Der Besuch der alten Dame (eBook)

Eine tragische Komödie
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2012 | 2. Auflage
160 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60057-5 (ISBN)

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Der Besuch der alten Dame -  Friedrich Dürrenmatt
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Claire Zachanassian kehrt als Milliardärin nach Güllen zurück, ihr Heimatdorf, in dem ihr einst das Herz gebrochen und die Ehre geraubt wurde. Nun will sie sich rächen und bietet der Güllener Bevölkerung eine Milliarde dafür, dass ihr damaliger Liebhaber Ill für sein einstiges Vergehen mit dem Tod bestraft wird. Ein Angebot, das die Bürger entrüstet zurückweisen. Zunächst.

Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ?Der Richter und sein Henker?, ?Der Verdacht?, ?Die Panne? und ?Das Versprechen?, weltberühmt mit den Komödien ?Der Besuch der alten Dame? und ?Die Physiker?. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ?Stoffen?, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.

Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ›Der Richter und sein Henker‹, ›Der Verdacht‹, ›Die Panne‹ und ›Das Versprechen‹, weltberühmt mit den Komödien ›Der Besuch der alten Dame‹ und ›Die Physiker‹. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ›Stoffen‹, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.

[13] Erster Akt

Glockenton eines Bahnhofs, bevor der Vorhang aufgeht. Dann die Inschrift: Güllen. Offenbar der Name der kleinen Stadt, die im Hintergrund angedeutet ist, ruiniert, zerfallen. Auch das Bahnhofgebäude verwahrlost, je nach Land mit oder ohne Absperrung, ein halbzerrissener Fahrplan an der Mauer, ein verrostetes Stellwerk, eine Türe mit der Aufschrift: Eintritt verboten. Dann, in der Mitte, die erbärmliche Bahnhofstraße. Auch sie nur angedeutet. Links ein kleines Häuschen, kahl, Ziegeldach, zerfetzte Plakate an der fensterlosen Mauer. Links Tafel: Frauen, rechts: Männer. Alles in eine heiße Herbstsonne getaucht. Vor dem Häuschen eine Bank, auf ihr vier Männer. Ein fünfter, aufs unbeschreiblichste verwahrlost, wie die andern, beschreibt ein Transparent mit roter Farbe, offenbar für einen Umzug: Willkommen Kläri. Das donnernde, stampfende Geräusch eines vorbeirasenden Schnellzuges. Vor dem Bahnhof der Bahnhofsvorstand salutierend. Die Männer auf der Bank deuten mit einer Kopfbewegung von links nach rechts an, daß sie den vorbeirasenden Expreß verfolgen.

DER ERSTE  Die ›Gudrun‹, Hamburg–Neapel.

DER ZWEITE  Um elfuhrsiebenundzwanzig kommt der ›Rasende Roland‹, Venedig–Stockholm.

DER DRITTE  Das einzige Vergnügen, das wir noch haben: Zügen nachschauen.

[14] DER VIERTE  Vor fünf Jahren hielten die ›Gudrun‹ und der ›Rasende Roland‹ in Güllen. Dazu noch der ›Diplomat‹ und die ›Lorelei‹, alles Expreßzüge von Bedeutung.

DER ERSTE  Von Weltbedeutung.

Glockenton.

DER ZWEITE  Nun halten nicht einmal die Personenzüge. Nur zwei von Kaffigen und der Einuhrdreizehn von Kalberstadt.

DER DRITTE  Ruiniert.

DER VIERTE  Die Wagnerwerke zusammengekracht.

DER ERSTE  Bockmann bankrott.

DER ZWEITE  Die Platz-an-der-Sonne-Hütte eingegangen.

DER DRITTE  Leben von der Arbeitslosenunterstützung.

DER VIERTE  Von der Suppenanstalt.

DER ERSTE  Leben?

DER ZWEITE  Vegetieren.

DER DRITTE  Krepieren.

DER VIERTE  Das ganze Städtchen.

Zuggeräusch, der Bahnhofsvorstand salutiert. Die Männer verfolgen den Zug mit einer Kopfbewegung von rechts nach links.

