Das Leben ist nichts für Feiglinge (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2010 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-40396-9 (ISBN)
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Markus liebt seine Tochter Kim aufrichtig, aber trotzdem hat er in den letzten Jahren den Draht zu ihr verloren. Die kluge, aber störrische Fünfzehnjährige vertraute sich nur noch ihrer Mutter an. Doch nun ist Babette tot, Vater und Tochter sind auf sich allein gestellt. Kim reagiert auf den Verlust wütend und aggressiv, Markus hilflos. Er möchte seine Tochter festhalten, ihr Mut machen und sie beschützen - aber das ist nicht leicht, wenn man sich am liebsten nur die Decke über den Kopf ziehen will, um unbemerkt weinen zu dürfen. Als Kim eines Tages spurlos verschwindet, muss Markus sich auf die Suche nach ihr machen. Und am Ende dieser unerwarteten Reise wird er sie nicht nur finden - sie werden sich gegenseitig retten ... Ein Roman wie das Leben: mit vielen kleinen und großen Niederlagen, aber auch voller unerwarteter Glücksmomente und der Erkenntnis, dass wir alles schaffen können, wenn wir die richtigen Menschen an unserer Seite haben. Das Leben ist nichts für Feiglinge von Gernot Gricksch: auch im eBook erhältlich!

Gernot Gricksch, geboren 1964, ist Kolumnist, Kinokritiker und Autor von Romanen, Sachbüchern und Drehbüchern. Er ist einer der meistverfilmten deutschen Autoren und lebt mit seiner Familie in Hamburg. Gernot Gricksch versteht es wie kaum ein anderer deutscher Unterhaltungsautor, sein Publikum zum Lachen zu bringen, zu Tränen zu rühren und dabei so einiges über das Innenleben von Männern zu verraten, was »echte Kerle« nur zu gerne für sich behalten und viele Frauen gerade deswegen hochspannend finden. Zu Gernot Grickschs größten Erfolgen gehören »Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande« und »Freilaufende Männer«. Sein Roman »Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe« wurde 2006 mit dem Literaturpreis DeLiA als bester Liebesroman des Jahres ausgezeichnet, die eigene Drehbuchadaption mit dem Norddeutschen Filmpreis und dem Bayerischen Filmpreis. Nach »Freilaufende Männer« wurde 2012 der Roman »Das Leben ist nichts für Feiglinge« mit Wotan Wilke Möhring verfilmt.

Gernot Gricksch, geboren 1964, ist Kolumnist, Kinokritiker und Autor von Romanen, Sachbüchern und Drehbüchern. Er ist einer der meistverfilmten deutschen Autoren und lebt mit seiner Familie in Hamburg. Gernot Gricksch versteht es wie kaum ein anderer deutscher Unterhaltungsautor, sein Publikum zum Lachen zu bringen, zu Tränen zu rühren und dabei so einiges über das Innenleben von Männern zu verraten, was »echte Kerle« nur zu gerne für sich behalten und viele Frauen gerade deswegen hochspannend finden. Zu Gernot Grickschs größten Erfolgen gehören »Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande« und »Freilaufende Männer«. Sein Roman »Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe« wurde 2006 mit dem Literaturpreis DeLiA als bester Liebesroman des Jahres ausgezeichnet, die eigene Drehbuchadaption mit dem Norddeutschen Filmpreis und dem Bayerischen Filmpreis. Nach »Freilaufende Männer« wurde 2012 der Roman »Das Leben ist nichts für Feiglinge« mit Wotan Wilke Möhring verfilmt.

Kapitel 1


Die dritthäufigste Ursache für Verspätungen der New Yorker U-Bahn –«, begann Kim.

»Jetzt nicht«, unterbrach Markus sie und nestelte an seiner Krawatte herum. Er stand in seinem neuen schwarzen Anzug in der Küche. Den fast leeren Kaffeebecher hatte er auf der Spüle abgestellt. Er betrachtete den Schlips. Der war weinrot. Noch nie hatte Weinrot für Markus so bunt ausgesehen. Er überlegte, die Krawatte noch zu wechseln. Ein schwarzer Schlips vielleicht? Aber würde er damit nicht aussehen wie einer von den Blues Brothers?

