Die Stunde der Zikaden (eBook)

Italien-Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
560 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-30151-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Stunde der Zikaden -  Felicitas Mayall
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Der Sommer ist vorbei, und Laura und Guerrini freuen sich auf ruhige gemeinsame Tage in dem toskanischen Haus, in dem Guerrini als Kind mit seinen Eltern den Urlaub verbrachte. Doch mit dem Haus und der rauen Landschaft werden auch alte Erinnerungen wach, die Guerrini nachdenklich stimmen. Und es bleibt nicht bei den Erinnerungen. Hat der alte Freund seines Vaters, der ihnen das Haus vermietet, womöglich etwas mit den ominösen Vorkommnissen in «Il Bosco» zu tun? Und welche Rolle spielt Guerrinis Vater dabei? Laura und Guerrini versuchen trotz allem, sich ihren ersten gemeinsamen Urlaub nicht verderben zu lassen, aber es wird ihnen nicht leichtgemacht.

Bevor Felicitas Mayall sich ganz der Schriftstellerei widmete, arbeitete sie als Journalistin bei der 'Süddeutschen Zeitung'. Die Wahl-Münchnerin veröffentlichte unter ihrem Klarnamen Barbara Veit Kinder- und Sachbücher, bevor sie sich mit ihrer erfolgreichen Krimiserie um die Münchner Kommissarin Laura Gottberg in die Herzen vieler Leser schrieb. Bis zu ihrem Tod lebte die Mutter zweier Söhne mit ihrem australischen Ehemann am Chiemsee und reiste von dort oft nach Italien und Australien.

Bevor Felicitas Mayall sich ganz der Schriftstellerei widmete, arbeitete sie als Journalistin bei der "Süddeutschen Zeitung". Die Wahl-Münchnerin veröffentlichte unter ihrem Klarnamen Barbara Veit Kinder- und Sachbücher, bevor sie sich mit ihrer erfolgreichen Krimiserie um die Münchner Kommissarin Laura Gottberg in die Herzen vieler Leser schrieb. Bis zu ihrem Tod lebte die Mutter zweier Söhne mit ihrem australischen Ehemann am Chiemsee und reiste von dort oft nach Italien und Australien.

Etwas ist anders, dachte Laura Gottberg, als sie erwachte. Graues Licht fiel in Streifen durch die Lamellen der Fensterläden, erstes Morgenlicht. Laura betrachtete das feine Muster auf ihrer Bettdecke, schloss dann wieder die Augen und lauschte, um herauszufinden, was sich verändert hatte. Noch war sie nicht vertraut mit den Geräuschen der Natur und des Hauses. Nicht einmal Angelo Guerrinis ruhiger Atem war ihr wirklich vertraut. Wenn sie ehrlich war. Aber es war gut, ihn zu hören. Und erstaunlich. Sein Atem war ganz wirklich und nah. Er schnarchte nicht, obwohl sie letzte Nacht ein bisschen zu viel getrunken hatten. Hatte sie geschnarcht? Vermutlich, denn ihr Mund fühlte sich trocken an.

Der Sturm fiel ihr wieder ein. Das Heulen hatte sie lange nicht einschlafen lassen. Gestern war der Sturm so heftig gewesen, dass sie das Haus den ganzen Tag nicht verlassen konnten, deshalb hatten sie auch zu viel getrunken und gegessen. Köstliche Seezungen, winzige gebratene Tintenfische vom Markt in Portotrusco, frische Gnocchi in Butter und Salbei, und zuletzt hatte der Commissario eine Zabaione aufgetischt, die zwar nicht perfekt, aber doch unwiderstehlich gewesen war.

Sie hatten sich geliebt. Anders als sonst. Heftiger, unvorbereitet. Inmitten eines Artikels aus der L’Unità, den Laura ihm vorlesen wollte. Angelo hatte ihr die Zeitung aus den Händen gerissen und hoch in die Luft geworfen. Wie taumelnde Riesenfalter waren die Seiten zu Boden gesunken. Seine Art, sie zu lieben, hatte etwas Besitzergreifendes gehabt, etwas von einer drängenden Frage, die nach einer Antwort verlangt.

Nie zuvor hatte sie diese Intensität von körperlicher Nähe erlebt. Vielleicht auch nicht zulassen können.

Sacht legte Laura eine Hand auf seine Brust und spürte die leise Bewegung seines Atems, erinnerte sich an seinen forschenden Blick nach der Umarmung, als fragte er immer weiter.

Zum ersten Mal würde sie zwei volle Wochen mit Angelo Guerrini verbringen. Ohne Arbeit. Zwei Wochen am Meer. Dies war der Beginn des dritten Tages. Oder des zweiten? Vielleicht musste sie den Tag der Ankunft nicht mitzählen. Zweiter Tag klang besser als dritter Tag.

