Tief durchatmen beim Abtauchen (eBook)

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2016 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-55171-8 (ISBN)
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Zwei Freundinnen auf der Suche nach der Sonnenseite des Lebens Juliane hat alles im Griff. Erfolgreich im Job, perfekt organisiert im Privaten. Überraschungen jeder Art sind ihr verhasst, Abweichungen nicht vorgesehen. Sogar Freund Alex lässt sie lieber ziehen als auch nur das kleinste Zugeständnis zu machen. So geht es nicht weiter, beschließt ihre beste Freundin Lisa und entwickelt einen Rettungsplan: Juliane soll im Urlaub auf einer Insel im Atlantik einfach mal tief durchatmen. Tatsächlich spürt Juliane die Magie der Insel und lässt sich zur eigenen Verblüffung vom Leben überraschen. Derweil steht Lisa zuhause plötzlich vor den Trümmern ihrer heilen Welt. Das eigene Glück ist ihr abhanden gekommen, sie bräuchte jetzt dringend einen Rettungsplan für sich selbst ...

Bettina Haskamp wurde 1960 im niedersächsischen Oldenburg geboren. Die ehemalige Journalistin entschied sich nach einer drei Jahre dauernden Reise von Europa nach Brasilien auf einem selbstgebauten Katamaran endgültig für ein Leben außerhalb eines festen Korsetts. Ihr erstes Buch, Untergehen werden wir nicht, erschien 2002. Darin schilderte sie ihre Erlebnisse der Segelreise. Seit 2007 schreibt sie erfolgreich Frauenromane, mit «Alles wegen Werner» und «Hart aber Hilde» landete sie auf Anhieb Bestseller. Sie lebt mit Mann, Hunden und Katzen in Portugal.

Bettina Haskamp wurde 1960 im niedersächsischen Oldenburg geboren. Die ehemalige Journalistin entschied sich nach einer drei Jahre dauernden Reise von Europa nach Brasilien auf einem selbstgebauten Katamaran endgültig für ein Leben außerhalb eines festen Korsetts. Ihr erstes Buch, Untergehen werden wir nicht, erschien 2002. Darin schilderte sie ihre Erlebnisse der Segelreise. Seit 2007 schreibt sie erfolgreich Frauenromane, mit «Alles wegen Werner» und «Hart aber Hilde» landete sie auf Anhieb Bestseller. Sie lebt mit Mann, Hunden und Katzen in Portugal.

1 Ein Fährhafen am Atlantik
Nie wieder


Juliane

Natürlich hat das Kichern nichts mit mir zu tun. Ich gehöre nicht zu den Leuten, über die man kichert. Die mit den Nudelresten im Gesicht und den offenen Reißverschlüssen, das sind die anderen. Trotzdem. Ich sehe mich unauffällig um. Hat das Mädchen da drüben, das mit den verfilzten Haaren, gerade auf mich gezeigt? Ach was. Andererseits … Vielleicht hab ich Möwendreck auf der Bluse? Nein, alles bestens. Mal abgesehen davon, dass meine Füße in den neuen Stiefeletten kochen und die Sonne höllisch auf meine schwarze Jeans knallt. Nicht mehr lange, dann werde ich Brandblasen auf den Oberschenkeln bekommen. Wer rechnet denn auch Ende Oktober mit solcher Hitze? Vielleicht hätte ich etwas anderes anziehen sollen. Oder zu Hause bleiben. Wieso um Himmels willen habe ich mich von Lisa überreden lassen, ohne sie hierher zu fliegen? Es ist noch keine fünf Stunden her, dass sie mich zum Sicherheitsbereich gedrängt hat. «Du musst doch nicht deinen Urlaub sausenlassen, nur weil mein Kind krank ist. Flieg, mach dir eine schöne Zeit. Vielleicht kann ich nachkommen.» Ihr Sohn hätte sich für seinen Blinddarmdurchbruch auch einen anderen Zeitpunkt aussuchen können. Der Anruf kam genau in dem Moment, als Lisa gerade einchecken wollte. Ich selbst hatte meine Bordkarte schon in der Hand, und mein Koffer rollte eben in die Tiefen des Terminals.

Jetzt stehe ich also allein hier am Hafenbecken und warte auf die Fähre. Im trüben Wasser vor mir dümpeln Plastikflaschen und ein paar tote Fische. Hinter mir ragen Hotelburgen gen Himmel, deren Architekten meiner Ansicht nach allesamt ins Fegefeuer gehören. Genau wie all die grölenden, halbnackten, bierseligen Touristen, die in diesem Hafenort die Promenade bevölkern. Lieber Gott, mach, dass die Fähre bald kommt. Und mach auch, dass es auf der Insel besser aussieht als hier. Schlimmer geht nicht. Ich kann die Insel als dunklen Fleck am Horizont ausmachen.

