Ein plötzlicher Todesfall (eBook)

Roman | Ein großer Roman über eine kleine Stadt von einer der besten Erzählerinnen der Welt
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2013 | 1. Auflage
592 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-0516-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein plötzlicher Todesfall -  J. K. Rowling
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Als Barry Fairbrother plötzlich stirbt, sind die Einwohner von Pagford geschockt. Denn auf den ersten Blick ist die englische Kleinstadt mit ihrem hübschen Marktplatz und der alten Kirche ein verträumtes und friedliches Idyll, dem Aufregung fremd ist. Doch der Schein trügt. Hinter der malerischen Fassade liegt die Stadt im Krieg. Und dass Barrys Sitz im Gemeinderat nun frei wird, schafft den Nährboden für den größten Krieg, den die Stadt je erlebt hat. Wer wird als Sieger aus der Wahl hervorgehen - einer Wahl, die voller Leidenschaft, Doppelzüngigkeit und unerwarteter Offenbarungen steckt?

J.K. Rowling ist die Autorin der Harry Potter-Bücher. Weltweit wurden ihre Bücher in 73 Sprachen übersetzt und haben über 450 Millionen Leser gefunden. J. K. Rowling, die mit zahlreichen Literaturpreisen, wie z. B. dem Hans-Christian-Andersen-Preis, ausgezeichnet wurde, unterstützt über ihre Stiftung Volant zahlreiche gemeinnützige Projekte.

J.K. Rowling ist die Autorin der Harry-Potter-Bücher. Weltweit wurden ihre Bücher in 73 Sprachen übersetzt und haben über 450 Millionen Leser gefunden. J. K. Rowling, die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde, unterstützt über ihre Stiftung Volant zahlreiche gemeinnützige Projekte.

Montag

I

»Mach dich auf was gefasst«, sagte Miles Mollison. Er stand in der Küche eines der stattlichen Häuser an der Church Row.

Mit dem Anruf hatte er bis halb sieben gewartet. Die Nacht war schlimm gewesen, mit langem Wachsein, unterbrochen von kurzen, unruhigen Schlafphasen. Um vier Uhr hatte er bemerkt, dass seine Frau auch nicht schlief, und sie hatten sich eine Weile leise in der Dunkelheit unterhalten. Als sie über das Erlebte sprachen und dabei versuchten, vage Angst- und Schockgefühle zu zerstreuen, hatte Miles bei dem Gedanken, seinem Vater die Nachricht zu überbringen, eine leichte Erregung verspürt, die in kleinen Wellen durch seinen Körper lief. Er hatte bis sieben Uhr warten wollen, aber die Furcht, jemand könnte ihm zuvorkommen, hatte ihn früher ans Telefon getrieben.

»Was ist denn passiert?« Howards dröhnende Stimme klang leicht blechern. Miles hatte ihn auf laut gestellt, damit Samantha mithören konnte. In ihrem hellrosa Morgenmantel wirkte Samanthas Haut mahagonibraun, und sie hatte das frühe Aufwachen genutzt und noch mehr Selbstbräuner aufgetragen. In der Küche vermischte sich der Geruch nach Instantkaffee mit dem des künstlichen Kokosöls.

»Fairbrother ist tot. Gestern Abend vorm Golfclub zusammengebrochen. Sam und ich waren zum Essen im Birdie.«

»Fairbrother ist tot?«, brüllte Howard.

Die Betonung deutete darauf hin, dass er irgendeine Veränderung von Barry Fairbrothers Zustand erwartet hatte, aber mit dessen Tod hatte selbst er nicht gerechnet.

»Ist auf dem Parkplatz zusammengebrochen«, wiederholte Miles.

»Großer Gott«, sagte Howard. »Der war doch erst Anfang vierzig, oder? Großer Gott.«

Howard schnaufte wie ein Pferd. Morgens war er immer kurzatmig. »Und was war es? Das Herz?«

»Irgendwas im Gehirn, vermutet man. Wir sind mit Mary ins Krankenhaus gefahren und …«

Aber Howard war abgelenkt. Miles und Samantha hörten ihn in den Raum rufen: »Barry Fairbrother! Tot! Miles ist dran!«

Miles und Samantha tranken ihren Kaffee und warteten darauf, dass Howard ihnen wieder seine Aufmerksamkeit schenkte. Samanthas Morgenmantel stand offen und gab den Blick frei auf ihre großen Brüste, hochgeschoben durch die auf dem Küchentisch ruhenden Unterarme. Dadurch wirkten sie voller und glatter als im natürlichen Zustand. Die ledrige Haut ihres Ausschnitts legte sich in kleine Falten, die nicht mehr verschwanden. In ihrer Jugend war sie oft im Sonnenstudio gewesen.