Kindisch, dachte sie. So hatte sie früher zu Beginn der Schulferien um jeden Tag gefeilscht.

Plötzlich wusste sie, was sich verändert hatte: Der Sturm raste nicht mehr ums Haus. Nur das Meer war noch unruhig, schlug mit scharfem Knall gegen den Strand, wieder und wieder. Sie sah die Welle genau vor sich, die diese Art von Knall hervorrief. Eine hohe Welle, die ungebremst auf einen steilen Strand aufschlug und keine Gelegenheit zum Auslaufen hatte.

Laura setzte sich auf. Ihr Kopf schmerzte ein bisschen, ein Nachklang des Weins, und sie war durstig. Sie warf einen Blick auf Angelo, der noch im Tiefschlaf gefangen war, und stand dann leise auf, um etwas zu trinken. Als sie die Schlafzimmertür öffnete, seufzte er leise und drehte sich auf die andere Seite.

Zwei Wochen, dachte sie, als sie barfuß über die kühlen Kacheln lief, um den runden Esstisch herum und in die kleine Küche des Ferienhauses. Sie nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und trank schnell aus der Flasche. Wasser lief über ihr Kinn, tropfte auf ihre Brust. Zwei Wochen, dachte sie wieder. Lange her, dass sie zwei Wochen mit nur einem Menschen verbracht hatte.

Sie hatte um diese zwei Wochen gekämpft: mit ihrem Vorgesetzten, mit ihrem Ex-Mann Ronald, der sich um ihre Kinder Sofia und Luca kümmern musste. Sie hatte sich gefreut und im letzten Augenblick doch beinahe gefürchtet. Wovor, das konnte sie allerdings nicht genau benennen. Vor einem Ende der Unverbindlichkeit? Möglich. Aber nicht sicher.

Das seidene, dunkelblaue Unterkleid klebte an ihren Brüsten, so viel Wasser hatte sie verschüttet. Sie schaute an sich herab und musste lächeln. Nie zuvor hatte sie ein seidenes Unterkleid besessen. Eine sündhaft teure Premiere in ihrem siebenundvierzigsten Lebensjahr. Über die tieferen Ursachen dieser Premiere wollte sie an diesem Morgen nicht nachdenken. Die Münchner Kriminalhauptkommissarin im blauen Seidenhemd.

Sie sah aus dem schmalen Fenster in den Hinterhof des Hauses und entdeckte eine große dürre Katze, die zu ihr herüberstarrte. Ihr fiel wieder ein, was Guerrini von den wilden Katzen erzählt hatte, die stets um die Ferienhäuser von Il Bosco strichen, sobald Menschen einzogen. Wie er sie als kleiner Junge gefüttert hatte, wenn er mit seinen Eltern den Sommer am Meer verbrachte. Manchmal zwei Monate im Jahr. In genau diesem Haus, das einem Geschäftsfreund seines Vaters gehörte.

Laura stellte die Flasche auf den Tisch und schaute von der Galerie auf den Wohnraum hinunter. Es war ein durchaus edles Haus. Zwei, drei antike Möbelstücke, große Polstermöbel mit gelben Leinenbezügen, alte Stiche an den Wänden. Sie lauschte, als erneut eine Welle auf den Strand knallte und die Fensterscheiben klirren ließ, ging dann langsam die sanft geschwungene Wendeltreppe hinab, durch das Wohnzimmer zur Terrassentür und trat in den Garten hinaus.

Der Himmel hatte ein stumpfes Orange angenommen, jene Färbung des Sonnenaufgangs, die häufig auf Stürme folgt. Die Luft war so klar und voller Meeresduft, dass Laura meinte, winzige Salzkristalle auf ihrer Haut zu spüren. Sie duckte sich unter den tropfenden Zweigen der Tamarisken, genoss das feuchte Gras unter ihren Füßen und folgte dem schmalen Pfad zwischen den Macchiabüschen über eine flache Düne zum Strand. Doch es gab kaum noch Strand. In dieser Nacht hatte sich das Meer erhoben, die kleinen, strohgedeckten Sonnenschutzhütten weggefegt, war die Dünen hinaufgestürmt, hatte die Wurzeln der vordersten Büsche bloßgelegt. Jener Büsche, die sich ohnehin wie verzweifelt vom Meer wegstreckten, auf der Flucht vor Salz und Sturm.

Ungläubig betrachtete Laura den schmalen Streifen dunklen Sandes, der vom Strand zurückgeblieben war, und das noch immer tobende Wasser. Wie durchgegangene Pferde rannten die Wogen gegen das Land an, schäumend, sich überschlagend, getrieben von einer unbändigen Kraft. Weit hinter den rollenden Wellen stiegen die Berge der Insel Montecristo aus einer Wolke auf, als hätten sie keine Verbindung zur Erde, schwebten über dem Wasser, wie auf einem Gemälde von Magritte.

