'Wenn das so weitergeht ...' (eBook)

Erzählung
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-16984-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

'Wenn das so weitergeht ...' -  Robert A. Heinlein
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Vom Gläubigen zum Revolutionär
John Lyle ist ein junger Offizier in der Garde des Propheten, des theokratischen Präsidenten der Erde. Sein blinder Glaube an den vermeintlich göttlichen Führer bröckelt immer mehr, besonders, nachdem John sich in eine der Jungfrauen des Propheten, Schwester Judith, verliebt. Als die Affäre auffliegt, werden sie hart bestraft, und John erkennt immer mehr, dass seine einzige Chance, Judith je wiederzusehen, im Umsturz des bestehenden Systems liegt ...

Der Roman ''Wenn das so weitergeht ...'' erscheint als exklusives E-Book Only bei Heyne und ist zusammen mit weiteren Stories und Romanen von Robert A. Heinlein auch in dem Sammelband 'Die Geschichte der Zukunft' enthalten. Er umfasst ca. 190 Buchseiten.

Robert A. Heinlein wurde 1907 in Missouri geboren. Er studierte Mathematik und Physik und verlegte sich schon bald auf das Schreiben von Science-Fiction-Romanen. Neben Isaac Asimov und Arthur C. Clarke gilt Heinlein als einer der drei Gründerväter des Genres im 20. Jahrhundert. Sein umfangreiches Werk hat sich millionenfach verkauft, und seine Ideen und Figuren haben Eingang in die Weltliteratur gefunden. Die Romane Fremder in einer fremden Welt und Mondspuren gelten als seine absoluten Meisterwerke. Heinlein starb 1988.

1

Es war kalt auf dem Wall. Ich schlug meine erstarrten Hände zusammen und hörte aus Angst, den Propheten zu stören, gleich wieder damit auf. In dieser Nacht hatte ich meinen Posten genau vor seinen Privaträumen, und diesen Posten hatte ich mir errungen, indem ich bei der Wachablösung mehr als die übliche Sorgfalt auf vorschriftsmäßige Kleidung und zackiges Benehmen verwandt hatte … Aber jetzt wünschte ich mir durchaus nicht, Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

Ich war damals jung und nicht allzu helle – ein frisch von West Point gekommener Legat und Gardist bei den Engeln des Herrn, der Leibgarde des inkarnierten Propheten. Bei meiner Geburt hatte meine Mutter mich der Kirche geweiht, und als ich achtzehn war, hatte mein Onkel Absolom, ein Senior-Laienzensor, vom Ältestenrat eine Berufung an die Militär-Akademie für mich erwirkt.

In West Point hatte es mir gefallen. Oh, ich hatte an dem üblichen Gemecker unter den Kameraden teilgenommen, an den beinahe rituellen Beschwerden, die es bei allen militärischen Einrichtungen gibt, aber in Wahrheit sagte mir der klösterliche Tagesablauf zu: Aufstehen um fünf, zwei Stunden Gebet und Meditation, dann Unterricht in den zahlreichen Themen einer militärischen Ausbildung, Strategie und Taktik, Theologie, Mob-Psychologie, Mirakel für Anfänger. Am Nachmittag übten wir mit Vakuum-Gewehren und Lasern, exerzierten mit Panzern und ertüchtigten unsere Körper.

Mein Abschlusszeugnis war keins von den besten, und ich hatte im Grunde nicht damit gerechnet, zu den Engeln des Herrn berufen zu werden, obwohl ich mich darum beworben hatte. Aber ich hatte immer erstklassige Noten in Frömmigkeit bekommen und war recht gut in den meisten praktischen Fächern. Ich wurde also erwählt. Es erfüllte mich mit einem beinahe sündhaften Stolz – das heiligste Regiment unter den Heerscharen des Propheten, in dem noch der unterste Dienstgrad aus Offizieren bestand und dessen Chef, des Propheten triumphierendes Schwert, der Marschall aller Heerscharen war. An dem Tag, als mir der glänzende Schild und der Speer verliehen wurden, Waffen, die nur die Engel trugen, gelobte ich, sobald die Beförderung zum Captain mir das Recht dazu gab, einen Antrag auf Zulassung zum Priesteramt zu stellen.