DER VIERTE  Der ›Diplomat‹.

DER DRITTE  Dabei waren wir eine Kulturstadt.

DER ZWEITE  Eine der ersten im Lande.

DER ERSTE  In Europa.

DER VIERTE  Goethe hat hier übernachtet. Im ›Gasthof zum Goldenen Apostel‹.

[15] DER DRITTE  Brahms ein Quartett komponiert.

Glockenton.

DER ZWEITE  Berthold Schwarz das Pulver erfunden.

DER MALER  Und ich habe mit Glanz die Ecole des Beaux-Arts besucht, doch was treibe ich jetzt? Inschriftenmalerei!

DER ZWEITE  Höchste Zeit, daß die Milliardärin kommt. In Kalberstadt soll sie ein Spital gestiftet haben.

DER DRITTE  In Kaffigen die Kinderkrippe und in der Hauptstadt eine Gedächtniskirche.

DER MALER  Von Zimt, dem naturalistischen Schmierer, ließ sie sich porträtieren.

DER ERSTE  Die mit ihrem Geld. Die Armenian-Oil besitzt sie, die Western Railways, die Northern Broadcasting Company und das Bangkoker Vergnügungsviertel.

Zugsgeräusch. Links erscheint ein Kondukteur, als wäre er eben vom Zuge gesprungen.

DER KONDUKTEUR  mit langgezogenem Schrei Güllen!

DER ERSTE  Der Personenzug von Kaffigen.

Ein Reisender ist ausgestiegen, geht von links an den Männern auf der Bank vorbei, verschwindet in der Türe mit der Anschrift: Männer.

DER ZWEITE  Der Pfändungsbeamte.

DER DRITTE  Geht das Stadthaus pfänden.

DER VIERTE  Politisch sind wir auch ruiniert.

DER BAHNHOFSVORSTAND  hebt die Kelle Abfahrt!

[16] Vom Städtchen her der Bürgermeister, der Lehrer, der Pfarrer und Ill, ein Mann von fast fünfundsechzig Jahren, alle schäbig gekleidet.

DER BÜRGERMEISTER  Mit dem Einuhrdreizehn-Personenzug von Kalberstadt kommt der hohe Gast.

DER LEHRER  Der gemischte Chor singt, die Jugendgruppe.

DER PFARRER  Die Feuerglocke bimmelt. Die ist noch nicht versetzt.

DER BÜRGERMEISTER  Auf dem Marktplatz bläst die Stadtmusik, und der Turnverein bildet eine Pyramide zu Ehren der Milliardärin. Dann ein Essen im ›Goldenen Apostel‹. Leider reicht es finanziell nicht zur Beleuchtung des Münsters und des Stadthauses am Abend.

DER PFÄNDUNGSBEAMTE  kommt aus dem Häuschen Guten Morgen, Herr Bürgermeister. Grüße recht herzlich.

DER BÜRGERMEISTER  Was wollen Sie denn hier, Pfändungsbeamter Glutz?

DER PFÄNDUNGSBEAMTE  Das wissen Herr Bürgermeister schon. Ich stehe vor einer Riesenaufgabe. Pfänden Sie mal eine ganze Stadt.

DER BÜRGERMEISTER  Außer einer alten Schreibmaschine finden Sie im Stadthaus nichts.

DER PFÄNDUNGSBEAMTE  Herr Bürgermeister vergessen das Güllener Heimatmuseum.

DER BÜRGERMEISTER  Schon vor drei Jahren nach Amerika verkauft. Unsere Kassen sind leer. Kein Mensch bezahlt Steuern.

DER PFÄNDUNGSBEAMTE  Muß untersucht werden. Das Land floriert, und ausgerechnet Güllen mit der Platz-an-der-Sonne-Hütte geht bankrott.

[17] DER BÜRGERMEISTER  Wir stehen selber vor einem wirtschaftlichen Rätsel.

DER ERSTE  Alles von Freimaurern abgekartet.

