Begriff, Bewusstsein und Bedeutung (eBook)

Zum Verhältnis von Sprache, Mentalem und Bezugsobjekt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
317 Seiten
De Gruyter (Verlag)
978-3-11-124197-5 (ISBN)

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Begriff, Bewusstsein und Bedeutung - Volker A. Munz
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Bewusstsein, Außenwelt und Sprache bilden eine untrennbare Einheit in der Frage nach dem Sinn und der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. Zeichen und ihre Verwendung lassen sich daher weder durch rein internalistische Bewusstseinsanalysen noch durch rein externalistische Gegenstandsbezüge angemessen rekonstruieren. Daher befinden sich Bedeutungen weder 'innerhalb' noch 'außerhalb' des Kopfes. Unterschiedliche Gebrauchsweisen und somit Bedeutungen spiegeln sich vielmehr in der Fähigkeit wieder, sprachliche Zeichen zu verstehen und auf unsere subjektiven Erlebnisse sowie die uns umgebende Welt anzuwenden.

Volker Munz zeigt, inwieweit sowohl rein phänomenale als auch rein physikalistische Interpretationsansätze zu kurz greifen, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke zu bestimmen. Beide Positionen stehen nicht in Widerstreit zueinander, sondern ergänzen einander vielmehr in der Bestimmung des Sinnes und der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Sowohl externalistische Semantiken (Putnams Zwillingserde, Kripkes Marsianer, Davidsons Sumpfmann etc.) als auch internalistische Positionen (Locke, Thomas Nagel, Jackson etc.) werden anhand spezifischer Gedankenexperiment kritisch auf ihre Rolle und Schlüssigkeit hin überprüft und mit alternativen Gedankenszenarios konfrontiert. Neben den genannten Autoren werden auch Russell, Frege und insbesondere Wittgenstein ausführlich diskutiert.



Volker A. Munz, Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Klagenfurt am Wörthersee, Österreich.

Kapitel I Intension und Extension


1 Die philosophische Tradition


1.1 Empiristische Grundannahmen


Eines der ersten Gedankenexperimente, dem wir uns hier widmen werden, ist Hilary Putnams berühmtes Twin-Earth-Experiment, das er in „The Meaning of ‘Meaning’“ aus dem Jahre 1975 entwickelt und in welchem er gegen die aus seiner Sicht traditionelle Auffassung argumentieren möchte, sprachliche Bedeutungen seien im Kopf. In der Rezeption dieses inzwischen klassischen Texts wurde Putnams Auffassung auch mit dem Label des „semantic externalism“ versehen (vgl. u. a. Putnam 1996a: xv). Bevor wir uns diesem und anderen Experimenten genauer zuwenden, sind einige theoretische Vorüberlegungen angebracht, vor allem, um die für ihn wesentlichen Begriffe der Intension und Extension besser nachzeichnen zu können. In diesem Zusammenhang wollen wir zunächst die Frage stellen, welche philosophischen Traditionen Putnam genau im Fokus hat. Denn es sind gerade diese Traditionen, denen er unterstellt, zwei zentrale semantische Thesen zu vertreten, nämlich, dass man sich erstens in einem bestimmten psychischen Zustand befinden muss, um einen Ausdruck zu verstehen, und zweitens, dass dieser Zustand gleich der Intension die Extension bestimme (vgl. Putnam 1996a: xv; Putnam 1996b: 6, 9).

Widmen wir uns dazu zunächst Putnams „Introduction“ zu der 1996 erschienenen Anthologie The Twin Earth Chronicles, in welcher er auf seinen vor einundzwanzig Jahren erschienenen Text selbst Bezug nimmt. Zur besseren Rekonstruktion der Putnam’schen Kritk am Internalismus betrachten wir zu Beginn etwas genauer seine summarische Darstellung philosophischer Traditionen zur Frage der Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen, mentalen Vorkommnissen und extramentalen Bezugsgegenständen. Dabei wird es hilfreich sein, einige Originalstellen ausführlicher zu zitieren und zu betrachten, um zu sehen, inwieweit Putnam den jeweiligen klassischen Auffassungen tatsächlich gerecht wird.