In dieser Nacht nun, Monate später, glänzte mein Schild immer noch hell, aber auf meinem Herzen war ein Fleck. Irgendwie war das Leben in New Jerusalem nicht so, wie ich es mir in West Point vorgestellt hatte. Palast und Tempel brodelten vor Intrigen und Politik; Priester und Diakone, Staatsminister und Palastfunktionäre beteiligten sich anscheinend alle an dem Gerangel um Macht und die Gunst des Propheten. Sogar die Offiziere meines eigenen Korps waren davon angesteckt. Unser stolzes Motto »NON SIBI, SED DEI« hatte jetzt in meinem Mund einen üblen Beigeschmack bekommen.

Nicht etwa, dass ich selbst ohne Sünde gewesen wäre. Zwar hatte ich an dem Kampf um weltliche Vorteile nicht teilgenommen, aber ich hatte etwas getan, wovon ich in meinem Innern wusste, dass es schlimmer war: Ich hatte eine geweihte Schwester mit Verlangen angesehen.

Bitte, verstehen Sie mich besser, als ich mich damals selbst verstand. Ich war körperlich ein erwachsener Mann, an Erfahrung jedoch ein Kind. Meine Mutter war die einzige Frau, die ich jemals näher gekannt hatte. Als Junge, bevor ich nach West Point ging, hatte ich mich im Junioren-Seminar vor Mädchen beinahe gefürchtet. Meine Interessen verteilten sich auf die Schule, meine Mutter und den Cherubim-Trupp unserer Gemeinde, in dem ich Patrouillenführer und eifriger Gewinner von Medaillen auf allen Gebieten vom Holzschnitzen bis zum Auswendiglernen aus der Bibel war. Wenn es eine Medaille über das Thema Mädchen zu gewinnen gegeben hätte … Aber das gab es natürlich nicht.

Auf der Militär-Akademie sah ich absolut keine weiblichen Wesen, auch hatte ich nicht viel an schlechten Gedanken zu beichten. Meine menschlichen Gefühle waren noch eingefroren, und meine gelegentlichen unruhigen Träume betrachtete ich als Versuchungen des Satans. Aber New Jerusalem ist nicht West Point, und den Engeln war es weder verboten zu heiraten, noch schickliche und gesetzte Beziehungen zu Frauen zu unterhalten. Sicher, die meisten meiner Kameraden kamen nicht um Heiratserlaubnis ein, da das die Versetzung zu einem der regulären Regimenter bedeutet hätte und viele von ihnen den Ehrgeiz hatten, Militärpriester zu werden. Doch verboten war es nicht.

Auch den Laien-Diakonissen, die in Tempel und Palast die hauswirtschaftlichen Arbeiten verrichteten, war eine Heirat nicht verboten. Die meisten waren alt und reizlos. Sie erinnerten mich an meine Tanten und kamen als Gegenstand romantischer Träume nicht infrage. Ich plauderte gelegentlich mit ihnen auf den Fluren, daran war nichts Böses. Aber ich fühlte mich auch von keiner der wenigen jüngeren Schwestern besonders angezogen – bis ich Schwester Judith begegnete.

Vor mehr als einem Monat hatte ich auch an dieser Stelle Wache gestanden. Es war das erste Mal, dass mir der Platz vor den Privaträumen des Propheten zugewiesen worden war, und wenn mich das anfangs auch nervös gemacht hatte, beunruhigte mich in diesem Augenblick doch weiter nichts als die Möglichkeit, der Wachhabende könne auf seiner Runde vorbeikommen.

An diesem Abend hatte weit hinten im inneren Flur genau gegenüber meinem Posten ein helles Licht geleuchtet, und ich hatte gehört, dass Leute in Bewegung waren. Ein Blick auf mein Armband-Chronometer – ja, das mussten die Jungfrauen sein, die dem Propheten dienten. Das ging mich nichts an. Jeden Abend um zehn Uhr hatten sie Schichtwechsel – ich nannte es ihre »Wachablösung«, obwohl ich die Zeremonie nie gesehen hatte und nie zu sehen bekommen würde. Eigentlich wusste ich nicht mehr darüber, als dass diejenigen, die die nächsten vierundzwanzig Stunden Dienst hatten, zu dieser Zeit Lose um das Vorrecht zogen, den inkarnierten Propheten zu bedienen.