DER ZWEITE  Von den Juden gesponnen.

DER DRITTE  Die Hochfinanz lauert dahinter.

DER VIERTE  Der internationale Kommunismus zieht seine Fäden.

Glockenton.

DER PFÄNDUNGSBEAMTE  Finde immer etwas. Habe Augen wie ein Sperber. Spähe mal bei der Stadtkasse nach. Ab.

DER BÜRGERMEISTER  Besser, er plündert uns jetzt als nach dem Besuch der Milliardärin.

Der Maler hat seine Inschrift beendet.

ILL  Das geht natürlich nicht, Bürgermeister, die Inschrift ist zu intim. Willkommen Claire Zachanassian, muß es heißen.

DER ERSTE  Ist aber Kläri.

DER ZWEITE  Kläri Wäscher.

DER DRITTE  Hier aufgewachsen.

DER VIERTE  Ihr Vater war Baumeister.

DER MALER  So schreib ich einfach: Willkommen Claire Zachanassian auf die Hinterseite. Wenn die Milliardärin dann gerührt ist, können wir ihr immer noch die Vorderseite zudrehen.

DER ZWEITE  Der ›Börsianer‹, Zürich–Hamburg.

Ein neuer Expreßzug kommt von rechts nach links.

[18] DER DRITTE  Immer exakt, die Uhr könnte man nach ihm richten.

DER VIERTE  Bitte, wer hat hier schon noch eine Uhr.

DER BÜRGERMEISTER  Meine Herren, die Milliardärin ist unsere einzige Hoffnung.

DER PFARRER  Außer Gott.

DER BÜRGERMEISTER  Außer Gott.

DER LEHRER  Aber der zahlt nicht.

DER MALER  Der hat uns vergessen.

Der Vierte spuckt aus.

DER BÜRGERMEISTER  Sie waren mit ihr befreundet, Ill, da hängt alles von Ihnen ab.

DER PFARRER  Sie sind auseinandergegangen damals. Ich hörte eine unbestimmte Geschichte – haben Sie Ihrem Pfarrer etwas zu gestehen?

ILL  Wir waren die besten Freunde – jung und hitzig – war schließlich ein Kerl, meine Herren, vor fünfundvierzig Jahren – und sie, die Klara, ich sehe sie immer noch, wie sie mir durchs Dunkel der Peterschen Scheune entgegenleuchtete oder mit nackten Füßen im Konradsweilerwald durch Moos und Laub ging, mit wehenden roten Haaren, biegsam, gertenschlank, zart, eine verteufelt schöne Hexe. Das Leben trennte uns, nur das Leben, wie es eben kommt.

DER BÜRGERMEISTER  Für meine kleine Rede beim Essen im ›Goldenen Apostel‹ sollte ich einige Details über Frau Zachanassian besitzen. Er zieht ein Notizbüchlein aus der Tasche.

DER LEHRER  Ich forschte die alten Schulrodel durch. Die Noten der Klara Wäscher sind leider, leider herzlich [19] schlecht. Auch das Betragen. Nur in der Pflanzen- und Tierkunde genügend.

DER BÜRGERMEISTER  notierend. Gut. Genügend in der Pflanzen- und Tierkunde. Das ist gut.

ILL  Da kann ich dem Bürgermeister dienen. Klara liebte die Gerechtigkeit. Ausgesprochen. Einmal wurde ein Vagabund abgeführt. Sie bewarf den Polizisten mit Steinen.

DER BÜRGERMEISTER  Gerechtigkeitsliebe. Nicht schlecht. Wirkt immer. Aber die Geschichte mit dem Polizisten unterschlagen wir...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2012
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Bestseller • Broadway-Musical • gelbe Schuhe • güllen • Heimkehr • Korruption • Liebesgeschichte • Milliardärin • Prostituierte • Rache • Schullektüre • Schweizer Autor • Schweizer Literatur • Sitzenlassen • Untreue • zachanassian
ISBN-10 3-257-60057-7 / 3257600577
ISBN-13 978-3-257-60057-5 / 9783257600575
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