#GermanDream (eBook)

Wie wir ein besseres Deutschland schaffen
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
224 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-8007-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

#GermanDream -  Düzen Tekkal
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German Dream statt German Angst Was ist Deutschland heute? Wie wollen wir als Gesellschaft zusammenleben? Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als Kriegsberichterstatterin und Menschenrechtsaktivistin macht sich Düzen Tekkal stark für eine neue Art von Verfassungspatriotismus: für ein Bewusstsein der Kostbarkeit unserer demokratischen Werte, gepaart mit der Bereitschaft, für sie einzustehen, wenn sie bedroht werden. Für dieses Buch führte sie Gespräche mit prominenten Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Und sie erzählt Geschichten von Menschen, die sich ihren Traum von einem freien Leben verwirklicht haben und nun prägender Teil unserer Gesellschaft sind. Ein engagierter Aufruf, für die Werte des Grundgesetzes einzustehen und sich für das Gemeinsame in der Vielfalt starkzumachen. Enthält Gespräche mit Janina Kugel, Cem Özdemir, Wolfgang Schäuble u. a.

Düzen Tekkal ist Kurdin, Jesidin und Deutsche. Die renommierte Fernsehjournalistin und Filmemacherin wurde 1978 als eines von elf Kindern einer jesidischen Einwandererfamilie in Hannover geboren. Schon als Vierjährige nahm sie ihr Vater in den niedersächsischen Landtag mit. Die Frage, wie Integration gelingen kann, beschäftigt sie seit vielen Jahren. Für ihre Reportage »Angst vor den neuen Nachbarn«, in der sie jugendliche Straftäter mit Migrationshintergrund porträtiert, erhielt sie 2010 den Bayerischen Fernsehpreis. 2014 erlebte sie mit, wie der »Islamische Staat« (IS) im Nordirak ihr eigenes Volk verfolgte und ermordete. Das Leid, das sie dort mitansehen musste, hat sie in dem Dokumentarfilm »Háwar - Meine Reise in den Genozid« verarbeitet.Düzen Tekkal erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Preis »Frau Europas 2018«, den AJC-RAMER-Preis 2017 für ihren Einsatz zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten sowie den Courage-Preis für aktuelle Berichterstattung des Journalistinnenbunds 2016.

Ein Traum, der sich erfüllt: Die Bildungsinitiative German Dream


Alltäglicher und kultureller Rassismus


Die Debatte war überfällig. Mit dem Hashtag MeTwo schuf der Autor und Aktivist Ali Çan im Sommer 2018 eine Plattform, auf der Menschen mit Migrationshintergrund über ihre Erfahrungen mit alltäglichem oder auch strukturellem Rassismus berichten konnten. Tausende teilten ihre Geschichten. Sie alle verbindet, dass sie sich in zwei Welten gleichermaßen zu Hause fühlen. Sie wollen den Begriff »Heimat« sowohl auf Deutschland als auch auf das Land, aus dem sie selbst oder ihre Eltern stammen, bezogen wissen. Wer zwei Ichs besitzt, fühlt sich zwei (oder auch mehr) Gegenden, Kulturen, Sprachen zugehörig und will nicht vor die Wahl gestellt werden, sich für ein Ich entscheiden zu müssen.

Aber leider macht Rassismus genau das: Er legt erst fest und sortiert, dann grenzt er aus. Rassismus braucht stets Eindeutigkeit. Er scheidet das »Eigene« vom »Fremden« – wie auch immer beides jeweils definiert wird. Heimat in den Plural zu setzen käme ihm nie in den Sinn. Dass jemand zwei Ichs haben kann, erst recht nicht. Deshalb war jeder einzelne Beitrag auf #MeTwo eine Wortmeldung gegen den Versuch, Vielfalt durch Diskriminierung zu unterdrücken.

Alle Beiträge zusammen ergaben eine einzige große Geschichte der Ausgrenzung. Die »falsche« Haut- oder Haarfarbe kann genügen, dass einem die Tür eines Clubs vor der Nase zugeschlagen wird. Ein »falscher« Nachname kann darüber entscheiden, ob man zum Vorstellungsgespräch oder zur Wohnungsbesichtigung eingeladen wird. Ein »falscher« Vorname kann über eine schulische Laufbahn entscheiden. Wir wissen mittlerweile aus Studien, dass Lehramtsstudenten eine Ayşe oder einen Mustafa im Diktat schlechter bewerten als eine Josefine oder einen Maximilian, und zwar selbst dann, wenn ihre Arbeiten die identische Anzahl von Fehlern aufweisen.

Die Bildungswissenschaftlerin Aylin Karabulut hat diesen, wie sie es nennt, »kulturellen Rassismus« in der Schule eingehend erforscht. Schockierend oft werden Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte nicht als Individuen wahrgenommen, sondern aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Religion allein als Teil einer als homogen gedachten, mit negativen Stereotypen belegten Gruppe. Gerade für Jugendliche kann das gravierende Folgen haben, denn die Schullaufbahn entscheidet nicht selten über das ganze weitere Leben.

