Die verfluchten Eier (eBook)

Roman
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2014 | 1. Auflage
144 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30860-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die verfluchten Eier -  Michail Bulgakow
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Michail Bulgakows und Alexander Nitzbergs dritter Streich: Eine beißende Satire mit bizarren Science-Fiction-Auswüchsen, die ein weiteres Mal zeigt, wie erschreckend aktuell Bulgakows Texte auch beinahe 100 Jahre nach ihrem Entstehen noch sind. Professor Pfirsichow, an der Moskauer Universität eine echte Institution auf dem Gebiet der Zoologie, macht bei seinen Forschungen eine zufällige Entdeckung: einen »roten Strahl«, der auf alles, was von ihm bestrahlt wird, eine enorm wachstumsbeschleunigende Wirkung zu haben scheint. Angesichts katzengroßer Frösche im Labor bleibt der bahnbrechende Fund nicht lange im Verborgenen: Schon bald entwendet man Pfirsichow seine Gerätschaften und der noch unerprobte Strahl wird fahrlässig eingesetzt: Denn statt der eigentlich vorgesehenen Hühnereier, die mit seiner Hilfe vergrößert und gegen den Hunger auf Moskaus Straßen verwendet werden sollen, lässt ein ebenso skrupel- wie ahnungsloser Funktionär große Mengen Reptilieneier bestrahlen ... Michail Bulgakow schrieb Die verfluchten Eier 1925 - während Stalin im Machtgefüge der Sowjetunion unaufhaltsam aufstieg, entwarf der dem späteren Diktator verhasste Schriftsteller eine bizarre Zukunftsvision (die Erzählung spielt im Jahr 1928), in der ein vermeintlicher »Lebensstrahl« schauderhafte Folgen hat und eine Armee riesenhaft mutierter Schlangen und Echsen Moskau bedroht.In Alexander Nitzbergs Neuübersetzung - nach Meister und Margarita und Das hündische Herz widmet er sich zum dritten Mal einem Werk von Bulgakow - kommt der gesamte Reichtum der Sprache des russischen Jahrhundertautors zur Geltung. Ein Buch, das Witz und Galle spuckt.

Michail Bulgakow (1891-1940) wurde erst lange nach seinem Tod berühmt. Seine wichtigsten Werke durften zu Lebzeiten nicht erscheinen. Der Weltklassiker Meister und Margarita, an dem er die letzten zwölf Jahre vor seinem Tod geschrieben hatte, erschien, zudem in zensierter Fassung, in der UDSSR erst 1968. Die weiße Garde war Bulgakows erster Roman und diente als Grundlage für sein Theaterstück Die Tage der Geschwister Turbin - zu dessen größten Bewunderern Stalin gehört haben soll, der es sich angeblich 15 Mal ansah.Bei Galiani Berlin erschienen von Bulgakow - neu übersetzt von Alexander Nitzberg - Meister und Margarita (2012), Das hündische Herz (2013), Die verfluchten Eier (2014) und Die weiße Garde (2018).

Michail Bulgakow (1891–1940) wurde erst lange nach seinem Tod berühmt. Seine wichtigsten Werke durften zu Lebzeiten nicht erscheinen. Der Weltklassiker Meister und Margarita, an dem er die letzten zwölf Jahre vor seinem Tod geschrieben hatte, erschien, zudem in zensierter Fassung, in der UDSSR erst 1968. Die weiße Garde war Bulgakows erster Roman und diente als Grundlage für sein Theaterstück Die Tage der Geschwister Turbin – zu dessen größten Bewunderern Stalin gehört haben soll, der es sich angeblich 15 Mal ansah. Bei Galiani Berlin erschienen von Bulgakow - neu übersetzt von Alexander Nitzberg - Meister und Margarita (2012), Das hündische Herz (2013), Die verfluchten Eier (2014) und Die weiße Garde (2018). Alexander Nitzberg gehört zu den wichtigsten Übersetzern u.a. aus dem Russischen. Er hat mit seinen Gedichten und Übertragungen russischer und englischer Klassiker wie Daniil Charms und Edmund Spenser auf sich aufmerksam gemacht und sorgte zuletzt mit seinen Neuübersetzungen von Bulgakows Meister und Margarita und Das hündische Herz sowie Sawinkows Das fahle Pferd und Das schwarze Pferd für Furore. 2019 erhielt er den Österreichischen Staatspreis für literarisches Übersetzen. Zuletzt erschien Bulgakows Die weiße Garde in einer Neuübersetzung Nitzbergs bei Galiani Berlin (2018).

