Amokjagd (eBook)

Roman

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
288 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-14132-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Amokjagd -  Jack Ketchum
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Howard Gardner hat den Tod verdient. Jahrelang hat er seine Frau gequält und missbraucht. Bis sie zurückschlägt und mit ihrem Geliebten den perfekten Mord plant und ausführt. Doch es gibt einen Zeugen. Und dieser Zeuge ist fasziniert von der Lust zu töten. Er glaubt, endlich Gleichgesinnte für seine perversen Vorlieben gefunden zu haben. Die Amokjagd beginnt ...

Jack Ketchum ist das Pseudonym des ehemaligen Schauspielers, Lehrers, Literaturagenten und Holzverkäufers Dallas Mayr. Er gilt heute als einer der absoluten Meister des Horror-Genres. 2011 wurde er zum Grand Master der World Horror Convention ernannt. Er erhielt fünfmal den Bram Stoker Award, sowie 2015 den Lifetime Achievement Award der Horror Writers Association. Jack Ketchum verstarb am 24. Januar 2018 in New York City, New York.

2


Manchmal fragte sich Susan, wer dieser Fremde neben ihr war.

In diesem Augenblick etwa. Sie waren auf dem Smuggler’s Notch unterwegs und würden bald den Teich auf der sanften Anhöhe erreichen. Den Pfad säumten Ahornbäume, man konnte auch den Duft der Pinien und Tannen wahrnehmen, die entlang der Klippen wuchsen. Es war ein schöner, klarer Julitag – nach dem langen Regen einer der ersten wirklich schönen Tage des Jahres. Sie gingen nebeneinander den kleinen Berg hinauf.

Wayne schien schlechte Laune zu haben. Bisher hatte er kaum ein Wort mit ihr gesprochen.

Der verdammte Zaun, dachte sie.

Es liegt bestimmt an diesem verdammten Zaun. Jede Wette.

Sie bezweifelte, dass noch irgendjemand sonst in ganz Barstow einen solchen Zaun besaß. Weiße Latten aus Birkenholz, mindestens drei Meter hoch, eine neben der anderen. Sie begrenzten sein winziges Grundstück, das die Form eines Tortenstückes hatte. Selbst an einem sonnigen Tag drang kaum ein Lichtstrahl durch die dichte Palisade. Man stand morgens um zehn auf dem Rasen und hatte unweigerlich das Gefühl, von einer düsteren Zahnreihe verschlungen zu werden.

Drei Meter hohen Zähnen.

Und das alles nur, um den Nachbarshund fernzuhalten. Das behauptete zumindest Wayne. Erst hatte sie gelacht und ihn gefragt, warum zum Teufel er diesen Zaun brauchte. Aber sie musste zugeben, dass er ganze Arbeit geleistet hatte. Die Palisade war sehr sorgfältig konstruiert und auf gewisse Weise beeindruckend. Obwohl sie keinen Sinn in diesem Zaun erkennen konnte. Er wirkte wie eine Miniaturausgabe von Fort Apache und ließ das kastenförmige Nachkriegsgebäude dahinter, das er von seiner Mutter geerbt hatte, im Vergleich dazu winzig aussehen.

Das einzige Problem waren die Nachbarskinder, die die Latten herausrissen und mitnahmen, nachdem er sie nachts aufgestellt hatte. Bis jetzt hatte er drei oder vier Planken ersetzen müssen. Oder waren es fünf gewesen?

Wayne verdächtigte die Kinder der Leighs, die zwei Häuser weiter wohnten. Aber er hatte keine Beweise. Trotzdem grübelte er die Hälfte seiner Zeit über diese Angelegenheit.

An einem so schönen Tag!

Der Pfad führte an der Seite des Berges hinauf und mündete in eine Lichtung. Kurzes, dickes, vom Wind zerrauftes Gras wuchs spärlich auf dem dürren, felsigen Erdboden. Durch eine Reihe Pappeln am Ende der Klippe (Wayne nannte ihr Holz Scheißholz, weil es so schnell verbrannte und kaum Wärme spendete) konnte sie einen Blick auf den Fußweg werfen, über den sie gekommen waren. Obwohl sie etwa zehn Minuten gelaufen waren, kam ihr der Pfad wegen des fast senkrechten Abgrunds dazwischen viel näher vor.