Nun geht es nicht darum, aus blindem Aktionismus Kinder mit Zuwanderungsgeschichte zu bevorzugen. Aber sie müssen die Chance bekommen, im Bildungssystem überhaupt Fuß zu fassen. Sie müssen Unterstützung erfahren und so die Möglichkeit haben, lernen und ihren Bildungshunger stillen zu können. Dieser Bildungshunger ist real. All die, die nicht satt sind und etwas beweisen wollen, verspüren ihn. Sie brennen darauf, voranzukommen, Neues kennenzulernen und sich selbst zu verwirklichen. Das nicht wertzuschätzen und Potenziale brachliegen zu lassen, ja manchmal ihre Entfaltung sogar gezielt zu torpedieren, ist mit das Schlimmste, was man jungen Menschen antun kann. Nichts legt Menschen mehr in Ketten, als ihnen das Gefühl zu geben, nicht gut genug zu sein.

Bei #MeTwo fand vieles Platz, was zu oft unter den Teppich gekehrt wird. Nicht nur der bis in die gesellschaftlichen Strukturen hineinreichende Rassismus. Es ging auch um den abschätzigen Blick, den wie beiläufig dahingesagten Satz oder die nur vermeintlich arglose Frage, die alle eine ganz bestimmte Botschaft transportieren: Du bist anders als wir, und daher gehörst du nicht zu uns. Auch ich meldete mich zu Wort und schilderte ein Erlebnis, das sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Als ich in der Grundschule war, besuchte ich einmal meine Freundin Daniela. Ihr Vater war auch daheim. Er musterte mich von oben bis unten, dann sagte er: »Du hast ja einen Schulranzen! Das geht nicht – Ausländer haben ALDI-Tüten!« Vielleicht hatte er es als Scherz gemeint, er traf mich mit seinen Worten aber bis ins Innerste. Fortan schämte ich mich für meine Geschwister, die beim Discounter einkaufen gingen. Selber setzte ich keinen Fuß mehr in einen ALDI-Markt, bis ich fast erwachsen war. Der Vater meiner Freundin sollte nicht recht behalten. Ich wollte nicht dem Bild des »typischen Ausländers« entsprechen. Erst viel später konnte ich die Bemerkung als eine typische Form von alltäglichem Rassismus einordnen.

Es geht nicht um Herkunft, sondern um Haltung


Und doch störte mich etwas an der #MeTwo-Debatte, störte mich sogar sehr. Das Bild, das sie zeichnete, kannte nur Schwarz und Weiß, keine Grautöne. Hier die autochthon Deutschen, Rassisten allesamt, dort die Migranten, ihre Opfer. Was stereotype Wahrnehmungen und Verhaltensweisen entlarven wollte, tappte oft selbst in die Falle pauschaler Zuschreibungen. Damit wollte ich mich nicht abfinden. Als kurdische Jesidin, also als Minderheit in der Minderheit, hatte ich meine heile Welt immer von beiden Seiten bedroht gesehen, von den autochthon Deutschen ebenso wie von den Migranten. Fielen diese Erfahrungen dann nicht ebenfalls unter #MeTwo? Davon war ich überzeugt. Ihr wollt über Rassismus und Diskriminierung reden? Okay, das machen wir! Aber dann lasst uns bitte auch ehrlich sein und die ganze Geschichte erzählen und es nicht bei einer Hälfte belassen.

Ich teilte Erfahrungen wie die oben geschilderte mit dem Vater meiner Freundin, doch ich erzählte auch, wie mich Migranten in der Schule angingen, wie sie mich abstempelten, wenn ich einen kurzen Rock trug, zu Fasching als »Disco-Mädchen« ging oder Schweinefleisch auf meinem Pausenbrot hatte: »Was bist du denn für eine Ungläubige? Bist du Deutsche, oder was?« Und das war natürlich als Beleidigung gemeint.

Oder da war jener noch gar nicht so lange zurückliegende Abend, an dem ich mit einigen Migrantinnen verabredet war und beim Betreten des Raums mit den Worten begrüßt wurde: »Ah, die Islam-Feindin ist da!« Auch unter dieses Erlebnis setzte ich »#MeTwo«, denn ich war aufgrund meiner Religionszugehörigkeit diskriminiert worden. Dass es Rassismus und Ausgrenzung in Deutschland gibt, steht außer Frage. Aber er kommt nicht immer nur aus der Ecke, aus der man ihn normalerweise erwartet. Darüber müssen wir diskutieren.