Kapitel II Das bunte Gekräusel


Wie gesagt, der Professor entfachte oben die matte Kugel und sah sich um. Entfachte den Reflektor an dem langen Versuchstisch, zog den weißen Kittel an, ließ irgendwelche Instrumente klirren …

Viele der insgesamt 30-tausend mechanischen Fahrzeuge, die sich im Jahr 28 in Moskau tummelten, huschten an der Herzen-Straße vorbei, über dem glatten Holzpflaster[15] raschelnd, außerdem rollte allaugenblicklich von der Herzen zur Mochowaja mit Gedröhn und Geknirsch eine Tram – die Nummer 16, 22, 48, manchmal auch 53. Ein matter silbriger Halbmond warf durchs Spiegelfenster des Kabinetts – von fern, von der finstren und schweren Haube der Christ-Erlöser-Kathedrale[16] – sein schillerndes Licht.

Doch weder er noch das Moskauer Frühlingsrauschen beschäftigten jetzt Professor Pfirsichow. Auf einem sich schraubenden dreigebeinten Stuhl sitzend, drehte er mit seinen tabakgebräunten Fingern am Rad eines prächtigen ZeissMikroskops, gerichtet auf ein gewöhnliches frisches ungefärbtes Amöbenpräparat. In der Sekunde, als Pfirsichow die Vergrößerung von 5- auf 10-tausend schob, ging die Tür einen Spaltbreit auf, dahinter erschien das spitze Bärtchen, der lederne Brustschutz, und sein Assistent rief:

– Wladimir Ipatjewitsch, das Gekröse wäre jetzt so weit, einen Blick gefällig?

Pfirsichow rutschte sogleich vom Stuhl, ließ die Zahnstange des Mikroskops auf halber Strecke, rollte die Papirossa zwischen den Fingern und begab sich ins Kabinett des Assistenten. Dort, auf dem Glastisch, halb erdrosselt, halb vor Angst und Schmerzen erstarrt, auf einem Stativ aus Kork gekreuzigt, hing ein Frosch, und seine glimmrig durchschimmernden Innereien waren aus dem blutigen Bauch unter das Mikroskop gespannt.

– Prima –, sprach Pfirsichow und presste seine Pupille ans Okular.

Offenbar zeigte sich im Froschgekröse etwas hochgradig Kurioses, und zwar dort, wo durch die Bahnen der Gefäße, in voller Sicht, lebende Blutbällchen trippelten. Pfirsichow vergaß seine Amöben, geschlagene 1½ Stunden lang beugte er sich, abwechselnd mit Iwanow, über die Linse des Mikroskops. Dabei warfen sich die beiden Gelehrten flinke, doch für das einfache Volk unverständliche Wörter zu.

Endlich riss sich Pfirsichow vom Mikroskop los und sagte:

– Das Blut gerinnt, tja, nichts zu machen.

Der Frosch wackelte schwer mit dem Kopf, und in seinen erlöschenden Augen waren deutlich die Worte zu lesen: »Ihr Schweinehunde, ihr …«

