Judith und Holofernes in der Kunst -  Donatella Chiancone-Schneider

Judith und Holofernes in der Kunst (eBook)

Vom Mittelalter bis zum Barock
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
112 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-5846-4 (ISBN)
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Das illustrierte Manuskript zur gleichnamigen Vortragsreihe (erweiterte Neuauflage) Das Thema von Judith und Holofernes in der bildenden Kunst vom Mittelalter bis zum Barock. Abhängig von der Nachfrage könnte ein weiteres Kapitel mit einem Ausblick bis zur Moderne geplant werden. Die wechselhafte Darstellung der Hauptfiguren dieser biblischen Geschichte und die überraschende, damit verbundene Symbolik werden anhand von herausragenden Kunstwerken aus ganz Europa beleuchtet. Mit 115 Abbildungen: Dabei sind Meisterwerke von Lucas Cranach d.Ä., Michelangelo, Tizian, Caravaggio u.v.a.m. Projektportal https://www.kunstco.de/judith-luther.html

Dr. Donatella Chiancone-Schneider ist promovierte Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und populärwissenschaftliche Kunstvermittlerin. In multimedialen, oft interdisziplinären Kursen, Vorträgen, Publikationen, Ausstellungen und selbst organisierten Festivals erklärt sie breitgefächerte, auch anspruchsvollere kunsthistorische Themen zeitgemäß und unterhaltsam. Ihre Vortragstourneen der letzten Jahre haben sie bereits in unzählige Städte bundesweit sowie nach Italien, Österreich, Polen, Dänemark und in die Schweiz geführt. Seit 2020 ist sie zusätzlich mit ortsübergreifenden Webinaren u.a. Online-Formaten unterwegs. Website https://www.donatella.chiancone.eu Projektportal https://www.kunstco.de

KAPITEL 3. Mittelalter


Ab sofort und stärker als andere Gestalten aus dem Alten Testament wurde die jüdische Heldin vom Christentum wie selbstverständlich vereinnahmt. Von der Spätantike bis zur Gotik wurde die Geschichte von Judith und Holofernes konsequent mit vielen Medien und Darstellungsweisen abgebildet: Im Frühmittelalter wurde ein breites und sehr erfolgreiches Szenenrepertoire festgelegt, das mit kleineren und größeren Abwandlungen bis fast zur Moderne eingesetzt wurde. Typisch für diese rund tausend Jahre währende Epoche sind größte Bibeltreue der Judith-Illustrationen, ausnahmslos positive Interpretationen der Figur und deren weiterführende Deutung im religiös-moralischen Sinne als eine Art Heilige und die allegorische Verkörperung mancher Tugenden.

Wann und wo


Das Buch Judith wird nachweislich bereits ab den ersten Jahrhunderten n. Chr., also relativ kurz nach dem Erscheinen des entsprechenden Textes, illustriert. Vermutlich begann die Illustration der Geschichte naturgemäß mit Handschriften der Bibel, der beliebte Stoff eroberte jedenfalls sehr bald weitere Räume sowohl in Gotteshäusern (Kirchenwände und -einrichtung) als auch in profanem Zusammenhang (Privathäuser und Alltagsobjekte).

• Anonym (südfranzösisch): Initial A: Judith enthauptet Holofernes, Tinte, Tempera und Gold auf Pergament (ca. 1275-1300) CMA •

Frühe Darstellungen (darunter ein Mosaik in Süditalien) sind spätestens ab dem 5. Jahrhundert dokumentiert und das älteste, erhaltene Bild zum Thema stammt aus dem 8. Jahrhundert (Fragment eines Freskos aus einer frühchristlichen Kirche in Rom). Die ersten uns bekannten Judith-Abbildungen innerhalb der christlichen Bibelillustration und in weiteren Publikationen stammen aus dem 9. Jahrhundert, einschlägige Szenen können ausserdem in damaligen Glasmalereien und als Judith-Statuetten gefunden werden.

