Ich liebe einen Asperger! (eBook)

Unsere Partnerschaft, unsere Kinder und das Asperger-Syndrom
eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
192 Seiten
Trias (Verlag)
978-3-432-11679-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich liebe einen Asperger! -  Bob Fischer,  Corinna Fischer
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<p><strong>Liebe im Autismus-Spektrum</strong></p> <p>Corinna Fischer und ihr Mann Bob erzählen in diesem Buch die Geschichte ihrer außergewöhnlichen Partnerschaft und vom Leben mit Autismus in der Familie.</p> <p>Lange Zeit ist die Beziehung von Unverständnis für die unterschiedlichen Gefühlswelten geprägt. Erst als Bob und die älteste Tochter die Diagnose Asperger-Syndrom erhalten, ist Corinna erleichtert: 'Endlich gab es eine Erklärung für all die merkwürdigen Verhaltensweisen und Empfindlichkeiten. Doch die Andersartigkeit blieb natürlich trotz Diagnose bestehen. Jetzt mussten wir lernen, damit umzugehen.'</p> <p>Anhand konkreter Stationen auf ihrem gemeinsamen Weg – Kennenlernen, Heirat, gemeinsame Kinder – berichtet das Autorenteam von seinem besonderen Alltag. Hierbei beleuchtet vor allem Corinna Fischer aus Sicht der Partnerin eines Aspergers, wie sie ihr Familienleben mit Autismus arrangieren und was ihnen geholfen hat.</p>

Die Autoren schreiben unter Pseudonym, um den Schutz der Kinder sicherzustellen. Corinna Fischer ist gelernte Kinderkrankenschwester, Bob Fischer arbeitet im IT- Bereich.

Die Autoren schreiben unter Pseudonym, um den Schutz der Kinder sicherzustellen. Corinna Fischer ist gelernte Kinderkrankenschwester, Bob Fischer arbeitet im IT- Bereich.

2000: zu zweien und doch oft allein


Nach der Hochzeit hatten wir ein paar Tage Zeit, bevor die Hochzeitsreise losgehen sollte. Es gab Berge von Geschenken, die wir ganz in Ruhe auspackten. Organisatorisch waren wir ein super Team. Die Rollenverteilung war klassisch. Wir wurden uns schnell einig, wer was übernimmt.

Doch schon in den ersten Wochen nach der Hochzeit kam es vor, dass ich mich von Bob allein gelassen, nicht beachtet und zurückgesetzt fühlte. Ich fühlte mich teilweise gar nicht wahrgenommen – und war es oft wohl auch nicht. Er brauchte nun viel Kraft, um von einem Alltag der Ruhe auf einen Alltag der Zweisamkeit umzulernen. So oft jemandem in seiner Wohnung zu begegnen, so oft (bewusst!) zurückzulächeln, auf eine Frage zu reagieren und sich in seinem routinierten Alltag mit einer zweiten Person zu arrangieren, war neu für ihn.

Die Zeichen seiner Liebe in Form von Blumen, Gedichten oder anderen Aufmerksamkeiten blieben ebenfalls abrupt aus. Die Zeit des Werbens war vorbei. Dieses Kapitel schien für ihn abgehakt zu sein. Wir waren ja jetzt verheiratet. Für ihn war klar, dass wir uns liebten. Eine bekannte Tatsache zu erwähnen oder für ein bereits erreichtes Ziel Kräfte zu investieren, ist für Bob nicht sinnvoll. Und damals wusste er auch nicht, dass es für mich weiterhin wichtig war! So, wie es nicht sinnvoll ist, bei einem Computer eine Information zweimal einzugeben, so brauche ich meinem Mann ihm bereits bekannte Fakten auch nicht zweimal zu sagen. Bin ich einmal von einer Sache so begeistert und emotional erfüllt, dass ich das tue, so erinnert er mich sachlich: »Das sagtest du bereits.« Doch seitdem er weiß, dass es mein innerstes Bedürfnis und oft Ausdruck meiner tief empfundenen Freude ist, bemüht er sich, diese Rückmeldung für sich zu behalten.

