Liturgik (eBook)

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2021 | 1. Auflage
672 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-19549-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Liturgik -  Alexander Deeg,  David Plüss
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Alle Aspekte des Gottesdienstes
Gottesdienst und Liturgie sind in den zurückliegenden Jahren wieder deutlich stärker in den Fokus der innerkirchlichen Wahrnehmung und wissenschaftlichen Diskussion getreten. Kurse zur Einübung einer stärkeren »liturgischen Präsenz«, die Wiederentdeckung von Geste und Ritual neben dem Wort oder das umfängliche Nachdenken über »Musik im Gottesdienst« sind hier nur Stichworte.
Dieses Lehrbuch bietet in ökumenischer Perspektive umfassendes liturgisches Wissen zur Geschichte und Gegenwart des Gottesdienstes, zu seinen verschiedenen Stationen und Gestalten sowie zu den Herausforderungen, vor denen liturgische Praxis heute steht.
  • Die Fortsetzung der erfolgreichen Lehrbuchreihe
  • Anregungen für die liturgische Praxis
  • Den evangelischen Gottesdienstablauf verstehen


Alexander Deeg, geb. 1972, Prof. Dr., lehrt Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig und ist Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der VELKD.

1. Einleitung

1.1 Ziel und Konzept dieses Lehrbuchs

Liturgische Bildung, Reflexions- und Handlungskompetenz erwirbt man nicht allein durch die Lektüre von Lehrbüchern, sondern mehr noch durch das Feiern von Gottesdiensten. Dies gilt für alle, die in einem Gottesdienst mitwirken, ob sie ihn vorbereiten, gestalten und anleiten oder nur teilnehmen. Wir alle wurden durch vielerlei Gottesdienste geprägt, die uns beeindruckt oder irritiert haben. Liturgische Bildung erwirbt man zunächst mittels mimetischer Prozesse: durch Wahrnehmen und Wiederholen, Variieren und Aneignen liturgischen Verhaltens. Prägender als Lehrbücher und Vorlesungen über liturgiewissenschaftliche Themen sind für die Vikar*innen ihre Ausbildungspfarrer*innen und deren liturgischer Habitus: die Art und Weise, wie sie den Gottesdienst eröffnen und sich der Gemeinde zuwenden, wie sie beten und predigen, wie sie das Abendmahl austeilen und den Segen spenden. Entscheidend für die liturgische Bildung und deren Entwicklung sind darüber hinaus die Rückmeldungen aus der Gemeinde, von der Ausbildungspfarrerin oder vom Kollegen.

Für die professionelle Bildung von Liturg*innen ist indes von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die eigene biographische Prägung als auch die in sie eingeschriebenen körperlich-mimetischen Lernprozesse und Normen reflektiert und bearbeitet werden. Rückmeldungen aus der Gemeinde oder von Kolleg*innen gilt es auf deren Kriterien hin zu befragen und theologisch zu reflektieren. Dazu sind historische und systematisch-theologische, anthro-pologische und soziologische, materiale und gestalterische Kenntnisse in Bezug auf den Gottesdienst unabdingbar. Um diese soll es hier gehen. Sie sollen in einer verständlichen und zugleich hinreichend differenzierten Weise vorgestellt werden.

Und damit nicht genug. Denn wichtiger als die Vermittlung historischer Kenntnisse, theologischer Grundsätze und sozialwissenschaftlicher Theorien sind die Einübung und Schärfung liturgischer Wahrnehmungsfähigkeit. Darauf sind die folgenden Ausführungen letztlich ausgerichtet. Es geht uns um die Einübung in die Kunst der sensiblen und differenzierten Wahrnehmung und Reflexion liturgischer Vollzüge. Für den theologisch reflektierten Umgang mit Liturgie sind darum dichte Beschreibungen, die eine solche Wahrnehmung schulen, allemal dienlicher als Erklärungen. Wir werden deshalb die dargestellten Wissensbestände und Theorien immer wieder mit Beschreibungen exemplarischer Vollzüge verbinden.

