Relevanz (eBook)

Über den Erkenntniswert wissenschaftlicher Forschung

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
189 Seiten
Felix Meiner Verlag
978-3-7873-3862-7 (ISBN)

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Relevanz -  Lara Huber
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Relevanz ist ein Kernkriterium für die Bewertung von Forschungsansätzen wie auch von Forschungsergebnissen: Meteorologische Vorhersagen sollen über das Erscheinen eines Wetterphänomens zuverlässig Auskunft geben, Daten, die auf der Basis biomedizinischer Modelle erbracht wurden, sollen ein Krankheitsbild erklären helfen. Aber ist durch das gewählte Verfahren das Forschungsziel überhaupt erreichbar? Stehen andere Verfahren zur Verfügung und was leisten diese im Hinblick auf unsere Erkenntnisziele? Letzteres wird unter Umständen nicht nur durch die Frage mitentschieden, wozu, sondern eben auch, woran geforscht wird, das heißt, anhand welcher Ressourcen wir forschen oder auch auf welche Datengrundlage sich unser methodisches Vorgehen stützt. Lara Huber untersucht die Relevanzfrage in ihrer gesamten Breite: von der Begriffsgeschichte von »Relevanz« über die binnenwissenschaftliche Perspektive (wie bilden sich Relevanzkriterien in der Wissenschaft selbst?) bis hin zum politischen Diskurs über die Bewertung von Wissenschaft und Forschung.

Lara Huber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und lehrt als Privatdozentin an der Bergischen Universität Wuppertal.

Lara Huber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und lehrt als Privatdozentin an der Bergischen Universität Wuppertal.

Einleitung


Oftmals wird über den Erkenntniswert wissenschaftlicher Forschung eher abstrakt gesprochen oder dieser in der Regel aufgrund von standardisierten Erhebungs- und Prüfungsverfahren, die die wissenschaftliche Praxis heute prägen, pauschal unterstellt. In praktischer Hinsicht ist der Erkenntniswert das sprichwörtliche Zünglein an der Waage, das im Einzelnen darüber entscheidet, ob ein Forschungsansatz weiter verfolgt wird oder aber aufgegeben werden muss, wenn seine Relevanz im Hinblick auf die hiermit verfolgten Ziele nicht nachgewiesen werden kann.

Relevanz ist ein Kernkriterium für die Bewertung von Forschungsansätzen wie auch von Ergebnissen wissenschaftlicher Verfahren: Meteorologische Vorhersagen sollen über das Erscheinen eines Wetterphänomens zuverlässig Auskunft geben, Daten, die auf der Basis biomedizinischer Modelle erbracht wurden, sollen ein Krankheitsbild erklären helfen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nicht nur die Modelle, die diese Erkenntnisleistung nicht erbringen, sondern auch wissenschaftliche Ansätze, die sich auf diese stützen, streitbar werden: zum Beispiel wenn Ergebnisse, die im Tierversuch erzielt wurden, durch klinische Studien an Patienten nicht repliziert werden können. In Bezug auf die leitenden Ziele, allen voran, Patienten eine Therapie anbieten zu können, entfaltet der besagte Forschungsansatz folglich keinen Erkenntniswert, in anderen Worten: keine klinische Relevanz. Selbstverständlich gilt dies nicht nur für den Bereich der Biomedizin. Nehmen wir etwa den Fall geowissenschaftlicher Forschung, und zwar im Speziellen das Vorhaben, anhand eines Klimamodells zuverlässige Vorhersagen über bevorstehende Ereignisse zu treffen: Genau sollen diese Vorhersagen sein und belastbar. Sie sollen aber vor allem anderen eines tun: über relevante Ereignisse berichten.

Schon bevor Forschung beginnt, stellt sich die Frage nach der Relevanz: Was sind die Ziele von Forschung, sprich: Wozu wird im Einzelnen geforscht? Hinzu tritt die Frage, wie angesichts dieser Ziele zu forschen sei, also welche Methoden sich besonders gut eignen, um sie in den Blick zu nehmen. Sowie nicht zuletzt, welche Ergebnisse auf dieser Grundlage erwartbar sind: Erlauben sie, einen Sachverhalt zu erklären, liefern sie genauere Modelle, erhöhen sie die Zuverlässigkeit von Vorhersagen?