»Können wir einen Moment Pause machen?«, fragte sie.

»Warum? Wir sind gleich da.«

»Nur einen Moment.«

Erst als sie stehen blieb, bemerkte sie, wie kühl es hier oben war. Der Rücken ihrer Bluse war mit Schweiß durchtränkt, sie spürte die klamme Nässe der Jeans um ihre Taille. Die kalte, stetige Brise fühlte sich wunderbar an.

»Also gut«, grunzte er.

Himmel, dachte sie. Vielen Dank.

Er nahm den Rucksack ab und ließ ihn auf den Boden fallen. Offensichtlich war es ihm egal, ob er dabei die Sandwichs darin zerquetschte. Er setzte sich auf einen Granitfelsen und trat geistesabweisend nach ein paar kleinen Steinen zu seinen Füßen.

Er könnte sich ruhig etwas mehr Mühe mit mir geben, dachte sie. Er arbeitete nachts in der Black Locust Tavern, sie tagsüber in der Mountain Lodge. Daher sahen sie sich eigentlich nur am Wochenende. Und im Juni waren die Wochenenden zum größten Teil auch noch verregnet gewesen. Sogar am 4. Juli hatte es geregnet. Nutze den Tag – dieses Motto war ihm anscheinend unbekannt.

Manchmal hatte sie allen Ernstes darüber nachgedacht, Wayne zu heiraten. Vorausgesetzt, er würde ihr einen Antrag machen. Aber für so etwas war ihre Beziehung noch zu jung. Trotzdem kam es ihr manchmal wie eine gute Idee vor. Zumindest hätte sie dann die Möglichkeit gehabt, endlich aus Walcott abzuhauen.

Aber dann fiel ihr ein, wie düster er sein konnte. Was für eine gottverdammte Nervensäge er manchmal war.

Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.

Vielleicht hätte er das Haus verkaufen sollen, nachdem seine Mutter gestorben war. Irgendwo anders hinziehen. Alle seine Nachbarn schienen ihm auf die Nerven zu gehen. Möglicherweise verbanden ihn mit der Straße, in der er wohnte, zu viele Kindheitserinnerungen. Zu viele vertraute Gesichter. Zu viele der Spielkameraden, mit denen er aufgewachsen war und die dort hängen geblieben waren. Genau wie er.

Sie hatten sich in der Bar kennengelernt, in der er hinterm Tresen stand. Nur drei Tage nach der Beerdigung seiner Mutter, wie er behauptet hatte. Sie hatte es seltsam gefunden, dass er überhaupt zur Arbeit erschienen war.

Später hatte sie ihm geholfen, das Haus auszuräumen. Der Anblick von Gegenständen, die zu einem Leben gehört hatten, das der Tod mit sich gerissen hatte, war von einer jähen, unglaublichen Tragik: Frischgewaschene Gardinen, die darauf warteten, aufgehängt zu werden. Der Scheck vom Sozialamt, der eine Stelle in einem Roman von Agatha Christie markierte – sie hatte das Buch fast beendet. Der gefüllte Hummer, der in der Tiefkühltruhe in Alufolie gewickelt auf einen besonderen Anlass wartete.

Ihr Lieblingsgericht, hatte Wayne gesagt.

Es lag etwas abgrundtief Falsches in der Tatsache, dass diese Frau, die sie niemals kennengelernt hatte, keine Gelegenheit mehr haben würde, die Vorhänge aufzuhängen, den Scheck einzulösen, das Buch zu Ende zu lesen oder den Hummer zu essen. Dieses Gefühl riss sie so sehr mit, dass sie Wayne für eine Weile allein arbeiten ließ und auf den Hof ging, um sich ordentlich auszuheulen.

Sie erkannte, dass das Leben in Wirklichkeit nur eine überschaubare Menge an Zeit bedeutete. Man selbst bestimmte diese Menge. Als wären die Menschen nur ein Haufen Uhren, die alle auf eine andere Zeit eingestellt waren und unaufhaltsam ihrem Ende entgegentickten. Mit einem Mal fühlte sie sich sehr traurig und einsam.

Ganz allein dort zu leben, seit vier Monaten schon – das musste ihn einfach deprimieren. Zwangsläufig. Man kann die Erinnerungen von fünfundzwanzig Jahren nicht einfach so über Bord werfen.