Der Gegenstand dieses Lehrbuches ist die Gottesdienstkultur unserer Kirchen und Gemeinden, wie sie sich entwickelt hat und die liturgische Gegenwart bestimmt. Als Schweizer Reformierter und deutscher Lutheraner sind unsere Perspektiven beschränkt und zunächst auf die evangelische Gottesdienstlandschaft im deutschsprachigen Bereich bezogen (so sehr wir uns in diesem Buch immer wieder um Ausblicke und Seitenblicke in andere Gottesdienstkulturen bemühen). Aber bereits diese Landschaft ist vielfältig und umfasst nicht nur den traditionskontinuierlichen Sonntagsgottesdienst, sondern auch lebenszyklische Kasualfeiern (vor allem Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung) und jahreszyklische Festgottesdienste (Weihnachten, Ostern, Kirchweih), Stundengebete und Wochenpredigten, Gruppenfeiern und Segnungsgottesdienste, Schuleröffnungsgottesdienste oder eine Tsunami-Gedenkfeier. Die Liste wäre noch lange fortzusetzen. Es handelt sich um einen vielfältigen Gegenstand mit offenen Rändern. Diese liturgische Pluralität soll weder ignoriert noch vorschnell kritisiert und auf eine Normalform zurückgestutzt, sondern zunächst und vor allem aufmerksam wahrgenommen, reflektiert und evaluiert werden.

Wer vom Gottesdienst im Singular spricht, versieht den Singular mit einem doppelten Sinn: mit einer generischen und einer theologischen Bedeutung. Einerseits ist damit die Gattung Gottesdienst gemeint, die diesen als solchen beschreibbar und vergleichbar macht. Andererseits bringt die Rede vom Gottesdienst im Singular den Glauben oder die Hoffnung zum Ausdruck, dass die vielfältigen Gottesdienste verschiedener Kirchen, Denominationen und Gemeinden weltweit und durch die Jahrhunderte verbunden sind und eine theologisch bestimmbare Identität aufweisen.

Wir gehen in diesem Lehrbuch von der vorfindlichen liturgischen Praxis aus, identifizieren deren Eigenarten, Wirkkräfte und Problemlagen, reflektieren diese mit Bezug auf die biblischen Grundlagen und die Liturgiegeschichte, die Grammatik des Glaubens (Systematische Theologie) und die Anthropologie, um dadurch Kriterien zu gewinnen, die dazu verhelfen, den jeweiligen Gottesdienst, das liturgische Konzept einer Gemeinde oder liturgische Abläufe und Texte zu analysieren, zu beurteilen und gegebenenfalls zu verbessern.

Der Anspruch dieses Lehrbuchs ist somit bescheiden und ehrgeizig zugleich. Es verzichtet darauf, umfassend zu informieren, stellt aber den in der Liturgiewissenschaft erarbeiteten Wissensstoff in elementarisierter und konzentrierter Form dar. Wir schlagen in den folgenden Kapiteln Schneisen, die den kaum überblickbaren Wald christlicher Gottesdienste erkunden helfen und das Bewusstsein dafür schärfen, in welcher liturgischen Tradition eine bestimmte Feierform steht, welche theologischen Akzente realisiert und welche liturgischen Rollen wie besetzt und gespielt werden. Wer diesen Schneisen folgt, stößt auf historische und theologische, anthropologische und gestalterische Einblicke, Theorien und Analysen. Für die liturgische Bildung ist es unabdingbar, die erworbenen Kenntnisse und die verstandenen Theoriemodelle auf die konkrete liturgische Praxis zu beziehen. Wer darüber hinaus liturgiewissenschaftlich forschen und ins Unterholz historischer oder zeitgenössischer Liturgien eindringen will, muss weitere Literatur zur Hand nehmen und sich mit historischen, systematisch-theologischen oder sozialwissenschaftlichen Methoden der liturgischen Praxis annähern. Leseempfehlungen dazu geben wir in diesem Buch am Ende jeder thematischen Einheit.