Laura wusste selbst nicht, warum sie einfach weiterging. Das Wasser war erstaunlich warm, doch es war nicht freundlich. Es zog ihr die Beine weg, warf sie um, zwang ihr sein Gesetz auf. Sie musste unter den Wellen durchtauchen, raus aus der Brandung ins Tiefe, oben bleiben, Luft schnappen und wieder runter. Nach einer Weile glaubte sie, das Gesetz zu kennen, doch immer wieder wurde sie von einer Woge verschüttet, herumgewirbelt wie eine Puppe. Sie schluckte Wasser, meinte zu ertrinken und empfand trotzdem ein wildes Glücksgefühl. Es ist wie lieben, dachte sie. Dachte nichts mehr, als sie erneut untergetaucht wurde.

Panik erfasste sie erst, als sie unter Wasser mit etwas Großem zusammenstieß. Es fühlte sich an wie ein schlaffer Riesenkrake. Sie meinte Fangarme zu spüren, stieß das Ding von sich, kam nicht weg davon. Gemeinsam mit ihm, in einer verrückten Umarmung, wurde sie von der nächsten Woge überrollt. Als sie wieder auftauchte, war das Ding plötzlich verschwunden.

Das Ufer schien ganz nah. Sie schwamm ein paar wilde Züge, wurde in die wirbelnde Brandung gezogen und wusste, dass dieses tosende Wasser sie hochheben und auf den Strand schleudern würde. Verzweifelt kämpfte sie gegen die Strömung, gab dann aber plötzlich auf, weil sie merkte, dass ihre Kraft nicht ausreichte. Es ging nur noch darum, rechtzeitig Luft zu holen, um unter der nächsten Woge durchzutauchen. Zweimal noch stieß sie dabei mit irgendwas zusammen, dann prallte sie auf den steil aufsteigenden Strand. Ihre rechte Seite schmerzte, doch sie kam auf die Knie, dann auf die Beine, merkte kaum, dass sie gleichzeitig hochgezogen und halb getragen wurde. Oben auf der Düne sackten ihre Beine weg, und sie fiel in den Sand, würgte Salzwasser aus.

«Perché? Kannst du mir erklären, warum?»

Sie hörte Guerrinis Worte nur undeutlich. Die Ohren voll Wasser, hob sie abwehrend eine Hand, hustete. Er klopfte ihr den Rücken, strich ihr das nasse Haar aus dem Gesicht.

«Laura! Hörst du mich überhaupt?»

«Ich bin im Wasser mit irgendwas zusammengestoßen.» Ihre Augen brannten vom Salz, und sie konnte nur verschwommen sehen, trotzdem entdeckte sie etwas Dunkles in der Brandung. Ein paar Meter weiter links. Es wurde herumgewirbelt, wie eben noch sie selbst, und dann auf den Strand geworfen, als wollte das Meer es loswerden.

Laura stützte sich auf Guerrinis Schulter und zog sich an ihm hoch.

«Siehst du das?» Sie wies auf das Ding, das jetzt wieder von einer Welle verschluckt wurde, aber kurz darauf erneut auftauchte – und erkannte gleichzeitig mit Guerrini, dass es ein Mensch war. Ohne nachzudenken, rannte sie los und packte einen Arm und ein Bein. Ein gewaltiger Brecher kam ihr zu Hilfe, und so schaffte sie es, diesen schlaffen Körper festzuhalten und etwas höher auf den Strand zu ziehen.

 

Er war tot. Hatte vermutlich nicht sehr lange im Wasser gelegen. Zu unversehrt war sein Körper, sein Gesicht. Nicht aufgedunsen, nur sehr gelblich blass. Sein Haar schwarz wie sein Schnurrbart. Araber, dachte Laura. Nordafrikaner. Vielleicht einer von den Flüchtlingen, die übers Mittelmeer nach Italien strömen. Einer von den disgraziati, den Unglücklichen. Höchstens vierzig. Aber so weit im Norden? Sie sah sich nach Guerrini um. Gerade war er noch neben ihr gewesen, oder hatte sie sich das nur eingebildet?

Er war noch da. Stand zwischen den entwurzelten...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2009
Reihe/Serie Laura Gottberg ermittelt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Aufklärung • Kriminalbeamtin • Kriminalfall • Laura Gottberg • München • Sommer • Toskana
ISBN-10 3-644-30151-4 / 3644301514
ISBN-13 978-3-644-30151-1 / 9783644301511
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