Deshalb ist er so, wie er ist, dachte sie.

So nachdenklich. Grüblerisch.

Deshalb und vielleicht auch aufgrund der Tatsache, dass er betrunken am Steuer erwischt worden war. Jetzt hatte der Arme noch nicht einmal mehr einen Führerschein.

Was bedeutete, dass er ein Vermögen für Taxis ausgeben musste.

Aber ich habe ihn noch nie weinen sehen, dachte sie. Nicht ein einziges Mal.

Andererseits würde sie nicht zulassen, dass er ihr die Stimmung vermieste. Nicht an einem so schönen Tag, an dem die Luft klar, die Sonne warm war und eine leichte Brise wehte.

Sie wusste schon, wie sie ihn aufheitern konnte. Wenn auch nur für kurze Zeit.

Sie waren ganz allein hier oben. Niemand war zu sehen. Der Zeitpunkt war einfach perfekt.

Ein kleines Abenteuer, das unter Umständen ein langes Nachspiel haben konnte.

»Hey, Wayne«, sagte sie.

Er sah mit ausdrucksloser Miene zu ihr auf.

Sie schenkte ihm trotzdem ein Lächeln.

Dann zog sie ihre Bluse aus der Jeans und spürte den kühlen Wind, der über ihren Bauch glitt, während sie die Hose aufknöpfte.

Der Wind kitzelte sie und brachte sie zum Kichern.

Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Hose und ging zu ihm hinüber.

 

So schlimm wie diesmal war es noch nie gewesen.

Sie lag vor ihm auf dem Boden. Nackt. Er hatte ihre Beine weit gespreizt, drang in sie ein. Er tat ihr weh. Die Bluse, die sie unter sich gelegt hatte, konnte es nicht verhindern. Er konnte an ihrem Gesicht ablesen, dass sie einerseits erregt war – andererseits waren ihr die Kiesel und Steinchen und das andere Zeug, das sich durch das Gras in ihre blassen Hinterbacken bohrte, offensichtlich ziemlich unangenehm. Also stieß er noch härter zu und ließ sie bei jedem Stoß sein Gewicht spüren. Er wollte sie verletzen, wollte, dass sie blutete. Dass ihre Schultern bluteten. Dass ihr Rücken blutete. Dass ihr Arsch blutete. Er wollte …

irgendetwas, damit er diesen verdammten Schmerz loswurde, der in den Rückenmuskeln anfing, sich über sein Genick fortsetzte und schließlich wie ein Frachtzug in seinen Kopf rauschte, sodass er das Gefühl bekam, Brocken seines Gehirns würden aus seinen Ohren, seiner Nase und seinen Augen spritzen.

Himmel!

Es war schlimm. Jedes gottverdammte Mal. Aber diesmal war es noch schlimmer als sonst.

Der absolute Killer.

 

Der Schmerz hatte keine Bedeutung.

Es gab so vieles, an das sie denken konnte. Der Schmerz war nur eines davon – unbedeutend. Sie konnte an seinen Atem in ihrem Mund denken, an das Gefühl, da unten ausgefüllt zu sein. Sie konnte an den Geschmack seines Schweißes auf ihren Lippen denken und an das dunkle Haar, das sich in Wellen auf seinen Unterarmen kräuselte. An seinen schmalen, gut aussehenden Körper, angespannt und erregt, seinen Geruch, an die Dinge, über die sie redeten, wenn er von seinen Hoffnungen, Träumen und seinen Zukunftsplänen erzählte. Er war kein besonders guter Barkeeper, und er wusste es auch. Ihm fehlte das Talent, andere Menschen für sich zu gewinnen. Andererseits wollte er am liebsten eine eigene Kneipe eröffnen. Manchmal, wenn er es ihr erlaubte, erzählte sie von ihren Träumen, die sich um...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2014
Übersetzer Kristof Kurz
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Joyride
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amoklauf • Blutbad • eBooks • Ehe • Gewalt • Heyne Hardcore • Jagd • Komplott • Missbrauch • Mord • Plan • Psychopath • Psychothriller • Roman • Spannung • Thriller • Verbrechen
ISBN-10 3-641-14132-X / 364114132X
ISBN-13 978-3-641-14132-5 / 9783641141325
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