»Die häufigste Ursache sind Gleisarbeiten«, hob Kim erneut an. Seine Tochter saß am Küchentisch, neben sich eine Tasse Zimt-Lakritz-Tee, die noch fast voll war. Der Tee roch, als sei irgendwo im Orient ein Chemiewerk explodiert. Kim blickte ihrem Vater direkt ins Gesicht, die Augen angriffslustig zusammengekniffen. »Die zweithäufigste Ursache sind Signalfehler. Aber die dritthäufigste …«

Kim machte eine Kunstpause. Markus seufzte.

»Die dritthäufigste sind Frauen auf Diät! Weibliche Passagiere, die wegen Schwäche oder Unterzuckerung in U-Bahnen und auf Bahnsteigen in Ohnmacht fallen.«

»Woher weißt du nur all diesen Kram?«, murmelte er.

»Das muss man sich mal vorstellen!«, ereiferte sich Kim. »Nur weil diese blöden Ami-Weiber unbedingt sehen wollen, dass ihre Hüftknochen durch ihre Haut piksen wie bei einem Kind aus der Sahelzone, kommen tagtäglich Tausende von New Yorkern zu spät zur Arbeit. Oder zu spät zu ihrem Weight-Watcher-Treffen.«

»Ziehst du dich bitte um, Kim?«, bat Markus in so ruhigem Tonfall wie möglich. »Ausnahmsweise?«

»Nein«, sagte Kim. »Ich bin fertig angezogen.«

»Kim …«, begann Markus.

Seine Tochter erhob sich. Fünfzehn Jahre alt und ebenso schwarz wie stolz. Nicht völlig schwarz natürlich – ihre Haut war bleich, fast wie Kalk oder, wenn man’s diplomatisch formulieren wollte, wie Porzellan. Das passierte, wenn man sich in seinem Zimmer vergrub. Doch ihr hochtoupiertes Haar hatte sie glänzend schwarz gefärbt, zwei pechschwarze Kajal-Ringe umrahmten ihre Augen, die Fingernägel waren schwarz lackiert, und auch ihre Kleidung war komplett in derselben Nicht-Farbe gehalten. Von einigen kleinen Einsprengseln abgesehen: Sepulcrum Mentis stand blutrot auf ihrem T-Shirt. Der Name einer Gothic-Band. Kim hatte ihn Markus auf Wunsch einmal knurrend übersetzt. Er bedeutete »Grab des Geistes«.

»Bitte«, sagte Markus. »Mama zuliebe.«

»Mama ist tot«, antwortete Kim, und in ihrer Stimme lag eine Härte, die Markus schmerzte. »Sie hat mich immer so akzeptiert, wie ich bin. Mama hätte nie verlangt, dass ich mich verkleide!«

Jetzt brach ihre Stimme doch, Trauer durchstieß ihre trotzige, abgebrühte Attitüde. Kim erhob sich, die Augen feucht. Sie stürmte aus dem Zimmer, so würdevoll und cool, wie man eben stürmen kann.

Markus hätte fast aufgelacht, so absurd fand er den Satz seiner Tochter. Wenn sie jetzt nicht verkleidet war, wann dann? Er rief ihr nach: »Es ist ihre Beerdigung, verdammt noch mal! Mach das nicht kaputt!«

»Mama ist weg!«, kam Kims Stimme aus dem Flur zurück. »Sie ist tot. Heute wird sie nur verbuddelt. Was könnte man daran schon kaputt machen?«

Markus musterte erneut seine Krawatte. Sein Hals brannte. Er zitterte ein wenig. Kims obskurer Tee dampfte immer noch in der Tasse. Er roch jetzt wie Schwefel.

