Gesundheitspsychologie -  Toni Faltermaier

Gesundheitspsychologie (eBook)

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2023 | 3. Auflage
424 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-041184-5 (ISBN)
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Welche Bedingungen tragen zur Entstehung von körperlichen und psychischen Krankheiten bei? Was erhält Menschen gesund? Welche Anforderungen sollte eine wissenschaftlich fundierte Prävention und Gesundheitsförderung erfüllen? Dieses Buch stellt auch in der 3., aktualisierten Auflage eine systematische Einführung in die Gesundheitspsychologie dar. Der Autor gibt eine Übersicht über zentrale Theorien, aktuelle Forschungsergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten der Gesundheitspsychologie. Ausgehend von den Problemen des medizinischen Gesundheitssystems entwickelt er die Grundfragen und -begriffe einer modernen Psychologie der Gesundheit. Theoretische Modelle der Krankheitsentstehung, Salutogenese und Resilienz werden als Orientierung herangezogen, um psychosoziale Einflüsse auf den Gesundheits- und Krankheitsprozess und ihre Bedeutung für die Praxis der Prävention und Gesundheitsförderung zu beschreiben.

Professor i. R. Dr. Toni Faltermaier, Dipl.-Psych., lehrte und forschte in Gesundheitspsychologie, Entwicklungspsychologie und Gesundheitswissenschaften an den Universitäten Augsburg und Flensburg.

Professor i. R. Dr. Toni Faltermaier, Dipl.-Psych., lehrte und forschte in Gesundheitspsychologie, Entwicklungspsychologie und Gesundheitswissenschaften an den Universitäten Augsburg und Flensburg.

2 Die Gesundheitspsychologie als wissenschaftliche Disziplin


Das Kapitel beschreibt die Gesundheitspsychologie als wissenschaftliche Disziplin: es skizziert die Gesundheitspsychologie von ihren Gegenständen her, fragt nach ihren historischen Wurzeln und interdisziplinären Bezügen, klärt wichtige Grundbegriffe der Disziplin und beschreibt schließlich ihre zentralen Forschungsansätze und Forschungsmethoden.

2.1 Der Gegenstand und die Fragen der Gesundheitspsychologie


Beispiel 1. Wie kommt es, dass Menschen oft nach Belastungserfahrungen krank werden? Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie bereiten sich seit einigen Monaten unter starkem Arbeits- und Zeitdruck auf eine wichtige Prüfung vor. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Prüfung, wenn Sie eigentlich froh sein könnten, einen wichtigen Schritt Ihrer Ausbildung und eine schwierige und anstrengende Phase hinter sich zu haben, bekommen Sie eine ziemlich heftige Grippe. Wie kommt das? Es entsteht eine eindeutig körperliche Erkrankung, aber als Ursache kommt neben der viralen Infektion auch ein psychisches Phänomen in Frage, welches wir alltagssprachlich als Stress bezeichnen. Es ist eine der Grundfragen der Gesundheitspsychologie, wie leichte und schwere körperliche Krankheiten durch psychische Faktoren wie Stress mitbedingt sein können.

Beispiel 2. Warum rauchen Menschen, obwohl sie wissen, dass Rauchen ein beträchtliches Risiko darstellt und sie dadurch schwere und lebensbedrohliche Krankheiten wie Lungenkrebs oder Herzinfarkt erleiden können? Wir könnten uns die Antwort leicht machen, indem wir darauf verweisen, dass es immer Menschen geben wird, die das nicht verstehen oder denen das gleichgültig ist. Wir können das Problem aber auch als eine wissenschaftliche und psychologische Frage formulieren: Welche Bedingungen tragen dazu bei, dass Menschen ein gesundheitliches Risikoverhalten zeigen, und welche müssten gegeben sein, dass sie es schaffen, mit dem Rauchen aufhören? – Genau das macht die Gesundheitspsychologie: In einem ihrer zentralen Forschungsgebiete untersucht sie die Frage, welche psychischen Bedingungen verschiedene riskante Verhaltensweisen und ein positives Gesundheitsverhalten erklären können. Mit dem besseren Erkennen dieser motivationalen Prozesse hofft sie, Hinweise zu bekommen, wie sich das Verhalten wirksam verändern lässt.