Endlich. Die Schlange setzt sich in Bewegung. «Hey, passen Sie doch auf!» Fast hätte ich den Rucksack der Frau vor mir im Gesicht gehabt. Fünfzig Meter weiter links sehe ich die ersten Leute die Gangway betreten. Lauter rucksackbepackte Rücken und gut belüftete, in Gesundheitssandalen steckende Füße. Die Menschen, die auch auf die Insel wollen, sehen ganz anders aus als die Touristen von der Promenade. Aber auch ganz anders als ich. Ich bin umgeben von jungen Leuten in Batikhemden und schlabbrigen T-Shirts, von älteren Herrschaften, an deren Rucksäcken Wanderstiefel baumeln, von knackigen Mountainbikern in Lycrahosen und von Menschen, die das Wort Shampoo vermutlich im Fremdwörterlexikon nachschlagen müssten. Kann es sein, dass ich hier die einzige Frau mit Handtasche bin?

Und wo sind eigentlich die Kinderwagen? Lisa hat mir doch erzählt, auf der Insel würden jede Menge alleinerziehende Mütter Urlaub machen. «Und wo die Urlaub machen, da kann dir auch nichts passieren.» Als ob ich Angst hätte, dass mir etwas passiert. Schließlich bin ich nicht auf dem Weg zu den Urvölkern im brasilianischen Regenwald, sondern zu einer zivilisierten Insel im Atlantik. Allein. Ich war noch nie allein im Urlaub. Mit wem soll ich reden? Wieder mustere ich meine Mitreisenden. Na ja, vielleicht tut es ganz gut, mal zwei Wochen zu schweigen.

Nach weiteren zwanzig schweißtreibenden Minuten in der Schlange zerre ich meinen Rollkoffer über die Holzleisten der Gangway, lasse mich auf den nächsten freien Sitz fallen und schließe erschöpft die Augen.

«Bisschen unpraktisch, was?»

Die Stimme kommt von rechts. Unwillig mache ich die Augen wieder auf. Der Mann mag um die vierzig sein, vielleicht auch schon an die fünfzig. Schwer zu schätzen. Reichlich Haare im Gesicht, wenige auf dem Kopf. Frettchenaugen. Das fehlt noch, dass der mich dumm anmacht.

«Bitte?», frage ich spitz.

«Na, der Koffer.»

«Ich wüsste wirklich nicht, was mein Gepäck Sie angeht.» Das sage ich in meinem besten Lass-mich-bloß-in-Ruhe-Ton. Möglicherweise bin ich ein ganz kleines bisschen schlecht gelaunt. Aber für den Rest der Überfahrt habe ich meine Ruhe. Ich lasse mich vom Dröhnen der Schiffsmotoren einlullen, sauge den Geruch von Meer, Salz und Diesel auf, höre mit halbem Ohr dem Geplapper der Leute auf dem Schiff zu und fange ganz langsam an, mich zu entspannen. Vielleicht wird es ja doch ein schöner Urlaub.

Zwei Stunden später – der Bus vom Fähranleger zu meinem Ziel im Süden der Insel überwindet gerade ächzend erstaunliche Höhen – bin ich zumindest von der wechselnden Landschaft tief beeindruckt. Leuchtend grüne Terrassenfelder, schroffe Felsen, plötzlich Wald und kalter Nebel, dann wieder Sonnenstrahlen, Palmen und Bananenstauden. Doch, das hat was. Es sieht so aus, als wäre mein Flehen um Schönheit erhört worden. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass mein Draht nach oben so gut funktioniert, hätte ich nicht nur um eine ansehnliche Insel gebeten, sondern auch gleich noch um ein paar Lkw-Ladungen Asphalt.

Die sogenannte Straße von der Bushaltestelle zum nächsten Ort ist ein Schotterweg mit Millionen kleiner Steinchen. Steinchen, die nichts Besseres zu tun haben, als die Rollen meines Koffers zu blockieren. «Schöne Ferien dann.» Leichtfüßig zieht das Frettchen mit seinem Rucksack und einem breiten Grinsen an mir vorbei. Blödmann.

Der Weg will überhaupt nicht enden. Juliane, bleib ganz ruhig, du hast es fast geschafft. Jetzt musst du nur noch die Boutique von diesem Thomas finden, dann wird alles gut. Hatte ich Thomas schon erwähnt? Thomas ist ein alter Freund von Lisa und heute meine Anlaufstelle. «Der lebt schon ewig dort und kennt jeden Stein persönlich.» Viel mehr weiß ich nicht von dem Mann. Nur noch, dass er hier ein Geschäft hat und laut Lisa vom anderen Ufer ist.

