Süden und das Lächeln des Windes (eBook)

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2011 | 1. Auflage
202 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-41175-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Süden und das Lächeln des Windes -  Friedrich Ani
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Ein neunjähriger Junge verliebt sich in ein kleines Mädchen und ist so besessen von seiner Liebe, dass die Eltern beider Kinder beschließen, sie streng getrennt zu halten, ehe Schlimmeres passiert. Aus Verzweiflung läuft der Junge von zu Hause weg. Doch zur Verblüffung von Kommissar Tabor Süden scheint das Verschwinden ihres Kindes die Eltern wenig zu beunruhigen ... Süden und das Lächeln des Windes von Friedrich Ani: Spannung pur im eBook!

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman 'Süden und der Luftgitarrist'. 2011 wurde der Roman 'Süden' mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman 'M', der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.

Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet: Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman "Süden und der Luftgitarrist". 2011 wurde der Roman "Süden" mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, ebenso wie 2014 sein Roman "M", der wochenlang auf der KrimiZEIT-Bestenliste stand. Friedrich Ani ist Mitglied des Internationalen PEN-Clubs und lebt in München.

2


Herr Süden?«

»Ja.«

»Kann ich Sie sprechen?«

»Nur zu.«

»Unter vier Augen, es ist sehr wichtig.«

»Ist jemand verschwunden?«

Die Frau antwortete nicht. Ich wartete ab. Meine Kollegin Sonja Feyerabend, mit der ich das Büro teilte, hatte einen dicken Wollschal um den Hals gewickelt und eine Eukalyptusaura, sie hustete ständig, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, die darin bestand, pausenlos auf die Tastatur ihres Computers einzuhacken, vermutlich, um möglichst schnell fertig zu werden und nach Hause gehen zu können. Ihre Stirn glänzte von Schweiß, und ich fragte mich, ob er von ihrem hektischen Schreiben kam, das nicht enden wollte, oder ob sie sich in einer Art Grippedelirium befand. Mehrmals hatte ich versucht sie anzusprechen, aber sie reagierte nicht, es schien, als würde sie mich nicht hören, als würde sie niemanden hören oder etwas wahrnehmen.

»Herr Süden?«

»Ja?«

»Ich muss Sie dringend sprechen.«

»Worum gehts denn …« Ich sah auf den Block mit dem Namen, den mir Erika Haberl, die Sekretärin der Vermisstenstelle, durchgegeben hatte. »… Frau Berghoff.«

»Das möcht ich am Telefon nicht sagen.«

»Können Sie ins Dezernat kommen?«, fragte ich.

»Ich kann hier nicht weg«, sagte sie. »Zwei Mitarbeiter sind krank, ich muss an der Rezeption bleiben. Bitte, Herr Süden …«

Ich sagte: »Sie arbeiten in einem Hotel.«

»Hotel ›Aurora‹ in Schwabing.«

»Das kenne ich.«

»Bitte kommen Sie.«

»Nein«, sagte ich.

Wieder verstummte sie. Ich beobachtete Sonja, die anscheinend an einem imaginären Tippwettbewerb teilnahm, ihre Finger hackten und zuckten, ihre braunen halblangen Haare klebten ihr im Nacken, so stark schwitzte sie, und sie hatte rote Flecken im Gesicht.

»Sonja?«

Ihre Hand huschte zur Maustaste, dirigierte sie, flitzte zurück und das Klacken ging weiter. Sonja musste blinzeln, weil ihr Schweiß in die Augen rann.

»Ich heiß Susanne.«

»Bitte?«, sagte ich.

»Ich heiß Susanne Berghoff«, sagte die Frau am Telefon, »nicht Sonja.«

»Ja«, sagte ich und hörte am Ende der Leitung ein Telefon klingeln und verschiedene Stimmen.

»Ich hab neue Gäste«, sagte Frau Berghoff. »Ich ruf gleich noch mal an. Sie müssen mir helfen, Herr Süden. Ich hab viel über Sie gelesen …«

»Wer ist verschwunden, Frau Berghoff?«

»Niemand«, sagte sie und legte auf.

»Fertig.« Sonja schnippte mit den Fingern und sah mich aus glasigen Augen an.