»Was?«, fragte Howard, wieder in der Leitung. »Was hast du über das Krankenhaus gesagt?«

»Sam und ich sind im Krankenwagen mitgefahren.« Miles betonte jedes Wort. »Zusammen mit Mary und der Leiche.«

Samantha bemerkte, dass Miles’ zweite Version das hervorhob, was man als den dramatischen Aspekt der Geschichte bezeichnen konnte. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Ihre Belohnung dafür, all das Schreckliche durchgemacht zu haben, war das Recht, anderen davon zu erzählen. Sie glaubte nicht, dass sie es je vergessen würde: die heulende Mary, Barrys immer noch halb offene Augen über der maulkorbartigen Sauerstoffmaske, wie Miles und sie versucht hatten, die Miene des Sanitäters zu deuten, die Enge des rüttelnden Krankenwagens, die dunklen Fenster, die panische Angst.

»Großer Gott«, sagte Howard zum dritten Mal, ohne auf Shirleys leise Fragen aus dem Hintergrund zu achten, alle Aufmerksamkeit auf Miles gerichtet. »Einfach tot umgefallen auf dem Parkplatz?«

»Jep«, sagte Miles. »Mir war gleich klar, dass da nichts mehr zu machen war.«

Das war seine erste Lüge, und er wandte dabei den Blick von seiner Frau ab. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie er seinen schützenden Arm um Marys zitternde Schultern legte: Das wird schon wieder … das wird schon wieder …

Aber schließlich, dachte Samantha, um Miles Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, woher sollte man wissen, was eigentlich los war, wenn sie jemandem eine Sauerstoffmaske überzogen und ihm Spritzen setzten? Es hatte ausgesehen, als würden sie Barry retten, und niemand hätte sagen können, ob es half, bis die junge Ärztin im Krankenhaus auf Mary zugekommen war. Noch immer hatte Samantha Marys nacktes, versteinertes Gesicht vor Augen und den Ausdruck der bebrillten Frau im weißen Kittel: gefasst, jedoch ein bisschen erschöpft … So etwas kannte man aus Fernsehserien, aber wenn es dann tatsächlich passierte …

»Überhaupt nicht«, sagte Miles gerade. »Gavin hat Donnerstag noch mit ihm Squash gespielt.«

»Und da ging es ihm gut?«

»Ja, durchaus. Hat Gavin vernichtend geschlagen.«

»Großer Gott. Da kann man mal sehen, was? Da kann man mal sehen. Bleib dran, Mum will dich noch sprechen.«

Ein Knacken und Klappern, dann kam Shirleys leise Stimme aus dem Hörer. »Was für ein furchtbarer Schlag, Miles«, sagte sie. »Geht es dir gut?«

Samantha nahm einen zu großen Schluck Kaffee, der ihr prompt aus den Mundwinkeln rann und vom Kinn tropfte. Sie wischte Gesicht und Brust mit dem Ärmel ab. Miles hatte die Tonlage eingeschaltet, die er oft einsetzte, wenn er mit seiner Mutter sprach: tiefer als sonst, eine »Lass mich mal machen, mich kann nichts erschüttern«-Stimme, ausdrucksstark und sachlich. Manchmal, vor allem im betrunkenen Zustand, ahmte Samantha Unterhaltungen zwischen Miles und Shirley nach. »Keine Bange, Mummy. Miles hier. Dein kleiner Soldat.« »Liebling, du bist wunderbar: so groß und tapfer und klug.« In letzter Zeit hatte Samantha das hin und wieder in Gegenwart anderer getan, worauf Miles sauer und gereizt reagiert hatte, obwohl er darüber hinweglachte. Letztes Mal hatte es deswegen auf dem Heimweg im Auto Streit gegeben.

»Seid ihr mit Mary den ganzen Weg bis ins Krankenhaus gefahren?«, kam Shirleys Stimme aus dem Lautsprecher.

Nein, dachte Samantha. Unterwegs wurde uns langweilig, und wir haben sie gebeten, uns aussteigen zu lassen.

»Das Mindeste, was wir tun konnten. Ich wünschte, wir hätten mehr machen können.«

Samantha stand auf und ging zum Toaster.

»Mary war bestimmt sehr dankbar«, sagte Shirley. Samantha knallte die Brotdose zu und rammte vier Toastscheiben in die Schlitze. Miles’ Stimme nahm einen natürlicheren Ton an.