Die ausbleibenden Geschenke wären für mich kein Problem gewesen, wenn er die emotionale Zuwendung nicht auch drastisch reduziert hätte. Die brauchte ich sehr dringend. Doch das Verhalten in einer Ehe hatte er nirgendwo lernen, trainieren, wirklich abgucken oder nachmachen können. Das Umwerben mit einer Blume war eine recht leicht zu erlernende Geste, die in jedem Film oder in der Öffentlichkeit vorkam und so gut wie kein Einfühlungsvermögen erforderte. Doch waren meine Bedürfnisse komplexer und situationsbedingt, so waren weitaus größere Anforderungen an seine emotionale Kompetenz gestellt.

Gefühlsarm, aber sensorisch überempfindlich


Er hatte sich zwar schon früher als gefühlsarm bezeichnet und es wurde langsam deutlich, dass meine emotionale Bandbreite wesentlich weiter und intensiver war als seine; doch wie groß der Unterschied wirklich war und wie groß damit auch unsere unterschiedlichen Bedürfnisse waren, ahnten wir beide damals nicht. Wir dachten, der Unterschied wäre so groß, wie er eben beim Durchschnittsmann und der Durchschnittsfrau ist. Männer sind meist sachlicher und Frauen emotionaler. Bob kennt Gefühle, doch diese sind meist im sensorischen Bereich zu finden. Alle Reize, die von außen kommen und die man sehen, hören und mit der Haut fühlen kann, nimmt er teilweise extrem stark wahr. Sensorisch ist er überempfindlich. Bei Gefühlen seines eigenen Körpers, auf der emotionalen und Beziehungsebene ist das anders. Manchmal hat er ein Gefühl, doch es ist etwa so leise wie unser Herzschlag, den wir im normalen Alltag auch nicht wahrnehmen können. Er »geht unter«. Manchmal kann er leise Ansätze von Gefühlen spüren, doch nur, wenn er sich bewusst darauf konzentriert und seine ganze Aufmerksamkeit darauf fokussiert. Vielleicht ein wenig so, wie wir unseren Herzschlag hören, wenn wir uns zum Schlafen legen. Doch für viele Gefühle fehlt selbst bei der größten Anstrengung die Wahrnehmung. Und er kann sie sich auch nicht mit seiner Intelligenz greifbar machen. Hiervon sind Frust, Ärger, Ekel und Platzangst ausgenommen. Da positive Gefühle, wie Freude und Begeisterung, kaum zu spüren sind, überwiegen diese negativen Emotionen oft im inneren Erleben.

Sensorische Überreizung


Seine überempfindlichen Sinne führen oft zu gereizten Reaktionen, die wir nicht nachvollziehen können. Oft wirkt es so, als würde er einfach seinem Temperament freien Lauf lassen und keinerlei Bemühungen anstellen, sich um einen freundlichen Umgang zu bemühen. Die meisten Menschen, die eine Situation als zu belastend empfinden, entziehen sich dieser, doch er kann ja nicht aus seinem Körper heraus. Kurzfristig mag jeder eine gewisse Toleranz haben, um Schmerzen wegzustecken und eine Überreizung zu ertragen. Doch Menschen mit Autismus haben oft nicht nur einen überempfindlichen Sinn, sondern mehrere. Viele Reize sind so unangenehm, als würde plötzlich jemand unangekündigt den Lautstärkeregler bis zum Anschlag aufdrehen.

Wir kennen auch eine Überforderung durch Gefühle. Wenn man z.B. gerade einen nahen Angehörigen verloren hat, ist man emotional sehr belastet und wird nicht viel Kraft für Dinge haben, die nebensächlich auf der »Sachebene« sind. Wird dann eine nebensächliche Anforderung nach der anderen an uns gestellt, so kann es sein, dass wir unfreundlich reagieren, obwohl wir es uns anders wünschen würden. Doch erklären wir unsere Situation, so stoßen wir in der Regel auf Verständnis, da andere verstehen können, dass wir unter diesen Umständen natürlich nicht so belastbar sind. Sie können sich in unsere emotionale Belastung hineinversetzen. Sie können verstehen, dass unsere Kräfte am Ende sind. Doch Menschen mit Autismus kommen vielleicht gar nicht auf die Idee, ihre Situation einem anderen Menschen zu erklären, da ihnen der Gedanke, dass die Kommunikation darüber zu Verständnis führen könnte, nicht automatisch kommt. Haben sie bezogen auf eine Situation gelernt, dass dies hilfreich war, führt dies nicht automatisch zu dem intuitiven Verständnis, dass dies auch in anderen Situationen hilfreich sein kann. Wenn ein Mitmensch versucht, seine Situation einem Menschen mit Autismus zu erklären, so fühlt dieser wiederum nicht intuitiv mit seinem Gegenüber mit. Er kann eine gelernte Reaktion abrufen, aber er kann nicht intuitiv spüren, was wir brauchen.