»Schleichen Sie sich«, sagte ich. »Gehen Sie ins Bett.«

»Alle Widerrufe erledigt«, sagte sie, als habe sie mich nicht verstanden. »Die Kollegen vom LKA haben keinen Grund mehr uns anzuschnauzen.« Sie betrachtete ihren Computer wie eine Trophäe. Und tatsächlich beugte sie sich vor und lächelte das Ding an. Sie grinste nicht, sie lächelte, als säße dort ein Mensch, der gemeinsam mit ihr Großes vollbracht hatte.

»Sehr gut«, sagte ich.

»Was?«, sagte sie.

»Soll ich Sie nach Hause fahren?«

»Nein.« Sie stand auf, schwankte und hielt sich an der Stuhllehne fest. »So ein Mist. Mir ist schwindlig. Außerdem verdurste ich gleich.«

Ich goss Mineralwasser in ein Glas und reichte es ihr. Sie trank es in einem Zug aus.

»Schaffen Sie es allein?«, fragte sie.

Ich sagte: »Was genau?«

Sie holte Luft, zog ihren Mantel an, nahm die Umhängetasche vom Stuhl und sah sich um, als habe sie vergessen, wo sich die Tür befand.

»Ich kann Sie in Ihrem Wagen nach Hause fahren«, sagte ich. »Und dann nehme ich ein Taxi zurück.«

»Ich fahr selber«, sagte sie etwas zu laut, was sie aber nicht zu bemerken schien.

»Gute Besserung«, sagte ich.

Sie zog den Mantel enger zu und wickelte den Schal noch fester um den Hals. Es war nicht zu übersehen, dass sie gleichzeitig fror und schwitzte.

Als sie auf den Flur hinaustrat, kam ihr, mit dunklen Tränensäcken im knochigen Gesicht, mein Freund und Kollege Martin Heuer entgegen, eingehüllt in eine türkisfarbene Daunenjacke.

»Servus«, sagte er und hielt Sonja die Glastür auf, die ins Treppenhaus führte.

»Hallo«, sagte Sonja mit magerer Stimme.

»Bist krank?«, fragte er.

Sie antwortete ihm nicht. Martin und ich sahen ihr hinter der Glastür zu, wie sie auf den Lift wartete und dann, weil es ihr zu lange dauerte, mit vorsichtigen Schritten die Treppe hinunterging, die Hand ums Geländer geklammert wie eine gebrechliche Frau.

»Die hats sauber erwischt«, sagte Martin. Er kam von einer Vernehmung in einem Vermisstenfall, von dem wir nicht annahmen, dass er uns lange beschäftigen würde. Es ging um einen Mann, der eines Nachts nicht nach Hause gekommen war, die Familie befand sich in Aufruhr und bildete sich die fürchterlichsten Dinge ein, während wir schon nach den ersten Gesprächen von einer Beziehungssache ausgingen, das hieß, wir hatten Hinweise auf eine außereheliche Beziehung erhalten, die der Ehemann offenbar eine Weile ungestört genießen wollte. Zwei Tage später tauchte er wieder auf und behauptete, er habe mal einige Zeit für sich sein und über sein Leben nachdenken müssen. Seine Frau tat so, als würde sie ihm glauben, und wir schickten einen Vermisstenwiderruf ans Landeskriminalamt, damit die Kollegen den Namen im INPOL-System löschen konnten.

»Ich bin immer wieder verblüfft, in was für einer Lügenwelt manche Familien leben«, sagte Martin, bevor er anfing, das Protokoll seiner Vernehmung zu schreiben. »Und noch mehr beeindruckt mich, wie professionell sie ihre Lügen verkaufen, ich fall immer wieder drauf rein.«

Mein Telefon klingelte.

»Hier ist noch mal Frau Berghoff.«

»Grüß Gott, Frau Berghoff«, sagte ich.

»Es geht um meinen Sohn.«

Also fuhren Martin und ich in die Herzogstraße zum Hotel »Aurora«, um uns eine Geschichte erzählen zu lassen, von der wir zunächst nicht erwarteten, dass sie der Wahrheit entsprach.