Pfirsichow stand auf, brachte die eingeschlafenen Beine wieder in Form, kehrte ins Kabinett zurück, gähnte, rieb mit den Fingerspitzen die ewig angeschwollenen Lider, sank auf den Stuhl und führte die Hand bereits an die Zahnstange, doch bewegte sie nicht. Mit dem rechten Auge erblickte Pfirsichow die mattweiße Scheibe und darauf die milchigen und fahlen Amöben, aber da – in der Scheibenmitte – da war es – da saß dieses bunte Gekräusel, ähnlich einer Damenlocke. Das Gekräusel hatte Pfirsichow selbst – wie auch Hunderte seiner Schüler – sehr, sehr oft zu Gesicht bekommen, ohne sich dafür zu begeistern – wozu auch? Die farbige Lichtgarbe störte bloß die Beobachtung und machte deutlich, das Präparat sei nicht scharf fixiert. Darum wurde es gnadenlos mit einer einzigen Drehung der Schraube hinweggefegt, indem man das Feld mit gleichmäßig weißem Licht überflutete. Die langen Finger des Zoologen waren schon ans Gewinde gelegt, erbebten auf einmal und glitten ab. Die Ursache: Pfirsichows rechte Pupille – gespannt, erstaunt, ja mit Sorge erfüllt. Nicht eine von diesen talentlosen Nullen saß jetzt hier vor dem Mikroskop. Nein, zum Leide des neuen Staats war es Professor Pfirsichow selbst! Sein Leben, sein Geist sammelten sich ganz und gar in der rechten Pupille. 5 Minuten lang, in steinerner Stummheit, sah das höhere Wesen herab auf das niedere, quälte, strengte sein Auge an mit dem unscharf fixierten Präparat. Rings schwieg alles. Pankrat tat ein Nickerchen in seinem Dienstraum im Eingangsbereich, einmal schepperten in der Ferne die Schrankfenster mit zartem Cantabile, verursacht von Iwanow, der sein Kabinett verriegelte. Danach stöhnte die Außenpforte. Erst dann ertönte die Stimme des Professors. Wen er fragte, ist nicht bekannt.

– Was ist los? Ich verstehe rein gar nichts mehr …

Ein später Lastwagen passierte die Herzen-Straße und brachte die alten Institutsfenster zum Wackeln. Die flache Glasschale mit Pinzetten rasselte leise auf dem Tisch. Der Professor erblasste und hielt seine Hände schützend über das Mikroskop, wie eine Mutter über ihr Kleines, das in Gefahr ist. Davon, dass er, Pfirsichow, weiter an dem Schräubchen drehte, konnte keine Rede mehr sein, mitnichten, jetzt fürchtete er sogar, eine fremde Macht könnte das, was er sah, plötzlich aus seinem Gesichtsfeld stoßen.

Es war ein kräftiger weißer Morgen, die cremefarbenen Stufen des Instituts schnitt ein goldener Streifen entzwei, als der Professor vom Mikroskop abrückte und steif ans Fenster trat. Mit zitternden Fingern betätigte er einen Knopf, und die schwarzen dichten Vorhänge schlossen den Morgen, schon erstand im Kabinett die weise gelehrte Nacht. Der gelbe und inspirierte Pfirsichow machte die Beine breit und begann zu reden, wobei er seine tränenden Augen die ganze Zeit über zu Boden senkte:

– Wie geht das? Einfach nur ungeheuerlich! … Ja, meine Herren, ungeheuerlich –, wiederholte er, an die Kröten gewandt, welche da im Terrarium saßen, doch die Kröten schliefen und würdigten ihn keiner Antwort.

Er schwieg eine Weile und näherte sich dem Schalter, zog die Vorhänge hoch, löschte sämtliche Lichter und tat erneut einen Blick durchs Mikroskop. Sein Gesicht war gespannt, er runzelte die buschigen gelben Brauen.

– Hmm-hmm –, brummelte er, – und futsch. Verstehe. Verste-e-ehe –, näselte er, im wahnhaften Rausch die erloschene Kugel über seinem Kopf betrachtend, – einfach futsch.

Und wieder ließ er die zischelnden Vorhänge herunter und entfachte die leuchtende Kugel. Schaute durchs Mikroskop hindurch, worauf er mit raubtierhafter Freude die Zähne fletschte.

– Ich schnapp dich schon –, verkündete er feierlich mit erhobenem Zeigefinger, – ich schnapp dich. Hmm, vielleicht die Sonne.