 

Kurz darauf schloss Markus die Haustür hinter sich zu. Kim saß bereits im Auto. Sie war hinten eingestiegen. Ganz so, als sei der Beifahrersitz auf ewig für Babette reserviert. Kim hatte ihre MP3-Stöpsel in den Ohren. Ein stupider, böser Bass dröhnte heraus. Das Mädchen hatte die Augen geschlossen. Markus fragte sich, ob sie womöglich ihre Mutter vor sich sah. Klammerte sich seine Tochter an die Erinnerungen an Babette, oder versuchte sie, sie loszuwerden, abzulösen, hinter sich zu lassen?

Wie trauerte Kim? Markus hatte keine Ahnung. Seine Tochter sprach nicht mit ihm. Nicht über Babette jedenfalls. Sie repetierte neuerdings nur ständig groteske Statistiken, erzählte von bizarren Todesfällen und kolportierte absurde Zufälle. Sie suchte Asyl in Absurdistan.

Markus lenkte den Wagen die Hauptstraße entlang. Der Ford Combi trug die Aufschrift »Partyservice Lindner«. Daneben war ein kleines Folienbild angebracht, das ein appetitliches Arrangement aus Wurstspießen, Käse und Obst zeigt. Babette hatte es immer lustig gefunden, dass sie mit dem Firmenwagen überall hinfuhren. Sogar in den Urlaub. »Allen Leuten läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn sie uns vorbeifahren sehen«, hatte sie lachend gesagt. »Das ist doch toll!«

Sie hatten viel gelacht früher. Früher? Noch vor zehn Tagen. Doch jetzt lachte niemand mehr. Der Beifahrersitz war leer, und dunkles Schweigen füllte den Wagen. Das Einzige, was man hörte, waren die leisen, knarzenden Bässe, die aus Kims Ohrstöpseln drangen. Markus bog auf den Parkplatz des Friedhofs ein.

Markus’ Mutter wartete bereits dort. Sie hatte ihren Sohn gebeten, sich hier mit ihr zu treffen, nicht vor der Kapelle. Nicht inmitten eines Pulks von Menschen, die sie größtenteils noch nie gesehen hatte.

»Mama«, sagte Markus und umarmte sie.

»Wie geht’s dir, Schatz?«, fragte Gerlinde. Ihre Stimme klang dumpf. Markus war gut eineinhalb Köpfe größer als sie, und wenn er sie umarmte, verschwand ihr Gesicht im Stoff seines Sakkos. Er lockerte den Griff, sah zu ihr hinunter und zuckte mit den Schultern.

Was sollte er sagen? Natürlich ging es ihm nicht gut. Wie sollte es jemandem schon gehen bei der Beerdigung der eigenen Frau? »Ich komme klar«, sagte er also. Was ja auch stimmte. Er würde das hier durchstehen. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig.

Gerlinde wandte sich Kim zu. Das Mädchen stand etwas abseits, hatte immer noch die Stöpsel in den Ohren und schaute, als sie Gerlindes Blick spürte, vom Boden auf.

»Hallo, Oma«, sagte sie und zupfte tatsächlich den linken Dröhnstöpsel aus der Ohrmuschel.

Man sah Gerlinde an, dass sie versucht war, auch ihre Enkelin zu umarmen. Doch Kims Körperhaltung signalisierte den dringenden Wunsch nach Distanz. Gerlinde musterte Kim von oben bis unten, registrierte ihr unangebrachtes Grufti-Outfit – und verlor kein Wort darüber.

»Wir müssen los«, sagte Markus und wies auf den Weg, der zur Kapelle führte. Dort gingen bereits mehrere Trauergäste. Markus erkannte seine Freunde Piet und Susann, mit denen Babette und er sich regelmäßig zu Spieleabenden getroffen hatten. Susann hatte sich bei Piet eingehakt.

So wie sich Babette auch oft bei Markus eingehakt hatte. Markus’ Gedanken schweiften ab. Er bildete sich ein, Babettes leichtes Gewicht, ihre Nähe und Wärme an seinem Arm zu spüren.