Beispiel 3. Stellen Sie sich vor, Ihr Vater oder ein guter Kollege von Ihnen erleidet mit noch nicht einmal 50 Jahren einen Herzinfarkt, den er dank schneller ärztlicher Hilfe überlebt. Was geht dabei eigentlich in ihm und in seiner Familie vor? Wie verarbeitet er psychisch dieses einschneidende Krankheitsereignis, wie geht er mit der lebensbedrohlichen Situation, mit den emotionalen Belastungen dabei sowie den gesundheitlichen und sozialen Einschränkungen um? Bemüht er sich, aktiv zu seiner Genesung beizutragen, oder überlässt er die Behandlung dem medizinischen Personal? Diese und viele andere Fragen sprechen die psychosoziale Verarbeitung einer Krankheit an; sie sind zentrale Forschungsfragen der Gesundheitspsychologie, die auch große Bedeutung für die Praxis in der Behandlung und Rehabilitation von Herzerkrankungen haben können.

Beispiel 4. Fragen Sie sich jetzt bitte noch selbst, was in Ihnen vorgeht, wenn Ihr Vater oder Ihr langjähriger Arbeitskollege so schwer erkrankt ist. Wie gehen Sie in der Folge persönlich mit Ihrer Gesundheit um, welche Folgen hat das für die Einschätzung Ihres langjährigen Rauchens, Ihrer Belastungen im Beruf oder Ihres Übergewichtes? – Damit sind wir bei einem vierten großen Forschungsthema der Gesundheitspsychologie: Wie und auf welchen subjektiven Grundlagen versuchen Menschen im Alltag, sich ihre Gesundheit zu erhalten? Erkenntnisse zu dieser Frage können mögliche Ansatzpunkte bringen, um Menschen zu einem gesundheitsgerechten Lebensstil zu motivieren und damit die Gesundheit in der Bevölkerung zu fördern.

In diesen vier Beispielen zeigen sich zentrale Gegenstände der Gesundheitspsychologie. Sie werden im Folgenden nochmals allgemein formuliert und systematisiert:

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    Die Gesundheitspsychologie beschäftigt sich erstens mit den psychischen und sozialen Ursachen von organischen Krankheiten und möchte damit Erkenntnisse zu der Ätiologie dieser Erkrankungen beitragen. Im Mittelpunkt stehen dabei das psychische Erleben (d. h. Emotionen, Kognitionen, Stresserfahrungen), das Verhalten (z. B. riskantes Verhalten und Lebensstile, Gesundheitsverhalten, Bewältigungsverhalten), Merkmale der Persönlichkeit (traits), soziale Beziehungen und soziale Umwelten sowie jene psychophysiologischen Mechanismen, die erklären können, wie ein psychisches Erleben zu einer körperlich-organischen Veränderung bis hin zur manifesten Krankheit beiträgt.

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    Die Gesundheitspsychologie untersucht zweitens aber auch die psychischen und sozialen Bedingungen von Gesundheit in einem umfassenden Sinn, das heißt, wenn unter Gesundheit mehr verstanden wird als nur die Abwesenheit von Krankheit. Sie bezieht dabei insbesondere Einflüsse des psychischen Erlebens, von Verhalten, Handlungen und Lebensweisen, von Merkmalen der Persönlichkeit sowie von sozialen Beziehungen und Lebenswelten mit ein.