Wieder schwirrten die Vorhänge hoch. Die Sonne war jetzt ganz eklatant. Überflutete munter die Institutsmauern und legte sich schief auf das Herzen-Pflaster. Der Professor schaute hinaus und grübelte, wo die Sonne am Tag wohl sein würde. Mal wich er zurück, mal trat er näher, tänzelte leicht und sackte schließlich mit dem Bauch nach vorn aufs Fensterbrett.

Begann ein bedeutsames Mysterium. Bedeckte das Mikroskop mit einer gläsernen Haube. In der bläulichen Brennerflamme ließ er ein Stück Siegellack schmelzen und stempelte die Ränder der Glocke an der Tischplatte fest, wobei er die Siegellackflecken mit seinem Daumenabdruck versah. Knipste das Gas aus, schritt hinaus, verriegelte noch das Sicherheitsschloss.

Zwielicht im Flur des Instituts. Der Professor erreichte das Zimmer von Pankrat und klopfte daran lange und fruchtlos. Endlich erklang hinter der Tür, ähnlich dem Knurren eines Kettenköters, glucksendes Geröchel, und Pankrat – in gestreifter Hose, geschnürt an den Knöcheln – erschien in einem Klecks aus Licht. Wild glotzte er den Gelehrten an und jaulte noch ein wenig vom Schlaf.

– Pankrat –, sprach der Professor und blickte über seine Brille hinweg, – tut mir leid, dass ich dich wecken muss. Folgendes, Freundchen, morgen früh wird mein Zimmer auf keinen Fall betreten. Ich arbeite dort an einem Projekt, das nicht angerührt werden darf. Verstanden?

– Jau-u-uh, ve-verstanden –, schnauzte Pankrat, ohne irgendwas zu verstehen. Er torkelte und schnaufte.

– Nein, hör mal, Pankrat, nicht geschlafen! –, sagte der Zoologe und schubste Pankrat einige Male leicht in die Rippen, woraus bei jenem im Gesicht Furcht erwuchs und eine gewisse Spur von Vernunft in den Augen. – Das Kabinett habe ich zugesperrt –, setzte Pfirsichow fort, – also nicht aufräumen, bis ich wieder da bin. Verstanden?

– Jawohl –, keuchte Pankrat.

– Na prima, dann leg dich wieder schlafen.

Pankrat machte kehrt, verschwand in der Tür und fiel sogleich über das Bett her, der Professor aber begab sich in den Eingangsbereich und zog sich dort an. Da stand er im grauen Sommermantel, mit weichem Hut, erinnerte sich an das Schauspiel im Mikroskop und starrte ein paar Augenblicke seine Galoschen an, so, als sähe er sie zum ersten Mal. Er zog die linke an und versuchte, über die linke die rechte zu stülpen, allein sie passte nicht.

– Welch ein ungeheurer Zufall, dass er mich unbedingt rufen musste –, sagte der Wissenschaftler, – sonst hätte ich es nie und nimmer bemerkt. Was aber verspricht es? … Weiß der Teufel, was es verspricht! …

Der Professor schmunzelte, sah die Galoschen mit zusammengekniffenen Augen an, zog die linke aus und die rechte an. – Mein Gott! Die Folgen, nicht auszumalen … – Der Professor stieß voller Verachtung seine linke Galosche von sich, sie ärgerte ihn, da sie sich weigerte, über die rechte zu passen, und begab sich zum Ausgang in nur einer Galosche. Zugleich verlor er sein Taschentuch, trat hinaus und ließ die schwere Tür knallen. Auf den Stufen durchwühlte er noch lange seine Taschen nach einer Streichholzschachtel, wobei er sich auf die Schenkel klatschte, fand sie und marschierte los mit einer unangezündeten Papirossa im Mund.

Kein Mensch begegnete dem Wissenschaftler unterwegs bis zur...

Erscheint lt. Verlag 14.8.2014
Übersetzer Alexander Nitzberg
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte ??????? ???? • Das hündische Herz • Forschung • Meister und Margarita • Michail Bulgakow • Moskau • Neuübersetzung • Sowjetunion • Stalin • Wissenschaft • Zukunftsvision
ISBN-10 3-462-30860-2 / 3462308602
ISBN-13 978-3-462-30860-0 / 9783462308600
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