• Anonym (französisch): Holofernes' Armee überquert den Fluss Euphrat, Glasmalerei aus der Sainte Chapelle, Paris (1246-1248) PMA •

Wie man am hier abgebildeten Beispiel sehen kann, währte die Nachfrage von bebilderten Kirchenfenstern mit Szenen aus dieser Geschichte noch sehr lange nach der karolingischen Zeit. Die Illustration von Bibeln setzte sich mit interessanten Stiländerungen in der byzantinisch geprägten Epoche fort; ab dem 11. Jahrhundert (Romanik) ersetzten Initialen mit einer einzigen Szene ganze Bilderzyklen oder mehrteilige Abbildungen.

• Anonym (südfranzösisch): Detail der oben abgebildeten Seite, Judith enthauptet Holofernes (ca. 1275-1300) CMA (Ausschnitt) •

Neben der Heiligen Schrift wurden im Mittelalter weitere religiöse Bücher mit der Figur von Judith geschmückt, die unter theologischen und moralisch-allegorischen Gesichtspunkten gebeugt wurde: die Psychomachia von Prudentius (5. Jh., allegorischer Seelenkampf zwischen Tugenden und Lastern), sog. typologische Spiegel (mit Entsprechungen zwischen Figuren und Ereignissen des Alten und des Neuen Testaments), Hymne, Predigttexte und verschiedene Erbauungsschriften und Bücher enzyklopädischen Charakters (Jungfrauenspiegel, De laudibus sanctae crucis und Hortus deliciarum, 12. Jh.; Somme le Roi, ein französischer „Moral-Schnellkurs” für den König, 13. Jh.; Heilsspiegel und Armenbibel, Mitte 14. Jh.). Dazu kamen illustrierte Gedichte auf Latein, Mittelhochdeutsch und Italienisch, in denen Judith – wie in allen anderen mittelalterlichen Schriften und Abbildungen – ebenfalls positiv dargestellt wurde.

Wer und was


Vom Anfang an wurde die Frage, wie eine an Persönlichkeiten und Ereignissen so reiche Geschichte illustriert werden sollte, verschiedentlich beantwortet. Je nach verfügbarem Raum und erklärtem Ziel des Rahmens der Abbildung konnte diese mehr oder weniger umfangreich ausfallen: durch möglichst viele Momente der Historie aufgefächert oder auf eine einzige, symbolische Handlung reduziert.

• Master of the Soane Josephus (zugeschrieben): Judith, Farbe und Gold auf Pergament (1473-1480) BL •

Erstere Wahl konnte ihrerseits mehr als eine Lösung generieren: z.B. eine Bildfolge oder ein einziges Bild mit mehreren Szenen (Simultandarstellung). Im Frühmittelalter wurden Judith-Serien gerne auf einer ganzen Bibelseite in mehreren übereinander liegenden Reihen untergebracht, wobei einige Ereignisse nicht so deutlich voneinander getrennt und im obersten Register manchmal der Aufbruch von und die Rückkehr nach Bethulia zusammengerafft wurden, indem Judith und die Dienerin von einer Seite der Stadtmauer gehen und von der anderen wieder kommen. Alternativ zu dieser in stummen Streifen organisierten Erzählung, ob als fortschreitende Sequenz oder in der Ringvariante, die an Comics ohne Sprechblasen erinnern könnte, konnte das Buch Judith durch eine einzige, große Abbildung zusammengefasst werden, in der entweder nur eine emblematische Aktion (typisch in Italien ab dem 11. Jh.) oder gleichzeitig mehrere zeitlich getrennte Augenblicke in derselben geteilten Landschaft stattfinden und womöglich dieselben Figuren an verschiedenen Stellen auftauchen: Diese sog. Simultandarstellung wurde nördlich der Alpen sehr lange, nämlich noch bis in die Neuzeit praktiziert.

• Master of the Soane Josephus (zugeschrieben): Judith, Detail der oben abgebildeten Seite (1473-1480) BL (Ausschnitt) •

Wenn weniger Platz von der Kunst in Anspruch genommen werden konnte, blieb dem Buchmaler nur ein kleines Areal, z.B. der sehr begrenzte Raum eines Buchstabenornaments, um seine Kreativität zu entfalten: Im Rahmen einer Initiale ließ sich natürlich nur eine relativ einfache, übersichtliche Situation darstellen, damit die Miniatur nicht zu kleinteilig wurde.