Integration beginnt im Kleinen, im Alltag. Wir sollten den Mut aufbringen, Zivilcourage zu zeigen, wenn es erforderlich ist. Zum Beispiel, indem wir uns einmischen, wenn die Frau, die im Supermarkt vor uns in der Schlange steht, nur deshalb vom Verkäufer von oben herab behandelt wird, weil sie gebrochen Deutsch spricht. Aber wir dürfen auch nicht schweigen, wenn eine Frau von jungen Männern mit Zuwanderungsgeschichte aufgrund ihrer Kleidung oder ihres selbstbewussten Auftretens sexualisiert und beleidigt wird. Beides gehört gleichermaßen verurteilt.

Ich gebe es zu – ich war und bin genervt davon, wie sich manche Migranten kollektiv die Opferrolle zuschreiben. Bizarrerweise handelt es sich dabei nicht selten um Leistungsträger unserer Gesellschaft. Also um Menschen, die es geschafft haben, sich ihren Traum zu erfüllen, und Journalistinnen, Politiker oder Verbandsvertreterinnen geworden sind; die sich jedoch nun selbst wieder auf ihre Herkunft und ihren vermeintlichen Opferstatus reduzieren.

Diese Haltung lässt sich auch bei (ehemaligen) Fußballern der deutschen Nationalmannschaft finden. Eine Erkenntnis zumindest hat die den Sommer 2018 beherrschende Debatte um Mesut Özil und Ilkay Gündogan und ihr Posieren mit Recep Tayyip Erdoğan zutage gefördert: Nicht unbedingt jeder, der das Trikot der deutschen Nationalelf getragen und einen Bambi in der Kategorie »Integration« erhalten hat, teilt auch unsere Werte. Ein anderer Fußballer aus der Türkei, einer mit kurdischen Wurzeln, nämlich Deniz Naki, hat das Foto, das Özil mit Erdoğan zeigt, so kommentiert: »Der Mensch, neben dem du heute stehst, der sorgt für den Rassismus in der Türkei. Der sorgt dafür, dass ich vom Spielerverband ausgeschlossen bin. Der sorgt dafür, dass Mordanschläge auf mich verübt werden. Wie stehst du denn dazu, Mesut Özil?«

Statt sich erst in Schweigen zu hüllen und dann in ausufernden Posts in den sozialen Medien zum Opfer von Rassismus zu stilisieren, hätte ich von Özil, wie von jedem anderen auch, eine Bereitschaft zur Selbstreflexion erwartet. Aber offensichtlich hatte er nicht begriffen, dass er nicht wegen seiner Herkunft kritisiert wurde, sondern wegen seiner Haltung. Leistung allein – die Özil ja ohne jeden Zweifel erbracht hat – bewirkt eben noch keine gelungene Integration. Es geht immer um Leistung und um Wertevermittlung. Wer sind wir? Wie möchten wir zusammenleben? Welche Werte sind dabei unverzichtbar?

Wir müssen uns diesen Fragen stellen und versuchen, Antworten auf sie zu finden, die jeden, der in diesem Land leben möchte, einbeziehen. Etwas klappt nicht so, wie ich es mir vorstelle? Weil ich Türke bin und Mesut heiße? Das ist zu einfach gedacht. Noch einmal: Ja, es gibt Rassismus. Ja, es gibt Benachteiligung. Und dagegen müssen wir uns wehren. Aber jeder Einzelne ist auch gefordert, selbst Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Das gilt für Ahmed aus dem Ruhrpott genauso wie für Ronny aus Pasewalk, der mit vielleicht ganz ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Ein anderes Narrativ


»Eine Geschichte über eine gelungene Integration ist keine Geschichte.« Diesem Grundsatz bin ich während meiner Arbeit beim Fernsehen zur Genüge begegnet. Beiträge über Migration, die ein Happy End haben, wolle keiner sehen, sagte man mir. So vielen – autochthon Deutschen wie Migranten – ist es in...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2020
Co-Autor Oliver Kobold
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Geisteswissenschaften Philosophie Ethik
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte aktivistin • Bestsellautorin • Bestseller • Bildung • Bildung für Alle • Bildungsanspruch • Bildungschancen • Bildungsinitiative • böse Zwillinge • Chancen • Chancengleichheit • Debattenbeitrag • deutsche Heimat • Digitalisierung • Diskriminierung • Extremismus • Fanatismus • Flüchtlinge • Flüchtlingskrise • Freiheit • Genozid • German Dream • GermanDream • Grundgesetz • HAWAR • Heimat • Integration • Integrationsdebatte • Irak • IS • Islamischer Staat • Jesiden • Jesidin • Kurdistan • Leistung • Menschenrechte • menschenrechtlerin • Migration • Migrationshintergrund • migrationsland • Minderheit • Nationalismus • Populismus • Radikalisierung • Rassismus • Rechtsextremismus • Rechtspopulismus • Religiöser Fanatismus • Traum • Verantwortung • Verfassungspatriotismus • Völkermord • Werte • Wertebotschafter • Wertebotschafterin • Wertedebatte • Zuwanderung
ISBN-10 3-8270-8007-X / 382708007X
ISBN-13 978-3-8270-8007-3 / 9783827080073
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