 

»Sie müssen mir glauben«, sagte Susanne Berghoff mehrere Male hintereinander. »Mehr weiß ich auch nicht. Ehrlich.«

Was sie nicht wusste, war, wo ihr Sohn sich aufhielt. Timo war neun Jahre alt, und weder Martin noch ich konnten uns an eine Mutter erinnern, die, obwohl sie offenbar keine Ahnung hatte, wo sich ihr Kind herumtrieb, derart geringe Anstrengungen unternommen hätte seinen Aufenthaltsort herauszufinden. Ihre größte Sorge schien zu sein, jemand könne von Timos Verschwinden erfahren, und anfangs hielt ich es für möglich, dass sie uns nur deswegen informiert hatte, damit wir dies verhinderten und nichts weiter. Susanne Berghoff wirkte vollkommen auf sich fixiert.

Aber wir drängten sie nicht. Wir ließen sie reden.

»Er ist schon öfter weg … Das macht er schon mal … Er ist sehr selbstständig …«

Wir saßen im Aufenthaltsraum des kleinen Hotels an einem Tisch mit einer grünen Decke, über die eine zweite, weiße gebreitet war. Alle zwölf Tische sahen gleich aus, unter dem Fenster mit den bodenlangen Stores stand ein langer Tisch, auf dem Tassen und Teller ordentlich aufgereiht waren. Der Raum war niedrig und dunkel, an der Decke brannte eine Lampe mit einem beigen Stoffschirm, die ein Licht verbreitete, das mich müde machte. Vielleicht lag es auch an der trockenen Luft und an der Art, wie Susanne Berghoff sprach. Sie war neunundzwanzig, wie wir später erfuhren, aber als wir sie das erste Mal trafen, schätzte ich sie auf mindestens fünfunddreißig. Sie war sehr schlank, eigentlich dürr, und stark geschminkt, sie wirkte überarbeitet und nervös, sie kam mir vor, als denke sie außer an sich selbst an eine Menge Dinge, die sie unter keinen Umständen preisgeben wollte. Immer wieder ging ihr Blick zur Tür, als erwarte sie jemanden, dann schaute sie uns mit verkniffenem Gesicht an, überlegte, wägte die Worte ab, strich die Tischdecke glatt, faltete die Hände und nahm sie wieder auseinander.

»Warum sagen Sie nichts?«, fragte sie.

Martin, der ihr gegenüber saß, zuckte mit der Schulter. Ich stand in der Nähe des Fensters, die Arme verschränkt, und hätte gern das Fenster geöffnet, um durchzuatmen, was auch Timos Mutter nicht geschadet hätte.

Sie schüttelte den Kopf. Dann rieb sie den Zeigefinger am Daumen wie jemand, der von Geld spricht. Sie bemerkte es nicht.

»Sie glauben, ich verschweig Ihnen was«, sagte sie.

»Ja.«

»Das stimmt nicht.«

»Können wir Ihren Mann in Wolfsburg anrufen?«, fragte Martin.

Sie hatte uns erzählt, ihr Mann nehme im VW-Werk an einem schwierigen Einstellungstest teil, bei dem Personen, die bisher nichts mit Autos zu tun hatten, zu Monteuren umgeschult würden und darüber hinaus fähig sein sollten, in einer Gruppe zu arbeiten. Darauf basiere das neue Konzept des Unternehmens, das von den Arbeitern verlange, eine bestimmte vorher vereinbarte Menge von Fahrzeugen fertig zu stellen, und zwar für einen Pauschallohn, wobei sich die konkrete Arbeitszeit nach der Erfüllung des Produktionssolls richte, und je perfekter die Abstimmung im Team funktioniere, desto schneller werde das Ziel erreicht und desto höher der Stundenlohn für jeden Einzelnen.

Mit großem Eifer hatte Susanne Berghoff von dem Konzept erzählt, so weit sie es verstanden oder ihr Mann es ihr erklärt hatte. Sie schien stolz auf seinen Elan und seinen Willen zu sein, diese Prüfungen zu schaffen, an denen ungefähr vierzigtausend Kandidaten aus ganz Deutschland teilnahmen. Bevor er arbeitslos wurde, war Hajo Berghoff Abteilungsleiter in einer Filiale von CompuLine gewesen, einer Kette von Spezialgeschäften für Hard- und Software,...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2011
Reihe/Serie Ein Fall für Tabor Süden
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Besessenheit • Kind • Krimi • Liebe • Verschwinden
ISBN-10 3-426-41175-X / 342641175X
ISBN-13 978-3-426-41175-9 / 9783426411759
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