»Na ja, nachdem die Ärztin es ihr gesagt hatte – bestätigt hatte, dass er tot war –, verlangte Mary nach Colin und Tessa Wall. Sam hat sie angerufen, wir haben gewartet, bis sie kamen, und sind dann gegangen.«

»Mary hat wirklich Glück gehabt, dass ihr da wart«, sagte Shirley. »Dad will dich noch mal sprechen, Miles. Ich geb dich weiter. Bis später dann.«

»Bis später dann«, formte Samantha mit den Lippen, an den Wasserkessel gewandt, und wackelte mit dem Kopf. Ihre verzerrte Spiegelung wirkte verquollen nach der schlaflosen Nacht, ihre kastanienbraunen Augen waren gerötet. In ihrer Hast mitzubekommen, wie Howard die Nachricht aufnahm, hatte sich Samantha versehentlich Bräunungscreme in die unteren Augenlider geschmiert.

»Komm doch heute Abend mit Sam zu uns«, dröhnte Howard. »Nein, warte mal, Mum hat mich gerade daran erinnert, dass wir ja Bridge mit den Bulgens spielen. Dann kommt morgen. Zum Abendessen. Gegen sieben.«

»Mal sehen.« Miles blickte zu Samantha hinüber. »Ich muss Sam erst fragen, was sie vorhat.«

Sie ließ sich nicht anmerken, ob sie hingehen wollte oder nicht. Beide hatten das Gefühl, an einem Tiefpunkt angelangt zu sein, als Miles auflegte.

»Sie können es nicht fassen«, sagte er, als hätte Sam nicht alles mitgehört.

Schweigend aßen sie den Toast und tranken eine frisch aufgegossene Tasse Kaffee. Beim Kauen verschwand etwas von Samanthas Gereiztheit. Ihr fiel ein, wie sie mitten in der Nacht mit einem Ruck im dunklen Schlafzimmer aufgewacht und erleichtert gewesen war, Miles an ihrer Seite zu spüren, groß und korpulent, nach Vetiveröl und altem Schweiß riechend. Dann hatte sie sich vorgestellt, Kunden in ihrem Geschäft zu erzählen, dass ein Mann vor ihren Augen tot zusammengebrochen war, und von der Fahrt zum Krankenhaus zu berichten. Sie hatte sich Möglichkeiten überlegt, die verschiedenen Aspekte der Fahrt zu beschreiben, und dann als krönenden Abschluss die Szene mit der Ärztin. Das jugendliche Alter dieser beherrschten Frau hatte das Ganze noch schlimmer gemacht. Solche Nachrichten zu überbringen sollte man doch Älteren überlassen. Und dann hatte sich ihre Laune noch etwas mehr gehoben, als ihr einfiel, dass sie am nächsten Tag einen Termin mit dem Vertreter von Champêtre hatte. Am Telefon hatte er regelrecht mit ihr geflirtet.

»Ich sollte mich wohl allmählich auf die Socken machen.« Miles trank den Kaffee aus, den Blick auf das Fenster und den heller werdenden Himmel gerichtet. Er seufzte tief und tätschelte die Schulter seiner Frau, als er auf dem Weg zum Geschirrspüler mit dem leeren Teller und der Tasse an ihr vorbeikam.

»Lieber Gott, damit eröffnen sich völlig neue Perspektiven, oder?« Er schüttelte seinen kurz geschorenen, ergrauenden Kopf und verließ die Küche.

Samantha fand Miles manchmal lächerlich und, in zunehmendem Maße, langweilig. Doch hin und wieder genoss sie seine Aufgeblasenheit so, wie sie zu formellen Anlässen gerne einen Hut trug. Schließlich war es an diesem Morgen passend, sich feierlich und ein bisschen würdig zu geben. Sie aß ihren Toast auf, räumte die Frühstückssachen weg und polierte im Geiste die Geschichte auf, die sie ihrer Verkäuferin erzählen würde.

II

»Barry Fairbrother ist tot«, keuchte Ruth Price.

Sie war den Gartenweg regelrecht hinaufgerannt, um noch ein paar Minuten mit ihrem Mann zu verbringen, bevor er zur...

Erscheint lt. Verlag 2.12.2013
Übersetzer Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte England • Gemeinde • Gesellschaft • Gesellschaftskritik • Großbritannien • Kleinstadt • Roman • Todesfall
ISBN-10 3-8437-0516-X / 384370516X
ISBN-13 978-3-8437-0516-5 / 9783843705165
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