So verschwitzt und schmuddelig, wie ich jetzt aussehe, kann ich mich Thomas schlecht präsentieren. Mein schwuler Chef Sebastian ist der gepflegteste Mensch, den ich kenne. Ich würde mich schämen, ihm so unter die Augen zu treten. Bevor ich Thomas treffe, will ich mich irgendwo frisch machen.

Ich ziehe also meinen nicht rollenden Rollkoffer so lange weiter, bis ich eine Reihe kleiner weißer Gebäude entdecke. An einem der Häuschen prangt eine leuchtend rote Markise und darauf die Schrift «Cafe & Bar Carlos». Unter der Markise stehen Tische und Stühle. Am Eingang verkündet ein Schild «Wir sprechen Deutsch».

Kaum sitze ich, streife ich die Stiefeletten von den Füßen. Was für eine Wohltat. Bei einer sommersprossigen jungen Frau mit Gretchenzöpfen bestelle ich Kaffee und Mineralwasser. Während ich warte, hole ich mein Smartphone aus der Handtasche und wähle die Nummer von Thomas. Nicht erreichbar. Hm. Gretchen bringt die Getränke.

«Entschuldigen Sie, wissen Sie zufällig, wo hier die Boutique von einem Thomas ist?» Dummerweise kenne ich nicht einmal seinen Nachnamen. Lisa hat mit ihm gesprochen und uns angemeldet. Sie wollte ihm noch eine SMS schreiben, dass ich allein komme.

«Nö, ich bin noch nicht so lange hier, aber oben im Dorf ist ein Klamottenladen, vielleicht ist das seiner.»

Zwei weitere Wasser und einen Kaffee später quäle ich mich wieder in die Schuhe, gehe in den winzigen Toilettenraum der Bar, staube die Stiefeletten mit einem Papiertuch ab und mache mich frisch, so gut es eben geht. Ein bisschen Puder, den Lidstrich nachziehen, den Lippenstift auch. Ein Hauch Parfüm.

«Kann ich meinen Koffer vielleicht eine Weile hier stehen lassen? Ich möchte mir das Geschäft oben im Dorf ansehen.»

«Ich übernehm aber keine Garantie.»

«Natürlich nicht.»

Oben im Dorf, das heißt präzise: einhundertzweiundsiebzig Stufen weiter oben. Ich zähle mit. Für eine passionierte Fahrstuhlfahrerin wie mich ist das hier ziemlich hart. Wenn ich jetzt keinen Blick für die autolose Idylle habe, zu der ich mich hinaufkämpfe, dann liegt das auch daran, dass ich mit dem Schweiß in meinen Augen nicht richtig gucken kann. Abgesehen davon keuche ich wie ein Dudelsack, aus dem die Luft herausgedrückt wird, was mich für landschaftliche Schönheit ungefähr so empfänglich macht wie eine unter Strom gesetzte Laborratte.

«Tienda fantastica». Die Schrift auf dem verblassten Holzschild über der Tür ist gerade noch lesbar. Ich habe keine Ahnung, ob ich hier richtig bin, aber ein anderes Geschäft, das in Frage kommt, kann ich nicht finden. Die Tür ist zu, die Fensterläden auch. Kein Schild mit Öffnungszeiten. Plötzlich wünsche ich mir, Alex wäre hier. Dann könnte ich wenigstens meinen Frust an ihm auslassen. Oder mich von seiner Gelassenheit anstecken lassen. Alex bleibt in fast jeder stressigen Situation gelassen. Auch privat. Stopp. Ich will nicht an ihn denken.

Wieder wähle ich die Nummer von diesem Thomas. Niemand nimmt ab. Warum überrascht mich das nicht? Also zurück in die Bar und warten. Gretchen verwöhnt mich mit einer persönlichen Begrüßung: «Ach, da biste ja wieder, hatte ich ganz vergessen, dir zu sagen: Jetzt ist Siesta, da sind alle Läden zu. Noch ’n Kaffee?»

Ich bin nicht mehr allein auf der Terrasse der Bar. Andere Touristen trinken Wasser, Kaffee, Säfte, lachen. Gesprächsfetzen dringen an mein Ohr. «Also die Tour gestern, die war nicht ohne, aber echt, dieser Wasserfall, der ist dermaßen irre, das lohnt sich total.» Ich schiele nach links. Die Wasserfallfreundin sieht aus, als wäre sie einem Prospekt für Outdoorbekleidung entsprungen. Nicht weit von ihr, an einem Tisch in der Ecke, erzählt ein Mädchen mit orange-grünen Haaren einer...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2016
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Carolina Conrad • Glück • Gomera • Insel • Liebe • Urlaub
ISBN-10 3-644-55171-5 / 3644551715
ISBN-13 978-3-644-55171-8 / 9783644551718
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