1.2 Liturgik und Homiletik: eine vorläufige Verhältnisbestimmung

Liturgik, die Lehre vom Gottesdienst, und Homiletik, die Lehre von der Predigt, haben sich in der evangelischen Theologie der Moderne als zwei unterschiedene Disziplinen ausdifferenziert. Dies dokumentiert auch die Reihe, in der dieses Lehrbuch erscheint. Während sich die Homiletik mit der Predigt befasst, ist die Liturgik auf den Gottesdienst insgesamt bzw. auf sämtliche Teile desselben mit Ausnahme der Predigt bezogen. Allerdings hat sich im Protestantismus zunächst einzig die Homiletik als akademische Disziplin zu etablieren vermocht. Diese Fokussierung auf die Predigt hat historische Gründe, die bis in die Reformationszeit zurückreichen. Die Erneuerung des Gottesdienstes in Wittenberg und Zürich, Straßburg und Genf war von Anfang an weniger eine rituelle, als vielmehr eine theologische und hermeneutische. Das neue Verständnis des Evangeliums als Rechtfertigungsbotschaft, als Verkündigung der gottgegebenen Freiheit eines Christenmenschen, soll im Gottesdienst gehört, verstanden und beherzigt werden und bedarf somit der verständlichen Vermittlung. Die Predigt erhält dabei eine Zentralstellung. Das Abendmahl steht zwar im Zentrum des innerreformatorischen Streits zwischen Wittenberg und Zürich, erweist sich in der liturgischen Praxis der evangelischen Kirchen vielerorts aber als randständig und wurde bis ins 19. Jahrhundert in vielen Gegenden – lutherischen wie reformierten! – nur noch selten gefeiert. Eine gewisse Katechisierung und Pädagogisierung hielten Einzug in die Gottesdienstkultur Wittenbergs, aber auch in Zürich, Genf und Straßburg – mit Auswirkungen bis in die Gegenwart. Der Grundtypus des evangelischen Gottesdienstes war bis zu den konfessionellen Erneuerungen und liturgischen Aufbrüchen des 19. und 20. Jahrhunderts vielfach der Predigtgottesdienst und ist es in zahlreichen evangelischen Kirchen bis heute.

Diese protestantische Fokussierung auf die Verkündigung in Gestalt der Predigt wird nicht zuletzt daran deutlich, dass die Liturgik als praktisch-theologische Reflexion der rituellen oder sakramentalen Dimension des Gottesdienstes im etablierten Fächerkanon der theologischen Ausbildung bis vor wenigen Jahren kaum vorkam. Die protestantische theologische Grundbildung ist zunächst eine exegetische, historische und dogmatische. Sie soll die angehenden Verbi Divini Ministri bzw. Ministrae, die Diener und Dienerinnen des Wortes Gottes, zu schrift- und sachgemäßer Auslegung der Bibel befähigen. Dass diese Auslegung im Rahmen eines Gottesdienstes oder von Andachten und Unterrichtslektionen erfolgt, ist dabei so selbstverständlich wie – vermeintlich! – unproblematisch. Denn, so die Voraussetzung, wer den Inhalt erfasst hat, findet auch die passende Form der Vermittlung und der liturgischen Rahmung. Oder aber diese Rahmung ist als immer gleicher Ablauf behördlich erlassen und in Kirchenordnungen festgelegt.

Homiletische Seminare sind seit dem 19. Jahrhundert Bestandteil der meisten theologischen Curricula, allerdings als Appendix zur eigentlichen theologischen Bildung und als praktische Anwendung derselben – in Bern und Basel verantwortet durch den ersten Münster-Pfarrer oder den Inhaber eines exegetischen oder dogmatischen Lehrstuhls, je nach Fähigkeit, Neigung und Konstellation. Liturgik-Seminare dagegen gehörten bis vor Kurzem nicht zum Pflichtbestand evangelischer theologischer Bildung.

Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die Höherschätzung der Predigt gegenüber dem Rest des...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2021
Verlagsort Gütersloh
Sprache deutsch
Themenwelt Religion / Theologie Christentum Liturgik / Homiletik
Schlagworte Bibel und Gottesdienst • Christlicher Gottesdienst • eBooks • Formen der Liturgie • Geschichte • Judentum • Jüdischer Gottesdienst • Liturgie • Liturgiewissenschaft • Musik im Gottesdienst
ISBN-10 3-641-19549-7 / 3641195497
ISBN-13 978-3-641-19549-6 / 9783641195496
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