Dem Ideal nach schreitet Wissenschaft im Wissen voran – das schließt die Präzision theoretischer Modelle ebenso ein wie die Gewinnung methodischen Know-hows und nicht zuletzt – auch wenn dies oftmals vergessen wird – die kritische Reflexion der eigenen Deutungsmuster und der zur Wahl stehenden Verfahren, die diese zu explizieren erlauben (Theorie- und Methodenkritik). Die Frage nach dem Erkenntniswert ist, wie sich hier bereits andeutet, kaum von der Ermittlung der Erkenntnisleistung von Wissenschaft und ihren Methoden zu lösen. Forschung als wissenschaftsimmanente Praxis adressiert stets beides: ihre Relevanz und ihre sachliche Richtigkeit, auch: Adäquatheit oder neudeutsch: Signifikanz.

Die Frage nach der Erkenntnisleistung setzt wiederum die Beschäftigung mit den prinzipiellen wie auch den je spezifischen, methodischen Erkenntnisgrenzen wissenschaftlicher Forschung voraus: Ist durch das gewählte Verfahren das Forschungsziel erreichbar? Stehen andere Verfahren zur Verfügung und was leisten diese im Hinblick auf unsere Erkenntnisziele? Letzteres wird unter Umständen nicht nur dadurch mitentschieden, wozu, sondern eben auch woran geforscht wird, das heißt, anhand welcher Ressourcen wir forschen oder auch auf welche Datengrundlage sich unsere Untersuchung stützt. Davon abhängig ist nicht zuletzt die Frage, welchen Gesichtspunkten hierbei besondere Aufmerksamkeit zukommt: Die erste Frage betrifft das Thema oder das Ziel des Forschungsvorhabens, die zweite die materielle Grundlage wissenschaftlicher Forschung, sprich: welche konkreten Forschungsressourcen zum Einsatz kommen und ob hinreichend Ressourcen verfügbar sind. Die dritte Frage konkretisiert – basierend auf den gewählten materiellen und verfahrenstechnischen Grundlagen –, welche Gesichtspunkte im Rahmen des Forschungsdesigns im Einzelnen berücksichtigt werden können und welche, aufgrund des methodischen Zugriffs, aus der Untersuchung herausfallen. Man könnte auch vom spezifischen Fokus des Forschungsansatzes sprechen.

Illustrieren lässt sich dies beispielhaft an der Ausrichtung medizinischer Forschung: Um grundlegende Kenntnisse über ein Tumorleiden zu erhalten, wird heute etwa an humanen Zellkulturen geforscht. Der erste Halbsatz benennt die Frage, wozu geforscht wird, also das Ziel der Forschung, der zweite die materielle Grundlage, woran geforscht wird. Welche Gesichtspunkte erhalten hierbei besondere Beachtung? Der spezifische Fokus des Vorhabens kann etwa darin bestehen, die genetische Krankheitsverursachung zu untersuchen, das heißt den Anteil der genetischen Disposition an der Krankheitsentstehung (Tumorwachstum) zu bestimmen. Gehen wir im nächsten Schritt davon aus, dass durch diesen und andere Forschungsansätze erste vielversprechende Ergebnisse erbracht wurden und nun die Wirksamkeit eines neuartigen Therapeutikums ermittelt werden soll. Wir bleiben innerhalb der Biomedizin. Als materielle Grundlage wählen wir dieses Mal keine humanen Zellkulturen, sondern ausgewählte experimentelle Organismen, zum Beispiel Mäuse, die zuvor gezielt gentechnisch verändert wurden: Sie tragen jenen genetischen Marker, der nachweislich beim Menschen das Tumorleiden mitbedingt. Welche Gesichtspunkte erhalten nun besondere Beachtung? Im Einzelnen soll geprüft werden, ob der Antagonist auf die Pathogenese einwirken kann, ob er sie gar unterbindet. Ermittelt werden soll außerdem, ob er mit weiteren Wirkungen einhergeht, die den Gesundheitszustand oder auch das Wohlbefinden negativ beeinträchtigen können (»Nebenwirkungen«). Diese beiden hier recht grob skizzierten Beispiele werden als relevante Forschungsszenarien in der Krebsmedizin (Onkologie) gehandelt. Zusammengenommen werfen sie immer noch ein recht unvollständiges Schlaglicht auf reale Forschungs-zusammenhänge, die sich zwischen biomedizinischer Forschung einerseits und klinischer Forschung andererseits ausweisen lassen. Hierauf wird noch näher einzugehen sein. Gleichfalls deutet sich in den gewählten Beispielen bereits an, innerhalb welcher Zusammenhänge Relevanz im Forschungsalltag zum Thema werden kann.

Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet das Adjektiv relevant denjenigen Gesichtspunkt oder dasjenige Argument, dem wir zur Beantwortung einer Frage ein besonderes Gewicht, kurz Bedeutung, zumessen. Übertragen auf den wissenschaftlichen Kontext lässt sich diese Beobachtung zuspitzen: Als relevant gilt derjenige Gesichtspunkt, der sich aus der Masse aller übrigen Gesichtspunkte heraushebt. So wird etwa festgestellt, dass ein Sachverhalt »a« relevant sei für die Beantwortung der Frage »x«. Getragen wird diese Bewertung durch den jeweiligen fachwissenschaftlichen Hintergrund, den wir als Forschende mitbringen, indem wir das Phänomen aus der Warte eines bestimmten theoretischen Modells (Krankheitstheorie) und geleitet durch unser Erfahrungswissen im praktischen Sinne betrachten. Die Relevanz selbst zum Thema zu machen, in anderen Worten: die Relevanzfrage zu stellen, heißt also nicht zuletzt Muster oder Schemata der Deutung dezidiert zu würdigen und damit – im konsequentesten Fall – deren Aktualität und Geltung kritisch zu befragen. Ziel der Untersuchung ist es, anhand ausgewählter Beispiele wissenschaftlicher Forschung zu erläutern, wann Relevanz als Kriterium der Bewertung von Forschungsdesigns und ihren Hintergrundannahmen wie auch von Ergebnissen der Forschung, um mit Alfred Schütz zu sprechen, »thematisch« wird und sich in der Folge als Problem der Relevanzermittlung darstellt. Entsprechend vielschichtig wird sich das Konzept der Relevanz und die hiermit assoziierten praktischen Probleme der Relevanzermittlung im Kontext wissenschaftlicher Forschung erweisen.

Der erste Teil der Untersuchung führt in die Begriffsgeschichte ein und stellt zwei Perspektiven, die für das Verständnis des Relevanzproblems im wissenschaftlichen Kontext und darüber hinaus leitend sind, näher vor.

Hieran schließt mit dem zweiten Teil die eigentliche Analyse erkenntnistheoretischer und wissenschaftsphilosophischer Grundlagen zeitgenössischer Forschung an. Sie würdigt grundsätzliche Gesichtspunkte, die bei der Konzeption, bei der Durchführung sowie bei der Anwendung von Forschung eine maßgebliche Rolle spielen. Veranschaulicht werden diese anhand von ausgewählten Fallbeispielen. Im Einzelnen wird es um Forschungsdesiderate der Krebsforschung und der Klimaforschung gehen. Beide Bereiche eignen sich besonders gut, das Spannungsfeld zwischen Konzeption und Durchführung einerseits und Konzeption und Anwendung andererseits facettenreich darzulegen. Deutlich werden wird auch, dass die thematische und auch die methodisch-technische Ausrichtung von anwendungsorientierten Forschungsbereichen nicht zuletzt auf Desiderate der Grundlagenwissenschaften zurückwirken kann. Die Analyse wird folglich...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2020
Reihe/Serie Blaue Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Schlagworte Begriffsgeschichte • Wissenschaftspolitik • Wissenschaftstheorie
ISBN-10 3-7873-3862-4 / 3787338624
ISBN-13 978-3-7873-3862-7 / 9783787338627
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