• Anonym (französisch): Initial A, Judith enthauptet Holofernes, Tinte und Tempera auf Pergament (ca. 1230-1240) CMA •

Welche von den vielen Handlungen sollte hier den Ehrenplatz haben? Die Rückkehr beider Frauen nach Bethulia kristallisierte sich zwar anfangs (auch in größeren Formaten) als eine Schlüsselszene heraus, die im Mittelalter besonders oft abgebildet wurde, bei den Initialen setzte sich aber letztendlich die Enthauptung von Holofernes durch.

• Anonym (französisch): Initial A, Judith enthauptet Holofernes, Detail der oben abgebildeten Seite (ca. 1230-1240) CMA (Ausschnitt) •

Da auch diese Szene aus mehreren aufeinanderfolgenden Bewegungen (u.a. erstem Ausholen, erstem Schlag, nochmaligem Ausholen, zweitem Schlag) besteht, bildete sich eine Vielfalt an Darstellungsweisen, die mit den in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur benutzten Kategorien von Vorher/Nachher/Währenddessen nur grob aufzulisten sind.

• Anonym (französisch): Initial A, Judith enthauptet Holofernes, Detail der oben abgebildeten Miniatur (ca. 1230-1240) CMA (Ausschnitt) •

Wer genauer sein will, unterscheidet noch zwischen harmloser wirkenden und makabren Abbildungen: Je nach gewähltem Moment fließt das Blut bereits und in einigen ist der Todgeweihte sogar bei Bewusstsein, was man u.a. gut daran erkennen kann, dass er einen Arm hebt. Weiters können aus stilistischen und chronologischen Gründen solchen Szenen auseinander gehalten werden, bei denen Judith hinter Holofernes steht oder den Feind ins Gesicht schaut, denn ersterer Fall ist charakteristisch für byzantinische Exemplare aus dem 9.-10. Jh., zweitere Situation ist typisch in spanischen, französischen und englischen Handschriften ab dem 11. Jahrhundert.

• Anonym (österreichisch): Judith tötet Holofernes, Feder und Tinte mit Wasserfarbe auf Büttenpapier (ca. 1460) NGAW •

Unabhängig von der gewählten Variante bleiben sämtliche Illustrationen der Köpfung im Mittelalter ganz nah an der alttestamentlichen Vorlage und präsentieren Judith allein mit Holofernes: Da sowohl ihre Magd als auch das Personal des Generals sich laut biblischer Quelle außerhalb des Zeltes befinden, sind sie in diesen Miniaturen nicht zu sehen.

• Anonym (südfranzösisch): Detail der im vorigen Abschnitt abgebildeten Seite, Judith enthauptet Holofernes (ca. 1275-1300) CMA (Ausschnitt) •

Noch spannender wurde es, als die ersten (anonymen) Künstler sich von der herkömmlichen Erzählung entfernten und eine plakative Pose wählten, die in der Heiligen Schrift so nicht vorkommt, deren gesamten Sinn aber verdichtet und ikonisch wiedergibt: Judith hebt mit der rechten Hand das Schwert und hält mit der Linken den abgeschlagenen Kopf von Holofernes oder je nach Version tritt auf den Körper des Widersachers bzw. auf dessen Haupt oder Hand mit einem Fuss.

• Abraham Bosse: Judith und Holofernes, Stich (1645) MMA •

Diese Jahrhunderte lang erfolgreiche Triumphgeste, die von der Kritik zuweilen auch als die gleichzeitige Darstellung von Vorher und Nachher aufgefasst wird (zum Schlag ausholen und den abgetrennten Kopf halten), basierte auf der Bildvorlage von siegreichen Tugenden, die ebenfalls in menschlicher Gestalt und ganzfigurig ihre Überlegenheit über das erniedrigte Laster allegorisch...

Erscheint lt. Verlag 27.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
ISBN-10 3-7557-5846-6 / 3755758466
ISBN-13 978-3-7557-5846-4 / 9783755758464
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