Ich hatte kurz hingehört und mich abgewandt. Vielleicht eine Viertelstunde später schlüpfte eine zarte Gestalt, eingehüllt in einen dunklen Mantel, an mir vorbei, stellte sich an die Brüstung und sah zu den Sternen empor. Ich zog sofort meinen Laser und steckte ihn verlegen wieder weg, denn ich sah, dass es eine Diakonisse war.

Ich hielt sie für eine Laien-Diakonisse; ich schwöre, dass es mir nicht in den Sinn kam, sie könne eine heilige Diakonisse sein. Nirgendwo in meinem Parolebuch stand geschrieben, ich müsse Schwestern, die nach draußen kamen, wieder hineinschicken, aber ich hatte noch nie gehört, dass eine es getan habe.

Sie hatte mich wohl gar nicht gesehen, bevor ich sie ansprach. »Friede sei mit Ihnen, Schwester.«

Sie zuckte zusammen und unterdrückte einen Aufschrei. Dann raffte sie ihre Würde zusammen und antwortete: »Und mit Ihnen, kleiner Bruder.«

Erst da bemerkte ich auf ihrer Stirn das Siegel Salomons, das Zeichen der Familie des Propheten. »Verzeihung, ältere Schwester. Ich hatte es nicht gesehen.«

»Ich bin nicht gekränkt.« Mir kam es vor, als wolle sie sich gern unterhalten. Natürlich schickte es sich nicht für uns, ein Privatgespräch zu führen. Ihr sterbliches Sein war dem Propheten ebenso geweiht wie ihre Seele dem Herrn, aber ich war jung und einsam – und sie war jung und sehr hübsch.

»Bedienen Sie heute Abend den Heiligen, ältere Schwester?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, die Ehre ist an mir vorbeigegangen. Mein Los wurde nicht gezogen.«

»Es muss ein großes und wundervolles Vorrecht sein, ihm persönlich zu dienen.«

»Zweifellos, obwohl ich es nicht aus eigenem Wissen sagen kann. Mein Los ist bisher noch nie gezogen worden.« Impulsiv setzte sie hinzu: »Das macht mich ein bisschen nervös. Ich bin noch nicht lange hier, wissen Sie.«

Obwohl sie im Rang über mir stand, rührte es mich, dass sie ihre weibliche Schwachheit zugab. »Ich bin überzeugt, dass Sie sich lobenswert betragen werden.«

»Ich danke Ihnen.«

Wir plauderten weiter. Wie sich herausstellte, war sie noch nicht einmal so lange in New Jerusalem wie ich. Sie war auf einer Farm im oberen Staat New York aufgewachsen, und im Albany-Seminar war sie dem Propheten geweiht worden. Ich wiederum erzählte ihr, dass ich im mittleren Westen geboren bin, keine fünfzig Meilen vom Brunnen der Wahrheit entfernt, wo der Erste Prophet sich inkarnierte. Dann teilte ich ihr mit, mein Name sei John Lyle, und sie antwortete, sie werde Schwester Judith genannt.

Ich hatte den Wachhabenden und seine verflixten Runden völlig vergessen und hätte die ganze Nacht weiterplaudern können, als mein Chronometer die Viertelstunde läutete. »Ach du meine Güte!«, rief Schwester Judith aus. »Ich hätte sofort in meine Zelle zurückkehren müssen.« Sie wollte forteilen, doch dann blieb sie noch einmal stehen. »Sie werden mich doch nicht verraten … John Lyle?«

»Ich? Oh, niemals!«

Für den ganzen Rest der Wache hatte ich an sie gedacht. Als der Wachhabende tatsächlich vorbeikam, war ich eine Spur weniger zackig als sonst.

Das ist sehr wenig, um darüber den Kopf zu verlieren, nicht wahr? Doch ein einziges Glas ist sehr viel für einen Abstinenzler; ich war nicht imstande, Schwester Judith aus meinen Gedanken zu verbannen. In dem nun...

Erscheint lt. Verlag 11.5.2015
Übersetzer Rosemarie Hundertmarck
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel „If this goes on –"
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte diezukunft.de • eBooks • Future History • Geschichte der Zukunft • Revolution • Robert A. Heinlein
ISBN-10 3-641-16984-4 / 3641169844
ISBN-13 978-3-641-16984-8 / 9783641169848
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