Zunächst verweist Putnam auf einige philosophiegeschichtliche Kontroversen etwa zwischen Platon und Aristoteles bzw. Nominalismus und Konzeptualismus. Allerdings herrsche, so Putnam, trotz aller Variationen innerhalb des metaphysischen Diskurses Einigkeit darüber, dass Begriffe einheitlich aufgefasst werden, als etwas, das vollständig im Bewusstsein enthalten sein kann: „concepts were uniformly thought of as capable of being completely contained in or recollected by ‘the mind’ […]“ (Putnam 1996a: xv). Entscheidend ist dabei, dass das Bewusstsein nach Putnam als eine Art „private theatre“ aufgefasst wird, von anderen Bewusstseinen und der externen Welt gänzlich isoliert. Diese Zusammenfassung philosophiegeschichtlicher Positionen Putnams erinnert zunächst stark an Hume, Locke, Berkeley und Descartes.

In Hume Variations bemerkt Jerry Fodor über Humes Traktat: „Hume’s Treatise is the foundational document of cognitive science: it made explicit, for the first time, the project of constructing an empirical psychology on the basis of a representational theory of the mind“ (Fodor 2005: 135), bzw. „For Hume, as for our contemporary cognitive science, the mind is preeminently the locus of mental representation and mental causation.“ (Fodor 2005: 8) Auch Barry Stroud betont in seiner Hume-Monographie die Zielsetzung der Hume’schen Philosophie und die damit verbundene Methodologie:

[Hume] was interested in human nature, and his interest to the form of seeking extremely general truths about how and why human beings think, feel and act in the ways they do. […] he wanted to answer the more fundamental philosophical questions of how people even come to have a conception of the world, or of themselves. […] These questions were to be answered in the only way possible – by observation and inference from what is observed. Hume saw them as empirical questions. (Stroud 1977: 222)

Da Putnam Hume explizit erwähnt, betrachten wir im Folgenden zunächst einige seiner zentralen Thesen im Kontext eines „private theatre“, um zu sehen, ob Hume als ein möglicher Verfechter dieser Bestimmung des menschlichen Bewusstseins infrage kommt.

Hume selbst spricht im Treatise vom „mind“ als einer Art Theaterbühne, auf der sich die verschiedenen Perzeptionen darstellen, betont jedoch zugleich, dass uns diese Parallele nicht in die Irre führen darf. Den Kontext, in welchem Hume diesen Vergleich zieht, hat zudem nichts mit der Frage eines methodischen Solipsismus zu tun, sondern mit der nach Hume irreführenden Annahme einer geistigen Substanz, eines „Self“:

The mind is a kind of theatre, where several perceptions successively make their appearance; pass, repass, glide away, and mingle in an infinite variety of postures and situations. There is properly no simplicity in it at one time, nor identity in different […]. The comparison of the theatre must not mislead us. They are the successive perceptions only, that constitute the mind; (Hume 1985: 300 – 301)

Wesentlich bestimmt ist seine Ablehnung einer personalen Identität vor allem durch sein Sinnkriterium, welches besagt, dass ein Ausdruck nur dann „significance“ besitzt, wenn wir ihn mit einer Idee verknüpfen können, die selbst wiederum auf einen Eindruck rückführbar sein muss. In Section VI „Of Personal Identity“ ist Humes Argument zunächst, dass wir vom Selbst keine Idee haben, die wir von einem zugrundeliegenden Eindruck herleiten könnten. Erst im Abstract stellt Hume dann eine Verbindung her zwischen Ideen, Impressionen und sprachlichen Ausdrücken, basierend auf der für ihn zentralen „Copy-These“:

[…] no discovery could have been made more happily for deciding all controversies concerning ideas than this, that impressions always take the precedency of them, and that every idea with which the impression is furnished, first makes its appearance in a corresponding impression. […] Accordingly, wherever any idea is ambiguous, he [the author] has always recourse to the impression, which must render it clear and precise. And when he suspects that any philosophical term has no idea annexed to it (as is too common) he always asks from what impression that idea is derived? And if no impression can be produced, he concludes that the term is altogether insignificant. (Hume 1980: 17 – 18)

Als Beispiele solcher bedeutungslosen Ausdrücke nennt Hume „Substance“ und „Essence“ (vgl. Hume 1980: 17 – 18). Wenn wir allerdings Humes Bemerkungen zum Impressionsbegriff zu Beginn des Treatise betrachten, wird deutlich, dass ihr passiver Charakter im Gegensatz zu den weniger lebhaften Ideen ausschließt, dass ein menschliches Wesen ohne zugrundeliegende Erfahrungen entsprechende Begriffe haben oder bilden kann, zumindest was die „impressions of sensations“ angeht. So sieht Hume das zentrale Unterscheidungskriterium zwischen Impressionen und Vorstellungen

[…] in the degrees of force and liveliness, with which they strike upon the mind, and make their way into our thought or consciousness. Those perceptions, which enter with most force and violence, we may name impressions; and under this name I comprehend all our sensations, passions and emotions, as they make their first appearance in the soul. (Hume 1985: 49)

Die Verwendung von Ausdrücken wie „most force“, „strike upon“ oder „violence“ zeigen jedenfalls deutlich, dass sich das menschliche Bewusstsein mit Bezug auf Empfindungen, Leidenschaften und Emotionen rein passiv perzeptiv verhält. Sind bestimmte Voraussetzungen für den Erwerb von Impressionen nicht gegeben, wie etwa bei Blind- oder Taubgeborenen, dann fallen solche Eindrücke und ihre korrespondierenden Ideen für dieses Bewusstsein aus. Gleiches gilt nicht nur im Fall organischer Schäden, sondern bereits dann, wenn entsprechende Körperteile nie zur Erzeugung eines bestimmten Eindrucks verwendet wurden. Insofern sind wir beispielsweise nicht in der Lage, eine Vorstellung vom Geschmack einer Ananas zu bilden, wenn wir sie vorher nie gekostet haben (vgl. Hume 1985: 53). Hier zeigt sich Humes empiristisches Grundprinzip, nachdem wir alleine mittels unserer Einbildungskraft keine Ideen bilden können, deren zugrundeliegende „impressions of sensations“ wir nicht erfahren haben; (auf die von Hume selbst eingeräumte Ausnahme der „missing shade of blue“ sei hier nur hingewiesen).

Anders verhält es sich bei den „impressions of reflection“, die wir nicht aus unbekannten Ursachen gewinnen, sondern aus bereits bestehenden Ideen, welche wir selbst wiederum aus Eindrücken gebildet haben. So erzeugen wir beispielsweise Impressionen von Hoffnung und Furcht aus den Ideen von Vergnügen oder Schmerz, die selbst gebildet sind aus Eindrücken wie Hungergefühlen, Hitze- oder Kälteempfindungen (vgl. Hume 1985: 55). Mit anderen Worten: „[…] all our ideas, or weak perceptions, are derived from our impressions, or strong perceptions and […] we can never think of any thing which we have not...

Erscheint lt. Verlag 5.9.2023
Reihe/Serie ISSN
Philosophical Analysis
Zusatzinfo 1 col. ill.
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Geisteswissenschaften Philosophie Sprachphilosophie
Schlagworte Externalism • Externalismus • Gedankenexperimente • internalism • Internalismus • sense and meaning • Sinn und Bedeutung • Thought Experiments
ISBN-10 3-11-124197-1 / 3111241971
ISBN-13 978-3-11-124197-5 / 9783111241975
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