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    Die Gesundheitspsychologie befasst sich drittens mit den psychischen und sozialen Einflüssen auf den Krankheitsverlauf und mit den psychosozialen Folgen einer Krankheit. Dabei konzentriert sie sich vor allem auf das Krankheitserleben (d. h. auf Emotionen, Kognitionen, Belastungen), auf den Umgang mit den durch die Krankheit ausgelösten Belastungen (»coping«), auf den Umgang mit der Krankheit und mit ihren Begleiterscheinungen (krankheitsbezogenes Verhalten) sowie auf die sozialen Reaktionen, Interaktionen und Unterstützungen in der unmittelbaren Umwelt der betroffenen Person.

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    Die Gesundheitspsychologie untersucht viertens die psychischen und sozialen Prozesse, die im Rahmen der professionellen Gesundheitsversorgung und bei der Behandlung von Krankheiten auftreten. Diese umfassen etwa das Erleben von Behandlungsmaßnahmen durch die Patienten, die soziale Interaktion und Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten (oder anderen Professionellen), die Mitarbeit der Patienten im Behandlungsprozess und schließlich das Erleben (z. B. Stress) und Handeln der Professionellen im Gesundheitssystem selbst (im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit).

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    Die Gesundheitspsychologie versteht sich schließlich fünftens als Anwendungsfach, das aus den Erkenntnissen zu den genannten vier Fragekomplexen praktische Maßnahmen ableitet, durchführt und ihre Wirkungen evaluiert: Eine gesundheitspsychologische Praxis ist insbesondere zu verstehen als professionelles Handeln, das schwerpunktmäßig im psychosozialen Bereich zur Prävention von Krankheiten, zur Förderung von Gesundheit sowie zur Behandlung und Rehabilitation von Krankheiten erfolgt.

Abb. 2.1:Gegenstände der Gesundheitspsychologie: Grundfragen und Anwendungsfelder (grau)

In Abbildung 2.1 sind die Gegenstände der Gesundheitspsychologie zusammenfassend dargestellt, die grundlegenden Fragestellungen sind schematisch in Beziehung zu den Anwendungsfeldern gestellt (▶ Abb. 2.1).

2.2 Historische Wurzeln und interdisziplinäre Bezüge der Gesundheitspsychologie


2.2.1 Gesundheitspsychologie und Psychosomatik


Nun sind viele der oben gestellten Fragen nicht zum ersten Mal von der Gesundheitspsychologie gestellt worden. Vielmehr verbergen sich dahinter Grundfragen der Psychosomatik, die eine lange Tradition in den Wissenschaften haben. Das Leib-Seele-Problem kann als eines der Grundprobleme der Philosophie betrachtet werden, dem sich viele Denker gewidmet haben (vgl. Danzer, 1995). Das mit dem französischen Philosophen des 17. Jahrhunderts, René Descartes, verbundene erkenntnistheoretische Postulat, Leib und Seele voneinander zu trennen (ein Dualismus zwischen dem Denken, der res cogitans, und der materiellen Welt, der res extensa), führte dazu, dass sich die Wissenschaften in der Folge entweder dem einen oder anderen Feld widmeten; so hat sich zum Beispiel die naturwissenschaftliche Medizin seit dem 19. Jahrhundert nahezu ausschließlich auf die Erforschung des menschlichen Körpers und seiner Krankheiten konzentriert und dabei die seelischen Einflüsse weitgehend ausgeklammert. Die Trennung von Körper und Seele lässt das Problem entstehen, wie körperliche und seelische Vorgänge wieder zusammenkommen und wie sie aufeinander einwirken. Mit dem von dem deutschen Arzt...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2023
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Bernd Leplow, Maria von Salisch
Zusatzinfo 17 Abb., 1 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Bewältigung • Gesundheit • Gesundheitsförderung • Gesundheitswissenschaft • Persönlichkeit • Prävention • Psychosozial • Resilienz • Risiken • Risikofaktoren • Salutogenese
ISBN-10 3-17-041184-5 / 3170411845
ISBN-13 978-3-17-041184-5 / 9783170411845
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