn nicht, wie könnte die Demokratie untergraben werden, ohne dass ein Gewalteinsatz notwendig wäre? Würden wir überhaupt wahrnehmen, dass es passiert? Die Verbreitung von Verschwörungstheorien ist ein Symptom unserer wachsenden Unsicherheit, wo die Gefahr eigentlich liegt. Putsche erfordern Verschwörungen, weil sie von kleinen Gruppen im Geheimen geplant werden müssen, da sie sonst nicht funktionieren. Ohne sie bleiben uns nur die Verschwörungstheorien, die nichts ändern.

Als nächstes befasse ich mich mit dem Katastrophenrisiko. Die Demokratie wird scheitern, wenn alles andere auseinanderbricht: Atomkrieg, verheerender Klimawandel, Bioterrorismus, Killerroboter – all das könnte der demokratischen Politik ein Ende setzen, obwohl das dann unsere geringste Sorge wäre. Wenn etwas wirklich furchtbar schiefgeht, werden die verbliebenen Menschen zu sehr mit dem Überlebenskampf beschäftigt sein, um sich sonderlich um Wahlen für eine Veränderung zu kümmern. Aber wie groß ist das Risiko, dass die Demokratie angesichts dieser Bedrohungen ohnehin ihre Lebendigkeit verliert und wir uns durch Unentschlossenheit paralysiert sehen?

Anschließend erörtere ich die Möglichkeit einer technologischen Übernahme. Intelligente Roboter sind noch um einiges entfernt. Aber semiintelligente Maschinen auf niedrigem Niveau, die für uns Daten sammeln und heimlich Entscheidungen treffen, für die wir zu beschäftigt sind, infiltrieren allmählich unser Leben. Mittlerweile verfügen wir über Technologien, die mehr Effizienz denn je versprechen und von Unternehmen kontrolliert werden, die weniger rechenschaftspflichtig sind, als es in der modernen politischen Geschichte je der Fall war. Werden wir die demokratische Verantwortung diesen neuen Kräften überlassen, ohne uns auch nur von ihr zu verabschieden?

Schließlich frage ich, ob es sinnvoll wäre, die Demokratie durch etwas Besseres zu ersetzen. Eine Midlife-Crisis kann darauf hindeuten, dass wir wirklich etwas ändern müssen. Wenn wir in eingefahrenen Bahnen feststecken, warum machen wir dann nicht einen sauberen Schnitt mit dem, was uns so elend macht? Churchill nannte die Demokratie einmal das schlechteste Regierungssystem, abgesehen von allen anderen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert wurden. Das sagte er 1947, also vor langer Zeit. Gab es seitdem tatsächlich nichts Besseres, das man hätte probieren können? Ich werde einige Alternativen erörtern, von autoritären Regimen des 21. Jahrhunderts bis hin zum Anarchismus des 21. Jahrhunderts.

Abschließend stelle ich Überlegungen an, wie die Geschichte der Demokratie tatsächlich enden könnte. Meiner Ansicht nach wird sie nicht in einem einzelnen Endpunkt münden. Angesichts ihrer äußerst unterschiedlichen Erfahrungen werden Demokratien in verschiedenen Teilen der Welt auch weiterhin unterschiedliche Wege einschlagen. Dass die amerikanische Demokratie Trump überleben kann, heißt noch nicht, dass die türkische Demokratie Erdoğan übersteht. In Afrika könnte die Demokratie eine Blüte erfahren, während sie in Teilen Europas zu scheitern beginnt.

Erscheinungsdatum
Übersetzer Ulrike Bischoff
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Original-Titel How Democracy Ends
Maße 144 x 221 mm
Gewicht 409 g
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Systeme
Schlagworte Autokratie • Demokratiekrise • Demokratie stärken • Demokratieverständnis • Demokratische Kultur • Europa • how democracy ends • Krise • Liberalismus • Mark Zuckerberg • Politik • Populismus • Rechtsextremismus • Rechtsperspektiven • Trump • Vereinigte Staaten • Westen • Zivilgesellschaft
ISBN-10 3-593-51161-4 / 3593511614
ISBN-13 978-3-593-51161-0 / 9783593511610
Zustand Neuware
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