»Ich habe mir heute Morgen Babybilder von dir angeschaut«, sagte Gerlinde zu ihrer Enkelin und holte damit Markus in die Realität zurück. »Erinnerungen, weißt du.«

Kim nickte.

»Du warst ein lustiges Kind. Du hast ständig gelacht. Auf fast jedem Foto hast du gelacht oder gekichert oder gegrinst.«

»Das liegt daran, dass Leute immer nur dann fotografieren, wenn die Stimmung gut ist«, sagte Kim nüchtern. »Wenn irgendwann Aliens auf unserem entvölkerten Planeten landen und unsere Familienfotos studieren, werden sie denken, wir waren die scheißfröhlichste Spezies des Universums.«

»Kim!«, ermahnte Markus sie.

Sie blickte ihren Vater an. »Ist doch wahr. Oder hast du heute etwa eine Kamera mitgenommen?«

Markus antwortete nicht.

Er war so müde.

»Früher«, fuhr Kim fort, »als der Blitz bei den Kameras noch mit Magnesium betrieben wurde, im 19. Jahrhundert, da erblindeten wegen falscher Dosierung rund 100 Menschen pro Jahr. Nur weil sie ein hübsches, fröhliches Foto von sich haben wollten.«

»Früher haben die Leute auf Fotos nicht oft gelächelt«, widersprach Gerlinde. »Früher haben sie immer ganz ernst in die Kameras geschaut.«

»Würde ich auch tun, wenn ich drei Sekunden später womöglich blind wäre«, antwortete Kim.

Die Glocken der Kapelle schallten über den Friedhof.

»Wir müssen«, wiederholte Markus seufzend.

Die drei setzten sich in Bewegung,

»Du siehst aus wie ein Mafiakiller«, sagte Gerlinde tadelnd und zupfte im Gehen an Markus’ pechschwarzem Schlips.

 

Es waren viele Leute da. Achtzig mindestens, vielleicht sogar hundert. Babette war beliebt gewesen. Selbst einige der Mütter waren gekommen, wollten von der toten Erzieherin ihrer Knirpse Abschied nehmen. Markus hatte jedoch darum gebeten, dass keine Kinder zur Beerdigung kommen sollten. Denn wer weiß, vielleicht hätten einige der Frauen dies als günstige Gelegenheit genutzt, ihre Kleinen mit der unerfreulichen Tatsache des Todes bekannt zu machen. Eine Beerdigung als pädagogische Maßnahme. Die waren teilweise sehr seltsam, diese Mütter. Denen war einiges zuzutrauen.

Doch nach dem heutigen Tag würde Markus nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Dieser Teil seines Lebens war mit Babettes Tod ganz plötzlich von ihm abgetrennt worden. Er würde nicht mehr beim Aufbau der Stände für das Sommerfest helfen, nicht mehr bei Ausflügen einspringen, wenn eine der Erzieherinnen krank war, nicht mehr kleinere Reparaturarbeiten an den Spielsachen ausführen. Es würde keine witzigen Kindergarten-Anekdoten mehr geben, keine Lästereien über übereifrige oder asoziale Eltern, keine Kindermund-Zitate mehr, mit denen Babette zu Hause das Abendessen aufheiterte. Seine Frau war nicht mehr da – und es...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2010
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alter • Aufbruch • Bewältigung • Beziehung • Buch zum Film • Dänemark • Familie • Generation • Gernot • Gricksch • Großmutter • Hoffnung • Jugend • Kind • Krebs • Liebe • Liebeskummer • Mal • Mutter • Oma • Pubertät • Road • Schauspielerin • Sehnsucht • Sex • Teenager • Tod • Trauer • TRIP • Trost • Vater • Verlust • Wut • Zusammenhalt
ISBN-10 3-426-40396-X / 342640396X
ISBN-13 978-3-426-40396-9 / 9783426403969
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