Bob

Wie soll man in schwersten Turbulenzen freundlich bleiben?

Jetzt muss ich das mal aus meiner Sicht schildern und gebe Ihnen einen Einblick, wie sich sensorische Überreizung als Betroffener anfühlt: Stellen Sie sich vor, Sie fliegen in einem Flugzeug mit vielen anderen Menschen. Der Flug gerät in schwerste Turbulenzen, die eine unbeschadete Landung unwahrscheinlich erscheinen lassen. Auf diese Tatsache werden Sie mit Sicherheit fokussiert sein! Damit nicht genug, dass Sie gestresst sind von der Frage, ob und wie Sie Ihr Ziel erreichen, sind alle anderen Menschen im Flugzeug unendlich entspannt und quaken Sie pausenlos von der Seite mit allen erdenklich unwichtigen Sachen voll (»Möchten Sie eine Zeitung?« »Fliegen Sie eigentlich öfter diese Strecke?« »Schöne Krawatte tragen Sie da!«). Wie lange werden Sie auf diese Fragen freundlich reagieren können? Hoffentlich bis zur Landung, denn sonst wird der Mitmensch brüskiert zurückschrecken und etwas sagen wie »Man wird ja noch fragen dürfen«.

Bob reagiert »gefühllos«


Es kam vor, dass mein Mann mich in sehr emotionalen Situationen überforderte, da er meine Belastung nicht mitfühlen konnte. Ich reagierte gereizt und fühlte mich im Recht, weil er in dieser so emotionalen Situation so »gefühllos« war und etwas Sachliches klären wollte, was meines Erachtens auch gut warten konnte. Mir wurde erst vor Kurzem bewusst, dass es andersherum ja oft genauso ist.

In Bezug auf seine sensorische Überempfindlichkeit war ich ja genauso »gefühllos« wie er in Bezug auf meine emotionalen Gefühle. Und ich hätte seinen Ekel bei schmierigen oder stinkenden Dingen ja auch mit Willensanstrengung nicht in dem Maße nachempfinden können. Ich konnte nur vom Kopf her Rücksicht darauf nehmen. Wir kannten die Intensität der Gefühle des jeweils anderen nicht und konnten daher die Überforderung auch schlecht nachempfinden. Wobei ich noch im Vorteil war, da ich seine Gefühle zumindest aus anderen Situationen ansatzweise kannte. Er dagegen kannte viele meiner Gefühle wie Trauer und Freude nicht wirklich.

Bob wollte mich gern glücklich machen. Ich wusste jedoch nicht, welche Anforderung es an ihn stellte, auf mein Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung einzugehen. Denn seine Gefühle gingen ja so schnell unter, und er konnte sie selbst noch weniger wahrnehmen, wenn es so viele andere Dinge in seinem Blickfeld gab, die sein Bedürfnis nach Nähe aus seiner Wahrnehmung verdrängten.

Heute klingelt zweimal täglich sein Handywecker und erinnert ihn an sein vergrabenes Bedürfnis nach einer Umarmung. Aber vor allem an mein Bedürfnis nach seiner Nähe.

Bobs Welt ist überwiegend rational. Gefühle kann er kaum wahrnehmen. Alles Zwischenmenschliche belastet ihn. Er muss für jede soziale Situation lernen, wie man sich verhält. Diese gesellschaftliche Anpassung gelang ihm so perfekt, dass sein Autismus lange Zeit unsichtbar blieb.

Eingeschränkte Wahrnehmung


Ich habe einmal – leider erst sehr viel später...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Asperger • Asperger/ Ratgeber • Asperger-Störung • Asperger-Syndrom • Asperger-Syndrom/ Ratgeber • Autismus • Autismus in der Familie • Autismus-Spektrum-Störung • Diagnose • Diagnose Asperger • Einfühlsamkeit • Empathie • Entwicklungsstörung • Ergotherapie • Erwachsene • Fehlende Einfühlsamkeit • Partnerschaft • Selbsthilfe • Selbsthilfegruppen • Spezialinteressen • Therapie Asperger
ISBN-10 3-432-11679-9 / 3432116799
ISBN-13 978-3-432-11679-2 / 9783432116792
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